Weil ihr das Fremdenamt mit einer Ausweisung drohte, wurde Anja Windl eine der bekanntesten Klimaaktivistinnen Österreichs. "Klima-Shakira", wie die gebürtige Bayerin im Boulevard genannt wird, will aber weiter friedlich für mehr Klimaschutz protestieren - sie möchte sich auch in 20 Jahren "noch in den Spiegel schauen können".
Steckbrief Anja Windl
Name: Anja Windl
Geboren: 1997 in Niederbayern
Ausbildung: Matura
Beruf: Studentin (Psychologie in Klagenfurt)
Familienstand: ledig
Kinder: keine
Rund zwanzig Mal schon hat sich Anja Windl auf der Straße festgeklebt, in Wien, in Graz oder in Innsbruck. "Wie oft genau, das weiß ich gar nicht mehr", sagt die Klimaaktivistin im Gespräch mit News.at. Anja Windl ist Aktivistin der Gruppe "Letzte Generation" und steht deswegen im Fokus der Polizei.
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Anja Windls Kindheit und Jugend
Aufgewachsen ist Anja Windl in einer Großfamilie mit fünf Geschwistern in einem niederbayrischen Dorf. Seit ihrem zehnten Lebensjahr lebt sie vegetarisch, später vegan. "Ich war immer schon gewohnt, das schwarze Schaf zu sein", sagt sie. Sozial engagiert war sie auch, weshalb sie ehrenamtlich in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung gearbeitet und später bei Fridays for Future "reingeschnuppert" habe. Aber nirgendwo blieb sie lange.
Heute lebt die gebürtige Bayerin Anja Windl in Österreich und studiert Psychologie in Klagenfurt.
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Anja Windl will keine "Klima-Shakira" sein
Dass es mehr Klimaschutz braucht, war bei Anja Windl "immer schon präsent", auch dass ihr Unterschriftenlisten und Demonstrationen nicht weit genug gehen. Stattdessen brauche es Aktionen des zivilen Ungehorsams, bewusste Verstöße gegen Gesetze. "Ich war bereit, es zu machen", es habe aber das Angebot gefehlt.
Mit der zunehmenden Bekanntheit der Klimaprotestgruppe Letzte Generation ist Anja Windl dann auf das gestoßen, worauf sie gewissermaßen schon lange gewartet habe. Seit Oktober 2022 ist sie Aktivistin und immer vorne mit dabei.
Wohl wegen ihres wallendes Haares wird die junge Frau im Boulevard als "Klima-Shakira" bezeichnet. Windl selbst findet das einfach nur "sexistisch". Es sei schwierig, der Bezeichnung positiv gegenüber zu stehen, sagt sie. Es raube ihr im Alltag "einiges an Nerven", ständig auf ihr Äußeres reduziert zu werden. Immerhin bringe es zumindest öffentliche Aufmerksamkeit, welche sie mit ihren Protesten bei der Letzten Generation suche.
Anja Windl und die Letzte Generation
Die Letzte Generation ist per Eigendefinition eine "gewaltfreie Widerstandsbewegung", die aufgrund ihrer spektakulären Aktionen im deutschsprachigen Raum sehr schnell große Bekanntheit erlangte. Die Gruppe inszeniert Regelverstöße öffentlichkeitswirksam und zeigt dabei Gesicht. Daher laufen gegen zahlreiche Aktivisten und Aktivistinnen der Gruppe mittlerweile Verwaltungsstraf-, und in einzelnen Fällen auch Strafverfahren. Wie viele, lässt sich laut Innenministerium auf Anfrage nicht klären.
Bekannt wurde die Letzte Generation mit dem symbolischen Beschmieren von Kunstwerken. In Österreich etwa haben zwei Aktivisten im November 2022 ein Bild des Künstlers Gustav Klima mit schwarzer Farbe überschüttet. Wegen eines Schutzglases wurde das Bild selbst bei der Aktion aber nicht beschädigt.
Debatte: Blockierte Straßen und Einsatzfahrzeuge
Kontrovers diskutiert wurden die Aktionen der Letzten Generation zudem, weil sich Anja Windl und ihre Mitstreiter:innen zuletzt auf die Blockaden von Straßen im innerstädtischen Bereich konzentrierten. Es gehe darum, "die Normalität zu stören", sagt sie. Die Staus blockierter Autofahrer:innen und ihre immer wieder aggressiven Reaktionen gegenüber den Klimaaktivisten und -aktivistinnen brachten die Klimakrise wieder in die öffentliche Diskussion. Eine Debatte über möglicherweise blockierte Einsatzfahrzeuge durch die Proteste lenkte aber von den Ursachen für die Proteste ab: Die Co2-Emissionen aus der Mobilität verursachten im Jahr 2021 mehr als ein Viertel der gesamten Ausstöße klimaschädigender Gase ganz Österreichs. Die Aktivisten und Aktivistinnen fordern daher unter anderem Tempo 100 km/h auf Autobahnen.
Anja Windl geriet auch in den Fokus der Debatte, da sie eine der Klimaschützer:innen war, welche in Wien Speiseöl auf einer vielbefahrenen Straße verschütteten. Das Öl sei aber "erst nach Eintreffen der Polizei und bei bestehender Sperrung der Straße" verschüttet worden. Damit sei niemand gefährdet worden, schrieben die Aktivisten und Aktivistinnen im Nachgang der Aktion.
Agieren im Klimanotstand
Anja Windl beschreibt das Gefühl vor derartigen Aktionen im Interview als "sehr beängstigend". Man wisse nie genau, was bei einer bevorstehenden Blockade passieren werde, "aber, dass es absolut notwendig ist". Denn, im Klimanotstand müsse man anders agieren, "als wenn alles gut wäre". Windl nimmt damit Bezug auf den Ende 2019 ausgerufenen "Klimanotstand", welcher der Klimakrise und ihren Folgen in Österreich "höchste Priorität" einräumen sollte.
Auch Anja Windl selbst wurde bei Protesten schon beschimpft und körperlich angegriffen. Jedoch wolle sie sich "in 20 Jahren noch in den Spiegel schauen können", weshalb sie es sich nicht verzeihen könnte, wenn sie jetzt nicht "alles geben" würde.
Die zahlreichen Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und dergleichen brachten der Klimaaktivistin in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Bußgeldbescheiden ein. "Ehrlich gesagt habe ich den Überblick verloren", sagt sie dazu. Die Studentin ist aber überzeugt: "Ich werde nichts zahlen." Viel eher plane sie, die Geldstrafen eines Tages im Gefängnis abzusitzen. Jedoch keineswegs unbeschwert: Sie habe "wahnsinnige Panik vor dem Gefängnis", gesteht Anja Windl.
Anja Windl droht die Ausweisung
Im März 2023 flatterte Anja Windl ein Brief ins Postfach mit folgendem Text: "Sie werden ersucht, persönlich in folgender Angelegenheit im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu erscheinen. Grund: Einvernahme hinsichtlich Prüfung einer aufenthaltsbeendender Maßnahme". Gegen Windl läuft seitdem ein Verfahren, das in einer Ausweisung oder einem Aufenthaltsverbot enden könnte. Der Ausgang ist derzeit noch offen.
Im April wurde sie dann tatsächlich drei Stunden lang behördlich befragt. Bei jedem blauen Brief von der Behörde bekomme sie "kurzes Herzrasen", bleibe aber gelassen: "Ich lebe hier seit sechs Jahren, beziehe kein Geld vom Staat und habe ein festes Einkommen."
Juristisch ist das Verfahren sehr umstritten. Von vielen Seiten wurde das Vorgehen der Behörden kritisiert. Amnesty International sieht im Verfahren einen potentiellen "Einschüchterungseffekt". Auch der Europarechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck sagt, es brauche eine schwere Straftat "wie zum Beispiel eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub und dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird", dass eine Ausweisung europäischer Staatsbürger:innen rechtmäßig beschlossen werden könne.
Heiratswillige Anja Windl - war ein "Joke"
Anja Windls Reaktion auf ihre Vorladung zur Fremdenpolizei sorgte für weiteren Wirbel: Via Instagram suchte sie öffentlich potentielle Heiratskandidat:innen. Auf Instagram lauteten die Anforderungen: "1. Österreichische Staatsbürgerschaft, 2. Sehr bindungswillig: Ich will möglichst bald heiraten, 3. Mensch sein." Es folgten tatsächlich rund 200 Angebote, schrieb oe24 damals.
Den Instagram-Post hat Anja Windl mittlerweile gelöscht. Ernst gemeint war der Aufruf nicht, beteuert sie. Es habe sich eher um einen "Joke" gehandelt, denn Humor helfe ihr einfach, mit der belastenden Situation umzugehen. "Eine Scheinehe ist strafbar", ist Windl bewusst.
Wie behält sie trotzdem die Fassung? "Ich bin umgeben von Menschen, die sich idealistisch für ihre Werte einsetzen", das sei für sie "unglaublich inspirierend", so Windl. Im kommenden Jahr wolle sie deswegen mit ihrem Protest weitermachen.