Wlazny mischt auf

Der Chef der Bierpartei macht nicht nur eine Ampelkoalition noch unwahrscheinlicher, als sie es ohnehin schon ist. Er gefährdet auch Kickls Anti-Establishment-Monopol.

von Politische Analyse - Wlazny mischt auf © Bild: Privat

ANALYSE

"Wir haben die schwierigsten Zeiten und die schwächsten Politiker", sagte der steirische Ex-Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) unlängst zur "Kleinen Zeitung". Er mag unterschlagen haben, dass Vertreter seiner Generation dabei gescheitert sind, kleineren Herausforderungen gerecht zu werden. An der Aussage ist jedoch etwas dran: Karl Nehammer gelingt es nicht, als Kanzler und ÖVP-Chef zu einer Linie zu finden. Versuche, wie der jüngste Vorstoß für eine "Leitkultur", enden regelmäßig im Nichts. In der SPÖ wiederum ist Andreas Babler Vorsitzender, weil es einem Teil der Partei darum ging, Hans Peter Doskozil als solchen zu verhindern. Zweifel, dass er das Zeug hat, die Sozialdemokratie nach vorne zu bringen und das Land zu führen, halten sich selbst in den eigenen Reihen.

Der Punkt ist, dass es in Österreich seit geraumer Zeit keinen Politiker gibt, der für eine Masse so überzeugend wirkt, dass er sich bei einer Kanzlerdirektwahl klar durchsetzen würde. Bei Erhebungen dazu muss sich Amtsinhaber Nehammer mit gut einem Fünftel der Nennungen begnügen. Eine relative Mehrheit sieht keinen Kandidaten. Das ist ein Hinweis auf die derzeitige Krise der Politik: Weite Teile des Volkes sind enttäuscht und frustriert; beim bestehenden Angebot erwarten sie sich wenig bis nichts.

Es ist umgekehrt eine Erklärung für das Phänomen Dominik Wlazny. Der 37-Jährige wird bei der Nationalratswahl antreten und – Stand heute – ins Hohe Haus kommen. Es ist bemerkenswert: Reformvorschläge? Fehlanzeige. Der Mann ist schlicht eine Antithese zu dem, was als vorherrschende Politik wahrgenommen wird: Er ist unverbraucht und vermittelt den Eindruck, es einfach nur gut zu meinen. Wenigstens das, sozusagen.

Bei der Bundespräsidenten-Wahl 2022 hat er 8,3 Prozent erreicht. Gewählt wurde er von sehr vielen Anhängern der Grünen und der Neos, aber auch der Freiheitlichen. In Wien-Simmering, einer FPÖ-Hochburg, wo er auf Bezirksebene tätig ist, kam er sogar auf 14,4 Prozent. Stadtweit ließ er den blauen Kandidaten Walter Rosenkranz hinter sich.

Mit seiner Bierpartei hat er das Potenzial, nicht nur eine rot-grün-pinke Mehrheit noch unwahrscheinlicher zu machen, als sie es ohnehin schon ist, sondern auch FPÖ-Chef Herbert Kickl ein lästiger Mitbewerber zu sein: Bisher hatte dieser eine Monopolstellung als Anti-Establishment-Vertreter. Damit ist es vorerst vorbei: Der ganz anders gestrickte, freundlich statt aggressiv wirkende Wlazny hat das Zeug, ihm wichtige Prozentpunkte abzunehmen, die er braucht, um seinen Anspruch aufs Kanzleramt festigen zu können.

BERICHT

Jetzt aber: Nichtwähler raffen sich auf

Die Frustration über politische Verhältnisse mag groß sein, egal sind sie jedoch kaum jemandem. Seit geraumer Zeit gibt es daher bei einer Wahl nach der anderen eine größere Beteiligung als in der Vergangenheit. Wo soll man anfangen? Im Jänner 2023 bei der Landtagswahl in Niederösterreich: plus fünf Prozentpunkte. Wenig später in Kärnten: plus drei. Dann in Salzburg: plus sechs Prozentpunkte. Und so ist es auch heuer weitergegangen bisher. Bei der Gemeinderatswahl in Salzburg nahm die Beteiligung ebenso zu wie zuletzt in Innsbruck. Hier ist sie um zehn Prozentpunkte gestiegen.

Diese Entwicklung ist mit ein Grund dafür, dass es von Mal zu Mal Überraschungen gibt. In Salzburg etwa hatten die Erfolge des Kommunisten Kay-Michael Dankl auch damit zu tun, dass er gezielt bisherige Nichtwähler angesprochen hat.

Auch im Hinblick auf die Europawahl am 9. Juni muss oder darf man mit Überraschungen rechnen: In der Vergangenheit nahmen in der Regel weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten an diesem Urnengang teil, bei dem es um die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments geht. Vor fünf Jahren waren es fast schon sensationelle 59,8 Prozent. Diesmal könnten es sogar mehr als 60 Prozent werden. Der Anteil derer, die vorab ankündigen, sicher teilzunehmen, ist jedenfalls deutlich größer als damals.

Was heißt das? Für die FPÖ zum Beispiel wird es gar nicht so einfach, so groß zu triumphieren, wie es von vielen erwartet wird. Grund eins: Das europakritische Lager, das sie anspricht, ist zwar groß, aber noch immer klar in der Minderheit. Vor allem aber: Wenn jemand weiterhin keine Absicht hat, an dieser Wahl teilzunehmen, dann sind es am ehesten Leute, die der EU distanziert gegenüberstehen. Das hat eine Eurobarometer-Befragung im heurigen Frühjahr ergeben.

ZAHL

Bei Inseraten führte der FPÖ-Chef ein System fort

Als Kanzlerkandidat inszeniert sich FPÖ-Chef Herbert Kickl als Kampfansage an "das System" und gibt sich als einer, der aufräumen wird. Bei Inseraten hat er als Innenminister jedoch selbst ein System fortgeführt. Es ging schlicht um Willkür auf Kosten der Steuerzahler.

Auf Geheiß der Oberstaatsanwaltschaft Wien hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unter anderem Ermittlungen gegen ehemalige Regierungsmitglieder aus den Reihen der FPÖ eingeleitet. Allen voran: Heinz-Christian Strache, 2018/2019 Vizekanzler, und Kickl, damals Innenminister. Es geht um den Verdacht, dass sie Inserate bei der Mediengruppe Österreich von der Berichterstattung abhängig gemacht haben. Sie weisen dies – ebenso wie die Mediengruppe – zurück.

Das Einzige, was man in Bezug auf Kickl vorerst wirklich sagen kann, ist, dass er ein System fortgesetzt hat, das etwa schon sein Vorgänger im Innenressort, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), gepflegt hat: Es steht für eine sachlich nicht nachvollziehbare Vergabe bzw. eine Bevorzugung von Boulevardmedien. Das meiste Geld floss an Tageszeitungen und hier wiederum der größte Teil an "Österreich", "Krone" und "Heute". Inklusive Digitalangebote dieser Blätter handelte es sich unter Sobotka um 1,4 und unter Kickl um 1,6 Millionen Euro in einem Jahr. Bedeutendster Unterschied: Bei Kickl stand 2018 nicht die "Krone" an der Spitze, sondern – mit 650.000 Euro – die "Österreich"-Gruppe. Das ist der Seite medien-transparenz.at zu entnehmen. Zeitungen, die dem Qualitätssegment zugeordnet werden, hatten das Nachsehen. Für den linksliberalen "Standard" etwa wurden sowohl unter Sobotka als auch unter Kickl exakt null Euro ausgewiesen, obwohl über ihn kaum weniger Leserinnen und Leser erreichbar wären als über "Österreich".

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Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at