Die Volkspartei musste unter der Führung des Ex-Polizisten bei der Wien-Wahl eine heftige Niederlage verschmerzen. Zudem haftet ihm die Anklage in der Causa Wienwert an.
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Konsequenzen aus Wahlniederlage
Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer tritt zurück. Der Ex-Polizist und Quereinsteiger zieht die Konsequenzen aus der Wahlniederlage vom Sonntag und beendet den Dienst in der Parteizentrale in der Lichtenfelsgasse. Schon am Wahlabend hat sich abgezeichnet, dass sich sein Wunsch nach einem Wechsel in die Stadtregierung für ihn eher nicht erfüllen wird. Damit endet eine vergleichsweise kurze Polit-Karriere.
Begonnen hat Mahrers Laufbahn 1974 in der Sicherheitswacheabteilung Ottakring. Später wurde er Wiener Landespolizeikommandant, noch später Landespolizeivizepräsident. 2017 zog er dann als politischer Quereinsteiger für die ÖVP in den Nationalrat ein. Ex-ÖVP-Bundesparteiobmann Sebastian Kurz bezeichnete den damals 62-Jährigen nicht nur als Experten für Sicherheit, sondern auch als Signal an die Senioren.
Überraschender Wechsel an Spitze der Stadt-ÖVP
2021 erfolgte dann ein weiterer, durchaus überraschender Wechsel an die Spitze der Stadt-ÖVP. Ursache für die Rochade war das Ausscheiden von Gernot Blümel - er hatte angesichts der ÖVP-Turbulenzen und Kurz' Rücktritt ebenfalls das Handtuch geworfen. Mahrer entschied sich für einen Wechsel ins Rathaus und wurde nicht amtsführender Stadtrat. Er deklarierte sich dabei gleichzeitig als ÖVPler des neuen und alten Schlags: „Ich bin ein Schwarzer, weil ich seit 46 Jahren bei der Partei bin, und ich bin ein Türkiser, weil mich Sebastian Kurz in die Politik geholt hat.“
In Wien beschäftigte er sich weiterhin mit der – seines Erachtens teils mangelnden – Sicherheit. Als Kind wollte der freundlich auftretende ÖVP-Chef Stadtbahnfahrer werden. In der U6, die heute die Strecke der Stadtbahn befährt, fühlte er sich allerdings zuletzt unsicher. Zudem kritisierte er die Situation der Sprachförderung in Kindergärten und die vergleichsweise hohen Sozialleistungen, die zu einem Zuzug von Flüchtlingen nach Wien führen würden. Ebenso beklagte er die Klebeaktionen der mittlerweile nicht mehr aktiven Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“.
„Reines Gewissen“ in Causa Wienwert
Aufgefallen ist der ÖVP-Obmann durch einige Videos. Dabei ortete er eine Machtübernahme am Brunnenmarkt durch Syrer, Afghanen und Araber und äußerte Sorge vor einer „No-Go-Zone“ in Favoriten. Damit handelte er sich – vor allem vom politischen Mitbewerb – Rassismus-Vorwürfe ein. Zuletzt fand sich Mahrer gar im Rechtsextremismusbericht des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands wieder: In seinen Aussagen hatten die Identitären einige ihrer Argumente wiedererkannt.
Auch in der Causa Wienwert steht Mahrer in der Kritik. Ihm und seiner Ehefrau wird Beitrag zur Untreue vorgeworfen. Er habe ein „gutes und reines Gewissen“ und denke nicht an einen Rücktritt, wie er zuletzt auch noch einmal im Interview mit News wiederholte.
Verhandelte im Bund Koalitionen mit
Bei der Wien-Wahl startete Mahrer von einer wenig privilegierten Position: Blümel hatte die im Stadtparlament marginalisierte Wiener ÖVP 2015 übernommen und sie von der Einstelligkeit bei der Wahl 2020 wieder auf den zweiten Platz geführt.
Umfragen sagten der ÖVP bereits wieder eine Halbierung auf etwa zehn Prozent vorher. Dennoch drängte Mahrer, der sich bei seinem ersten Antritt als Spitzenkandidat optimistisch gibt, auf eine Koalition. Bei Verhandlungen wollte er die SPÖ von seiner Partei als Partnerin überzeugen. Erfahrung hat er dabei jedenfalls, verhandelte Mahrer doch bereits Bundesregierungen mit der FPÖ, den Grünen und zuletzt der SPÖ und den NEOS mit.
Bisher 16 Obleute – Busek Rekordhalter
Insgesamt 16 Obleute wurden bisher gekürt, dazu kamen noch drei geschäftsführende, die in Übergangszeiten die Partei lenkten. Als Favorit gilt aktuell der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt, Markus Figl. Mahrer durfte die Partei drei Jahre führen und gehört damit zu den kürzest dienenden Obleuten. Auch Manfred Juraczka war nur drei Jahre im Amt, noch etwas kürzer Heinrich Wille und Wolfgang Petrik.
Letztere beide hatten die undankbare Aufgabe, auf Erhard Busek zu folgen, der in den 1970er- und 1980er-Jahren mit seinen "bunten Vögeln" der ÖVP über ein Jahrzehnt starken Wählerzuwachs beschert hatte. Mit 13 Jahren Amtszeit ist Busek bis heute der längst dienende Stadtparteiobmann der Wiener ÖVP. Nach den mäßig erfolgreichen Intermezzos mit Wille und Petrik gab es noch einmal eine recht stabile Zeit in der Volkspartei. Bernhard Görg durfte mit der SPÖ regieren und nützte das zu einer Amtszeit, die sich über ein Jahrzehnt zog.
Danach wurde es wieder kurzlebiger. Finanzstaatssekretär Alfred Finz durfte sich von 2002 bis 2005 als Wiener Parteiobmann versuchen, ehe sich mit Johannes Hahn eine langfristige Lösung andeutete. Die Berufung in die EU-Kommission nach Brüssel beendete jedoch 2010 das kommunale Engagement des damaligen Wissenschaftsministers. Staatssekretärin Christine Marek (ÖVP) durfte gerade einmal eine Wahl verlieren, bevor sie angesichts fehlenden Rückhalts schon 2011 wieder das Weite von der Parteispitze suchte.
Manfred Juraczka konnte dann bis 2015 ran. 9,24 Prozent bei der Gemeinderatswahl in diesem Jahr und damit ein Ergebnis, das sogar noch unter jenem von Karl Mahrer lag, beendeten sein Engagement als Parteiobmann. Besser ging es unter Gernot Blümel (ÖVP), der die Partei im Zuge des Kurz-Hypes wieder auf Platz zwei der Wählerschaft hievte. Als Kurz gehen musste, hatte auch Blümel genug und sagte 2021 auch der Wiener ÖVP als Chef Adieu.
Die bisherigen Landesparteiobleute der Wiener Volkspartei
Emil Oswald (1945)
Lois Weinberger (1945-1950)
Fritz Polcar (1950-1958)
Joseph Reich (geschäftsführend 1958)
Lois Weinberger (1958-1960)
Leopold Hartl (1960-1969)
Karl Titze (geschäftsführend 1969)
Franz Bauer (1969-1976)
Erhard Busek (1976-1989)
Wolfgang Petrik (1989-1991)
Heinrich Wille (1991-1992)
Bernhard Görg (1992-2002)
Alfred Finz (2002-2005)
Johannes Hahn (2005-2010)
Christine Marek (2010-2011)
Gabriele Tamandl (geschäftsführend 2011-2012)
Manfred Juraczka (2012-2015)
Gernot Blümel (2015-2021)
Karl Mahrer (20. Mai 2022 bis 28. April 2025)
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