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Nehammer verspekuliert sich

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Mit seiner Bargeldkampagne glaubt der Bundeskanzler, den Freiheitlichen Wind aus den Segeln nehmen zu können. Damit erntet er nicht nur Widerspruch aus den eigenen Reihen.

ANALYSE

Schon von der Papierform her kann das nicht gutgehen: Karl Nehammer ist ganz anders als Sebastian Kurz und versucht trotzdem, ihn zu kopieren. Auch zu diesem hätte die Normalitätsdebatte gepasst, um die sich der Kanzler und ÖVP-Chef bemüht. Allein: In seinem Fall weigern sich namhafte Vertreter der Partei, mitzuziehen. "Normalität ist für mich auch die Vielfalt", meint Tirols Landeshauptmann Anton Mattle. Das ist das Gegenteil dessen, was Nehammer vorschwebt. Ihm geht es um bestimmte Lebensentwürfe und vor allem Abgrenzung - etwa von Linken unter Führung von Andreas Babler (SPÖ).

Das Ziel ist klar: Kurz hat einst freiheitliche Migrationspolitik kopiert und so der FPÖ in Verbindung mit seiner persönlichen Strahlkraft Hunderttausende Wähler abgenommen. Schwarz-türkise Landeshauptleute spielten gerne mit. Dank seines Wirkens kamen auch sie zu Wahlerfolgen. Nehammer will es ihm gleichtun. Im fehlt jedoch die Strahlkraft. Eine Aussicht auf Wahlerfolge hat er schon gar nicht zu bieten.

Im August startete er trotzdem die nächste Kampagne. Nämlich jene, die vorgibt, dass Bargeld durch eine Verankerung in der Bundesverfassung geschützt werden könne, ja müsse. In Wirklichkeit handelt es sich um eine europäische Materie, ist Bargeld "durch EU-Recht gesichert", wie das Massenblatt "Krone" den ständigen Vertreter der Union in Österreich, Martin Selmayr, Aufklärungsarbeit betreiben lässt.

Nehammer lässt sich nicht beirren. In einem Video spricht er Bürger direkt an, duzt sie und betont, sicherstellen zu wollen, dass sie auch künftig beim Bäcker, Friseur oder im Kaffeehaus bar bezahlen können.

Diesmal ist er mit noch größeren Vorbehalten aus den eigenen Reihen konfrontiert. Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer stellt ihn bloß und spricht von einem "Sommerloch-Thema".

Schlimmer für Nehammer: Es mag ihm gelingen, ein Thema in den Vordergrund zu stellen, mit dem er von realen Problemen, etwa der Krise des Gesundheitssystems, ablenkt und mit dem er etwas transportiert, was Freiheitliche seit Jahr und Tag fordern. Dabei begibt er sich jedoch auf ein gefährliches Terrain: Er riskiert, sich auf einen Wettkampf mit Herbert Kickl (FPÖ) einzulassen, der in Richtung "Öxit" geht, also hin zu einem EU-Austritt.

Kickl zeigt keine Hemmungen, immer einen Schritt weiterzugehen. Dass Währungspolitik EU-Zuständigkeit ist, heißt für ihn, dass man die nationalen Kompetenzen stärken muss. Dass man eine "Festung Verfassung" bauen muss, wie er bereits erklärt. Spätestens da könnten für Nehammer die Alarmglocken schrillen: Mit einer ÖVP, die einst treibende Kraft für den Beitritt zur Europäischen Union war und in der es nach wie vor einen Wirtschaftsflügel gibt, für den die Mitgliedschaft alternativlos ist, kann er da nicht mithalten. Er würde am Stuhl sägen, auf dem er als Obmann sitzt.

ZAHL

An Jungen vorbei

An Jungen vorbei

Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Bundesregierung ist allgemein sehr gering, ganz besonders ist sie das aber unter Jüngeren. Das zeigen die Österreich-Ergebnisse der "Europäischen Sozialstudie", zu der das Institut für Höhere Studien (IHS) gerade einen kommentierten Tabellenband erstellt hat. Nur 5,6 Prozent der unter 30-Jährigen geben demnach an, äußerst zufrieden zu sein. Bei den ab 65-Jährigen handelt es sich um 17,5 Prozent. Insgesamt sind es 10,6 Prozent.

These: Junge stehen nicht im Zentrum der Politik. Sie widerspricht vielmehr eher ihren Vorstellungen und geht damit gewissermaßen noch stärker an ihnen vorbei als zum Beispiel an Älteren.

Ganz anders als in der Gesamtbevölkerung und abweichend vom - trotz grüner Beteiligung - restriktiven Regierungskurs ist bei unter 30-Jährigen etwa die Haltung zu Zuwanderung und Integration. Fast drei Viertel sagen, dass es zumindest einigen Menschen aus ärmeren Ländern außerhalb Europas erlaubt werden sollte, nach Österreich zu kommen und hier zu bleiben. 23 Prozent würden diese Möglichkeit sogar vielen Männern und Frauen eröffnen. Das sind gut zwei Mal mehr als in der Gesamtbevölkerung und vier Mal mehr als in der Gruppe der ab 65-Jährigen. Abgesehen davon ist bei den unter 30-Jährigen der Anteil derer, die finden, dass Zuwanderung das Land zu einem schlechteren Ort macht, unterdurchschnittlich und der Anteil derer, die eine Verbesserung sehen, überdurchschnittlich. Er beträgt jeweils 18 Prozent. Über alle Altersgruppen hinweg sehen 24 Prozent eine Verschlechterung und 13 Prozent eine Verbesserung.

Nach herkömmlichen Kriterien scheinen Jüngere generell eher links der Mitte zu stehen. So zeigt die "Europäische Sozialstudie" auch, dass sie zu einem größeren Teil der festen Überzeugung sind, dass der Staat vorhandene Einkommensunterschiede reduzieren muss.

BERICHT

Zu wenig Klimapolitik

Zu wenig Klimapolitik

Der Kurs größerer Parteien könnte zum Schluss führen, dass eine Mehrheit der Bevölkerung weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels klar ablehnt und dass daher lieber darauf verzichtet wird. In der SPÖ musste Neo-Chef Andreas Babler nach Kritik aus den eigenen Reihen seine Forderung nach Tempo 100 auf Autobahnen relativieren. ÖVP und FPÖ bemühen sich überhaupt, sich durch einen Kampf gegen "Klimakleber" zu profilieren.

Darüber kann man sich wundern: Die Österreicher sind nicht so. Über 60 Prozent sehen im Klimawandel ein sehr ernstes Problem. Das hat eine Eurobarometer-Befragung im Auftrag der Europäischen Kommission ergeben. Gerade einmal 17 Prozent sind der Meinung, dass die türkis-grüne Regierung zu viel unternimmt. 26 Prozent finden, dass sie genug macht. Ganze 51 Prozent sind jedoch der Überzeugung, dass sie zu wenig tut. Das ist umso bemerkenswerter, als sie mit der CO₂-Bepreisung immerhin schon einen Einstieg in die Ökologisierung des Steuersystems fixiert hat, der unter anderem zu höheren Spritpreisen führt.

Derartige Schritte werden in weiten Teilen der Bevölkerung aber als notwendig erachtet: Drei Viertel stimmten bei der Eurobarometer-Erhebung der Aussage zu, dass der Übergang zu sauberen Energien stärker gefördert werden sollte, auch wenn das bedeutet, dass Subventionen für fossile Brennstoffe wie Öl und Gas gekürzt werden.

Mehr als 60 Prozent erklären im Übrigen, persönlich zur Bekämpfung des Klimawandels beizutragen. Wenn möglich, verzichten sie demnach zum Beispiel auf das Auto.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at

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