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Signa: Enthüllungen, die alles veränderten

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Die Recherchen von News brachten den Signa-Skandal ins Rollen, der zur größten Wirtschaftspleite Österreichs wurde und Ermittlungen sowie Berichterstattung im gesamten deutschsprachigen Raum prägte. Investigativ-Journalist Sebastian Reinhart gewährt im Interview exklusive Einblicke in seine Arbeit rund um die wichtigste Geschichte des Jahres.

Wer ist in der Recherche weiter: die im März 2024 gegründete SOKO Signa oder das Investigativ-Rechercheteam Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart?

Wir haben einen Zeitvorsprung. Rainer Fleckl (Co-Autor und Krone-Redakteur; Anm.) und ich beschäftigen uns seit sechs Jahren mit dem Thema. Die Ermittlungsbehörden sind seit ein paar Monaten auf dem Thema drauf. Wobei man sagen muss, dass da sehr viel Zeit liegengelassen worden ist. Zusammengefunden hat sich die SOKO Signa ja schon um Weihnachten 2023. Aktiv gestartet ist sie im Auftrag der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft heuer im März. Die Hausdurchsuchung bei der Signa hat im Juni, also ein halbes Jahr nach dem Zusammenbruch von Signa, stattgefunden. Dass das so lange gedauert hat, hat selbst involvierte Anwälte von Beschuldigten irritiert.

Warum Benko immer noch frei herumspaziert, ist eine Frage, die sich tatsächlich viele stellen. Ihre Antwort?

Es ist eine politische Frage, mit welchen Ressourcen und mit welchen gesetzlichen Rahmenbedingungen Institutionen wie die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ausgestattet sind. In Österreich ist viel getan worden, aber immer noch viel zu wenig. Es braucht Personal, das mit der nötigen Motivation an die Sache rangeht und Fachwissen mitbringt, denn die Gegenseite ist mit Top-Anwaltskanzleien und zig Mitarbeitern hochgerüstet. Im Vergleich mit anderen Ländern wie Deutschland oder Italien sieht man gravierende Unterschiede. In Italien wurden Telefone weit vor dem Zusammenbruch der Signa angezapft. In der Korruptions- und Finanzverbrechensbekämpfung kann Österreich sicher noch nachschärfen.

Den Überblick zu bewahren, ist schwierig. Können Sie fünf Dinge nennen, die man zur Causa Signa und zu René Benko wissen sollte?

René Benko hat die Signa-Gruppe vor mehr als 20 Jahren gegründet. Er ist im Jahr 2013 aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung – die Richterin hat das „einen Musterfall von Korruption“ genannt – aus den Organfunktionen ausgeschieden, hat aber informell weiter die Macht in seinem System ausgeübt. Ohne Benko hat in der Signa nichts funktioniert. Der zweite Punkt ist die Systematik dahinter. Es war ein System der systematischen Verschleierung, in das man viel Energie gesteckt hat, um bloß nichts nach außen kommunizieren zu müssen. Das Dritte ist der organisierte Gesetzesbruch, denn das System Signa war sehr intransparent aufgesetzt. Man hat alles ausgenutzt, was möglich war, um keine Bilanzen zu legen. Viertens, das informelle Beiratsgremium, das Benko aufgebaut hat und der politischen Landschaftspflege diente. Hier ging es darum, die wichtigsten politischen Farben abzubilden, um auch die entsprechenden Zugänge zu haben. Das war ein System, das sehr, sehr viele Jahre gut funktioniert hat.

... und das mit prominenten Namen bestückt war.

Ja, von Vertretern der Banken bis zur Politik mit beispielsweise der ehemaligen Vizekanzlerin Susanne Riess-Hahn. Das hatte natürlich einen Zweck gehabt. Nämlich jenen, diese Player für Benko aktiv werden zu lassen, Türen zu öffnen, Zugänge zu schaffen. Das hat Benko sich auch einiges kosten lassen. Der fünfte Punkt im System Signa ist die Frage der Aufsicht. Wenn man sich die Rolle von Alfred Gusenbauer, dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats anschaut, sieht man, dass die Kontrollmechanismen teilweise zu kurz gegriffen haben. Die Aufsichtsratssitzungen im „Chalet N“ dauerten teilweise nur zehn Minuten. Da führt sich das Ganze ad absurdum. Ganz offensichtlich sind Aufsichtsräte jahrelang in diesem Gremium gesessen und haben nicht so kritisch hingeschaut, wie es notwendig gewesen wäre. Warum das so war, müssen die Gerichte klären.

Wann war klar, hier hat jemand etwas zu verbergen?

Es hat mehrere Phasen gegeben. Zum einen haben wir schon zu Anfang der Recherche gemerkt, dass die Signa im Unterschied zu anderen Immobilienunternehmen ganz anders strukturiert war. Wir hatten uns parallel die Wlaschek-Gruppe von Billa-Gründer Karl Wlaschek angeschaut. Die war relativ simpel strukturiert und es war nachvollziehbar, wem was gehört. Folglich hat sich die Frage gestellt, warum René Benko das gänzlich anders macht. Diese Unübersichtlichkeit hat uns stutzig gemacht. Wir haben uns gefragt, wer in der Signa überhaupt einen Überblick hat? Obendrein war von außen nicht sichtbar, wie die einzelnen Unternehmen finanziell dastehen. Es gab nämlich keine Bilanzen – oder eben alte Bilanzen, mit denen man nichts anfangen konnte, um ein aktuelles Bild zu bekommen. Überrascht hat uns aber auch die Vehemenz, mit der sich die Signa gegen unsere ersten Recherchen gewehrt hat. Die Frage war, warum geht ein Unternehmen so massiv gegen journalistische Recherchen vor? Warum werden Fragen nicht beantwortet? Das hat uns angespornt, dran zu bleiben.

Was erhofft man sich am Beginn so einer Mammutrecherche?

Man muss ja erst einmal versuchen, einen Überblick zu bekommen. Das ist uns nicht gelungen. In weiterer Folge haben wir mit vielen Leuten gesprochen, die Berührungspunkte mit Signa hatten. Also Ex-Mitarbeiter, Lieferanten und Konkurrenten, die uns ihre Sicht der Dinge mitgeteilt haben. Auch da haben wir gemerkt, dass das Bild in der medialen Öffentlichkeit nicht eins zu eins mit dem übereinstimmt, was wir in unseren Recherchen herausgefunden haben. Wir waren auch immer wieder überrascht über einige Medien, die ihn noch hochgejazzt und als „Mann des Jahres“ bezeichnet haben – zu einem Zeitpunkt, als wir schon kritisch berichtet haben. Überhaupt wurde wenig kritisch auf die Signa geschaut. Warum, das müssen die journalistischen Kollegen beantworten.

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Sebastian Kurz hat nicht nur für seinen Tiroler Freund René Benko lobbyiert, sondern spätestens im Jahr 2022 auch damit begonnen, gegen Provision Türen bei der Finanzelite im arabischen Raum zu öffnen.

 © HELMUT FOHRINGER / APA / picturedesk.com

Wie ordnen Sie für sich selbst das Erreichte ein?

Wir haben einige Dinge auf den Tisch gelegt, mit denen sich die Ermittlungsbehörden auseinandersetzen müssen. Es kommt nicht so häufig vor, dass in Hausdurchsuchungsbefehlen und Anordnungen auf journalistische Recherchen Bezug genommen wird. Zufrieden sein kann man aber nie. Man weiß ja immer mehr, als man schreiben kann und versucht ständig, sich mit Recherche dem anzunähern, was man weiß. Das ist ein Anspruch, dem man nicht immer gerecht werden kann.

Was treibt Sie persönlich an, sich über Jahre hinweg mit einer so komplexen und teils undurchsichtigen Materie wie dem Signa-Imperium zu beschäftigen?

Wir sind keine Hobby-Sheriffs, also auch keine Hobby-Staatsanwälte. Mein persönlicher Antrieb war stark von der Klagsflut der Signa gegen unsere ersten Recherchen im Jahr 2019 geprägt. Wer so massiv auf fundierte und nüchterne Recherchen reagiert, hat zumeist etwas zu verbergen. Zumindest war das mein Bauchgefühl und das hat mich hier nicht getäuscht.

Gab es ein Rechercheergebnis, das Sie überrascht hat? Nach dem Motto: Das überbietet alles!

Zwei Geschichten, die wir bei News publiziert haben, haben mich von der Tragweite her überrascht. Das war zum einen das Millionenkarussell, weil hier so viele Leute an einem aus meiner Sicht vermutlich strafrechtlich relevanten Vorgang mitgewirkt haben. Da wurde ungeniert Geld in die Runde geschickt und man denkt sich: Warum machen sie da mit? Warum unterschreiben sie das? Überrascht war ich auch, dass nicht mehr Aufwand betrieben worden ist, um dies zu verbergen.

Das Zweite waren unsere Recherchen im Bereich der Spionage, wo sich gezeigt hat, wie wenig zimperlich das Netzwerk von René Benko mit Gegnern umgegangen ist. In diesem Fall wurde dem engsten Berater von Benko im Handelsbereich, Dieter Berninghaus, offenbar ein israelischer Ex-Geheimagent an den Hals gehetzt. Das zeigt, wie paranoid die Stimmung in der Signa in den Monaten vor dem Zusammenbruch gewesen sein muss, und dass Benko niemandem mehr getraut hat – nicht einmal seinen engen Wegbegleitern.

Wenn sich da nicht strukturell etwas verändert – und der Journalismus sollte da seinen Beitrag dazu leisten –, wird das immer wieder vorkommen

Sebastian ReinhartJournalist

Wie schaffen Sie es, Vertrauen bei Personen zu gewinnen, die besten­falls sensible Informationen preis­ geben sollen?

Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Informanten sich besonders dann melden, wenn sie sehen, dass du mutig bist in deiner Recherche und versuchst, so weit wie möglich ein realistisches Bild zu zeichnen. Wenn sie spüren, dass du dich darübertraust, unvoreingenommen bist und auch innerhalb der Redaktion frei arbeiten kannst, hast du natürlich die beste Grundlage, um Vertrauen aufbauen zu können. Man muss auch verstehen, um was es geht, weil man häufig Informationen zugespielt bekommt, die sehr detailliert, sehr speziell sind. Diese Einordnung, in welchem Kontext das alles eine Relevanz haben könnte, braucht Zeit. Bei gewissen Dingen haben wir Jahre recherchiert. Aber es haben sich immer wieder Leute gemeldet, weil sie die Geschichten gelesen haben und gesagt haben: Okay, der traut sich, dann wende ich mich an ihn.

Wurde Ihnen schon mal ein unmorali­sches Angebote unterbreitet, damit Sie die Berichterstattung fallen lassen?

Nein, es hat keine Versuche gegeben, unsere Arbeit in dieser Hinsicht zu beeinflussen.

Wie priorisieren Sie, welche Spuren Sie verfolgen?

Wir priorisieren nach den Dingen, die auch für die gesamte Aufarbeitung – also für die Insolvenzverwaltung oder für die strafrechtliche Aufarbeitung – von Relevanz sein könnten. Mit dem Geldkarussell oder auch den Vermögensverschiebungen, die wir bei News aufgedeckt haben, haben wir einen Beitrag dazu geleistet, dass Institutionen darauf zurückgreifen und auf dieser Grundlage weiter agieren können. Was wir ebenfalls immer priorisieren, ist natürlich die politische Komponente – also der politische Rahmen, in dem das System Benko möglich war.

Mir hat unlängst ein sehr renom­mierter Banker dafür gedankt, dass News so hartnäckig an der Recherche drangeblieben ist und immer wieder neue Details publiziert hat. Seine Vermutung: Sonst wäre die Causa längst versandet. Hat er recht?

Ja. Definitiv.

Was sagen das System Signa, die Pleite der Signa und der Finanzjongleur René Benko über Österreich aus? Die Politik, die Netzwerke, die Seilschaften, die Medien?

Das System Benko wäre ohne die politi­sche Landschaft in Österreich in diesem Ausmaß nicht möglich gewesen. Das war ein Nährboden für das System Benko. Wenn sich da nicht strukturell etwas verändert – und der Journalismus sollte da seinen Beitrag dazu leisten –, wird das immer wieder vorkommen.

Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass Informanten sich besonders dann melden, wenn sie sehen, dass du mutig bist in deiner Recherche und versuchst, so weit wie möglich ein realistisches Bild zu zeichnen

Sebastian ReinhartJournalist
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Das Buch

Rainer Fleckl und Sebastian Reinhart zeichnen in „Inside Signa“ anhand von Mails und internen Dokumenten ein detailliertes Psychogramm von René Benko, der als visionärer Unternehmer galt, bevor sein Immobilienimperium Signa kollabierte und letztlich zur größten Wirtschaftsinsolvenz Österreichs führte. edition a, € 25

 © edition a

Ihr Buch „Inside Signa“ ist ein Bestseller, der mittlerweile in der sechsten Auflage erscheint. Die Verfilmung steht an. Können Sie uns ein bisschen was darüber verraten?

Wir sind gerade in der Konzeptionie­rungsphase. Es wird fleißig am Dreh­buch gearbeitet und es wurde ein sehr renommierter Regisseur für diese Pro­duktion gewonnen, Oliver Hirschbiegel, der vor allem mit „Der Untergang“ be­kannt geworden ist. Er wird sich jetzt mit Benkos Untergang beschäftigen.

Gibt es schon einen Hauptdarsteller?

Das weiß ich alles nicht. Das sind Krea­tivprozesse, die immer länger dauern, als man sich das vorstellen kann. Die Sache ist extrem dynamisch. Wir sind nur beratend tätig und geben inhalt­lichen Input. Wir werden die Sache bis zu den Dreharbeiten hin begleiten. Da­bei gibt es viele Faktoren, die wir nicht beeinflussen können: Geht Benko in Un­tersuchungshaft zum Beispiel? Wann und was ist das Ende?

Unabhängig vom Film: Wann fällt für René Benko der letzte Vorhang?

Das werden die Gerichte klären. Das lässt sich derzeit schwer einschätzen. Die Ermittler versuchen ihre Arbeit zu machen. Wir als Journalisten machen unsere Arbeit – und Herr Benko fährt halt mit dem Boot über den Gardasee. Das ist das Kapitel, in dem wir uns mo­mentan befinden.

Lange Zeit genoss René Benko in Österreich den Ruf eines „Wunderwuzzis“ und „Unternehmergenies“. Man ließ sich von seinen prominenten Investoren, spektakulären Deals und glamourösen Festen beeindrucken. Doch im Oktober 2023 veröffentlichte News erstmals brisante Recherchen über den Immobilienspekulanten. Es war der Auftakt zu einer Reihe aufsehenerregender Enthüllungsgeschichten, die von Medien wie „Zeit im Bild“, „NZZ“, „Handelsblatt“ und „Spiegel“ breit zitiert wurden. Aber auch in diesem Jahr sorgte News gemeinsam mit der „Krone“ für zahlreiche weitere Enthüllungen. Etwa, als News gemeinsam mit „Krone“ u. a. die Geldflüsse in Benkos Signa-Reich aufdeckte.

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Ausgabe 25. 4.

Die Aufdecker Sebastian Reinhart und Rainer Fleckl enthüllen in „Inside Signa“ neue Details über den Finanzjongleur und einstigen Liebling von Politik und Medien

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Ausgabe 12. 9.

Wie sich René Benko kurz vor der Pleite der Signa-Holding mehrere Millionen Euro aus Liechtenstein besorgte – und was seine Mutter damit zu tun hat

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Ausgabe 24. 10.

Im Jahr 2023 kundschaftete ein israelischer Ex-Geheimdienstmann Benkos langjährigen Handelsberater aus. Ungeniert – und mit dubiosen Methoden

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 © Matt Observe/News
Causa René Benko

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