News Logo
ABO

Kickl setzt sich ab

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
9 min
Politische Analyse - Kickl setzt sich ab
©Bild: Privat
  1. home
  2. Aktuell
  3. News
Mit der Signa-Pleite geht mehr Potenzial für den Freiheitlichen einher als mit Corona und der Teuerung. Damit könnte er ÖVP und SPÖ endgültig uneinholbar weit hinter sich lassen.

ANALYSE

Die ÖVP habe sich wie eine Servicestelle für René Benko und dessen Signa-Gruppe benommen, ätzt Herbert Kickl (FPÖ) in Anspielung auf die "serviceorientierte Verwaltung", die sie diesem in den Weihnachtsferien 2017 aus der Regierung heraus gewährte, um die Übernahme des ehemaligen Leiner-Gebäudes in der Wiener Mariahilfer Straße abzuwickeln. Als "Dankeschön", so Kickl, hätten Türkise Benkos "Törggelen"-Empfänge besuchen und "das Sektglas schwingen" dürfen, ob der damalige Regierungschef Sebastian Kurz, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka oder einige andere mehr.

Es ist dem FPÖ-Chef wichtig, das zu betonen. Politisch steckt hier mehr Potenzial drinnen für ihn als in Corona oder der Teuerung. Dort lautet seine Erzählung, dass "denen da oben" "die Leute unten" vollkommen egal seien mit ihren Sorgen und Nöten. Jetzt geht es ihm darum, eine spektakuläre Bestätigung dafür zu liefern: "Die da oben" haben demnach nicht nur in Saus und Braus gelebt und sich verhabert, es endet auch noch mit der größten Insolvenz der österreichischen Geschichte. Nachsatz: Mit unabsehbaren Folgen für die Steuerzahler, also "die Leute unten".

Mit Blick auf die kommende Nationalratswahl ist das ganz nach dem Geschmack des 55-Jährigen. Besser könnte es nicht laufen für ihn. Zumal sich bezahlt macht, dass er es selbst immer vermieden hat, als Teil von "denen da oben" gesehen zu werden. Im Unterschied zu seinem Vorgänger Heinz-Christian Strache etwa hält er sich fern von Society-Events. Auch als Innenminister 2018/19 hat er sich rar gemacht. Nicht einmal der politischen Elite will er zugerechnet werden. Als Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) im Sommer aus dem Nationalrat verabschiedet wurde und sich alle anderen Mandatare erhoben, blieb er mit seinen Fraktionskollegen sitzen. Der Öffentlichkeit sollte das vermitteln: Wir sind die Einzigen, die nicht dazugehören.

Zwischendurch schien es schwieriger zu werden, das aufrechtzuerhalten. Kickl musste Andreas Babler als SPÖ-Chef zunächst sehr ernst nehmen. Auch dieser stellte sich gegen "die da oben". Zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit wird das jedoch durchkreuzt. Zunächst war das im Zusammenhang mit der Affäre um Kleingärten der Fall, mit denen Genossen in Wien aufgrund von Umwidmungen vermögender geworden sind. Das hat Babler kritisiert, weil hier der Eindruck entstand, dass es sich auch in seinen Reihen manche richten. Es ist jedoch ohne Folgen geblieben.

Jetzt hat er ein noch größeres Problem: Er findet es "moralisch nicht in Ordnung", dass mit Alfred Gusenbauer ein ehemaliger SPÖ-Vorsitzender Millionen verdient hat in der Welt des René Benko, sieht sich aber außerstande, sichtbare Konsequenzen zu ziehen. Das freut Kickl. Er versteht es, sich solche Dinge, die seiner Glaubwürdigkeit schaden könnten, vom Leib zu halten.

ZAHL

Chance für neue Parteien

Chance für neue Parteien

Jeder kennt jemanden, der nicht mehr weiß, welche Partei er wählen soll. Das ist kein Zufall: Bei der Erhebung für den jüngsten Demokratiemonitor hat das Sozialforschungsinstitut SORA festgestellt, dass eine Masse buchstäblich ohne Partei ist: Keine Partei vertrete ihre Anliegen, erklärten bemerkenswert viele der über 1.000 Befragten.

Wobei es erhebliche Unterschiede nach Einkommensverhältnissen gab: Im oberen Drittel handelte es sich -bei sinkender Tendenz gegenüber dem Vorjahr -um rund ein Fünftel (18 Prozent). In der Mittelschicht waren es noch 32 Prozent. Im unteren Drittel hingegen ist der Anteil leicht gestiegen und hat sich bei etwas mehr als der Hälfte eingependelt (53 Prozent). Im Klartext: Eine Mehrheit sieht hier kein politisches Angebot, das ihren Vorstellungen entspricht.

Schlimmer: In diesem Drittel, in dem das nach Anzahl und Alter der Haushaltsmitglieder gewichtete Pro-Kopf-Einkommen maximal 1.600 Euro netto beträgt, überwiegen Frust und Resignation. Gerade einmal 16 Prozent finden, dass Leute wie sie auf parlamentarischer Ebene ernst genommen werden. Nur eine Minderheit glaubt, durch eine Wahlbeteiligung etwas bewirken zu können.

Das ist alarmierend: Schon bei vergangenen Urnengängen haben sich laut SORA viele aus dieser Gruppe abgemeldet. Wobei: Verloren sind sie nicht. Zumindest nicht alle. Sie stehen unter anderem auch für eine Chance für neue politische Angebote. Dafür spricht beispielsweise das Ergebnis der Salzburger Landtagswahl: Unter Führung von Kay-Michael Dankl kamen die Kommunisten dort im April von fast null auf 11,7 Prozent. Im Wahlkampf und davor hatten sie sich besonders den Themen Wohnen und Mieten gewidmet, die eher denen unter den Nägeln brennen, die wenig Geld haben. Das ist angekommen: Stärker als alle anderen Parteien konnten die Kommunisten bisherige Nichtwähler mobilisieren.

BERICHT

Kein Bargeld in der Verfassung

Kein Bargeld in der Verfassung

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) ist im Sommer dabeigeblieben: Kritik von Landeshauptleuten aus seiner Partei - Christopher Drexler (Steiermark), Wilfried Haslauer (Salzburg) und Anton Mattle (Tirol) - konnte ihn nicht davon abbringen, die Verankerung von Bargeld in der Verfassung zu fordern. Es ging um einen Versuch, Freiheitlichen, die das schon lange tun, Wind aus den Segeln zu nehmen. Mehr und mehr wird jedoch klar, dass es sich um Aktionismus handelt, der in der Sache nicht umsetzbar ist. Dezent angedeutet hat das bereits Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP): In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung ließ er wissen, dass man abwarte, was sich auf EU-Ebene tue. Damit ist das Thema auf die lange Bank geschoben.

Deutlicher wird nun der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages. Er hat untersucht, ob EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ein Recht auf Bargeld in ihrer Verfassung zu verankern. Die Antwort: Nein. Euro-Bargeld ist gesetzlich abgesichertes europäisches Zahlungsmittel. Zuständig dafür ist ausschließlich die EU. Mitgliedstaaten haben so gut wie keinen Spielraum. Sie können zum Beispiel nur Behörden verpflichten, Barzahlungen anzunehmen. Im Übrigen hält der Wissenschaftliche Dienst fest, dass ohnehin nichts gefährdet ist: "Derzeit sind auf Unionsebene keinerlei Bestrebungen ersichtlich, Euro-Bargeld als gesetzliches Zahlungsmittel und dessen Ausgabe abzuschaffen." Möglich sei lediglich, dass daneben ein zusätzliches gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt wird; konkret ein digitaler Euro.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 20,63€
Ähnliche Artikel
2048ALMAITVEUNZZNSWI314112341311241241412414124141241TIER