Der Fall Benko und wie es um die Finanzkraft seiner Stiftungen bestellt ist. Und welchen Spielraum der Finanzjongleur noch hat. Eine Spurensuche.
Mit 20 Jahren Schilling-Millionär. Mit 30 Jahren Euro-Milliardär. Auch mit diesen informellen Auszeichnungen aus der Welt der Reichen und Schönen wusste sich René Benko lange Zeit zu schmücken. Das internationale Finanzmagazin "Forbes" führte den Schöpfer des undurchsichtigen Signa-Konzerns in seinem Milliardärs- Ranking zuletzt noch als österreichische Nummer drei hinter dem mittlerweile verstorbenen Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz und dessen Erben sowie Novomatic-Eigentümer Johann Graf. Es dauerte bis Dezember 2023, kurz nach der Pleite-Meldung der Signa Holding, bis "Forbes" den 46-jährigen Immobilienspekulanten aus diesem elitären Zirkel bugsierte.
Genauen Beobachtern war die offenbar auch privat durchaus angespannte Finanzlage des Finanzjongleurs schon vorher gedämmert. Spätestens als René Benko im Herbst 2023 versuchte, mit einem Picasso und einem Basquiat die beiden wertvollsten Werke seiner Sammlung auf den internationalen Kunstmarkt zu werfen, stellten sich Signa-Insider zum wiederholten Male die Frage: Wo steht eigentlich Benkos persönlicher Tresor? Seitdem das Signa-Insolvenz-Domino so richtig Fahrt aufgenommen hat, lautet die Frage: Warum greift Benko nicht in seinen Tresor, um seine wichtigsten Beteiligungen vor der Zerschlagung zu bewahren? Warum muss der Signa-Vorstand mit Briefen an die Investoren um ein Massedarlehen bitten? Warum greift Benko nicht einfach in seine Privatschatulle und gewährt seiner Signa dieses Darlehen? Es dreht sich letztlich um die Frage: Wie viel Geld hat René Benko eigentlich noch zur Verfügung? Die operative Signa-Gruppe war schon vor den Gerichtsbeschlüssen auf Insolvenzeröffnung ein absichtlich intransparent gehaltenes Konstrukt. Sein privates Vermögen hat Benko mithilfe seiner Berater mindestens ebenso so gründlich dem Blick von außen entzogen.
Nur zur Verdeutlichung der Dimension. Auf dem Papier - und das im wahrsten Sinne des Wortes - umfasst das vorläufige Organigramm der Signa-Gruppe per September 2023 einen Umfang von 46 DIN-A3-Seiten. Ohne Stiftungen.
Nur zur Verdeutlichung der Dimension. Auf dem Papier - und das im wahrsten Sinne des Wortes - umfasst das vorläufige Organigramm der Signa-Gruppe per September 2023 einen Umfang von 46 DIN-A3-Seiten. Ohne Stiftungen.
René Benko hat in den letzten Jahren mehrere Privatstiftungen, zumeist gemeinsam mit seiner Mutter, in Österreich und in Liechtenstein gegründet. Einige dieser Privatstiftungen spielen seit Jahren zentrale Rollen im Benko-Reich: Es handelt sich in Österreich um die Familie-Benko-Privatstiftung und um die Laura-Privatstiftung, in Liechtenstein um die ING-BE-Stiftung und um die ARUAL-Stiftung.
Um eine möglichst realistische Antwort auf die Frage zu erhalten, wie vermögend René Benko nach den zahlreichen Insolvenzen der letzten Wochen eigentlich noch sein dürfte, muss man einen näheren Blick auf ebendiese Stiftungen werfen. Eine wesentliche Frage lautet: Welche Rolle wird diesen Stiftungen im undurchschaubaren Netzwerk der Signa-Gruppe zuteil?
Wirft man einen Blick auf das Organigramm der Signa-Holding, dann hält die Familie-Benko-Privatstiftung den größten Anteil an der Signa-Gruppe. Die Familie-Benko-Privatstiftung ist im Wesentlichen ein Beteiligungsvehikel oberhalb der Signa Holding. Eine Art heimliche Holding, möchte man meinen. Neben der Verwaltung der unmittelbar gehaltenen Geschäftsanteile an der Holding für ihren Stifter Benko dienten die Beteiligungskonstruktionen über diese Stiftung über viele Jahre offenbar auch als ein Instrument der Verschleierung im undurchschaubaren Signa-Konzern, den mittlerweile Insolvenzverwalter und beigezogene Berater in Kompaniestärke versuchen, aufzudröseln und zu durchleuchten.
Immerhin wurden über Jahre Anteile an der Signa Holding für außenstehende Investoren, darunter die verschwiegene italobrasilianische Familie Koranyi-Arduini, über diese Stiftung gehalten. Die wahren Machtverhältnisse innerhalb der Signa Holding und Vermögensverschiebungen innerhalb der Gruppe müssen in den Sanierungsverfahren aufgeklärt werden. Nachträglich betrachtet eigentlich unglaublich: Wer genau wann welche Stimmrechtsanteile und damit welche Entscheidungsgewalt hatte, soll laut News-Recherchen bis kurz vor Insolvenzbeginn nicht einmal den wichtigsten Co-Investoren innerhalb der Signa Holding, etwa der Strabag-Größe Hans Peter Haselsteiner, tatsächlich nachvollziehbar gewesen sein.
Schieflage
Nun scheint es zu spät. Die "Kronen Zeitung" berichtete Anfang dieser Woche über die veritable Schieflage der Familie-Benko-Privatstiftung. Tatsache ist, dass die heimliche Holding der Signa-Gruppe, also die Familie-Benko-Privatstiftung, demnach direkt und indirekt über 66 Prozent der Anteile an der Pleite gegangenen Signa Holding verfügte. Tatsache ist, dass diese Stiftung der finanzmaroden Signa Holding ein Darlehen über 100 Millionen Euro gewährt hat, dessen Schicksal an ein erfolgreiches Sanierungsverfahren geknüpft ist. In dieser Sanierung stehen entscheidende Tage bevor. Und: Tatsache ist weiters, dass sich René Benko selbst von dieser seiner Stiftung 21 Millionen Euro privat geborgt hat. In vorgeblich besseren Zeiten. "Klammert man die Beteiligung an der Signa Holding aus, hat die wichtigste Stiftung offenbar mehr Schulden als Vermögen", notierte jedenfalls die "Krone" am 22. Jänner 2024. Im Lichte dieser Erkenntnisse dürfte der Ausgang des Sanierungsverfahrens der Signa Holding für diese Benko-Stiftung jedenfalls von elementarer Bedeutung sein.
Von wesentlicher Bedeutung dürfte für Stifter René Benko die ebenfalls in Innsbruck domizilierte Laura-Privatstiftung sein, die im Jahr 2006 gegründet wurde. News-Recherchen können nun erstmals erhellen, welche Vermögenswerte über diese Laura-Privatstiftung gehalten werden. Laut vertraulichen internen Signa-Unterlagen bestand das Vermögen der Laura-Privatstiftung -Stand 2023 - aus folgenden Beteiligungen:
Immobilien in Innsbruck
Immobilien in Ostdeutschland
Immobilien in Berlin
Benkos Siebenstern-Chalet N in Oberlech
Benkos Villa in Innsbruck-Igls, die mit mehr als 60 Millionen Euro in den Büchern dieser Laura-Stiftung steht
Ein für eine Nutzung auf Kurzstrecken ziemlich überdimensionierter Privatjet der Marke Bombardier Global 700, Neupreis rund 70 Millionen Euro
Eine Jacht namens "RoMa", die einst dem Investor Ronny Pecik gehörte, 64 Meter lang
Eine Kunstsammlung, die in den letzten Monaten um einen Picasso und eine Basquiat ärmer werden sollte
Beteiligung im Tech-Bereich, die im Jahr 2022 von der Familie Benko Privatstiftung zur Laura Privatstiftung verschoben wurde
Spannend sind nun vor allem folgende Punkte:
Laut News-Recherchen stehen alle Beteiligungen der "Laura-Gruppe" - Stand 30. Juni 2023 - bei Kreditinstituten mit in Summe exakt 364,271 Millionen Euro in der Kreide. Laut weiteren Investigationen hat die Laura-Privatstiftung der Familie-Benko-Privatstiftung im Jahr 2020 ein geheimes Darlehen über 296 Millionen Euro gewährt, um damit eine Kapitalerhöhung durch Bareinzahlung bei der Signa Holding zu finanzieren; und erst kürzlich wurde dieses Darlehen auf weitere fünf Jahre verlängert.
Aussagekräftig ist wohl auch folgendes Detail: Laut dem vertraulichen Jahresabschluss 2022 hatte die Familie-Benko-Privatstiftung bei mehreren Geldinstituten lediglich rund 640.000 auf den Konten. Bei der Laura-Privatstiftung waren - ebenfalls vor gut einem Jahr - nur mehr 1,836 Millionen Euro verfügbar. Das ist relativ überschaubar für einen Möchtegern-Milliardär.
Nur zum Vergleich: Im Jahr davor waren auf den Konten der Laura-Privatstiftung immerhin noch 31,223 Millionen Euro in Cash verfügbar gewesen.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2024.
Die Causa Benko - News berichtete:
Über die Autoren
Rainer Fleckl
Rainer Fleckl ist ein österreichischer Investigativjournalist. Er schrieb unter anderem für News.
- 2017 bis 2020: Leiter des Investigativ-Teams bei Addendum
- bis April 2021 Bereichsleiter ServusTV
Seit November 2023 ist er Investigativjournalist bei Krone Multimedia. Für seine journalistischen Tätigkeiten wurde er unter anderem mit dem Alfred-Worm-Preis und dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis ausgezeichnet.
Sebastian Reinhart
Sebastian Reinhart ist Investigativ-Journalist. Er war unter anderem Referent für Untersuchungsausschüsse im österreichischen Nationalrat während der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Er war für die Recherche-Plattform Addendum tätig und schreibt für den Spiegel sowie derzeit für das Magazin News.