Bereits Ende des Jahres 2022 bemühte sich der Vorstand von Signa Prime sowie der Signa Development AG um die Stundung von Dividendenzahlungen an die Investoren. Milliardär Klaus-Michael Kühne und die deutsche RAG-Stiftung stiegen darauf nicht ein. Die anderen Investoren sollen darüber im Dunkeln gelassen worden sein.
René Benko hat es in seiner undurchsichtigen Signa-Struktur über Jahre verstanden, prominente und bekannte Geldgeber an Bord zu holen. Zu den schillerndsten Investoren zählt zweifellos Klaus-Michael Kühne, der mit einem Privatvermögen von kolportierten 40 Milliarden Euro zu den reichsten Deutschen zählt. Jedenfalls ist der 86-jährige Mehrheitseigentümer von Kühne +Nagel, der nebenbei maßgeblich an der Lufthansa und am Transportlogistikunternehmen Hapag-Lloyd beteiligt ist, der vermögendste Bewohner der Schweiz. Über seine Kühne Holding AG mit Sitz in Schindellegi hält der fußballaffine Hamburger Kaufmann auch seine zehn Prozent an der Signa Prime Selection AG, die Ende Dezember 2023 vom Signa-Konkurs-Domino erfasst und in die Pleite geschickt wurde.
News liegen vertrauliche interne Signa-Berechnungen aus dem Sommer 2023 vor, aus denen nicht nur hervorgeht, wie viel sich die Kapitalgeber bis vor nicht allzu langer Zeit an Dividenden ausschütten ließen, sondern auch, wie viel die einzelnen Aktienpakete gekostet haben. Im Fall von Kühne sieht die Rechnung folgendermaßen aus: Ende Dezember 2019 kaufte die Kühne Holding AG rund 3,2 Millionen Aktien der Signa Prime Selection AG. Der Stückpreis: 70 Euro. Macht in Summe 223,5 Millionen Euro. Weitere Aktienkäufe folgten im Mai sowie im Juli 2022. Kühne kaufte je 1,596 Millionen Stück. Zu 88 Euro pro Aktie. Macht jeweils 140,4 Millionen Euro. In Summe 280,8 Millionen Euro. Unter dem Strich ist Kühne über seine Holding bei Benkos Signa Prime mit mehr als einer halben Milliarde investiert.
Brisanz besitzt der Umstand, dass die Kühne Holding als einzige Gesellschaft neben der deutschen RAG-Stiftung Ende des Jahres 2022 aus diesem Investment mit Dividenden für das Geschäftsjahr 2021 bedient wurde. Sämtliche anderen Investoren wurden in der Weihnachtszeit des Jahres 2022 offenbar vertröstet. Als Begründung diente Benkos Vorständen das öffentlichkeitswirksame zweite Insolvenzverfahren rund um die deutsche Warenhandelskette Galeria Karstadt Kaufhof (GKK).
Knapp bei Kasse
Wie knapp die intransparente Signa-Gruppe schon damals offenbar bei Kasse war, offenbart eine geheime E-Mail von Signa-Prime-und Signa-Development-Vorstand Timo Herzberg. Der CEO beider Gesellschaften wendet sich am 23. Dezember 2022, am Tag vor Weihnachten, kurz nach 15 Uhr an den Finanzvorstand der RAG-Stiftung und bittet um "Unterzeichnung und Rücksendung" der angehängten Stundungsvereinbarungen: "Ich bitte Euch für den Fall, dass nicht alle Aktionäre der Verschiebung der Auszahlung zustimmen, um Eure Unterstützung!" Mehr noch: Vorstandsboss Herzberg geht noch einen Schritt weiter und versichert, "dass es keine Auszahlungen von Boni an mich oder andere Vorstände bis zum 15.05.2023 geben wird und auch das Management damit seinen Beitrag leistet, um etwaige Negativfolgen für uns durch ein wohlmöglich scheiterndes Insolvenzverfahren bei Galeria abzuwenden".
Die RAG-Stiftung, die viele Millionen für den im deutschen Ruhrgebiet abgewickelten Steinkohlebergbau verwaltet, ging nicht auf diesen Deal ein. Am 30. Dezember 2022, kurz vor zwölf Uhr mittags, schreibt René Benko nach einer Videokonferenz mit der RAG-Stiftung an den Signa-Finanzchef Manuel Pirolt: "RAG möchte die Dividenden gemäß Hauptversammlungsbeschluss regulär ausbezahlt haben und nicht (!) stunden. Bitte veranlassen. Rene."
Somit kassierte die RAG von der Signa Prime Selection AG am 4. Jänner 2023 elf Millionen Euro. Für die Beteiligung an der Signa Development hatte es wenige Tage davor 4,3 Millionen Euro gegeben. Die Kühne Holding, die ihr umfassendes Signa-Investment wenige Monate davor erst verdoppelt hatte, erhielt von der Prime 16,5 Millionen Euro Gewinnausschüttung.
Apropos Bonuszahlungen: Der vierköpfige Vorstand der Signa Prime gönnte sich für das Katastrophenjahr 2022 noch Gesamtbezüge von mehr als 20 Millionen Euro. Davon waren 6,5 Millionen Euro variable Bezüge und 12,6 Millionen Euro waren "Teilprämien für laufende Projekte". Im Jahr davor beliefen sich die Zahlungen der Spitzenmanager noch auf 2,7 Millionen.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 8/2024.
Die Causa Benko - News berichtete:
Über die Autoren
Rainer Fleckl
Rainer Fleckl ist ein österreichischer Investigativjournalist. Er schrieb unter anderem für News.
- 2017 bis 2020: Leiter des Investigativ-Teams bei Addendum
- bis April 2021 Bereichsleiter ServusTV
Seit November 2023 ist er Investigativjournalist bei Krone Multimedia. Für seine journalistischen Tätigkeiten wurde er unter anderem mit dem Alfred-Worm-Preis und dem Prälat-Leopold-Ungar-Preis ausgezeichnet.
Sebastian Reinhart
Sebastian Reinhart ist Investigativ-Journalist. Er war unter anderem Referent für Untersuchungsausschüsse im österreichischen Nationalrat während der Aufarbeitung der Hypo-Affäre. Er war für die Recherche-Plattform Addendum tätig und schreibt für den Spiegel sowie derzeit für das Magazin News.