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Wie wird sich unser Leben verändern, Herr Wadsak?

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Marcus Wadsak

©Ricardo Herrgott
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Die meisten Menschen könnten sich "nicht einmal annähernd" vorstellen, wie die Zukunft in Zeiten des Klimawandels aussehen wird, schrieb ORF-Wetter-Chef Marcus Wadsak jüngst auf X (Twitter). News hat nachgefragt: Wie wird es? Lesen Sie seine Prognosen. Und was jeder Einzelne jetzt tun kann.

Gletscherschwund

"Wenn das Eis immer weniger wird, wird es mit dem Wasser auch eng"

Wir spüren die Folgen des Klimawandels jetzt schon. Die Erde hat sich seit der Industrialisierung um ein gutes Grad erwärmt, und Österreich um zwei Grad. Für manche Menschen ist es schwer, sich das vorzustellen. Wenn es heute draußen zwei, drei Grad mehr hat, trifft uns das nicht. Beim Wetter macht es keinen großen Unterschied. Beim Klima reden wir aber von einer globalen Mitteltemperatur. Wenn sich die um ein paar Grad verändert, bedeutet das eine komplett veränderte Welt.

12.000 Jahre vor unserer Zeit ging eine Eiszeit auf unserer Erde zu Ende. Während dieser Eiszeit lagen weite Teile Europas unter dickstem Eis. Es war damals vier bis fünf 5 Grad kälter als heute. Das heißt, vier bis fünf Grad Unterschied bei der globalen Mitteltemperatur bedeuten ein komplett verändertes Bild unserer Erde. Das müssen wir verstehen.

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Der Rettenbachferner in Sölden wird seit Monaten bearbeitet, um eine Piste zu bauen. Greenpeace kritisiert diese "Zerstörung" des Gletschers

 © Greenpeace/Mitja Koba

Derzeit stehen wir bei einem Grad globale Erwärmung, und wir spüren die Folgen des Klimawandels an allen Ecken und Enden. Das Jahr 2023 ist bisher ein wirklich unfassbares Wetterjahr gewesen. Wir haben das Jahr in Österreich mit knapp 20 Grad am ersten Jänner begonnen, wir haben in ganz Europa Temperaturen gesehen, die es so nie gab. Wir haben die Waldbrände auf Rhodos erlebt, wir haben wenige Wochen später Überschwemmungen in Griechenland erlebt. Zahlreiche Überschwemmungen und Hangrutschungen auch in Österreich. Das gab es alles in solch einem Ausmaß noch nie. Das sind Dinge, die neu und extrem sind, und die Menschen das Leben kosten. Die Ages rechnet auch heuer in Österreich mit bis zu 500 Hitzetoten.

Wir haben 2023 in ganz Europa Temperaturen gesehen, die es so nie gab

Ich war letztes Jahr im August auf dem Großglockner. Die Gletscher rinnen weg. Da ist bereits ein Kipppunkt überschritten. Wir können das Abschmelzen der Gletscher nicht mehr verhindern. Sie werden im Laufe dieses Jahrhunderts verschwinden. Jetzt kann man sagen, na ja, es sind ein paar Gletscher weg. Aber das Eis da oben ist ja nicht nur unser Trinkwasserreservoir, es trägt auch viel Wasserkraft in sich. Und dieses Eis hält auch die Berge zusammen. Wenn das Eis wegschmilzt, kommt nicht nur das ganze Wasser herunter, sondern wir erleben auch immer öfter Felsstürze. Das ist eine Entwicklung, die wir nicht mehr aufhalten können.

Wir haben zu wenig auf dem Radar, dass Trinkwasser ein sehr wertvolles, kostbares Gut ist. Derzeit sind wir sind in Österreich so privilegiert, dass wir den Wasserhahn aufdrehen und qualitativ hochwertiges Trinkwasser herauskommt. Wir spülen es sogar am Klo herunter. Das ist nicht selbstverständlich und das ist uns auch nicht für immer garantiert. Wenn das Eis immer weniger wird, wird es mit dem Wasser auf lange Sicht auch eng.

Hitzetage und Tropennächte

"Wie wir Wohnräume kühlen, ist in Zukunft sicher eine größere Aufgabe als das Heizen"

Wir sehen hier eine rasante Entwicklung. Ich bin so alt, dass ich in Wien noch einen Sommer erlebt habe, in dem es keinen einzigen Hitzetag - also einen Tag mit 30 Grad oder mehr - gegeben hat. Der Anstieg ist hier rasant. Zwischen 1981 und 1990 hatten wir im Schnitt elf heiße Tage, von 1991 bis 2000 waren es schon 15, von 2001 bis 2010 waren es 18, von 2011 bis 2022 waren es 29 - und das Spitzenjahr hatte 40 Hitzetage. Man kann natürlich sagen, ist doch schön, dann können wir öfter baden gehen.

Aber wir leiden darunter, wenn es nicht mehr unter 20 - teilweise nicht mehr unter 25 Grad - abkühlt. Es kostet Konzentrationsfähigkeit, weil wir bei diesen Temperaturen in der Nacht keinen erholsamen Schlaf mehr finden können. Wir sehen das mittlerweile auch schon in Städten wie Graz oder Linz.

Und das Zweite ist natürlich, dass diese große Hitze viele Menschen gesundheitlich stark belastet. Man kann sportliche Aktivitäten nicht mehr im Freien ausüben. Es trifft auch alle Arbeiten im Freien. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landes leidet. Wenn man im Sommer schlecht schläft und es zu Mittag schon 30 Grad hat, fühlt man sich einfach schlapp und müde.

Es wird sich alles steigern. Die Tropennächte werden mehr, die Hitzetage werden mehr. Das ist auch kein Wunder, wir sind noch immer nicht auf Kurs, was unsere Klimaziele betrifft. Die Temperatur steigt weltweit und in Österreich, weil wir immer noch zu viel CO2 in die Atmosphäre pulvern. Wir müssen also mit einer weiteren Zunahme an heißen Tagen, an Tropennächten und an Hitzetoten rechnen. Es könnten 6.000 Menschen in Österreich sein, die bis 2050 jedes Jahr aufgrund der Hitze sterben.

Wie wir Wohnräume kühlen, ist in Zukunft sicher eine größere Aufgabe als das Heizen. In Wien gibt es schon Bauprojekte mit Kühlräumen. Klimaanlagen werden sich die meisten Menschen nicht leisten können. Aber wir müssen für die Menschen - vorrangig jene, die gesundheitlich belastet sind - Rückzugsräume schaffen. Ich kenne jetzt schon Menschen, die an Hitzetagen stundenlang in Einkaufszentren gehen, weil die gekühlt sind.

Wir müssen uns auch fragen - reichen unsere Schutzvorkehrungen vor Extremwetterereignissen noch? Ist unsere Bauweise noch ausreichend für die Hitze, die auf uns zukommt? Wir sind auf einem guten Weg, aber ganz oft laufen wir den Dingen hinterher. Das betrifft auch den Straßenbau oder Schienen und Stromleitungen. Wenn es heiß wird, ist unsere Infrastruktur gefährdet, weil sich die heißen Dinge ausdehnen, Brücken zum Beispiel oder Teer. Hier muss man nachbessern, weil die Temperaturen höher werden. Sehr oft glauben wir, es reicht, die derzeitige Situation zu berücksichtigen. Wir wissen aber, dass sich diese Dinge noch eine Zeitlang verstärken, verschärfen und verschlimmern werden. In diesem Sinne glaube ich, dass wir in manchen Bereichen zu wenig weitsichtig sind und immer nur versuchen, den Folgen des Klimawandels hinterherzulaufen.

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 © News

Landwirtschaft

"Marillen und Grüner Veltliner sind nicht gesichert"

Wenn es weiter wärmer wird, wird manches in manchen Regionen nicht mehr so wachsen, wie es seit 200 Jahren wächst. Der Grüne Veltliner in Niederösterreich wird zum Beispiel nicht für immer anbaubar sein, weil sich unser Klima erhitzt. Stattdessen wird es in der Südsteiermark Rotweine geben, die bisher nur in Italien möglich waren.

Der Veltliner wandert nach Deutschland, dafür kriegen wir den guten Rotwein, so kann man es sich schönreden. Aber fragen Sie einmal einen Landwirt, was es bedeutet, wenn er seine ganzen Weinreben ändern muss. Er muss die alten, teilweise 60 Jahre alten Weinstöcke ausreißen, weil sie nicht mehr gehen, und bis neue so tragfähig sind, das dauert. Außerdem es ist nun einmal so, dass die Wachau für Marillen steht und Niederösterreich für den Grünen Veltliner, und diese zwei Dinge sind nicht gesichert.

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Marillenbäume in der Wachau. Wegen des ungewöhnlich warmen März war die Vegetation früher als gewohnt vorangeschritten. Eisige Temperaturen im April zerstörten viele Blüten

 © Josef Bollwein / SEPA.Media / picturedesk.com

Dadurch dass es früher im Jahr warm wird, blühen die Bäume und Pflanzen früher auf, aber in dieser Zeit sind wir vor Nachtfrösten nicht gefeit. Die Blüte setzt also massiv früher ein, stirbt aber durch Nachtfrost oft ab. Das ist es, worunter die Landwirtschaft wirklich zu kämpfen hat. Und gerade im Osten sehen wir durch die Dürre der letzten drei Jahre die Landwirtschaft generell im Stress. Auch mit dem Wald haben wir in Österreich ein massives Problem. Der Wald kann sich nicht anpassen, weil die Veränderungen einfach zu schnell sind.

Krankheiten aus dem Süden

Ein weiteres Thema sind Krankheiten. Mit der Hitze breiten sich Dinge aus, die wir bisher nur weiter im Süden kannten. So ist es in den letzten Jahren an der Oberen Adria und teilweise schon bis nach Bayern zu Todesfällen durch das Westnilvirus gekommen. Wie der Name schon sagt, gehört das definitiv nicht nach Bayern. Den Stechmücken, die das Westnilvirus übertragen, wird es da, wo sie bisher waren, zu heiß. Das ist eine logische Folge der globalen Erwärmung.

Extremwetterereignisse

"Wir müssen damit rechnen, dass der Regen stärker wird"

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Überflutungen in Salzburg im August

 © JFK / EXPA / picturedesk.com

Wir haben heuer erlebt, wie Wetter in einer heißeren Atmosphäre funktioniert. Eine heißere Atmosphäre trägt mehr Energie in sich. Das ist logisch. Wenn ich etwas erhitze, ist da mehr Energie drinnen. Wenn sich unsere Atmosphäre um ein Grad erwärmt, ist da viel mehr Power und Turbulenz drinnen. Wir kennen das Italientief seit 200 Jahren, es ist keine neue Wetterlage. Aber das Mittelmeer ist jetzt so warm wie nie zuvor, also verdunstet mehr Wasser. Und die Atmosphäre kann es durch die Erwärmung besser aufnehmen. So entstehen diese mächtigen Wolken und extremen Regenmengen, wie wir sie bisher noch nie gemessen haben. Die Folgen waren diesen Sommer jeden dritten Tag in den Nachrichten.

Wir haben heuer erlebt, wie Wetter in einer heißeren Atmosphäre funktioniert

Darauf müssen wir uns einstellen: Die Erde erwärmt sich weiter, und wir müssen damit rechnen, dass der Regen stärker wird. Dazu kommt noch eine andere heikle Geschichte. Durch den Klimawandel haben sich auch unsere Strömungsmuster verändert. Diese Italientiefs sind früher schneller weitergezogen. Das hat sich verlangsamt. Dadurch fällt dieser Regen immer öfter in größeren Mengen an einem Ort. Der beste Schutz gegen die Wassermassen wäre natürlich, wenn sie gut verteilt abrinnen können. Aber solche Regenmengen finden oft keinen Weg mehr, wie sie versickern können. Wir verbauen immer mehr und betonieren immer mehr zu, damit findet das Wasser keinen Weg in die Erde, sondern reißt Straßen mit sich. Wir müssen uns anschauen: Reichen die Abflusswege, die wir für unser Wasser gelassen haben, noch aus für die Regenmengen, die wir zu erwarten haben? In vielen Bereichen ist die Antwort nein. Wir müssen sicher umdenken und umhandeln.

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Fluchtbewegungen

"Man kann die Flüchtlinge ja nicht zurückschicken, wenn ihr Land untergegangen ist"

Aktuell versuchen wir, die Erwärmung bei 1,5 Grad im globalen Mittel einzubremsen. Diese 1,5 Grad werden oft als Ziel formuliert, aber ich glaube, wir müssen es vielmehr als Limit sehen, denn 1,5 Grad sind nicht gut.

Da haben wir schon Probleme mit mehr Hitze, mit mehr Flut und mehr Dürren. Ab 2 Grad wird es wirklich ernst. Da sprechen wir von einer Katastrophe. Denn dann geht es los mit tödlichen Hitzewellen und Essensknappheit in vielen Regionen. Wenn wir über 3 Grad und mehr sprechen, sind Milliarden von Menschen durch Dürren und Hungersnöte betroffen, aber auch durch den Anstieg des Meeresspiegels. Viele Menschen leben in Küstenregionen. Sie werden bei einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels schlicht und einfach ihre Heimat verlieren. Und das betrifft weltweit alle.

Unter den zehn meistbetroffenen Ländern der Erde befinden sich z. B. die USA. Dort liegen Millionenmetropolen wie New York und Los Angeles an den Küsten. Diese Menschen werden ihre Heimat aufgeben müssen, und sie werden - auch wenn das niemand gerne hört - von dort wegmüssen. Dass wir mit Flüchtlingsbewegungen nicht allzu gut umgehen können, erleben wir ja schon seit vielen Jahren. Im Vergleich zu dem, was uns dann erwartet, wäre es die kleinere Übung, jetzt eine Lösung zu finden. Denn man kann diese Flüchtlinge ja nicht zurückschicken, wenn ihr Land untergegangen ist. Oder wenn es dort kein Wasser und keine Lebensmittel mehr gibt. Das ist kein Horrorszenario und keine Panikmache, da ist eine reale, logische Folge der Erderhitzung.

Drei Grad Erwärmung

Wir sind jetzt, so wie es ausschaut, auf dem Kurs in Richtung gute drei Grad Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts. Und da sind die Pläne der Regierungen schon eingerechnet. Wenn wir weitertun wie bisher, wird es sogar ein bisschen mehr. Das wird uns noch innerhalb dieses Jahrhunderts - also in den nächsten 70 Jahren - vor riesige Herausforderungen stellen. Das Ausmaß können sich die wenigsten Menschen vorstellen. Gott sei Dank arbeiten Experten daran, wie wir damit umgehen werden können.

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Der Hurrikan Ida traf die amerikanische Ostküste 2021 mit voller Wucht. Für New York wurde zum ersten Mal eine Sturzflutwarnung ausgegeben. U-Bahnlinien und Straßen in Manhattan und Brooklyn waren überflutet

 © Getty Images/David Dee Delgado

Was kann man dagegen tun?

Wenn wir uns die Fakten anschauen, ist klar, dass wir vor einer riesigen Herausforderung stehen, die wir aber annehmen und lösen können. Es braucht einen Schulterschluss zwischen allen. Wir müssen uns klarmachen, dass wir ein paar Dinge ändern müssen, damit wir unsere Welt weiterhin so lebenswert vorfinden, wie wir sie seit über 10.000 Jahren kennen. Ich höre oft: Ich allein kann ja nichts machen. Aber für mich ist klar, wir sind ja Gott sei Dank nicht allein. Es gibt eine weltweite Bewegung. Zugegeben, es ist zu wenig und es geht zu langsam, aber wir bewegen uns, und zwar auch in China und auch in den USA. Und auch in Österreich. Und überall ist es zu wenig, und überall braucht es mehr.

lch versuche den Menschen zu zeigen, dass Klimaschutzmaßnahmen unser Leben bereichern. Wir haben drei Problemfelder. Das eine ist Mobilität. Hier gilt: Umsteigen auf Öffis, wann immer es geht. Das zweite ist Ernährung. Weniger Fleisch essen ist gesünder und schont das Klima. Aber bevor wir überhaupt über Reduktion und Einschränkungen sprechen, müssen wir sehen, dass wir ein Drittel unserer Lebensmittel wegwerfen. Wenn ich versuche, nur das einzukaufen, was ich konsumiere, kann ich also ein Drittel der Emissionen im Ernährungsbereich senken. Und das dritte ist die Energiewende. Wenn ich Fotovoltaik auf mein Dach nagele, erzeuge ich quasi umsonst meinen Strom. So ist es einfacher, billiger und angenehmer, klimafreundlich zu leben.

Der Beitrag erschien ursprünglich im News 39/2023.

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