Der sozialdemokratische Altkanzler Alfred Gusenbauer gab sich in einem bemerkenswerten Interview vergangene Woche in vielerlei Hinsicht unwissend. Eine Einordnung.
„Das, was fehlt“. Das war bereits das journalistische Motto bei der von Dietrich Mateschitz finanzierten Rechercheplattform Addendum, die sich schon vor ziemlich genau sechs Jahren erstmals kritisch mit den Vorgängen in René Benkos Signa-Gruppe auseinandergesetzt hat.
In der seit damals bewährten Manier gilt es, einen Blick auf die mediale Inszenierung eines langjährigen Benko-Beraters und Aufsichtsrats im Signa-Firmen-Dschungel zu werfen: auf Alfred Gusenbauer.
„Reines Gewissen“
Es ist ein feines Spiel zwischen Licht und Schatten, Distanz und Nähe. Das warme, rötliche Licht im Hintergrund schafft einen angenehmen Kontrast zur dunklen Kleidung. Alfred Gusenbauer versucht, sich auf dem Titelbild der Wiener Wochenzeitung Falter als reflektierter Denker „mit reinem Gewissen“ zu präsentieren. Die schwarze Baskenmütze, die markante Brille und der hochgeschlossene Mantel sollen ihm eine nachdenkliche, fast geistliche Aura verleihen. Gusenbauer glaubt, das Spiel und sein Spielfeld zu beherrschen.
Noch im Dezember 2022 lieferte Benkos Millionenberater ab. Als die Signa-Gruppe bereits in einem Fahrwasser mit hohem Wellengang war, äußerte er sich betont gelassen: „Wir bauen die guten Häuser.“ Auf einer dekadenten Signa-Feier in einem Tiroler Luxushotel, die manchen Teilnehmer an den Film „The Wolf of Wall Street“ erinnerte, erklärte er: „Für uns als Signa ist wichtig: Wir haben eine gefüllte Pipeline. Also uns wird nicht fad. Selbst wenn wir im nächsten Jahr – was ich nicht glaube – kein neues Projekt aufreißen, haben wir trotzdem genügend für die nächsten Jahre zu tun.“ Der Schlüssel liege darin, „klug, ruhig und konsequent vorzugehen, um unseren Erfolgskurs fortzusetzen“.
Forensische Aufarbeitung
Die Realität war jedoch eine andere. Laut einem News und Krone vorliegenden Gutachten des Wirtschaftsprüfers Deloitte geht aktuell hervor, dass die Signa Holding spätestens mit 30. November 2022 zahlungsunfähig gewesen ist. Auch Gusenbauer selbst musste immer wieder und monatelang auf die Begleichung seiner Millionen-Honorare warten. Die Zahlungsmoral bei Signa sei eben „schlecht gewesen“, bemerkte der Altkanzler im Interview salopp.
Gusenbauers Problem: Eine dieser Rechnungen über 1,5 Millionen Euro wird derzeit von Seiten des Masseverwalters genauer unter die Lupe genommen. So heißt es etwa im forensischen Gutachten von Deloitte: „Uns lag keine vertragliche Vereinbarung der Gusenbauer Projektentwicklung & Beteiligung GmbH mit der SIHO (Anm.: Signa Holding) vor und wurde uns auch auf Anfrage nicht übermittelt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass eine schriftliche vertragliche Grundlage gar nie abgeschlossen wurde.“ Laut dem jüngsten Bericht des Masseverwalters hat Gusenbauer in den vergangenen Jahren keinerlei Sitzungen als Beirat der Holding abgehalten oder die beiden Geschäftsführer der Signa Holding, Christoph Stadlhuber und Marcus Mühlberger, beraten. Da dem Masseverwalter kein Leistungsverzeichnis von Gusenbauer und seiner Firma vorgelegt wurde, soll laut Kurier die erste Gerichtsverhandlung dazu schon Ende April stattfinden.
Nun beteuert Gusenbauer erneut, als Aufsichtsratschef der Signa alles Menschenmögliche getan zu haben. Man habe sich auf die Wirtschaftsprüfer verlassen, die bei zahlreichen Sitzungen anwesend gewesen wären. Kein Wort darüber, dass er selbst einmal während einer Aufsichtsratssitzung eingeschlafen war. Keine Silbe dazu, dass eine Sitzung des Kontrollgremiums im „Chalet N“ im Jahr 2014 gerade einmal zehn Minuten gedauert hatte.
20 Millionen in 15 Jahren
Vor dem Hintergrund der Aufarbeitung des Signa-Milliardendesasters wirkt eine aktuelle Aussage Gusenbauers besonders bemerkenswert: Er behauptet nun, einen Großteil seines bei Benko verdienten Geldes in Signa-Aktien investiert zu haben – und letztlich „mit null ausgestiegen“ zu sein.
Bemerkenswert: In seinen 15 Jahren bei Signa kassierte Gusenbauer insgesamt gut 20 Millionen Euro – teils als Privatperson, teils über seine Gusenbauer GmbH. Doch laut einer internen Unterlage, die News vorliegt, steckten am Ende „lediglich“ 2,722 Millionen Euro in Signa-Mitarbeiteraktien.




Investoren-Treffen: Den Gesellschaftern der Signa Holding wurden Anfang Mai 2022 Details aus der Bilanz der Signa Holding präsentiert.
© NewsTeilnehmer am Aktionärstreffen
Noch erstaunlicher erscheint Gusenbauers Behauptung, er „habe nie eine Bilanz der Signa Holding gesehen“. Dabei hat er persönlich am 3. Mai 2022 an einem Signa-Holding-Aktionärstreffen in Berlin teilgenommen – als Vertreter von Benkos Co-Investor Hans-Peter Haselsteiner.
Gusenbauer saß eben auf beiden Seiten des Tisches. Bei diesem Termin wurden unter anderem detaillierte Bilanzzahlen besprochen, wie aus einer vorliegenden vertraulichen Präsentation hervorgeht. Zudem wurde eine Ausschüttung über 250 Millionen Euro beschlossen – die jedoch nicht mehr zur Auszahlung kommen sollte.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr.10/2025 erschienen.