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Michael Ludwig: „Die FPÖ wird immer untergriffig agieren“

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Michael Ludwig

©Bild: NEWS/Ricardo Herrgott

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat als Spitzenkandidat zwei Angstgegner: die Nichtwähler und die taktischen Wähler. Sinkt die SPÖ deutlich unter 40 Prozent, geht sich womöglich keine Zweier-Koalition im Rathaus aus. Außer mit der FPÖ, doch die schließt Ludwig als Regierungspartner jetzt schon aus.

Politiker versprechen im Wahlkampf viel. In Ihrem Fall müssten diese Versprechen unter Budgetvorbehalt stehen. Wien hat etwa zwölf Milliarden Euro Schulden. Bund und Länder kämpfen gegen die gesamtstaatliche Verschuldung. Werden Sie halten können, was Sie jetzt versprechen?

Ich habe alles, was ich vor einer Wahl versprochen habe, umgesetzt. Ich erinnere an die kostenfreie Ganztagsschule, die ich 2020 angekündigt habe. Die haben wir an bisher 120 Standorten umgesetzt. Sie ist ein Beitrag zur Integration, aber auch zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Das ist ein Grund, dass die Beschäftigung von Frauen in Wien am höchsten ist und der Gap zwischen Frauen- und Männergehältern am geringsten. Ich werde auch die Dinge, die ich jetzt in Aussicht stelle, umsetzen. Zum Beispiel, dass wir im Gesundheitsbereich Österreichs Präventionshauptstadt werden wollen, und dass wir einen Schwerpunkt auf die Ausbildung von Elementarpädagoginnen und -pädagogen legen, besonders bei unterstützenden Kräften beim Deutschlernen.

Sind die Projekte durchgerechnet, was das Budget betrifft?

Ich verspreche nur Dinge, von denen ich überzeugt bin, dass wir sie umsetzen können – in der nächsten Legislatur­periode, aber auch mittelfristig. Mir ist wichtig, nicht nur von einem Wahltermin zum nächsten zu denken, sondern längere strategische Ziele zu haben. Daher werbe ich auch dafür, weiter Bürgermeister zu sein. Wir haben viel erreicht, haben aber auch noch viel vor.

Wien war die letzten zwei Jahre das einzige Bundesland mit Wirtschaftswachstum

Peter Hanke hat noch als Finanzstadtrat eingestanden, dass das Defizit 2025 etwa doppelt so hoch ausfallen könnte, wie im Budgetvoranschlag vorgesehen. Wie wollen Sie den Schuldenstand drücken?

Wir haben schon letztes Jahr bewiesen, dass wir sparen können. Wir haben 500 Millionen eingespart, haben das auch heuer vor, aber so, dass nicht das zarte Pflänzchen der Konjunktur wieder zerstört wird. Wien war die letzten zwei Jahre das einzige Bundesland mit Wirtschaftswachstum. Dieses ist eine Vo­raussetzung dafür, dass wir wieder ein stabiles Budget haben. Aber man sollte schon sehen, dass 87 Prozent des Budgetdefizits dem Bund zugeordnet sind und nur 13 Prozent auf Länder, Gemeinden und Sozialversicherungsträger entfallen. Als Präsident des Städtebunds muss ich darauf hinweisen, dass rund die Hälfte aller Gemeinden Abgangsgemeinden sind. Hier wird man sich eine Änderung des Verteilungsschlüssels im Finanzausgleich überlegen müssen, der den steigenden Anforderungen in den Gemeinden gerecht wird.

Bund, Länder und Gemeinden haben 2023 den Finanzausgleich für die Jahre 2024 bis 2028 unterschrieben. Gleich darauf begann das Klagen, dass man nicht zufrieden sei. Warum hat man dann zugestimmt?

Unsere Forderung war eine Änderung des vertikalen Verteilungsschlüssels bei den Steuereinnahmen zugunsten von Ländern und Gemeinden, weil dort die Aufgaben dynamischer wachsen. Das war mit der letzten Bundesregierung nicht zu machen. Wir haben versucht, Zugeständnisse für die Gemeinden durchzusetzen. Das ist nur teilweise gelungen. Ich möchte betonen, dass da nicht der Bund großzügig Geld verteilt, sondern er hebt für alle Gebietskörperschaften Steuerleistungen ein und die werden dann nach einem Schlüssel verteilt. Geschenke sind das nicht.

Derzeit laufen Gespräche mit Finanzminister Markus Marterbauer, um das gesamtstaatliche Defizit zu senken. Wird es eine Aufgaben- oder Staatsreform geben?

Es wird mehrere Ansätze geben. Zum einen wird es darum gehen, dass man zusätzliche Einnahmen gerecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt. Es wird auch laufend eine Überprüfung der Aufgaben erfolgen müssen. Wien hat einen großen Reformprozess im Bereich der Spitäler auf den Weg gebracht, der mit großen Investitionen – 3,3 Milliarden Euro – verbunden ist. Dazu kommt unsere neue Initiative Präventionsmedizin, mit der wir erreichen wollen, dass man Krankheiten früher erkennt bzw. Menschen gar nicht erkranken. Damit reduziert man Leid, es senkt aber auch die Gesundheitskosten. Mein Anspruch ist, dass alles, was durch den medizinischen Fortschritt möglich ist, den Menschen zur Verfügung gestellt werden soll. Ein Eingriff oder eine Medikamentenverschreibung sollen nicht vom wirtschaftlichen Hintergrund abhängen. Das ist eine große Herausforderung. Wien ist auch für Menschen aus anderen Bundesländern da. Wir haben mehr als 20 Prozent Gastpatienten. Da erwarten wir uns im Finanzausgleich eine Abgeltung.

Da würden wir uns mehr Solidarität der anderen Bundesländer erwarten

Die Forderung ist nicht neu.

Und sie betrifft nicht nur die Gesundheitsversorgung. Wir schultern auch einen Großteil der Integrationsmaßnahmen. Da würden wir uns mehr Solidarität der anderen Bundesländer erwarten.

Wien will heuer 500 Millionen einsparen. Wo?

Wir haben alle Ressorts aufgefordert, Vorschläge zu machen. Klar ist, dass wir möglichst wenig bei den Investitionen reduzieren wollen, weil das den Wirtschaftsstandort beeinflussen würde, und dass wir die Haushalte möglichst außen vor lassen. Wir haben in den letzten Jahren viel gemacht, um die Wienerinnen und Wiener zu unterstützen – fast 400 Euro pro Haushalt –, weil die letzte Bundesregierung die Inflation durchrauschen hat lassen. In Kombination mit anderen Entscheidungen, die der Bund getroffen hat – die Abschaffung der kalten Progression, die ökosoziale Steuerreform ohne Gegenfinanzierung –, hat die hohe Inflation das große Budgetloch verursacht.

Es heißt oft, Wien könne in der Verwaltung sparen. Andererseits geht es da ja auch um Arbeitsplätze.

Und Menschen, die ihre Leistung erbringen. Wir haben nicht so viele Beschäftigte in der Verwaltung. Der Großteil ist im Gesundheitswesen oder in pädagogischen Bereichen tätig. Aber wir können überall ansetzen, wo wir die neuen technologischen Möglichkeiten nutzen können: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz. Wir haben als erste Stadt eine digitale Baueinreichung ermöglicht und so eine Reihe von Verwaltungsschritten reduziert.

Soll jetzt so lange in 500-Millionen-Schritten gespart werden, bis das Budget wieder im Lot ist?

Wir hoffen doch, dass sich die Wirtschaft stabilisiert und die Ertragsanteile aus Steuereinnahmen höher werden. Wien war in den letzten zwei Jahren das einzige Bundesland mit Wirtschaftswachstum. Wir haben in vielen Bereichen eine boomende Entwicklung, etwa im Tourismus. In anderen Teilen haben wir schwierigere Bedingungen, etwa in der Industrie.

Wirtschaftsforscher sagen, das Budget ist auch deshalb aus dem Ruder gelaufen, weil es eine hohe Gehaltsrunde für den Öffentlichen Dienst gab. Wünschen Sie sich für heuer eine Bremse bei den KV-Verhandlungen?

Wir haben keine Lohn-Preis-Spirale, sondern eine Preis-Lohn-Spirale. Das Problem war die hohe Inflation, die die letzte Bundesregierung nicht in den Griff bekommen hat. Deshalb hat es entsprechend hohe Gehaltsabschlüsse gegeben. Hätte man die Inflation durch Deckelungsmaßnahmen abgeflacht, wären die Lohnabschlüsse niedriger gewesen. Ich verstehe, dass die Gewerkschaften bei steigenden Lebenshaltungskosten auf eine Abgeltung pochen. Der private Konsum ist eine Möglichkeit, die Wirtschaft zu stabilisieren. Wir sehen allerdings, dass die Menschen die höheren Einkommen sparen, weil sie skeptisch in die Zukunft blicken. Ich traue der aktuellen Bundesregierung aber zu, dass sie Optimismus ausstrahlt und zeigt, dass es sich lohnt, wieder Geld in den Kreislauf zu bringen.

Bei der Migration ist Wien nur Kopilot. Wir haben keinen Einfluss darauf, wie viele und welche Menschen kommen

Die Weltlage motiviert aber nicht zu Optimismus und Konsum.

Die internationale Lage – vom Krieg in der Ukraine bis zur unberechenbaren Wirtschaftspolitik Donald Trumps – ist fordernd. Das trifft natürlich auch unsere Wirtschaft. Sie ist ein Grund, warum ich für ein gemeinsames Europa eintrete. Die unberechenbare internationale Situation kann durch einen starken Binnenmarkt kompensiert werden. Wir sollten auch über manche Entwicklungen in der Wirtschaft noch intensiver nachdenken und handeln. Dass die Entwicklung der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz vor allem in den USA und China passiert und nicht in Europa, sollte uns motivieren, aufzuholen. In Wien gibt es dafür gute Rahmenbedingungen, das haben wir bei Biotechnologie und Pharmazie gezeigt. Die Zusammenarbeit zwischen Stadt, privaten Unternehmen, wissenschaftlichen und universitären Einrichtungen funktioniert gut. Wir wollen jetzt die Möglichkeit nutzen, dass es in den USA im Bereich der Wissenschaft Irritationen gibt, und jenen, die sich dort nicht mehr wohlfühlen, anbieten, nach Wien zu kommen.

Da braucht es aber auch ent­sprechende Forschungsbudgets.

Ja, aber da sind wir in Wien gut unterwegs. Wir haben mit dem WWTF, dem Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds, den größten nichtstaatlichen Forschungsförderungsfonds. Da werden gezielt Ambitionen im Bereich von Forschung und Wissenschaft unterstützt. Das läuft sehr gut.

Gibt es bereits Anfragen aufgrund der aktuellen Lage in den USA?

Ja, durchaus. Es sind etliche Wissenschafter aus Europa in die USA gegangen. Einige von denen wollen zurückkommen, weil die Rahmenbedingungen dort nun nicht mehr so gut sind. Wir punkten mit einer guten Infrastruktur, aber natürlich auch durch die Art, wie sich die Stadt präsentiert.

Die großen Wahlkampfthemen waren Migration und Bildungsbereich. Hätten Sie da Entscheidungen anders treffen müssen oder können?

Bei der Migration ist Wien nur Kopilot. Wir haben keinen Einfluss darauf, wie viele und welche Menschen nach Wien kommen. Wir fühlen uns aber verpflichtet, entsprechende Rahmenbedingungen zu bieten, wenn die Menschen hier sind. Natürlich ist es eine Herausforderung, wenn in einem Schuljahr 4.500 Kinder aus der Ukraine und Hunderte Kinder durch den Familiennachzug, der vom Bund organisiert wird, kommen. Viele dieser Kinder können nicht Deutsch und haben einen besonderen sozialen Förderbedarf. Wir stellen uns dieser Herausforderung und haben die Situation beim Schulbauprogramm berücksichtigt. Wo wir noch etwas tun müssen, ist bei der Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hier will ich ähnlich der Offensive im Pflegebereich einen starken Schwerpunkt setzen.

Wie soll der aussehen?

Wir haben wegen des Personalmangels im Pflegebereich das Wiener Ausbildungsgeld eingeführt und die Ausbildungsplätze verdoppelt. Nun haben wir 16.000 Personen in Ausbildung, 6.000 haben sie bereits abgeschlossen. Daher haben wir in den nächsten Jahren ausreichend Fachkräfte in der Pflege. Ähnliches möchte ich im pädagogischen Bereich und bei den Deutschförderlehrerinnen und -lehrern umsetzen.

Hätte man die Familienzusammenführungen durch bessere Kommunikation mit Bund und Ländern planbarer machen können?

Wir zeigen nicht auf und sagen, wir hätten gerne noch 1.000 Menschen. Das ergibt sich aus dem Sog, den eine Großstadt hat, und dem Umstand, dass die anderen Bundesländer nicht ausreichend bereit sind, etwas zu tun.

Und damit durchkommen.

Richtig. Für die Verteilung wäre der Bund zuständig. Aber er macht das nicht und überlässt es dem freien Spiel der Kräfte.

Würden Sie sich eigentlich stärkere Gegner im Wahlkampf wünschen? Die Wahl scheint entschieden. Das könnte die Beteiligung drücken.

Ich warne vor dieser Einschätzung, dass alles gelaufen ist. Denn das gibt das Gefühl, man muss nicht zwingend zur Wahl gehen. Wir wählen am 27. April. Vor genau 80 Jahren ist im Roten Salon des Rathauses die Zweite Republik gegründet worden. Die provisorische Staatsregierung unter Dr. Karl Renner hat sich hier getroffen. Das war nach den furchtbaren Jahren des NS-Regimes ein Start in eine demokratische Republik. Man sollte manchmal innehalten und darüber nachdenken, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass wir in einer Demokratie leben dürfen. Es ist wichtig, demokratische Möglichkeiten wie eine Wahl in Anspruch zu nehmen.

Aber würden Sie sich mehr Pepp, mehr Debatte wünschen? Oder passt es eh, dass alles ruhig ist?

Es gibt eine inhaltliche Auseinandersetzung. Ich halte es für gut, dass man möglichst ohne persönliche Angriffe auskommt. Mit einer Ausnahme: Die FPÖ wird immer untergriffig agieren und sich gleichzeitig darüber beschweren, dass das die anderen nicht so gut finden. Daraus leitet sie ihren Opfermythos ab. Die allermeisten anderen Politiker versuchen, sachlich zu diskutieren. Ich halte das für demokratische Reife. Man muss ja nach der Wahl wieder gut zusammenarbeiten. Das kann ich mit allen Parteien. Ich schließe nur eine Koalition mit der FPÖ aus, denn der geht es nur darum, Menschen abzuwerten und die Gesellschaft zu polarisieren.

Sie verraten keine Koalitionspräferenzen. Aber was, wenn sich mit ihrem Wunschpartner kein Zweier-­Bündnis ausgeht? Kommt eine Dreier-Variante oder suchen Sie sich lieber einen stärkeren Partner?

Wenn die Leute den Eindruck haben, ich sollte Wiener Bürgermeister bleiben, sollten sie mich wählen, damit man unabhängig von solchen Rechenbeispielen diese Entscheidung treffen kann.

Wenn die SPÖ über 40 Prozent kommt, ist es egal, wie schwach die anderen sind?

Nein, es geht darum, dass man dann möglichst starke inhaltliche Gemeinsamkeiten findet. Es geht um ein Wien, wo der soziale Zusammenhalt und die wirtschaftliche Stärke auch in Zukunft im Vordergrund stehen.

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 © Bild: News Ricardo Herrgott

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 17/25 erschienen.

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