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„Phantom“ Ingeborg Benko: René Benkos Mutter und Strohfrau

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Aktualisiert
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8 min

©Getty Images

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt mit Hochdruck in der Causa Benko. Nach einem zunächst schleppenden Start fördern die Kriminalisten nun Schritt für Schritt immer neue Details zutage. Eine Person rückt dabei zunehmend in den Fokus: die Mutter Ingeborg Benko.

Der 23. Jänner 2025 markiert nicht nur für René Benko einen tiefen Einschnitt. Sein ohnehin bereits auf Österreich beschränkter Bewegungsradius – bedingt durch einen europäischen Haftbefehl – verengt sich an diesem Tag auf eine knapp zehn Quadratmeter große Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Im Zuge der Festnahme finden im Jänner auch mehrere Razzien im privaten Umfeld des einst gefeierten Immobilien-Tycoons statt.

Bei einer Hausdurchsuchung in der Wohnung seiner Schwester machen die Ermittler einen bemerkenswerten Fund: Auf einem Laptop entdeckten sie einen Ordner mit zahlreichen Blanko-Unterschriften von Ingeborg Benko. Die Signaturen waren jeweils einzeln auf A4-Seiten gespeichert. Laut einem News vorliegenden Ermittlungsbericht unterscheiden sich die Unterschriften bei genauerer Betrachtung voneinander.

Der Zweck dieser Sammlung ist bislang unklar – ob die Signaturen möglicherweise in Dokumente eingefügt wurden, die offiziell von Ingeborg Benko hätten unterzeichnet werden müssen, ist Gegenstand laufender Ermittlungen. Im Zuge der letzten U-Haftverhandlung am 7. April 2025 gab die Korruptions­staatsanwältin zu den „Blankounterschriften“ zu Protokoll: „Das ist kein üblicher Vorgang wie in der Stellungnahme (Anm.: durch Benkos Anwalt) vorgebracht wird. Wenn man mit Frau BENKO wegen einzelnen Vorgängen Rücksprache gehalten hätte, hätte man sie auch unterschreiben lassen, was ihrem Willen entspricht.“

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Phantom

Fest steht jedenfalls: Im diskreten System der Stiftungen nimmt die Mutter von René Benko eine bedeutende Rolle ein. Und doch bleibt sie weitgehend unsichtbar. Fast ein Phantom. Der Kontakt zu ihr lief meist nicht direkt, sondern über ihren Sohn persönlich oder über dessen Schwester, die über Jahre hinweg als seine Assistentin fungierte. Aufgrund ihrer rechtlichen Stellung als Stifterin und auch als Begünstigte war regelmäßig Ingeborg Benkos persönliche Zustimmung und Unterschrift erforderlich. Gerade bei der Vielzahl an kredit­finanzierten Geschäften war der bürokratische Aufwand entsprechend hoch – abgewickelt wurde das fast ausschließlich über Benko und seinen engen Kreis. So etwa am 16. März 2022, als sich Benkos langjähriger Anwalt bei ihm meldete, um eine Unterschrift seiner Mutter einzuholen. Anlass war ein Formular im Zusammenhang mit dem Kauf der britischen Luxuskaufhauskette Self­ridges. In der vertraulichen Nachricht hieß es:

„Lieber René, zur Herstellung der Gesellschaftsstruktur für den Ankauf von ‚Selfridges‘ benötigt ein lokale (sic!) Berater von Deiner Mutter das angeschlossenen (sic!) Formular. Bitte um Kontrolle, ob diese Daten so passen. Da hier auch eine Unterfertigung durch einen Dritten vorgesehen ist und das kurzfristig erledigt sein soll, bitte um kurze Information, ob wir damit Deine Mutter belästigen sollen oder Du das für sie unterschreiben willst oder ich für sie unterschreiben soll. Vielen Dank.“ Daraufhin antwortete Benko knapp: „Brauchst du dazu noch was?“ Der Anwalt reagierte umgehend: „Ja, bitte um Info, ob so ok und ich das angeschlossene Dok unterschreiben kann/soll oder Du Dich um Anpassung/Einholung der Unterschrift Deiner Mutter kümmern willst. Danke.“

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Immobilien-­Jongleur René Benko vertraute jahrelang einem kleinen Kreis an Personen aus seinem engsten Umfeld. Fotos der Mutter? Fehlanzeige.

 © IMAGO, Eibner
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VERTRAULICHE NACHRICHT: Benkos Haus- und Hofanwalt erkundigt sich nach der Unterschrift von René Benkos Mutter.

„Die war da nicht“

Auch Personen aus Benkos engstem Umfeld bekamen sie kaum zu Gesicht. Selbst langjährige Vertraute wie Karin Fuhrmann, Steuerexpertin und Partnerin bei der Steuerberatungskanzlei TPA, erklärten, die pensionierte Kindergärtnerin nur ein einziges Mal persönlich getroffen zu haben. In einer Einvernahme vor der Soko Signa im März 2025 sagte Fuhrmann wörtlich: „Ich habe Ingeborg Benko nur einmal in meinem Leben gesehen.“

Auf die Frage, inwieweit Benkos Mutter in Entscheidungen der Privatstiftung eingebunden gewesen sei, erklärte Fuhrmann: „Ingeborg Benko trat in meiner Wahrnehmung insofern auf, als sie die Stifterrechte besessen hat und als solche für Bestellungen und Verlängerungen der Stiftungsvorstände zuständig war.“ Eine darüber hinausgehende Rolle habe sie, Fuhrmann, nicht erkannt: „Eine aktive Rolle ihrerseits habe ich dabei nicht wahrgenommen. Sie war bei keiner Sitzung dabei, bei der ich jemals anwesend war.“

Entsprechende Beschlüsse seien laut Fuhrmann üblicherweise von der Rechtsanwaltskanzlei Arnold vorbereitet worden: „In Tirol wird man sich um die Unterschriftenleistung durch Ingeborg Benko gekümmert haben.“ Die Beiräte Hager und Benko seien bei den Sitzungen regelmäßig anwesend gewesen. Im Gegensatz zur Mutter: „Ingeborg Benko war niemals anwesend, dies auch über Vorhalt, dass laut Stiftungsurkunde sie Mitglied des Beirats gewesen wäre.“

Als ihr schließlich ein Protokoll einer Sitzung des Stiftungsvorstands der Familie Benko Privatstiftung vorgelegt wurde, in dem Ingeborg Benko als anwesend vermerkt war, reagierte Fuhrmann eindeutig: „Die war da nicht.“ Sie führte das auf einen Irrtum zurück: „Ich kann das nur auf ein Versehen des Dr. Spranz (ehemaliger Kollege im Stiftungsvorstand, Anm.) zurückführen.“ Auch der Zusatz im Dokument – „Die mündliche Zustimmung der Stifterin und Beirätin Ingeborg Benko liegt bereits vor“ – spreche dafür, dass sie tatsächlich nicht dabei gewesen sei.

„… hat sich Strohmännern bedient“

Die zentrale Rolle René Benkos, seine Einflussnahme trotz formell fehlender Funktionen – dieses Muster thematisiert auch der News vorliegende Beschluss zur Verlängerung seiner Untersuchungshaft vom 7. April 2025. Zwar bot René Benko erneut an, „das Gelöbnis abzugeben, weiterhin keinerlei direkten oder auch indirekten Kontakt zu anderen Beschuldigten aufzunehmen“, ebenso wie zu Stiftungsvorständen, Geschäftsführern von Tochterfirmen oder deren Mitarbeitern. Das betreffe ausdrücklich auch jegliche „elektronische Kommunikation, wie beispielsweise E-Mails, Kommunikation im Internet und Ähnliches mehr“.

Aus Sicht der Richterin reicht ein solches Versprechen jedoch nicht aus, um die Tatbegehungsgefahr auszuschließen. Wörtlich heißt es: „Der Beschuldigte hat sich bereits in der Vergangenheit nach außen hin Strohmännern bedient und war offiziell nicht persönlich in die Geschäfte der Signa-Gruppe involviert.“ Tatsächlich habe er aber „im Hintergrund sehr wohl proaktiv an den jeweiligen Entscheidungen mitgewirkt“. Zudem sei „die Einhaltung eines solchen Gelöbnisses, insbesondere hinsichtlich der elektronischen Kommunikation, faktisch nicht überwachbar.“ Somit bleibt René Benko bis auf Weiteres in Untersuchungshaft.

Am 18. Februar 2025 machte Ingeborg Benko von ihrem Recht Gebrauch, die Aussage vor der Soko Signa zu verweigern.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 17/25 erschienen.

Causa René Benko

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