ANALYSE
Wie ist das, was der 35-Jährige bereits erreicht hat, erklärbar? Eine Dimension, die auch für die Bundespolitik gilt, ist die Vertrauenskrise herkömmlicher Parteien und Politiker. Schon Sebastian Kurz hat einst darauf reagiert. Er hat die ÖVP als Bewegung inszeniert und alles getan, selbst nur ja nicht als Berufspolitiker rüberzukommen.
Dankl ist der Antityp eines Politikers, er wirkt glaubwürdig. Er ist eher Sozialarbeiter und kümmert sich durch persönliches Engagement wahrnehmbar um das Thema, das den Leuten unter den Nägeln brennt: Wohnen. Dass er Kommunist ist, ist daher kein Handicap für ihn.
Auf Bundesebene ist vieles anders. Zu den Problemen von Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) zählt aber nicht nur, dass er für eine Masse nie greifbar sein kann. Ihm misstraut grundsätzlich eine Mehrheit. Schlimmer: Er ist schon zu lange dabei, als dass er sich noch mit Aussicht auf großen Erfolg als neue Kraft präsentieren könnte, die für Veränderungen zum Besseren steht. Bei SPÖ-Chef Andreas Babler könnten einige Voraussetzungen vielleicht passen. Er mischt erst seit wenigen Monaten mit. Allein: Es vergeht keine Woche, in der er nicht von einem Genossen kritisiert wird und er darauf reagieren muss. Das ist Selbstbeschädigung.
Herbert Kickl (FPÖ) bemüht sich, aus der Not eine Tugend zu machen. Ihm misstrauen so viele Menschen wie kaum einem anderen Politiker. Das aber versucht er vergessen zu machen, indem er sich anbietet, dem gesamten "System" eine Absage zu erteilen. Was bisher aufgeht. Die Freiheitlichen liegen klar auf Platz eins.
Gelaufen ist die Sache jedoch nicht: Wenn ein glaubwürdiger Antityp eines Politikers wie eben Dankl bei der Nationalratswahl antritt, wird es auch für Kickl kritisch. Dominik Wlazny (Bierpartei) ist ein Kandidat dafür. Kickl hätte damit einen Mitbewerber, der auch ihn ein paar Stimmen kosten würde. Womit es noch schwieriger werden könnte für ihn, auch nur eine Option für eine Koalition unter seiner Führung aufzuzeigen: Eine blau-türkise Mehrheit etwa ist schon heute ungewiss.
BERICHT
Von wegen "volle Härte" bei Kindern
Von wegen "volle Härte" bei Kindern
Nach schweren Missbrauchsfällen, bei denen Minderjährige zu den mutmaßlichen Tätern gehören, drängen FPÖ und ÖVP auf eine Senkung der Strafmündigkeit, die derzeit mit 14 ansetzt. Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verweist ebenso auf Länder, in denen sie früher beginnt wie FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz. Dort gebe es offenbar andere Experten als in Österreich, meint Schnedlitz in Reaktion auf Fachleute, die das kritisch sehen. Er ist jedenfalls überzeugt, dass "Prävention und Streetwork bei Minderjährigen, die bereit sind, Mädchen zu vergewaltigen oder zu ermorden, der falsche Weg" sei: "Solche Täter muss die volle Härte treffen."
Tatsächlich gibt es in Europa mehrere Länder, in denen die Grenze zur Strafmündigkeit unter 14 liegt. "In der Regel" gebe es bei Jüngeren aber "spezielle Sanktionen, bei denen der Erziehungsgedanke im Vordergrund steht", stellt der Wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages in einer Studie fest.
In der Schweiz beginnt die Strafmündigkeit mit zehn. Auch dort gilt: "Für das Jugendstrafrecht ist vorwiegend der Schutz- und Erziehungsgedanke maßgebend", erklärt Gian Ege, Strafrechtler an der Uni Zürich. Vor allem bei unter 15-jährigen Tätern sei das der Fall. Grund: Für sie gibt es keine Haft. Möglich sind eine Art Verwarnung oder verpflichtende Tätigkeiten, die der Allgemeinheit zugutekommen, aber höchstens zehn Tage dauern dürfen. "Insofern wird der größte Teil der Straftaten von Tätern in diesem Alter mit einer sehr milden Strafe sanktioniert", so Ege.
Unabhängig davon können Schutz- und Erziehungsmaßnahmen fixiert werden. Darunter werden etwa ambulante, aber auch stationäre Behandlungen verstanden, die zum Beispiel notwendig erscheinen, um einen Jugendlichen wieder auf die richtige Bahn zu bringen.
ZAHL
Wer sich vor Dankl und Wlazny am meisten fürchten muss
Wer sich vor Dankl und Wlazny am meisten fürchten muss
Phänomene wie Salzburgs KPÖ-Star Kay-Michael Dankl und der Chef der Bierpartei, Dominik Wlazny, sprengen jeden Rahmen: Sie schaffen es, allen Parteien Wähler abzunehmen; nicht nur linken. Das zeigen Wählerstromanalysen, die das Sozialforschungsinstitut SORA erstellt hat.
Bei der Salzburger Landtagswahl 2023 bescherte Dankl der KPÖ einen Stimmenanteil von fast zwölf Prozent. Jeder zwölfte Wähler kam von der ÖVP, jeder elfte von der FPÖ. Das ist etwas, was es aus Sicht der beiden Parteien nicht geben dürfte: Die KPÖ steht ihnen so fern wie keine andere Mitbewerberin. Dankl hat jedoch Menschen aus allen Lagern angesprochen, die der Meinung sind, dass Politiker kein Verständnis für Alltagssorgen wie Wohnen haben. Das geht vor Ideologie.
Am stärksten setzte Dankl SPÖ, Grüne und Neos zu. Von ihnen kam mehr als die Hälfte der KPÖ-Stimmen. Diese Parteien sind auch schon bei der Bundespräsidenten-Wahl 2022 alarmiert worden. Und zwar dadurch, dass Wlazny besonders in ihrer Anhängerschaft auf Zuspruch stieß. Extrem: 30 Prozent der Stimmen, die er erreichte, stammten von Grünen.
Diese Wähler gaben ihm den Vorzug gegenüber Amtsinhaber, Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen. Das war ein Warnsignal für die Bundes-Grünen um Vizekanzler Werner Kogler: Zurückhaltung und Kompromissbereitschaft, wie sie sie im Regierungsalltag immer wieder praktizieren, wird in den eigenen Reihen nicht unbedingt goutiert. Im Gegenteil, er treibt einen Teil der Wähler zum erstbesten Mitbewerber, der leidenschaftlich-kompromisslos auftritt und eher ihren Vorstellungen entspricht.
Zur Zeit liegen die Grünen mit weniger als zehn Prozent um gut ein Drittel unter ihrem letzten Nationalratswahlergebnis. Wlaznys Bierpartei ist ihnen mit rund sieben Prozent nahe. Ob sie antreten wird, ist aber noch offen.
Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at