Alfred Gusenbauer wurde unmittelbar nach seinem Ausscheiden als Bundeskanzler im Dezember 2008 von René Benkos Signa-Gruppe rekrutiert und finanziell äußerst großzügig ausgestattet. Eine News vorliegende exklusive Dokumentation zeigt, dass Gusenbauer rund um die Galeria-Karstadt-Kaufhof-Pleiten Millionenhonorare in Rechnung gestellt hat. Das wirft auch eine moralische Frage auf: Zahlen am Ende wieder die Steuerzahler drauf?
- Exklusiv: Was kostet ein (Alt)-Kanzler?
- Teil 6: Der organisierte Gesetzesbruch
- Teil 5: Das Geheimpapier - Tarnen und Täuschen
- Teil 4: René Benko - die Talfahrt eines Überfliegers
- Exklusiv: René Benko - die dunkelrote Handelsbilanz
- Teil 3: René Benko und sein Firmengeflecht
- Teil 2: René Benko - Vom AWD-Keiler zum Millionär
- Teil1: René Benko - Zwischen Sein und Schein
Exklusiv: Was kostet ein (Alt)-Kanzler?
Der ehemalige SPÖ Chef Alfred Gusenbauer hat von René Benkos verworrenem Signa-Konstrukt jahrelang Millionenhonorare verlangt. News kennt diese Honorarnoten. Gusenbauer rechnete – offenbar zusätzlich zu seinen Vergütungen als Aufsichtsratsvorsitzender bei Benkos wichtigsten Unternehmen – über seine Projektgesellschaft in den letzten Jahren wahre Traumgagen ab. Anscheinend machte sich der österreichische Ex-Kanzler in Deutschland für Benko auch als Lobbyist stark:
3,6 Millionen Euro "für den Zeitraum 1. 1. 2020 bis 28. 2. 2021"
2,4 Millionen Euro "für den Zeitraum 1. 2. 2021 bis 31. 8. 2021"
Macht in Summe wohlfeile sechs Millionen Euro, inklusive Umsatzsteuer, die Gusenbauer der Signa-Holding von René Benko im Jahr 2021 in Rechnung stellte. Und was war die Leistung? Bemerkenswert und aufklärungswürdig ist tatsächlich nicht nur die Höhe der Rechnungen, sondern auch die von Gusenbauers Projektgesellschaft mitgelieferte Leistungsbeschreibung. Darin heißt es nämlich wörtlich, dass man "bei der Restrukturierung und bei der Finanzierung des D18-Pakets der Galleria (sic!) Kaufhof Karstadt-Gruppe und bei der Beantragung eines Nachrangdarlehens beim WST für GKK" beratend mitgewirkt habe. Das ist aus mehrerlei Hinsicht interessant. Abgesehen davon, dass sich Galeria mit einem l scheibt; und mit "WST" wohl der deutsche "Wirtschaftsstabilisierungsfonds" (WSF) gemeint war.
Damit nicht genug. Im April 2022 legte Alfred Gusenbauer wieder eine Rechnung. Über 1,25 Millionen Euro. Für Leistungen im Zeitraum zwischen Oktober 2021 und März 2022.
Die ganze Geschichte über das geheime Dokument lesen Sie in News Nr. 47.
Teil 6: Der organisierte Gesetzesbruch
Ein internes Dokument belegt, wie in René Benkos Signa-Gruppe gezielt, systematisch und jahrelang gegen gesetzliche Pflichten zur Veröffentlichung von Bilanzen verstoßen wurde.
Am 8. November hat René Benko zum vorerst letzten Mal Fakten geschaffen. Um seinen Kopf aus der Schlinge der Investoren zu ziehen, die in den Tagen davor den Druck auf den Gründer des finanzmaroden Signa-Konstrukts massiv erhöht hatten. Bautycoon Hans Peter Haselsteiner forderte den 46-jährigen Tiroler Finanzjongleur in aller Öffentlichkeit auf, beiseitezutreten und einem Sanierer Platz zu machen, der sein Handwerk versteht. Auf der Signa-Gruppe lasten immerhin Schulden in Höhe von mehr als zehn Milliarden Euro. So ganz genau konnte das bei Signa offenbar niemand festmachen, weil es nie eine konsolidierte Konzernbilanz gegeben hat, wie News letzte Woche berichtete.
Blankes Staunen
Arndt Geiwitz gilt als Star in einer derzeit vor allem im Immobilienbereich gefragten Branche. Der Sanierungsexperte aus Neu-Ulm hat bereits die beiden Signa-Insolvenzen von Galeria Karstadt Kaufhof betreut. Nun gilt es, den gesamten Konzern vor dem Untergang zu bewahren, was einer wahren Mammutaufgabe gleichkommt. Bei Signa wartet auf den 54-jährigen neuen Chef, dem eine außerordentlich hohe soziale und moralische Kompetenz attestiert wird, die bislang größte Herausforderung seines 30-jährigen Berufslebens. Geiwitz muss mit seinem etwa 30-köpfigen Team versuchen, in der aus weit über 1.000 Firmen bestehenden Gruppe einen Status zu erstellen und dabei jeden Zettel doppelt und dreifach umzudrehen. Schon nach den ersten Tagen ist klar: Geiwitz und seine Assistenten staunen regelrecht Bauklötze bei dem, was im österreichischen Benko- Immo-Reich über die Jahre alles möglich war. Hier wurde Tarnen und Täuschen unter Mitwirkung von Steuerberatern zum Prinzip erhoben. Hier wurde kein Konzern gebildet, der einfach nur auf Verschwiegenheit und Diskretion pochte. Nein: Signa ist ganz offensichtlich ein konzernartiger Moloch, in dem ein System der rechtswidrigen Intransparenz zu einer wesentlichen Maxime erklärt wurde.
Organisierter Prozess
News zugespielte Unterlagen dokumentieren: Bei Signa wurden über Jahre systematisch Gesetze gebrochen. Involviert in Benkos Signa-System: zahlreiche Spitzenmanager aus der ersten Führungsebene, die laut Firmeninsidern nun damit rechnen müssen, im Zuge des Restrukturierungsversuchs der Sanierungstruppe rund um Geiwitz abgelöst zu werden. Signa-Führungskräfte haben über Jahre keine Jahresabschlüsse ihrer Signa-Firmen beim Firmenbuchgericht eingereicht. Und sind deshalb jahrelang immer wieder alle paar Monate zu Zwangsstrafen verdonnert worden. Nicht unter den Adressaten der Zwangsstrafen: René Benko selbst, der offiziell in keiner einzigen Konzerngesellschaft in verantwortlicher Position war und über den deshalb von den Gerichten keine Zwangsstrafe verhängt werden konnte.
Die von der Justiz wegen der Weigerung, die Bilanzen zu veröffentlichen, mit zahlreichen Zwangsstrafen eingedeckten Manager des Konzerns wurden von Benkos Signa aber nicht im Stich gelassen. Aus einem News vorliegenden internen Memo geht hervor, wie Zwangsstrafen -offenbar in der Gesamthöhe von Hunderttausenden Euro -in Betriebsausgaben umgewandelt und von der Steuer abgesetzt wurden. Für dieses System der rechtswidrigen Intransparenz wurden laut News-Recherchen in der Steuerabteilung, der Buchhaltung und der Personalabteilung sogar eigene Prozesse aufgesetzt. Und: Es wurde ein eigenes Konto eingerichtet. Auf den Fiskus sollte im Signa-Strafen-System übrigens ebenfalls Bedacht genommen werden: Einerseits wurden die über die Signa-Manager verhängten Zwangsstrafen von Signa brav bezahlt und wie Sachbezüge ordentlich versteuert. Andererseits wurden diese zusätzlichen Personalausgaben für die Strafzahlungen als Betriebsausgaben steuerlich absetzbar. Nach bisheriger Durchsicht zahlreicher Dokumente könnte es pro Jahr -nach erster grober Berechnung -um etwa eine Viertelmillion Euro an Zwangsstrafen gehen. Das System lief laut bisherigem Erkenntnisstand bereits seit vielen Jahren. Auch wenn vor knapp zwei Jahren noch einmal verfeinert werden sollte.
"Nicht eingereicht werden"
In einer internen Mail-Konversation zwischen Führungskräften findet sich auch ein ziemlich eindeutiges Indiz dafür, dass René Benko, der bekanntlich seit einer strafrechtlichen Verurteilung vor zehn Jahren keine offi ziellen Funktionen mehr innehat, bei Signa weiterhin faktischer Geschäftsführer war. Und bestimmend im Signa-Strafen-System mitwirkte, welches offensichtlich das Ziel hatte, Jahresabschlüsse von wesentlichen Konzerngesellschaften systematisch vor der Öffentlichkeit zu verbergen. In dem Mail, auf dessen Verteiler auch René Benko stand, schreibt eine Führungskraft im Herbst 2020 an eine andere: "Habe heute von RB die Info bekommen, dass die Jahresabschlüsse für 2018 und 2019 erstmal nicht eingereicht werden sollen."
Warum wollte René Benko, dass die Bilanzen trotz bestehender Rechtslage nicht wie gesetzlich vorgeschrieben das Licht der Öffentlichkeit erblicken? Warum wurde so ein großer Aufwand betrieben, damit die interessierte Öffentlichkeit oft erst Jahre später erfahren sollte, wie es wirtschaftlich um einzelne Konzerngesellschaften steht: Welche Bilanzsumme sie haben? Wie viele Forderungen? Wie viele Verbindlichkeiten? Und welches Eigenkapital? Über die Motivlage lässt sich momentan nur spekulieren. Fest steht jedenfalls: Dass die einst so stolze Signa-Gruppe, deren Schöpfer Benko von Spitzenpolitik und High Society bis vor wenigen Monaten noch hofiert wurde wie ein kleiner König, Ende 2023 plötzlich kracht wie eine sprichwörtliche Kaisersemmel, kommt bei Sichtung der News vorliegenden Unterlagen eher nicht aus heiterem Himmel.
Das Schlüsseldokument
Das brisanteste Dokument besteht aus zwei Seiten, auf denen in neun Punkten penibel aufgelistet ist, wie von den Konzernabteilungen Buchhaltung, Steuer und Personal der Gesetzesbruch in Sachen Veröffentlichungspflicht abgewickelt wurde -unter Einbindung des Steuerberaters. Das Mail stammt vom 17. Dezember 2021. Absender: der oberste interne Steuer-Mann der Signa. Der Empfängerkreis: sämtliche Spitzenmanager wie etwa Christoph Stadlhuber, der in der Signa Holding seit vielen Jahren die Geschäfte führt. Aber auch der Finanzchef der Signa-Gruppe, der laut Firmenbuch gut 200 Organfunktionen bekleidet.
Der Leiter der Steuerabteilung geht gleich in medias res: "Uns sind heuer die vorgeschriebenen Firmenbuchstrafen aufgefallen, die uns bis dato nicht bekannt waren. Wir haben dazu einen Prozess entwickelt, damit diese auch steuerlich korrekt in der Lohnverrechnung und Buchhaltung erfasst werden und der Geschäftsführer selbst nicht auf den Kosten sitzen bleibt, sondern diese steuerlich korrekt von der Gesellschaft übernommen und bezahlt werden."
Gesondertes Konto
Fett markiert erklärt der Signa-Manager seinen Kollegen den steuerlichen Hintergrund: "Firmenbuchstrafen, die dem Geschäftsführer vorgeschrieben werden, sind persönliche Strafen für persönliches Fehlverhalten, die grundsätzlich vom Geschäftsführer zu tragen sind, ähnlich wie Verkehrsstrafen oder Strafen für Überladungen bei LKWs. Übernimmt die Gesellschaft diese Strafen, dann ist das ein geldwerter Vorteil oder wie eine zusätzliche Gehaltszahlung zu behandeln und damit in der Lohnverrechnung zu erfassen. Dieser zusätzliche Personalaufwand ist in der Folge auch steuerlich absetzbar. Für diesen Aufwand wird ein eigenes Konto in SAP angelegt."
Kurz zur Verdeutlichung: Bei Signa haben Geschäftsführer über Jahre - sehr wahrscheinlich mit Wissen und Wollen von René Benko -Strafzahlungen der Firmenbuchgerichte in Kauf genommen, damit die Kennzahlen ihrer Unternehmen nicht öffentlich einsehbar werden. Diese hohen Strafzahlungen wurden dann intern in der Signa-Buchhaltung erfasst und den Führungskräften wieder ersetzt. Wie ein Sachbezug, der etwa bei der Nutzung eines Firmenwagens anfällt. Und am Ende hat die Benko-Gruppe die Strafen ihrer Geschäftsführer steuerlich geltend gemacht.
Mitwisser
Involviert waren in dieses Signa-Strafen-System Dutzende administrative Signa-Mitarbeiter und mehrere Abteilungen an den Firmensitzen in Wien und in Tirol. Und alle haben stillgehalten. Über Jahre. Bis jetzt. Der Leiter der Steuerabteilung der Signa schreibt in der Mail, die auch an zwei Mitarbeiter der Benko-Steuerberatungskanzlei TPA ging, abschließend: "Weiters darf ich die Buchhaltung Innsbruck + Wien noch Bitten, eine Übersicht oder Auswertung der Strafen an die Gesellschaft zu erstellen (sollte eigentlich dann auf einem eigenen Konto sein), sodass wir die Gesamtkosten der Firmenbuchstrafen in 2021 (eigene und übernommene Strafen samt Lohnnebenkosten) erheben und berichten können."
Man lese und staune. Ganz offensichtlich haben nicht wenige Führungskräfte im Reich des vermeintlichen Immobilienkönigs René Benko über Jahre gedacht, für die Signa gelten eigene Gesetze. Offensichtlich haben sie sich für diesen Glauben gut bezahlen lassen. Und vielleicht im heute fast wahnwitzig wirkenden Benko-Kaufrausch auch geglaubt, das Mastermind und Strippenzieher wäre dank seiner exzellenten Verbindungen zu Sebastian Kurz, Heinz-Christian Strache und dem Signa-Aufsichtsratsvorsitzenden Alfred Gusenbauer ohnehin unantastbar.
Was bedeutet dieser organisierte Gesetzesbruch in der Signa-Gruppe aus rechtlicher Sicht? Laut dem Unternehmensgesetzbuch werden zwar alle zwei Monate Strafzahlungen gegen Gesellschaft und Geschäftsführer verhängt, diese Strafzahlungen steigen bei fortlaufendem Gesetzesbruch allerdings nicht weiter an. Heißt: Wer es sich leisten will - und wie die Signa unter René Benkos Führung offensichtlich Hunderttausende Euro lockermachen konnte - kann die Öffentlichkeit in puncto Geschäftsverlauf im Dunkeln tappen lassen. Man muss nur unter gezielter, teilweise jahrelanger Missachtung der Gesetze keinen Jahresabschluss beim öffentlichen Firmenbuch einreichen. Verhängt die Justiz Zwangsstrafen über die Geschäftsführer, werden diese vom Konzern bezahlt und können anschließend offenbar - wie bei Signa systematisch in Form eines eigens dazu aufgesetzten internen Prozesses -in steuerlich absetzbare Betriebsausgaben umgewandelt werden. Das klingt nach einem Fehler im System - und könnte vom Gesetzgeber vielleicht noch einmal genauer unter die Lupe genommen werden. Immerhin besteht Nachahmungsgefahr.
Geschädigte?
Spannender wird diese organisierte Vorgehensweise im Signa-Strafen-System allerdings dann, wenn man sie durch die Brille des Strafrechts betrachtet und nach möglichen Geschädigten sucht: Mit dem Sachverhalt bereits betraute Experten haben die nicht uninteressante Frage aufgeworfen, ob die Signa-Investoren von diesem System Kenntnis hatten. Wenn tatsächlich Hunderttausende Euro an Strafen für Geschäftsführer vom Signa- Konzern bezahlt worden wären, könnten sich Benkos Co-Gesellschafter durchaus als Geschädigte fühlen. Mit der möglichen Konsequenz eines Untreuevorwurfs gegen die im System entscheidenden Personen. Die Begründung: Selbst wenn das Signa- Strafen-System mit Wissen von René Benko eingerichtet und betrieben worden wäre: Die sanierungsbedürftige Signa Group of Companies gehört nicht René Benko allein, sondern auch prominenten Geldgebern wie Hans Peter Haselsteiner, Torsten Toeller, Ernst Tanner oder Robert Peugeot.
Man darf gespannt sein, welche Konsequenzen Sanierungsexperte Arndt Geiwitz bei derartigen Sachverhalten zieht. Können die involvierten Führungskräfte in ihren Ämtern belassen werden?
Für René Benko und sämtliche seiner Führungskräfte gilt die Unschuldsvermutung.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2023 erschienen.
Teil 5: Das Geheimpapier - Tarnen und Täuschen
René Benkos Signa-Gruppe setzte bereits vor fünf Jahren viele Hebel in Bewegung, um der Öffentlichkeit keine echten Einblicke in ein verschachteltes Konstrukt aus mehr als 1.000 Firmen gewähren zu müssen. News liegt dazu ein 13-seitiges internes Dokument der Steuerberatungskanzlei tpa vor.
Vor René Benkos Rücktritt als Beirat am Mittwochmittag war es in der Signa-Gruppe drunter und drüber gegangen. In aller Öffentlichkeit, unter Anteilnahme aller relevanten europäischen Wirtschaftsmedien, trug der finanziell schwer angeschlagene Immobilienkonzern interne Konflikte aus. Erst forderten René Benkos Co-Investoren in einem Brandbrief den Gründer zum sofortigen Rückzug auf, da nur so noch eine Chance auf Sanierung bestehe. Dann klammerte sich Benko an den letzten Strohhalm, den er in saudi-arabischen Fonds gefunden haben wollte, die über ölgespeiste, sprudelnde Geldquellen verfügen. "Benko bettelt um Saudi-Millionen", titelte die "Krone" am 7. November. Und fragte, ob ein "Blut-Scheich" die letzte Rettung für den Finanzjongleur sein könne. Tags darauf gab Benko seinen Beirats-Sitz an den deutschen Sanierer Arndt Geiwitz ab.
Fehlendes Vertrauen
Ganz generell stellte sich die Frage: Welcher seriöse Unternehmer würde in dieser Phase noch in eine komplex verschachtelte Gruppe aus weltweit mittlerweile sehr viel mehr als 1.000 Gesellschaften einsteigen, wenn deren finanzielles Innenleben aus Geldflüssen, Haftungen und Garantieerklärungen - wenn überhaupt - wahrscheinlich nur der Schöpfer, also Benko selbst, durchschaut? Wer könnte binnen weniger Tage eine sogenannte Due Diligence, eine detaillierte Prüfung der Unternehmensgruppe, durchführen, wenn bei Signa nicht einmal ein konsolidierter Konzernabschluss existiert? Wer hätte sich auf so ein Wagnis eingelassen, wenn Unternehmerpersönlichkeiten wie Ex-Strabag-Boss Hans Peter Haselsteiner, Lindt&Sprüngli-Verwaltungsratspräsident Ernst Tanner oder Fressnapf-Gründer Torsten Toeller dem 46-jährigen Tiroler bereits das Vertrauen entzogen haben?
Nur zur Verdeutlichung: Große Unternehmen, die auf Anlegergelder angewiesen sind, veröffentlichen in der Regel konsolidierte Konzernbilanzen, in denen auf Dutzenden, mitunter auch mehr als einhundert Seiten die Finanzkennzahlen aller verbundenen Unternehmen zusammengefasst werden. Konsolidierung bedeutet, dass die internen Beteiligungen - und vor allem auch die wirtschaftlichen Beziehungen der Konzerngesellschaften untereinander - in diese Bilanz miteinbezogen und dort abgebildet werden. Konkret müssen in solchen konsolidierten Konzernbilanzen Zahlungsflüsse, wechselseitige Schulden und natürlich Garantien, Bürgschaften und Haftungen berücksichtigt werden. Konsolidierung schafft Transparenz. Und Vertrauen. Bei kreditgebenden Banken, bei potenziellen Investoren, aber auch in der Öffentlichkeit, die dadurch den Eindruck gewinnen könnte: Eine Unternehmensgruppe, die konsolidiert bilanziert, hat nichts zu verbergen. Österreichs Vorzeigekonzern Red Bull beispielsweise operiert mittlerweile mit rund 16.000 Mitarbeitern in 172 Ländern. Und legt Jahr für Jahr einen Jahresabschluss, in dem alle Aktivitäten aller verbundenen Gesellschaften konsolidiert und somit transparent dargestellt werden; Lagebericht inklusive. Die interessierte Öffentlichkeit erfährt, wie hoch Umsatz, Gewinn und - nebenbei - die Steuerleistung des Getränkekonzerns ausgefallen sind. Im Jahr 2021 überwies Red Bull mit Sitz in Salzburg beachtliche 587 Millionen Euro an die Republik Österreich.
Blackbox
Signa ist dagegen geradezu eine Blackbox. Und das nicht nur für Außenstehende. Selbst Investoren beklagten sich öffentlich über mangelnde Transparenz. Wirtschaftsgrößen und Tycoons wie Haselsteiner, Tanner, Toeller oder auch der legendäre deutsche Unternehmensberater Roland Berger müssen sich jedoch die Frage gefallen lassen, warum sie ihren Mister Signa anscheinend über Jahre schalten und walten haben lassen, wie dieser wollte. Dabei bekleidete René Benko seit zehn Jahren, seit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Korruption, im Konzern weder eine Aufsichtsrats-noch eine Vorstandsfunktion; er war am Papier lediglich Chef des Beirats. War es die Aussicht auf traumhafte Renditen, die der Immobilienjongleur in Zeiten der Nullzinspolitik der Notenbanken zu versprechen wusste? Oder war es das gewinnende Wesen des flinken Zahlenmenschen mit der Finanzvertriebs-Ausbildung vom umstrittenen AWD, das sogar auf ältere, eigentlich mit allen Wassern gewaschene Investoren derart Eindruck machte, dass sie dem Signa-Gründer über Jahre bereitwillig Millionenbeträge zur Verfügung stellten? Dabei ist es nicht nur die fehlende konsolidierte Konzernbilanz, die stutzig machen hätte können: Ein kurzer Blick in das öffentliche österreichische Firmenbuch hätte genügt, um festzustellen, dass Benkos Signa-Gruppe in wesentlichen Unternehmensbereichen sogar Strafzahlungen in Kauf genommen hat, um bei einigen relevanten Konzern-Gesellschaften zum Teil über Jahre keine Bilanzen öffentlich zu machen.
Mastermind
Die Intransparenz ist kein Zufall, sondern hat Methode. Sie wurde offensichtlich von einem Mastermind bewusst orchestriert. Das belegt jedenfalls ein Geheimpapier aus der Signa-Gruppe, das News vorliegt. Benkos verschachteltes Firmenkonglomerat hat schon vor Jahren alle möglichen Hebel in Bewegung gesetzt, um eine Konsolidierungspflicht der Signa Holding unter allen Umständen zu vermeiden. Nur zum besseren Verständnis: Die Signa Holding gilt als Kerngesellschaft des undurchsichtigen Konzerns, an ihr hält Hans Peter Haselsteiner über seine Familienstiftung 15 Prozent der Anteile. Haselsteiner muss nun - wohl zu Recht - um sein Investment fürchten.
Das Geheimpapier aus dem November 2018 trägt den Titel: "Konsolidierungspflicht der Signa Holding - Empfehlungen". Das 13-seitige Dokument wurde von der bekannten Steuerberatungskanzlei TPA erstellt. Eine Partnerin der tpa, Karin Fuhrmann, gilt seit mehr als zehn Jahren als enge Benko-Vertraute; sie sitzt sogar als Vorständin in einer Benko-Privatstiftung.
TPA: Illustre Kunden
Die Kanzlei TPA gilt als eines der bekanntesten Steuerberatungsunternehmen Österreichs. Rund 750 Mitarbeiter arbeiten an 14 heimischen Standorten, das Hauptquartier in Wien befindet sich am Hauptbahnhof. Die TPA-Gruppe ist in elf weiteren europäischen Ländern in Mittel-und Südosteuropa aktiv.
Abschied. Größere mediale Aufmerksamkeit erregten in der Vergangenheit zwei ehemalige TPA-Kunden: Die Österreich-Tochter von Wirecard namens Wirecard Central Eastern Europe. Sowie die Mattersburger Commerzialbank, die im Sommer 2020 aufgrund jahrelanger Bilanzfälschungen in eine Pleite schlitterte, bei der Gläubiger über 800 Millionen Euro an Forderungen anmeldeten. Der ehemals für die Commerzialbank zuständige Partner schied aus der TPA aus.
"Vermeidung"
Gleich zu Beginn wird selbst für bilanztechnische Laien klar, worum es bei diesem Auftrag geht: Unter dem Punkt "Zielsetzung" heißt es wörtlich: "Ziel unserer Empfehlungen ist die Vermeidung einer Konsolidierungspflicht der Signa Holding (SIHO) hinsichtlich der Konzerne von Signa Prime Selection AG ("Prime"), Signa Development Selection AG ("SDS") und Signa Retail GmbH ("Retail")." Im ersten Unterpunkt heißt es: "Es soll vermieden werden, dass SIHO (also Signa Holding, Anm.) überhaupt einen Konzernabschluss aufstellt." Dann wird es sehr technisch: "Zur Erreichung des Ziels ist es essenziell, dass keine Beherrschung nach §244 Abs 2 UGB hergestellt wird. Das bedeutet in erster Linie, dass SIHO (also Signa Holding, Anm.) niemals mehr als 50 %der Stimmrechte an Prime, SDS oder Retail erlangt. Dies ist ein hartes Kriterium, wo es kein Ermessen gibt."
Das bedeutet nicht mehr und nicht weniger als: René Benkos Signa-Gruppe hat die gesellschaftsrechtlichen Verschachtelungen innerhalb der Gruppe ganz bewusst so gestaltet, dass keine gesetzliche Konsolidierungspflicht entsteht. Inoffiziell war René Benko freilich der dominante Mann, der auch ohne offi zielle Organfunktion (Vorstand, Geschäftsführer, Aufsichtsrat) im Signa-Geflecht über allen anderen stand. Und als informeller Machthaber in Auftrag gab, welchen Kurs der Konzern einschlägt, obwohl er selbst - auf dem Papier - lediglich als Berater an Bord war.
"Grenzwertig"
Die zweite entscheidende Empfehlung der TPA betrifft pikanterweise genau diesen Punkt: die sogenannte einheitliche Leitung der Signa-Gruppe. Das bedeutet: Die Führung der wesentlichen Konzerngesellschaften der Signa sollte bestmöglich personell getrennt sein bzw. werden. Die TPA sprach laut ihrem Papier eine eindeutige Warnung aus: Die Ausgangslage der Signa Holding "betreffend die Feststellung des Vorliegens einheitlicher Leitung ist grundsätzlich als grenzwertig einzustufen".
"Gruppe entfernen"
Neben der Empfehlung zur Gestaltung und Formulierung diverser interner Verträge wurde von der Kanzlei TPA im November 2018 ein wesentliches Augenmerk auf den öffentlichen Auftritt gelegt, um die Konsolidierungspflicht zu vermeiden. So heißt es etwa auf Seite 9 des Geheimpapiers: "Auf der Homepage der Signa finden sich einige Hinweise auf das Vorliegen einer zentral gesteuerten Gruppe, die starke Indizien für das Vorliegen einer einheitlichen Leitung darstellen. Wir verweisen auf das E-Mail vom 4. November 2016. Im Folgenden stellen wir nochmals die Highlights dar." Offenbar war die drohende Konsolidierungspflicht bereits über Jahre HINWEG STTSThema. Mehr noch. Im Dokument aus 2018 heißt es: "Unter https://www. signa.at/de/unternehmen ist die Rede von der 'SIGNA Unternehmensgruppe' und der 'SIGNA Group'. Eine 'Gruppe' ist als Synonym für 'Konzern' zu verstehen. Wir empfehlen, das Wort 'Gruppe' zu entfernen und nur von 'SIGNA' zu sprechen."
Darüber hinaus heißt es auf Seite 10: "Unter https://signa.at/de/unternehmen/#beirat ist der Beirat der Unternehmensgruppe dargestellt. Der Beirat treibt als Beraterkreis 'Strategie, Weiterentwicklung und Neugeschäft des Unternehmens' voran. Durch das in der Überschrift stehende 'Unternehmensgruppe' ist das darunter stehende 'Unternehmen' fast schon als ,Gruppe' und somit als 'Konzern' zu interpretieren, was wiederum ein Indiz für eine einheitliche Leitung darstellt. Wir empfehlen, 'Unternehmensgruppe' aus der Überschrift zu entfernen."
Stand Anfang November 2023 findet sich unter diesem Link zum Beirat auf der Signa-Website Folgendes: "Dieser strategische Beraterkreis von angesehenen Persönlichkeiten aus dem Bankwesen, aus der Politik und aus der Wirtschaft ist regelmäßig wichtiger Impulsgeber für die Weiterentwicklung der SIGNA und steht den einzelnen Managern bei Bedarf beratend zur Seite. Der Beirat, der erstmals im Jahr 2005 eingesetzt wurde, ist kein statutarisches Organ im herkömmlichen Sinn, sondern vielmehr ein Gremium, dessen Aufgabe es ist, Strategie und die Weiterentwicklung sowie das Neugeschäft des Unternehmens beratend zu begleiten."
Bei Bedarf also. Nur bei Bedarf sollte der Beirat unter dem zurückgetretenen Vorsitzenden René Benko eingreifen. Dem kann man Glauben schenken. Oder auch nicht.
Momentan dürfte René Benkos Signa nur einen einzigen Bedarf haben: frisches Geld. Notfalls eben auch von einem "Blut-Scheich" aus Saudi-Arabien. In der Zwischenzeit müssen die Investoren und Sanierer jetzt einmal ganz dringend genau das nachholen, was durch die gezielte Vermeidung der Konsolidierungspflicht offenbar über Jahre nicht wirklich geschehen ist: transparent zu machen, welche internen Zahlungsflüsse, Haftungen und Garantien im Signa- Konzern bestehen. Um überhaupt einmal im Ansatz beurteilen zu können, wie es wirtschaftlich wirklich um die Signa-Gruppe steht.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 45/2023 erschienen.
Teil 4: René Benko - die Talfahrt eines Überfliegers
René Benko hat mit seiner Signa Sports United einen Bauchfleck an der New Yorker Börse gelandet. Jetzt ist das Unternehmen insolvent. Dunkelrote Zahlen offenbart auch die News exklusiv vorliegende Bilanz der Schweizer Signa Retail Selection AG: minus 1,39 Milliarden Euro.
Es ist genau fünf Jahre her, da setzte sich René Benko mit dem Einstieg in die österreichische Medienlandschaft die Krone auf. Just am Tag der Feierlichkeiten zu 100 Jahren Republik im November 2018 verkündete seine Signa Holding per Presseaussendung, dass sie als Minderheitsgesellschafterin bei den österreichischen Medienbeteiligungen der deutschen Funke-Gruppe eingestiegen sei. Sollte heißen: Der politisch exzellent vernetzte Benko mischt ab sofort auch bei "Krone" und "Kurier" mit. Mit Option auf mehr: Benko sicherte sich über seine Signa Holding darüber hinaus vertraglich die Möglichkeit, bis sage und schreibe 2048 den gesamten Funke-Anteil zu übernehmen und zu kontrollieren. Manch Beobachter mutmaßte schon damals, der Signa-Gründer habe diesen Einstieg in die Medienlandschaft vor allem deshalb vollzogen, um seine Möglichkeiten der politischen Landschaftspflege noch einmal zu verfeinern -und sich selbst, selbstredend, in möglichst bestem Licht präsentieren zu können. Kurz davor hatte ihm immerhin Kanzler Sebastian Kurz dabei geholfen, erst den Flagshipstore von Kika/Leiner in der Wiener Mariahilfer Straße und dann gar die gesamte Möbelhandelskette zu übernehmen.
Harter Aufprall
Fünf Jahre später ist Kika/Leiner in die Insolvenz geschlittert. Fünf Jahre später muss sich Benkos Geschäftspartner Sebastian Kurz wegen mutmaßlicher falscher Zeugenaussage vor Gericht verantworten. Fünf Jahre später kämpft René Benko - spätestens seit dem Verkauf von Kika/ Leiner unter großer Anteilnahme der Öffentlichkeit -um das Überleben seines Lebenswerks. Dieser Überlebenskampf findet mittlerweile unter den Argusaugen praktisch sämtlicher deutschsprachiger Publikationen statt. Ein deutsches Onlinemedium hat rund um den Baustopp von Benkos Prestigeprojekt namens Hamburger Elbtower sogar einen eigenen Ticker eingerichtet, um die laufenden Hiobsbotschaften aus der Signa-Welt zu verarbeiten.
Das Imperium wankt
"Sporthändler pleite - Benkos Signa-Imperium wackelt", schrieb der ORF. "Immer mehr brisante Baustellen in Benkos Signa-Imperium", titelte die "Kleine Zeitung". "Kann René Benko das Ruder noch herumreißen?", fragte die "Presse", "Geht dem Milliardär das Geld aus?" die deutsche "Bild"-Zeitung. Kurz zuvor hatte die in Benko-Sachen für gewöhnlich gut informierte deutsche "Wirtschaftswoche" bereits gemutmaßt, Benko könne das Vertrauen wichtiger Gesellschafter verlieren. Kurz danach vermeldete das deutsche "Handelsblatt" doch tatsächlich, dass Benko-Investor Roland Berger, eine Legende unter den internationalen Unternehmensberatern, bei der wichtigsten Benko- Gesellschaft namens Signa Prime Selection AG seine Ausstiegs-Option gezogen habe. Und da reden wir noch gar nicht von den vielen Schlagzeilen rund um Signa Sports United, die in der Vorwoche - gleichsam dem Domino-Effekt ihrer Töchter folgend -ebenfalls Insolvenz anmelden musste. Wie von News bereits berichtet, hatte die Signa Holding die Zurverfügungstellung einer Kapitalspritze in Höhe von rund 150 Millionen Euro trotz vorheriger Zusage wieder einkassiert, wodurch das Konkurs-Domino in Schwung kam.
Im Benko-Reich ist zweifellos Feuer am Dach. Und ob der Löschtrupp an Beratern nachhaltig-professionell mit ausreichend Löschwasser ans Werk gehen kann, ist zur Stunde höchst unklar. Es scheint fast so, als würde sich momentan kaum jemand mehr die Finger verbrennen wollen, um den Immobilienjongleur aus dem Glutkegel zu befreien.
Tiefrote Bilanzen
News hat die bislang unter Verschluss gehaltene Bilanz der Signa Holding zum 31. Dezember 2022 publik gemacht, in der rund 505 Millionen Euro Verlust schlummerten; die Verbindlichkeiten waren im letzten Geschäftsjahr von 634 Millionen Euro auf knapp zwei Milliarden Euro in die Höhe geschossen. Mittlerweile liegt diesem Magazin auch exklusiv der Jahresabschluss der Schweizer Signa Retail Selection AG vor. Und dieser birgt insofern Brisanz, da in der Signa Retail wesentliche Handelsaktivitäten der Signa-Gruppe gebündelt sein dürften. Nur zur Erinnerung: Das Flaggschiff des Handelsbereichs der Signa Gruppe, Galeria Karstadt Kaufhof, hatte unter Signas Schirmherrschaft zwei Mal binnen dreier Jahre Insolvenz anmelden müssen, die Suppe dafür hat nun zu einem bedeutenden Teil der deutsche Steuerzahler auszulöffeln, der über den Wirtschafts-und Stabilitätsfonds rund 700 Millionen Euro an Staatshilfen locker gemacht hatte.
Die Signa Retail Selection AG muss im Jahresabschluss zum 30. September 2022 jedenfalls ein Jahresergebnis von minus 1,394 Milliarden Euro eingestehen; im Jahr davor hatte es ebenfalls bereits dunkelrote Zahlen gegeben: Minus 1,194 Milliarden Euro. Das Eigenkapital beläuft sich auf 620 Millionen Euro. Langfristige Schulden: 4,869 Milliarden Euro. Kurzfristige: 1,074 Milliarden Euro.
Über drei Milliarden Minus
Man braucht wahrlich keine überdurchschnittliche finanzmathematische Begabung, um sich -im Groben -auszurechnen, wie es gegen Ende 2022 um zentrale Gesellschaften der Signa-Gruppe bestellt ist. Die Signa Holding: 505 Millionen Verlust. Die Signa Prime Selection AG: 1,2 Milliarden Verlust. Die Signa Development Selection AG: 300 Millionen Verlust. Die Signa Retail Selection AG: 1,39 Milliarden Verlust. Macht in Summe über drei Milliarden Miese, die eine so komplex verschachtelte Unternehmensgruppe wie Signa mit deutlich über 1.000 Tochterfirmen und einem doch beachtlichen Grad an fremder Finanzierung erst einmal verkraften und angesichts steigender Zinsen finanzieren muss. Angesichts solcher Zahlen ist es wenig überraschend, dass im laufenden Geschäftsjahr 2023 Notverkäufe und Baustopps zum mittlerweile dramatischen Verlust von Reputation geführt haben.
1,4 Mrd.
Benkos Handelsbilanz. Der Einstieg in den Handelsbereich hat René Benkos Signa an den Rande des Abgrunds gebracht. Die Signa Retail Development Selection muss dramatische Verluste bekanntgeben.
3 Mrd.
Benkos Verluste 2022. Laut den mittlerweile vorliegenden Jahresabschlüssen aus Benkos Signa-Komplex verzeichnen die Kerngesellschaften Verluste von in Summe mehr als drei Milliarden Euro.
Nur in einem Beirat
Am letzten Wochenende hielt der Chefredakteur der Sonntagsausgabe des "Zürcher Tagesanzeigers" zum zweifellos verworrenen Signa-Konstrukt samt deren -für die Öffentlichkeit nicht immer nachvollziehbaren - Abhängigkeiten in der Gruppe unumwunden fest: "Ähnlich konstruierte Gesellschaften mit so einer Bilanzkonstellation, bei der auf der Aktivseite Kredite an Tochtergesellschaften und auf der Passivseite Kredite von Tochtergesellschaften stehen, haben sich als Kartenhaus erwiesen. Benko ist übrigens nicht in der Geschäftsleitung, nicht im Verwaltungsrat, sondern nur in einem Beirat."
Nachsatz: "Kein Wunder, verlangen die Banken Sicherheiten. Und kein Wunder, wurde vor ein paar Monaten die Europäische Zentralbank aktiv, denn Hauptkreditgeber der Signa ist die österreichische Raiffeisen, die systemrelevant ist."
Beispielhaft lässt sich die Hybris des als Handelsunternehmer gescheiterten René Benko an den Aktivitäten rund um Signa Sports United (SSU) beschreiben. Signa Sports war im Dezember 2021 von der Signa-Gruppe an die New Yorker Börse gebracht worden. Via SPAC, konkret Special Purpose Acquisition Company, ein Unternehmen, dessen Zweck darin besteht, zunächst Kapital über einen eigenen Börsengang einzusammeln, um dieses dann -in einem zweiten Schritt -in die Übernahme eines zuvor nicht feststehenden Unternehmens zu investieren. Benkos Signa wollte mit diesem Schritt auf das weltweit im Scheinwerferlicht stehende New Yorker Börsenparkett Ende 2021 wieder positivere Schlagzeilen produzieren. Von einer Bewertung von bis zu vier Milliarden Dollar war in einem heimischen Onlinemedium die Rede. Von einer zukünftigen Erfolgsgeschichte, die der Onlinehandel bereits in Zeiten der Coronapandemie zu schreiben vermochte. Von einem Modell für die Zukunft, dessen noch ungeahnte Optionen vorerst nur im Ansatz ausgereizt schienen.
Böses Erwachen
Bereits nach einer Woche gab es allerdings für die Börsenspekulanten der Signa ein erstes böses Erwachen: Signa Sports United zählte, wie Bloomberg errechnet hat, zu den schlechtesten Performern in New York. Der Aktienkurs der SSU war um ein Viertel gesunken, der Onlinehändler hatte -nach einer anfänglichen Bewertung von gut drei Milliarden -836 Millionen Dollar an Wert eingebüßt. Schon vor dem groß angekündigten und mehrfach verschobenen Start hatten laut Finanzmedien 92 Prozent der ursprünglichen SPAC-Aktionäre ihre Papiere zurückgegeben. Andere prominente europäische Geschäftspartner Benkos wiederum waren intensiv investiert: laut einem Börsenprospekt vom August 2023 unter anderem die deutsche R&V-Lebensversicherung und die Bayerische Beamten Lebensversicherung. Oder auch Harti Weirather, einst ein österreichischer Nationalheld im alpinen Skisport, als Abfahrtsweltmeister. Auch er sollte am Ende als Geschäftsmann mit Signa Sports United eine ganz spezielle Talfahrt erleben.
Höchste Alarmstufe
Geradezu weltmeisterlich entwickelte sich der Absturz der Aktie im Jahr 2023: Seit Jahresbeginn büßte das Börsenpapier der Signa Sports United sage und schreibe 99 Prozent ihres Wertes ein. Das deutsche "Manager Magazin" sollte vor einem Monat über eine notwendige Notbremsung berichten: "Nun, nicht einmal zwei Jahre nach dem Börsenstart, beendet René Benko den desaströsen Ausflug und macht einen radikalen Schnitt: Er nimmt Signa Sports United von der Börse. Offiziell sollen eine Restrukturierung und ein Downsizing aller Geschäftsbereiche beginnen, aufgrund 'ernster Liquiditäts-und Profitabilitätsherausforderungen'. Mit anderen Worten: höchste Alarmstufe."
Das dicke Ende ist mittlerweile auch aus Funk und Fernsehen bekannt. Vor wenigen Tagen wurde Signa Sports von der Börse genommen. Erst meldeten einige Töchter Insolvenz an. Dann die gesamte Signa Sports. Offenbar war René Benko mit einer außergerichtlichen Restrukturierung seines Handelsbereichs überfordert. Nun beobachten Investoren, Banken, Mitarbeiter, Baufirmen und mittlerweile die gesamte deutschsprachige Wirtschaftspresse gespannt, wie sich die Dinge im Immobilienreich des einstigen Überfliegers entwickeln. Und ob Benko im Kerngeschäft eine Sanierung gelingt.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 44/2023 erschienen.
Exklusiv: René Benko - die dunkelrote Handelsbilanz
Nach dem Jahresabschluss von Benkos Signa Holding liegt News auch exklusiv der Jahresabschluss 2022 der Schweizer Signa Retail Selection AG vor. Und dieser birgt insofern Brisanz, da in der Signa Retail wesentliche Handelsaktivitäten der Signa-Gruppe gebündelt sein dürften. Nur zur Erinnerung: Das Flaggschiff des Handelsbereichs der Signa Gruppe, Galeria Karstadt Kaufhof, hatte unter Signas Schirmherrschaft zwei Mal binnen dreier Jahre Insolvenz anmelden müssen, die Suppe dafür hat nun zu einem bedeutenden Teil der deutsche Steuerzahler auszulöffeln, der über den Wirtschafts- und Stabilitätsfonds rund 700 Millionen Euro an Staatshilfen locker gemacht hatte.
Signa Retail Selection: Milliarden-Verlust für Benko
Die Signa Retail Selection AG muss im Jahresabschluss zum 30. September 2022 jedenfalls ein Jahresergebnis von minus 1,394 Milliarden Euro eingestehen; im Jahr davor hatte es ebenfalls bereits dunkelrote Zahlen gegeben: Minus 1,194 Milliarden Euro. Das E igenkapital der Signa Retail Selection AG beläuft sich auf 620 Millionen Euro. Langfristige Schulden: 4,869 Milliarden Euro. Kurzfristige: 1,074 Milliarden Euro.
Die ganze Geschichte über Benkos Handelsbilanz und den Börsenflop von Signa Sports United lesen Sie in News Nr. 44.
Benkos Signa Holding: Halbe Milliarde Verlust
Transparenz genießt in der Signa-Gruppe von Immobilienjongleur René Benko nicht unbedingt oberste Priorität. Zwar wurden Ende September – nach kritischen Medienberichten – die Jahresabschlüsse der Signa Holding für die Jahre 2019, 2020 und 2021 beim zuständigen Firmenbuchgericht nachgereicht. Doch die Bilanz 2022 blieb für die Öffentlichkeit bis dato im Verborgenen.
News kennt mittlerweile die Zahlen aus dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2022: Der Verlust der Signa Holding beläuft sich demnach auf knapp mehr als eine halbe Milliarde Euro. Die Verbindlichkeiten schnellten binnen eines Jahres von 634 Millionen Euro auf 1,996 Milliarden Euro in die Höhe.
Die Bilanz besitzt insofern Brisanz, da Benkos einst rasant wachsende Gruppe massiv in Turbulenzen geraten ist: Die Signa-Holding hatte erst letzte Woche eine bereits zugesagte Kapitalspritze an Signa Sports United wieder einkassiert; die Signa-Sports-Tochter Tennispoint meldete bereits Insolvenz an.
Auch in der Signa-Gruppe ist laut Medienberichten mittlerweile ein deutscher Sanierungsexperte am Werk: Arndt Geiwitz war bereits bei den Insolvenzen von Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) an Bord.
Teil 3: René Benko und sein Firmengeflecht
Die Signa Holding GmbH von René Benko hat laut dem letzten, noch unveröffentlichten Jahresabschluss 2022 eine halbe Milliarde Euro Verlust gemacht. Wer verbirgt sich hinter dem komplexen Signa-Konstrukt? Was findet sich hinter einer Treuhand-Wand?
Wir befinden uns bei einer anonymen Wohnhausanlage im Baustil der späten 1990er-Jahre. Mit hohen Sicherheitsstandards und einer unmittelbaren Nachbarschaft aus Reedern und Rohstoffhändlern mit internationalen Netzwerken. Hier, gut 700 Kilometer von Wien entfernt, im Kanton Schwyz am Zürichsee, liegt Wollerau, und exakt hier nimmt eine Recherche in die Tiefen der Signa-Gruppe ihren Ausgang. Denn hier, in Wollerau, hat eine Dame einen Wohnsitz, die für René Benkos Signa-Gruppe von elementarer Bedeutung zu sein scheint. Julia Dora Koranyi Arduini.
Erstmals tauchte ihr Name bei Recherchen der mittlerweile eingestellten Plattform Addendum im Frühjahr 2020 auf. Eine etwas über 70 Jahre alte Frau, geboren in Brasilien, unterwegs mit einem ungarischen Pass. Mit ihrer großteils italienisch-stämmigen Familie aus Peschiera del Garda lebt Julia Dora Koranyi Arduini mit ihrem Mann Riccardo Arduini in einer schwer bewachten Villensiedlung in Sao Paulo - oder eben in Wollerau am Zürichsee.
Die Kerninvestorin
Über eine Liechtensteiner Aktiengesellschaft namens Ameria Invest AG gehört Arduini zu den Kerninvestoren der Signa Holding GmbH, die gleichsam als Dachgesellschaft der verschachtelten Signa-Gruppe firmiert, die wiederum aus über 1.000 Firmen weltweit besteht. Das alles wäre bedeutend weniger bemerkenswert, wäre diese Beteiligung von außen nachvollziehbar und transparent über das gewöhnliche Firmenbuch herauszulesen. Dem aber ist nicht so:
Im österreichischen Wirtschaftscompass finden sich bei der Signa Holding GmbH sieben Eigentümer: Neben mehreren Gesellschaften, die René Benko bzw. dessen Stiftungen zugerechnet werden, sind über Beteiligungsvehikel auch Wirtschaftsgrößen an Bord. Der österreichische Unternehmer Hans Peter Haselsteiner, der einst die Strabag zum zweitgrößten Baukonzern Europas formte, besitzt über seine Familienstiftung 15 Prozent. Der deutsche Tiernahrungsproduzent Torsten Toeller hält über seine Fressnapf Luxembourg GmbH 4,46 Prozent der Anteile. Der Schweizer Schokoladenhersteller Ernst Tanner (Lindt &Sprüngli) kontrolliert als Privatperson drei Prozent der Gesellschaft. Der Rest ist auf Firmen bzw. Stiftungen verteilt, die auf den ersten Blick alleine zum Einflussbereich von Signa-Gründer René Benko zählen. Darunter eine Supraholding GmbH & Co KG, die formal 54,9 Prozent an der Signa Holding kontrolliert. Doch hinter diesem Konstrukt verbirgt sich Spannungspotenzial.
Die Treuhandkonstruktion
Mit viel juristischem Aufwand wurde das Investment der Ameria Invest AG über eine Treuhandkonstruktion verdeckt. Für den Laien ist lediglich eine österreichische GmbH, die ARP Seventeen GmbH, im Eigentum der Familie Benko Privatstiftung ersichtlich. Damit wird auch der Eindruck erweckt, dass ein wesentlicher, indirekter Anteil an der Signa Holding seiner Privatstiftung zugerechnet werden kann. Doch über eine Beteiligung in Höhe von 38,5 Prozent an der Supra Holding GmbH & Co KG hält die Ameria Invest AG durchgerechnet über 20 Prozent an der Signa Holding. Die hinter dieser Wand aus Treuhändern stehenden Eigentumsverhältnisse bleiben im Verborgenen. Aus dem Umfeld der Signa wird diese seltsame Konstruktion gerne mit den Sicherheitsbedürfnissen der Familie Arduini begründet. Das ist einigermaßen interessant. Denn die Familie Arduini war jahrelang an einem norditalienischen Landmaschinenhersteller beteiligt. Ein Faktum, das mit wenigen Clicks ganz einfach im Internet zu finden ist, ebenso wie deren Wohnanschrift in der Schweiz. Warum dann diese offenkundige Heimlichtuerei bei ihrem Benko-Engagement? Schon im Jahr 2022 hat die deutsche Wirtschaftswoche über diese komplexe Treuhandkonstruktion berichtet. Wörtlich hieß es: "Addiert man die schon bekannten externen Investoren mit denen der neu aufgetauchten, kommt man durchgerechnet auf über 50 Prozent. Benkos Stiftung hält also von der Kapitalseite her nicht mehr die Mehrheit an der Signa Holding, hat aber weiter die Entscheidungsgewalt."
Die Signa-Gruppe wollte dazu, wie schon bisher, keine Stellungnahme abgeben.
Die Bartransaktionen
Schauplatzwechsel. In das verschwiegene Fürstentum Liechtenstein. Dort, in der Austraße 15 in der Ortschaft Triesen, ist die Ameria Invest AG, Investment-Vehikel der Arduinis, beheimatet. Wie News-Recherchen zeigen, hat die Liechtensteiner Aktiengesellschaft mit Stand 31. Dezember 2020 dem Firmenbuchgericht eine Bilanzsumme von rund 760 Millionen Franken und Schulden in der Höhe von rund 630 Mio Franken gemeldet. Wem genau Ameria über eine halbe Milliarde Schweizer Franken schuldet, bleibt verborgen. Abb. 1
Laut News-Recherchen wurde über einen mehrjährigen Zeitraum ein hoher dreistelliger Millionenbetrag über das Ameria-Vehikel mittels Kapitalerhöhung und entsprechenden Bartransaktionen von Liechtenstein in die Signa Holding gepumpt. Aus einem News vorliegenden Notariatsakt von August 2020 geht hervor, dass über die vorgeschobene österreichische GmbH der Ameria Invest AG ein Betrag in Höhe von 127 Millionen Euro über eine Kapitalerhöhung auf ein Konto in die Signa Holding transferiert wurde. Abb. 2
Ähnliche Kapitalerhöhungen durch Bartransaktionen fanden schon in den Jahren davor statt. Im August 2019 war es zu einer Transaktion in Höhe von rund 147 Millionen Euro gekommen. Abb. 3
Im Juli 2018 waren auf diesem Weg rund 83 Millionen Euro in die Signa Holding überwiesen worden. Abb. 4
Die Privatbank
Das finanzielle Engagement der Arduinis in der Signa-Gruppe wuchs über die Jahre massiv an. Zu Beginn hatte man eine Beteiligung an der Signa Retail-Sparte, später im Jahr 2016 übernahm die Liechtensteiner Ameria Invest AG exakt jenen Anteil an der Signa Holding, den die wegem des internationalen Geldwäscheskandals rund um den malaysischen Staatsfonds 1MDB schwer in Verruf geratene Schweizer Falcon Private Bank hielt und offiziell als Investor bei Signa ausstieg. Die Privatbank wurde zwischenzeitlich zwangsweise liquidiert, ein für Schweizer Verhältnisse ziemlich einzigartiger Vorgang. Und eben diese Bank war laut News-Recherchen auch die Hausbank der Ameria Invest AG. News liegt eine Bankbestätigung der Falcon Private Bank aus dem Jahr 2015 vor, die zumindest eine damals bestehende Kundenbeziehung mit der Ameria Invest belegt. Zwischen dem Schweizer Banker und ehemaligen Chef der Falcon Private Bank, Eduardo Leemann, und Riccardo Arduini bestand News-Informationen zufolge auch nach dem Ausstieg der Falcon Bank als Benko-Investor weiter Kontakt. Abb. 5
Die Signa-Gruppe hat auf eine Anfrage zu diesem Sachverhalt keine Stellungnahme abgegeben.
Die Privatstiftungen
Die verborgene Ameria-Beteiligung unterstreicht die Bedeutung der Privatstiftungen Benkos innerhalb der Signa. Die beiden österreichischen Stiftungen, Familie Benko Privatstiftung und Laura Privatstiftung, agieren bei genauerer Betrachtung wie aktive Investmentfirmen. Nicht ohne Grund spricht Signa in früheren Stellungnahmen von einer "Familie Benko Privatstiftungsgruppe".
Und eben diese Stiftung war es auch, die sich im Jahr 2015 ein Darlehen ("convertible loan") von einer auf den British Virgin Islands ansässigen Firma namens Telina Holdings ltd. in Höhe von 25 Millionen Euro gewähren ließ. Jene Telina sollte 2021 im Mittelpunkt eines Strafprozesses der Schweizer Bundesanwaltschaft gegen die Falcon Private Bank und deren ehemaligen Vorstand Eduardo Leemann stehen. Der Vorwurf lautete auf Geldwäsche. In der Anklageschrift, die News vorliegt, kam heraus, dass Telina eine bedeutende Drehscheibe im weltweiten 1MDB-Geldwäsche-Skandal war.
Die Stiftungsexpertin
Im Vorstand der Familie Benko Privatstiftung sitzt mit Karin Fuhrmann eine Expertin des österreichischen Stiftungsrechts. Fuhrmann, 57, weicht seit 2011 beruflich nicht von Benkos Seite: Sie ist Partnerin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft tpa, stellvertretende Stiftungsvorsitzende einer Benko Privatstiftung und saß als Signa-Vertraute im Aufsichtsrat des deutschen Einzelhandelsunternehmens Galeria Karstadt Kaufhof, das bekanntlich nach der Übernahme durch Benkos Signa-Gruppe allein in den letzten drei Jahren zweimal in schwere Turbulenzen geraten ist, Staatshilfen und Insolvenzverwaltung inklusive. Einst soll Fuhrmann in ihrer Doppelrolle als Benko-Stiftungsrätin und Signa-Wirtschaftsprüferin auch ein Wertgutachten über eine Signa-Firma erstellt haben, über die sich René Benko Management-Gebühren für seine Tätigkeiten genehmigte. Eben dieses Wertgutachten soll damals nicht alle Aktionäre restlos begeistert haben.
Nun soll es um Galeria Karstadt Kaufhof - aller Restrukturierungsmaßnahmen zum Trotz -laut Medienberichten erneut nicht zum Besten bestellt sein. Nun kämpft Benkos Gruppe vor allem an der Sport-Front um eine Überlebensperspektive; nach der Rücknahme einer Kapitalspritze für Signa Sports United musste deren Tochter Tennis Point bereits Insolvenz anmelden. Nun berichten deutsche Medien, dass sich ausgerechnet der ehemals von der Signa bei Galeria Karstadt Kaufhof eingesetzte deutsche Star-Sanierer Arndt Geiwitz auch um den Fortbestand der einst so stolzen Signa-Gruppe kümmern soll. Dabei wird tpa-Partnerin Karin Fuhrmann wohl Assistenz-Maßnahmen leisten müssen.
Die aktuelle Bilanz
Transparenz wird also in Benkos Signa-Gruppe nicht extrem hoch gehalten. Zwar wurden Ende September -nach kritischen Medienberichten - die Jahresabschlüsse der Signa Holding für die Jahre 2019,2020 und 2021 beim zuständigen Firmenbuchgericht hinterlegt. Doch die Bilanz 2022 blieb für die Öffentlichkeit bis dato im Verborgenen.
News kennt mittlerweile die Zahlen aus dem Jahresabschluss zum 31. Dezember 2022: Der Verlust der Signa Holding beläuft sich demnach auf knapp mehr als eine halbe Milliarde Euro. Die Verbindlichkeiten schnellten binnen eines Jahres von 634 Millionen Euro auf 1,996 Milliarden Euro in die Höhe.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 43/2023 erschienen.
Teil 2: René Benko - Vom AWD-Keiler zum Millionär
Im verworrenen Reich des René Benko hat sich dieser Tage ein kurioser Streit entzündet: zwischen Signa und Signa, genauer, der Sportartikel-Sparte Signa Sports United und der Signa Holding, in der wesentliche Beteiligungen der Gruppe gebündelt sind. Montagabend teilte die schwer angeschlagene Signa Sports (Tennispoint, Bikester, fahrrad. de) überraschend mit, dass die Signa Holding, die noch 48 Prozent der Signa-Sports-Anteile hält, eine erst Ende Juni zugesagte Kapitalspritze über 150 Millionen Euro überraschend wieder einkassiert hat. Die Signa Holding habe die "Eigenkapitalzusage heute gekündigt", teilte das Sport-Unternehmen am Abend des 16. Oktober 2023 mit. Signa Sports halte diese Kündigung für "ungerechtfertigt" und werde "im Interesse aller Aktionäre, Gläubiger und Mitarbeiter die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten".
Wer besser verstehen will, wie René Benko tickt und was ihn treibt, der sollte im Geschichtsbuch ein paar Seiten nach hinten blättern. Irgendwann in den 1990er-Jahren hatte ein junger Innsbrucker Teenager keine Lust mehr auf Schule. Ihm schwebte ein anderes Leben vor. Ausgestattet mit ordentlich Mut und einer gehörigen Portion Instinkt, den nicht viele in diesem Alter haben. Und dem unbedingten Willen, Geld zu verdienen, um ein besseres Leben führen zu können, frei nach dem Motto: Koste es, was es wolle. Genau solche Leute waren die perfekte Beute für den Allgemeinen Wirtschaftsdienst, kurz: AWD.
Die "Finanzberater"
Der AWD, gegründet von Carsten Maschmeyer, der später als Partner der deutschen Filmschauspielerin Veronica Ferres eine zweite Karriere auf Adabei-Seiten machen sollte, war ein deutscher Finanzdienstleister, der Anfang der 1990er-Jahre nach Österreich expandierte. Mit einem eben so simplen wie riskanten Geschäftsmodell: Die "Finanzberater", wie sich die Keiler gerne selbst sahen, verkauften neben allerhand Lebensversicherungen und Bausparverträgen auch höchst spekulative Produkte wie Schiffsoder Immobilienfonds. Im Österreich der Nullerjahre gab es vor allem ein "todsicheres" Anlageprodukt, das zigtausendfach verkauft werden sollte: Aktien von Immofinanz und Immoeast. Und wie der Zufall so will, hieß eine von Benkos ersten eigenen Firmen just Immofina.
Wie die Rechercheplattform Addendum im Jahr 2019 enthüllte, drückte Benko lieber die Schulungsbank der AWD-Ausbildner als die Schulbank seiner Handelsakademie in der Innsbrucker Karl-Schönherr-Straße. Das Grundgerüst für seinen Aufstieg bekam er dort vermittelt. Das selbstsichere, mitunter überhebliche Auftreten im persönlichen Gespräch sowie das Überzeugen mit kleinsten Zahlendetails über einzelne Anlageprodukte. Eine Fähigkeit, die Benko verinnerlichte wie kaum jemand anderer. Das wusste bereits sein damaliger AWD-Chef in Tirol gegenüber Addendum zu berichten: "Er hat damals schon größer gedacht, wollte Altersheime und Gesundheitszentren finanzieren, Dinge, die für uns als AWD nicht drinnen waren", berichtet Benkos ehemaliger Vorgesetzter.
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Interessenkonflikt
Zum besseren Verständnis: Der AWD war alles andere, nur kein gewöhnlicher Direktvertrieb von Finanzprodukten in einer ohnehin nicht rasend nobel beleumundeten Branche. Der AWD setzte viele Jahre auf Provisionsmodelle, die seine Kundenkeiler an den von ihnen vertriebenen Produkten partizipieren ließ, worin Verbraucherschützer Jahre später, spätestens nach der Lehman-Pleite und der darauf folgenden Finanzkrise 2008, einen permanenten Interessenkonflikt erkannten, der zu Streitigkeiten bis vor den Obersten Gerichtshof führen sollte. Einer der Vorwürfe: Wer etwa für ein riskanteres Produkt höhere Provisionen bezieht, könnte in Versuchung geraten, einem eher konservativ veranlagten Kunden nicht unbedingt zum Abschluss eines guten, alten Bausparvertrages zu raten, bei dem man sich schon zu Beginn ganz genau ausrechnen kann, was am Ende der Laufzeit herauskommt. Dazu kam, dass beim AWD keine besondere berufliche Qualifikation vonnöten war - vor 2008 versuchten viele Glücksritter, der Spur des Geldes an den internationalen Finanzmärkten zu folgen.
Kaufhaus mit Strahlkraft
Doch zu der Zeit, als Lehman einen Domino-Effekt an den Märkten auslösen und die Zahl der Finanzberater laut Wirtschaftskammer von rund 15.000 binnen weniger Jahre wieder auf unter 10.000 sinken sollte, war René Benko längst zu anderen Ufern aufgebrochen. Zu der Zeit hatte der Tiroler Unternehmer längst seine Immofina in Signa umbenannt. Zu der Zeit hatte der talentierte Mister B. längst sein Kaufhaus Tyrol nahe dem goldenen Dachl in Innsbruck erworben, das 2005 abgerissen, mithilfe von Stararchitekt David Chipperfield neu hochgezogen und 2010 wieder eröffnet werden sollte. Zu den dazugehörigen Genehmigungen ist überliefert, dass sich Kurzzeit-Kanzler Alfred Gusenbauer (Regierungschef 2007 bis 2008) gehörig ins Zeug gelegt haben soll, um dem aufstrebenden, 1977 geborenen Unternehmer seinen ersten Prunkbau zu ermöglichen, der weit über Tiroler Heimat hinaus hohe Strahlkraft entwickeln würde. Heute nimmt Gusenbauer in Benkos Signa-Gruppe als Bei-und Aufsichtsrat entscheidende Funktionen wahr (siehe Infokasten unten).
Bereits mit Anfang 20, so erzählte es einmal der einstige AWD-Tirol-Chef, soll Benko "Business-Class" und im Kamelhaar-Mantel gerne von Innsbruck nach Wien geflogen sein, um seine Immobilienprojekte in Ostösterreich voranzutreiben. Immer wieder pendelte der junge Benko zwischen Sein und Schein: Anekdotenhaft überliefert ist, dass Benko - womöglich angelehnt an eine Szene aus einem Hollywood-Film -im geliehenen Ferrari eines Innsbrucker Baumeisters bei einer Bank vorgefahren sein soll, um Eindruck zu machen. Als Immofina-Geschäftsführer konnte er sich laut Recherchen des Wirtschaftsmagazins Eco bald eine Gage von 40.000 Euro pro Monat genehmigen. Das Geschäft prosperierte, und das war wohl auch einer Parallele zwischen AWD und der Anfangszeit in der Immofina geschuldet: Die Struktur der Immofina mit ihren sogenannten Signa Property Funds und Signa Real Estate Capital Partners war zumindest am Vertriebsmodell des AWD angelehnt. Einzelne Fonds hatten eine Einstiegshöhe von unter 100.000 Euro. Sogar der Pensionsfonds der Diözese Linz war laut News-Recherchen bei einzelnen Projekt-Fonds der Signa investiert.
Der Stroh-Mann
René Benko hatte mit Anfang 20 zwar noch nicht Geld wie Heu, dafür aber gleichsam Geld von Stroh, konkret von Karl Kovarik, dem Erben der Stroh-Tankstellen, die 1987 an die OMV verkauft worden waren. Als der 22-jährige Benko den um 29 Jahre älteren Kovarik kennenlernte, dürfte der ehemalige Stroh-Mann gut 300 Millionen Euro auf der hohen Kante gehabt haben. Einen Teil davon investierte Kovarik in einen rund 48-Prozent-Anteil an der Immofina bzw. Signa Holding, womit die junge Unternehmensgruppe nicht nur neues Selbstbewusstsein tankte, sondern nun auch mit dem nötigen Treibstoff für größere Projekte ausgestattet war. Dazu kam im proporzlastigen Österreich ein in alle politische Reichshälften hinein reichendes Netzwerk an Beratern und Lobbyisten, das von Alfred Gusenbauer über Ex-Innenminister Ernst Strasser und Ex-Vizekanzlerin Riess-Passer (heute Riess-Hahn) bis zu Maria Rauch-Kallat, damals noch mit Alfons Mensdorff-Pouilly verheiratet, reichen sollte. Rauch-Kallat machte sich im Hintergrund für Benkos Ärztezentren (Medicents) stark, wie aktuelle News-Recherchen ergeben. Die Abrechnung erfolgte über die Wiener Lobbying Agentur Public Interest.
Auffällig ist aus heutiger Sicht, dass es René Benko immer wieder schaffte, erfahrene Unternehmer von seinen Immobilienprojekten zu überzeugen; hier mag ihm die AWD-Schulung zusätzliche Überzeugungskraft verliehen haben. Auffällig ist weiters, dass wesentliche Investoren im Laufe der Signa-Geschichte immer wieder durch neue Geldgeber ersetzt wurden. Und auffällig ist ganz besonders, dass der eine oder andere Investor durchwegs in interessanten Geschäftsfeldern tätig war.
Ein Reeder, ein Diamantenhändler
Auf Karl Kovarik, der früh verstarb, folgte ab 2008 der griechische Reeder George Economou, der auf Platz 707 in der Forbes-Liste der Superreichen zu finden war. Auf Economou folgte Anfang 2013 der israelische Diamantenhändler Beny Steinmetz, der dem Signa-Gründer Benko bei der Übernahme der deutschen Warenhauskette Karstadt behilflich sein sollte. Anfang September 2023 wurde bekannt, dass Steinmetz aufgrund eines europäischen Haftbefehls in Zypern festgenommen wurde; der heute 67-Jährige soll in Rumänien versucht haben, sich im Verbund mit Geschäftspartnern illegale Bodenrechte zu sichern. In der Schweiz wiederum ist Steinmetz in einen Rechtsstreit involviert, in dem er laut Medienberichten der Korruption in einem Fall von Explorationsgenehmigungen für Eisenerzvorkommen in Guinea für schuldig befunden wurde. Signa-Berater Alfred Gusenbauer saß übrigens bis 2022 in der kanadischen Bergbau-Firma Gabriel Resources, bei der Steinmetz ein maßgeblicher Investor war, im Aufsichtsrat. Zudem war bei Benkos Signa-Gruppe bis Ende 2016 die skandalumwitterte Falcon Bank an Bord, die Ende 2021 in der Schweiz der Geldwäscherei für schuldig befunden wurde. Die Geschäftspraktiken der Falcon Bank musste die Signa-Gruppe freilich nicht kennen.
EZB-Prüfung
Mittlerweile ist Benkos komplex strukturierte Gruppe aus rund 1.000 Unternehmen zu einem Gutteil über Banken finanziert. Mittlerweile hat sich die Europäische Bankenaufsicht intensiv mit den Kreditvergaben der internationalen Geldinstitute an die Signa-Gruppe beschäftigt; Ende August kam die EZB zu dem Schluss, dass Banken die Darlehen an die Signa-Gruppe entweder zum Teil abschreiben oder weitere Vorsorgen für potenzielle Verluste treffen sollten. Mittlerweile ist auch ersichtlich, dass das aggressive Wachstum von Benkos Gruppe in einem sich ändernden Zins-bzw. Wirtschaftsumfeld für Kopfzerbrechen in den Vorstandsetagen finanzierender Banken sorgen könnte.
News liegt interne E-Mail-Korrespondenz der österreichischen Finanzmarktaufsicht (FMA) von Juni 2019 vor, in der zum Thema Raiffeisenbank International (RBI) Folgendes festgehalten wird: "Es wurde zudem festgestellt, dass die RBI bei Benko ihre internen Limits deutlich (teils über das Neunfache) überschritten hat." Damals meinte Raiffeisen, das sei alles kein Problem. Im Frühjahr 2023 wollte der "Spiegel" in Erfahrung gebracht haben, dass sich die Außenstände der Signa-Gruppe allein bei der Raiffeisen-Gruppe auf etwa zwei Milliarden Euro belaufen. In Summe sollen die Schulden der Signa jene der Millionenstadt Wien übersteigen.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 42/2023 erschienen.
Teil1: René Benko - Zwischen Sein und Schein
Über viele Jahre pflegte der Signa-Gründer das Image eines wirtschaftlichen Seriensiegers, dem kein Deal zu groß schien. Doch spätestens mit den kostspieligen Ausflügen in den Handel hat der Immobilienunternehmer auch massive Reputationsverluste erlitten.
Ende 2018 wähnte sich René Benko auf dem Höhepunkt seiner wirtschaftlichen Schaffenskraft: Der Mann aus Innsbruck, der sich in 20 Jahren vom Schulabbrecher zum Immobilienmagnaten hocharbeiten konnte, hatte neben seinen Liegenschaften in bester europäischer Innenstadtlage zuletzt ein beachtliches Handelsimperium zusammengekauft: In Deutschland gelang die Fusion von Galeria mit Karstadt und Kaufhof, in Österreich übernahm er mit tatkräftiger Unterstützung der damaligen Bundesregierung unter Sebastian Kurz und Heinz Christian Strache den angeschlagenen Kika/Leiner-Konzern. Und dann setzte er sich im November, just am Tag der Feierlichkeiten zu 100 Jahre Zweiter Republik, mit dem Einstieg bei Österreichs größtem Massenmedium endgültig die Krone auf.
René Benko, von Österreich im Boulevard damals noch als Immobilienkaiser und Handelsimperator gefeiert, war nun drittreichster Österreicher, zum zweiten Mal Mann des Jahres, eine Auszeichnung, die selbst Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz nur einmal zuteil werden sollte. Nur wenige Monate später notierte die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung, dass ebendieser Dietrich Mateschitz dem Unternehmer René Benko als Vorbild diene.
Gegensätze
Ein interessanter Hinweis. Fünf Jahre später ist zumindest der interessierten Öffentlichkeit bewusst, dass die Unterschiede zwischen René Benko und dem vor einem Jahr verstorbenen Dietrich Mateschitz nicht größer sein könnten: Der eine, Mateschitz, mied die Politik, wo er nur konnte; der andere, Benko, suchte immer wieder ihre Nähe, vor allem in den Hinterzimmern. Der eine, Mateschitz, baute von Österreich aus einen Weltkonzern auf, der in der Heimat pro Jahr Hunderte Millionen an Steuern bezahlt; der andere, Benko, schuf ein verschachteltes Konstrukt aus weltweit rund 1.000 Firmen, deren Verflechtungen wohl nicht einmal seine engsten Mitarbeiter zu durchschauen vermögen und in welchem viele Millionen an Steuergeldern versenkt wurden. Der eine, Mateschitz, agierte als Alleingeschäftsführer stets transparent und veröffentlichte Jahr für Jahr eine konsolidierte Unternehmensbilanz; der andere, Benko, nimmt in seinem Konzern offiziell nicht einmal eine Organfunktion wahr und verletzt laufend Firmenbuchvorschriften - offenbar um die Öffentlichkeit in Sachen Jahresabschluss im Dunkeln tappen zu lassen: Seit 2019 hat etwa seine Signa Holding keinen Jahresabschluss mehr im Firmenbuch veröffentlicht. Der wohl größte Unterschied zwischen den beiden Unternehmern aber ist: Der eine, Mateschitz, hatte Zeit seines Lebens eine blütenweiße Weste; der andere, Benko, muss seit 2013 mit einer - mittlerweile getilgten - Verurteilung aufgrund eines "Musterfalls von Korruption" (O-Ton der Richterin) leben.
Seit einigen Monaten lichten sich auch für die breitere Öffentlichkeit die Nebel rund um den Privatjet-Liebhaber aus Tirol, der mit dem Ausbau von Dachböden ganz hoch hinaus wollte. Erst musste Galeria Karstadt Kaufhof zwei Mal binnen zweier Jahre Insolvenz anmelden, dann - wenige Tage nach dem Verkauf von Kika/Leiner durch Benkos Signa-Gruppe am 31. Mai 2023 - schlitterte auch der traditionelle, mehr als einhundert Jahre alte Möbelkonzern in die Zahlungsunfähigkeit. Beide Male zahlten die deutschen wie österreichischen Steuerzahler einen hohen Preis und also bedeutende Lasten der Verluste. Beide Male büßte Benko viel an Reputation ein. Beide Male zeigte sich eine Hilflosigkeit der aktuellen Spitzenpolitik, die bei der Vernichtung Zigtausender Arbeitsplätze nur hilflos zusehen konnte.
Hausdurchsuchungen
Vor ziemlich genau einem Jahr fanden in den Büros der Signa Holding Hausdurchsuchungen statt. Spätestens seit damals läuft nichts mehr rund im Benko-Reich, das offensichtlich auf Wetten auf steigende Immobilien-Preise samt Niedrigzins-Politik der EZB aufgebaut war. Wie sonst wäre es zu erklären, dass René Benkos Gruppe derzeit alles zu verkaufen versucht, was - im sprichwörtlichen Sinne - nicht niet-und nagelfest ist. Der Mann, der weitgehend davon lebte, sich über Immobilien-Aufwertungen laufend frisches Kapital vom Kapitalmarkt zu holen, erlebt seine wohl dunkelsten Stunden als Unternehmer. Selbst Investor Klaus Michael Kühne, der mit einem Vermögen von zumindest 40 Milliarden Euro als reichster Deutscher gilt, ließ ihm jüngst über seinen Statthalter via "Spiegel" ausrichten: Die Bonanza-Zeit der letzten Jahre sei definitiv vorbei. "Risiko muss raus, Solidität rein." Das Geschäft von Benkos Signa Prime müsse nicht ausgebaut, sondern gesichert werden. Ähnlich wie Kühne denken derzeit offenbar mehrere von Benkos Co-Investoren. Ähnlich wie Kühne sehen sie den Kurs des Konzerns, der zuletzt bei den wichtigsten Gesellschaften einen Verlust von etwa einer Milliarde vermelden musste, besonders kritisch. Ähnlich wie Kühne haben sie dem Vernehmen nach große Sorge, dass sich Benko unter anderem mit dem Börsegang der Signa Sports United, die in weniger als zwei Jahren beinahe unglaubliche drei Milliarden an Börsenwert und damit Investorengeld vernichtet hat und nun mit 22. Oktober von der New York Stock Exchange genommen werden soll, übernommen haben könnte.
Einstieg bei Kika/Leiner
Nicht zum Kerngeschäft Benkos gehörte jedenfalls auch die Übernahme von Kika/Leiner durch die Signa-Gruppe, die eine gesonderte Betrachtung verdient: Im Dezember 2017, wenige Tage nach der Angelobung der Regierung Kurz I, übernimmt René Benkos Signa-Gruppe den Kika/Leiner-Flagshipstore in der Wiener Mariahilfer Straße 10 - 18. Der Kaufpreis? Ein echtes Schnäppchen! Gerade einmal 60 Millionen Euro überweist Benko über eine Zwischengesellschaft (Laura Daphne) einer seiner Privatstiftungen (Laura Privatstiftung) an den damaligen Noch-Eigentümer Leiner.
Kika/Leiner, der damals zweitgrößte Möbelhändler des Landes, ist aufgrund von Bilanztricks seines weltweit agierenden Mutterkonzerns Steinhoff unverschuldet in finanzielle Schieflage geraten, rund 5.500 Mitarbeiter fürchten um ihre Löhne und Gehälter, viele davon um ihren Job. In so einer Situation ist der neue Kanzler Kurz gefragt, auch der damalige Justizminister involviert sich. Man sperrt zur raschen Abwicklung des Deals über die Feiertage eigens das grundbuchmäßig zuständige Bezirksgericht in Wien-Josefstadt auf und wird dies später, auf Nachfragen, mit "serviceorientierter Verwaltung" begründen.
Auch im Fall Kika/Leiner pendelt René Benko permanent zwischen Sein und Schein. Nach außen hin ist bald alles eitel Wonne, vermeintlich. Zwar müssen zwei Monate nach der Übernahme vier Möbelhäuser geschlossen und 1.100 Mitarbeiter vor die Tür gesetzt werden, doch spätestens mit der Installierung des hemdsärmeligen deutschen Managers Reinhold Gütebier im November 2018 bricht bei Kika/Leiner wieder ein Zeitalter der Frohbotschaften an. Es werde keinen weiteren Personalabbau mehr geben, verkündet Gütebier vollmundig: In spätestens drei Jahren werde man Kika/Leiner wieder in der Gewinnzone vorfinden. Und: Er, Gütebier, wolle Kika/Leiner in die "Champions League" des Möbelhandels zurückführen.
Frohbotschaften
Im Februar 2020 weckt Reinhold Gütebier erneut Hoffnungen: "Die schwarze Null werden wir wie geplant 2021 erreichen", behauptet Benkos Statthalter und vergisst dabei, konkrete Umsatzzahlen auf den Tisch zu legen. Der "Turnaround" solle jedenfalls mit Zuwächsen im Küchengeschäft, höherem Eigenmarkenanteil und mehr Online-Umsatz erreicht werden. Auch die Mitarbeiterzahl von 4.500 werde mittelfristig wieder wachsen. Der guten Nachrichten aus dem Hause Leiner noch nicht genug, setzt René Benko persönlich noch eines drauf: Nur acht Monate später verkündet der Signa-Gründer im parlamentarischen Untersuchungsausschuss, als Zeuge unter Wahrheitspflicht: "Das neu eingesetzte Management hat diesen so wichtigen Turnaround geschafft und die beiden Traditionsmarken Leiner und Kika im wahrsten Sinne neu erblühen lassen."
Und dann sagt Benko etwas, das aus heutiger Sicht beinahe wie eine Verhöhnung klingt, zumindest für jene 1.600 Kika/Leiner-Mitarbeiter, die im Sommer 2023 ihre Jobs verlieren sollten: "Wir sind bei Kika/Leiner nicht als kurzfristiger Investor eingestiegen, sondern mit der Perspektive als langjähriger, verantwortungsvoller Eigentümer. Und nur eine nachhaltige Sanierung sichert auch langfristig Arbeitsplätze."
23 geschlossene Häuser
Keine drei Jahre später wird das traditionelle, von Rudolf Leiner vor mehr als 100 Jahren gegründete Möbelhaus, von Benkos Signa- Gruppe an den Handelsexperten Hermann Wieser um einen symbolischen Kaufpreis von einem Euro weiterverkauft. Wenige Tage nach der Übernahme meldet der neue Eigentümer Insolvenz an. Von dem von Benko verkündeten Turnaround ist tatsächlich weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil beläuft sich der monatliche Liquiditätsbedarf auf zuletzt acht bis zehn Millionen Euro; 23 von insgesamt 40 Möbelhäusern müssen in der Insolvenz gerichtlich geschlossen werden, die Republik Österreich sieht sich als Hauptgläubiger plötzlich mit einem Verlust in dreistelliger Millionenhöhe konfrontiert. René Benko, der mit Kika/Leiner laut "Presse" ein "gutes Investment" gemacht haben will, weil er die Kika/Leiner- Immobilien an die Supernova-Gruppe weiterreichen konnte, wird von Vertretern der leidgeprüften Belegschaft via Ö1 nachgerufen: "Er hat immer gesagt, wir sind eine Familie. Er ist irgendwie die Vaterfigur. Und wir sind alle in einem Boot." Doch nun habe sich gezeigt, dass Benko kein Familienvater sei. "Das Boot war nicht für Kika/Leiner gedacht, sondern für etwas anderes. Er hat uns einfach im Stich gelassen."
Besonderer Verwalter
Bemerkenswert: Das Landesgericht St. Pölten setzt im Insolvenzfall Kika/Leiner einen "besonderen Verwalter" ein - vermutlich nicht zuletzt, um zu prüfen, warum Benko mit Kika/Leiner ein gutes Geschäft gemacht haben will. Denn dieser besondere Verwalter soll -unabhängig vom und zusätzlich zum gerichtlich bestellten Sanierungsverwalter -mit Argusaugen auf jene Zeit blicken, in der René Benkos Signa-Gruppe Kika/Leiner führte. Gibt es aus der Zeit der Benko-Herrschaft über den Möbelkonzern sprichwörtliche Leichen im Keller?
Ende Juli 2023, etwa sechs Wochen nach Insolvenzanmeldung, berichtet dieser besondere Verwalter jedenfalls dem Gläubigerausschuss, dass er Verhandlungen mit der Signa-Gruppe aufnehmen werde. Es stehen Vorhaltungen wie etwa Schädigung von Gläubigerinteressen im Raum. Wenig später, Ende September, wird sich Benko auch von allen Vorwürfen, die in der gerichtlich beauftragten Prüfung durch den besonderen Verwalter offenbar zutage getreten sind, freikaufen. Die Signa Gruppe zahlt nachträglich 20 Millionen Euro zugunsten der geschädigten Gläubiger in das Insolvenzverfahren ein. Allerdings in vier Raten zu je fünf Millionen, bis Ende Juni 2024. Laut News-Recherchen sind bis dato keine konkreten Details aus dem schriftlichen Bericht des besonderen Verwalters bekannt. Das Landesgericht St. Pölten und der besondere Verwalter Riel teilen zwar auf Anfrage mit, dass ein schriftlicher Bericht erstattet wurde; dieser sei aber - "wie der ganze Insolvenzakt" - nicht öffentlich. Die breite Öffentlichkeit soll offenbar nicht erfahren, von welchen konkreten Vorwürfen Benkos Signa Holding sich mit diesen 20 Millionen freikaufte und warum dieser Betrag von Signa nicht auf einmal bezahlt werden kann.
Bemerkenswert jedenfalls: Laut dem Insolvenzakt, der News auszugsweise vorliegt, wurden an eine Schweizer Beratungsfirma namens Retail Capital Partners in den letzten Jahren Millionenbeträge aus dem insolventen Möbelhandelsunternehmen überwiesen. Alleine in den Jahren, in denen René Benkos verschachtelte Firmengruppe Kika/Leiner führte, dürften mehr als 20 Millionen Millionen Euro aus dem sanierungsbedürftigen Unternehmen zu den Unternehmensberatern geflossen sein.
Tatsache ist: René Benko braucht weiterhin dringend Liquidität. Warum sonst würde er etwa das Wiener Hotel Hyatt am Hof zuletzt wieder mit Nachdruck zum Verkauf anbieten.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 41/2023 erschienen.
Über die Autoren
Rainer Fleckl
Rainer Fleckl ist ein österreichischer Investigativjournalist. Er schrieb unter anderem für News.
- 2017 bis 2020: Leiter des Investigativ-Teams bei Addendum
- bis April 2021 Bereichsleiter ServusTV
Seit November 2023 ist er Investigativjournalist bei Krone Multimedia. Für seine journalistischen Tätigkeiten wurde er unter anderem mit dem Alfred-Worm-Preis und dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis ausgezeichnet.
Sebastian Reinhart
Sebastian Reinhart ist Investigativ-Journalist. Er war unter anderem Referent für Untersuchungsausschüsse im österreichischen Nationalrat während der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Er war für die Recherche-Plattform Addendum tätig und schreibt für den Spiegel sowie derzeit für das Magazin News.