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Castrop-Rauxel nach Krefeld, Umstieg Wien

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Heinz Sichrovsky
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Wiens Volkstheaterdirektor Kay Voges geht, und zwar eher zu spät als zu früh. Die Experimente mit betagter Postdramatik müssen beendet werden

Als der Wiener Kulturstadträtin im Oktober 2022 eine ihrer identitätsstiftenden Fehlbesetzungen ausbüchste, weil ausgeschlafene Kulturjournalisten die beabsichtigte Durchwinkung in die zweite Amtsperiode verhindert hatten: Da jubelte Veronica Kaup-Hasler noch. Die alle überraschende Blitzheimkehr des Belgiers Christophe Slagmuylder nach Brüssel sei "der Beweis, dass die Wiener Festwochen über die Grenzen des Landes hinaus als kultureller Leuchtturm strahlen". Die Realität schien damit freilich nicht zur Gänze abgebildet (so, als hätte Margarete Schramböck ihren Abgang aus der Regierung mit der Strahlkraft des Projekts "Kaufhaus Österreich" in die Weltwirtschaft begründet): Der Intendant hatte, bei gleichbleibender Subvention, die Zahl der angebotenen Eintrittskarten massiv reduziert, dennoch wurde das unüberraschende Programm nicht etwa gestürmt. Eher im Gegenteil.

Kein Jahr später macht sich schon wieder einer vom Acker, den er bei verantwortlicher politischer Gebarung gar nicht mehr bestellen dürfte: Kay Voges, mit Herbst 2020 aus Dortmund ans Wiener Volkstheater verpflichtet, geht als Nachfolger des designierten Burgtheaterdirektors Stefan Bachmann nach Köln. Das ist die gute Nachricht. Leider erst im Herbst 2025, zum regulären Wiener Vertragsende. Das ist die schlechte Nachricht, und es wurden auch keine Begeisterungskundgebungen der Stadträtin gemeldet. Eher muss sie still dankbar sein, dass es kommt, wie es kommt.

Seit nämlich an dieser Stelle die Zahlen des Hauses für April 2023 veröffentlicht wurden, trieb die Wiener Kulturverwaltung einem Dilemma entgegen. Im vergangenen April, so war hier nachzulesen, war das Volkstheater an 14 von 30 Tagen komplett geschlossen. Sieben von den verbliebenen 16 Terminen gingen nach dem Prinzip des verdeckten Schließtags an Gastspiele, Pop-Konzerte und Hausvermietungen. Womit die dritte Großbühne der Stadt ihrem mit 15,8 Millionen unterfütterten Gesetzesauftrag an bloß neun Abenden nachgekommen ist. Der oberste Rang war dabei fast immer geschlossen, und trotz dieser Reduktion um ein Drittel war das Haus an den meisten der neun Abende elend besucht. Bei diesen einem größeren Kellertheater entsprechenden Verhältnissen überhaupt noch eine Auslastung errechnen zu wollen, grenzt an Zahlenjonglieren. Wäre Michael Ludwig nicht als letzte Querstrebe einer einsturzgefährdeten Partei unabkömmlich, hätte er längst eingegriffen, ehe die Causa beim Rechnungshof anhängig wird.

Andererseits neigt die Stadträtin nicht zu übertriebener Einsicht. Nach Slagmuylder hätte sie beinahe Matthias Lilienthal beschäftigt, der von der Münchner Kulturpolitik vor die Tür gesetzt wurde, nachdem er die Kammerspiele in den Abgrund gefahren hatte. Wieder verhinderten Journalisten das Schlimmste.

Ja, aber, werden Sie jetzt einwenden: Haben denn nicht auch Journalisten Voges mit Ehren überhäuft? Eine einzige, offenbar geglückte Jandl-Produktion reichte als Gehbehelf für drei beinamputierte Saisonen. Voges wurde dafür mit Nestroy-Preisen überschüttet, zum Berliner Theatertreffen eingeladen und via "Theater heute" zum Direktor des zweiterfolgreichsten Hauses im Sprachraum gewählt. Nur wurde die Kür mit vier von 45 Stimmen vollzogen, überwiegend aus Wien, wo eine verdächtig ähnliche Besatzung auch über die Nestroys befindet: teils sehr, teils nicht so geschätzte Kollegen, vielfach mit ausreichend Tagesfreizeit, um die Palette des Gebotenen zu überblicken. Sie sind aber mehrheitlich dem Theaterbegriff der Stadträtin verpflichtet, welcher in deren Intendanzerfahrung beim Steirischen Herbst vor etwa zehn Jahren wurzelt. Und der daher a) sich auch im Tiefkühlfach nicht mehr ganz gehalten und b) nie nach Wien gepasst hat. Aber unbeirrbar lockt die Politikerin Leute der zweiten Reihe, die in der Provinz gut aufgehoben waren, in die falschen, somit ungewinnbaren Abenteuer.

Deshalb ersuche ich a) um Ergänzung der Nestroy-Jury etwa aus "Presse" und "Kurier", wo traditionellere Theaterbegriffe gepflogen werden. Und b) um eine amtliche Garantie, dass nicht schon der nächste Voges in Castrop-Rauxel auf das Avancement nach Krefeld via Wien lauert. Maria Happel (Reichenau) und Gregor Bloeb (Telfs) zeigen mit Glanz, was man unter Volkstheater versteht. Matthias Hartmann hat schon alle Beweise erbracht. Und im Rabenhof verkörpert Thomas Gratzer, in vielem ein Nachfolger Michael Schottenbergs, das Idealformat. An seine Stelle könnten Posch & Abdullah rücken, die von der Hasler-Administration sinnlos aus dem Werk X expediert wurden. Der Bürgermeister muss hier eingreifen. Es sei denn, er wünscht eine Gastspielruine wie das Berliner Schillertheater, das vor 30 Jahren infolge Politversagens geschlossen wurde

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