Signa-Gründer René Benko hat seiner maroden Signa-Gruppe noch im Sommer 2023 gut 35 Millionen Euro entziehen lassen, um diese nach einer Kreisüberweisung am Ende wieder als "frisches Kapital" bei der Signa Holding einzuzahlen. Wurden Investoren getäuscht?
Es ist Ende Juni 2023, und das Signa-Konglomerat sitzt liquiditätsmäßig mehr und mehr auf dem Trockenen. Bereits Ende des Jahres 2022 hatten Signa-Gründer René Benko und seine engsten Vertrauten mit zahlreichen Signa-Investoren Stundungsvereinbarungen über deren anstehende Gewinnausschüttungen vereinbaren müssen – zu horrenden Zinsen.
Spitz auf Knopf
Nun steht es intern wieder Spitz auf Knopf. Um wertvolle Zeit zu gewinnen, muss im Sommer erneut dringend frisches Geld besorgt werden. Wer von außen genauer auf die Signa-Gruppe blickt, der scheint langsam, aber sicher diesen Eindruck zu gewinnen: René Benko hat offenbar nach dem Notverkauf von Kika/Leiner zunehmend die Kontrolle über sein so finanzmarodes wie intransparentes Konstrukt aus weltweit mehr als 1.000 Gesellschaften verloren. Doch er, Benko, gibt noch immer nicht auf. Er kämpft. Noch. Mit allen Mitteln.
Der 46-jährige Tiroler pumpt im Sommer 2023 noch einmal seine wichtigsten Investoren in der Signa Holding um Geld an, etwa den bekannten Baulöwen Hans Peter Haselsteiner (Strabag) oder den Fressnapf-Eigentümer Torsten Toeller. Benkos Bitte: eine Kapitalerhöhung um 350 Millionen Euro. Es soll nicht nur frisches Geld in die Signa-Gruppe gepumpt werden, sondern anderen, potenziellen Investoren und Kapitalgebern signalisiert werden, dass Benko und die bestehenden Großinvestoren noch immer an ihre Signa glauben. Die Signa Holding ist so etwas wie die Dachgesellschaft des Konzerns, die es – wie mehrfach berichtet – über all die Jahre tunlichst vermieden hat, eine konsolidierte Konzernbilanz, also ein vollständiges finanzielles Gruppenbild abzugeben. Offenbar aus guten Gründen. Man wollte sich nie so genau in die finanziellen Karten blicken lassen.
"Frisches Kapital"
Im Juni 2023 verspricht René Benko seinen ehemals treuesten, mittlerweile aber bereits schwankenden Investoren, dass seine Familienstiftung mit gutem Beispiel und frischem Cash vorangehen und 35 Millionen in die Signa Holding einbringen werde. Aus heutiger Sicht kann angenommen werden, dass ohne diese letzte Kapitalerhöhung der Signa-Miteigentümer über letztlich 350 Millionen bereits viel früher Schicht im Schacht gewesen wäre. Der langjährige Möchtegernmilliardär Benko musste aber für seine Investoren selbst ein Zeichen des Vertrauens setzen und noch ein letztes Mal in der Lage sein, aus seiner Sphäre "frisches Kapital" zu zuzuschießen. Wie im von Benko geschaffenen Signa-Gestrüpp an Gesellschaften dabei vorgegangen wurde, zeigt eine aufwändige und exklusive Recherche von News und der "Krone":
Laut einer vorliegenden, streng vertraulichen Signa-internen Rahmenvereinbarung von 2023 verpflichtete sich die Familie Benko Privatstiftung, die 10,1 Prozent an der Signa Holding hält, im Rahmen der geplanten Kapitalerhöhung um 350 Millionen zu einer Bareinlage, also einer Cash-Einzahlung, über 35,35 Millionen Euro in die Signa Holding. Offensichtlich ein Zeichen an die anderen Miteigentümer: Der Gründer und seine Stiftung glauben noch an die Zukunft der Signa. Mehrere seiner Geldgeber werden dem ehemaligen Immobilien-Messias noch einmal folgen und noch einmal nachlegen. Das vorliegende zentrale Dokument ist von Benkos engem Vertrauensmann Marcus Mühlberger, seit vielen Jahren auch Geschäftsführer der Signa Holding, unterzeichnet.
Beispiellose Transaktionen
Benko und seine Familienstiftung haben im Sommer 2023 allerdings offenbar selbst bereits mit Liquiditätsproblemen zu kämpfen. Um den zugesagten Zuschuss der vermeintlich frischen Liquidität aus Benkos Familienstiftung kurzfristig möglich zu machen, nimmt also ein bemerkenswertes wie beispielloses Geldkarussell seinen Lauf. Recherchen von News und „Krone“ zeigen auf, woher die Stiftung die 35,35 Millionen Euro für die Kapitalzusage zur Rettung der Signa Holding genommen hat. Vereinfacht gesagt: aus der bereits klammen Signa-Gruppe, der das Geld letztlich eigentlich zugutekommen sollte. Das ganze funktionierte so:
Im Fokus steht eine Firma namens Signa Development Selection (SDS) Beteiligung GmbH. Diese wird zu 84,89 Prozent von einer SDS Holding GmbH & Co KG gehalten. Diese wiederum kann – durchgerechnet – zur Gänze der Signa Holding zugeordnet werden. Unter dem Strich gehört die SDS Beteiligung GmbH also der Signa Holding GmbH. Dort, in dieser Signa-Gesellschaft, finden sich die dringend benötigten 35,35 Millionen oder lassen sich zumindest kurzfristig aufstellen.
Schritt eins:
Besagte SDS Beteiligung GmbH schließt zunächst Ende Juni 2023 einen mündlichen Kreditvertrag mit einer weiteren Gesellschaft im verdunkelten Benko-Reich ab und schickt die 35,35 Millionen per Überweisung auf die Reise. Der Name der Kreditnehmerin und Empfängerin des Geldes: Laura Finance Holding GmbH. Im vorliegenden Kreditvertrag, der erst Wochen später verschriftlicht wird, wird der Kreditrahmen mit exakt 35,35 Millionen Euro beziffert. Unterzeichnet wird der Vertrag von den beiden Geschäftsführern der SDS Beteiligung, darunter der langjährige Signa-Holding-Geschäftsführer und Benko-Vertraute Christoph Stadlhuber, einst Chef der Bundesimmobilien-Gesellschaft (BIG); er unterschreibt am 16. August 2023. Auf Seiten der Laura Finance GmbH unterzeichnet den vorliegenden Kreditvertrag der Geschäftsführer und langjährige Benko-Vertrauensmann Manuel Pirolt am 17. August 2023.
Schritt zwei:
Was macht die Laura Finance Holding mit den 35,35 Millionen Euro? Sie überweist das Geld einfach weiter. An die Familie Benko Privatstiftung, die 10,1 Prozent an der Signa Holding hält. Wieder ein mündlicher, erst Wochen später zu Papier gebrachter Kreditvertrag. Wieder ohne Besicherung.
Schritt drei:
Die Familie Benko Privatstiftung fasst nun laut einem vertraulichen Dokument einen bemerkenswerten Beschluss: Sie verwendet ebendiese 35,35 Millionen Euro zur "Erfüllung ihrer Eigenkapitalzuschussverpflichtung gegenüber der SIGNA Holding GmbH".
Einmal hin und zurück
Das bedeutet, bei Licht betrachtet: Die Liquidität wird offensichtlich von Benko und seinen Vertrauenspersonen zunächst einer Tochter der Signa Holding entzogen, um dann über den Umweg einer Kreisüberweisung am Ende wieder zurück in die Sphäre der Signa Holding zu wandern. Als angeblicher Benko-Beitrag an frischer Liquidität für die Gruppe, als Beitrag der Familienstiftung zur Kapitalerhöhung. Unterschrieben wird der Beschluss der Benko-Stiftung von den Vorständen Marcus Mühlberger und Karin Fuhrmann am 21. August 2023. Beide sind mit René Benko eng verbunden. Der bekannte Rechtsanwalt Dieter Spranz, der in der Stiftung damals ebenfalls noch Sitz und Stimme hat, segnet den Deal erst wenige Tage später, am 29. August 2023, ab. Er wird wenige Wochen später seine Funktion in der Benko-Stiftung zurücklegen. Laut Firmenbuch wegen angeblich beruflicher Überlastung.
In ebendiesen turbulenten August-Tagen 2023 sollte die Lage bei Benkos Signa weiter eskalieren, obwohl die übrigen Signa-Investoren ihren Anteil der Kapitalerhöhung wenige Wochen zuvor brav zugesagt hatten und für dieses Vertrauenszeichen auch gebührend öffentlich von Benkos Apologeten gefeiert worden waren. Am frühen Morgen des 17. Augusts werden René Benko und sein umtriebiger Finanzchef Manuel Pirolt erfahren, dass trotz dieser Kapitalerhöhung die dringend zusätzlich benötigte Finanzspritze eines potenziellen koreanischen Investors über 400 Millionen ausbleiben wird. Danach nimmt das letzte Kapitel der Signa seinen Lauf.
Harsche Kritik aus Hamburg
Übrigens: Erst in der Vorwoche hatte der Statthalter von Klaus-Michael Kühne, der mit einem Privatvermögen von rund 40 Milliarden Euro gemeinhin als reichster Deutscher gilt, massive Vorwürfe gegen Benkos Signa-Konstrukt erhoben. Der gestandene Hamburger Kaufmann Kühne ist mit rund zehn Prozent an der Kerngesellschaft namens Signa Prime Selection AG beteiligt. Nun erhebt Kühnes rechte Hand schwere Anschuldigungen: Benko habe "betrügerisch" gehandelt, meinte Kühnes Vermögensverwalter Karl Gernandt im "Spiegel". Der Tiroler Benko habe auch "in all den Luxemburger Zwischenholdings" Schulden versteckt; dort habe es "verschleiert weitere Verpflichtungen anderen Geldgebern gegenüber" gegeben. Darüber hinaus seien ohne Wissen der Investoren Unterfirmen der Investoren beliehen worden, "sodass wir faktisch gar keinen Zugriff auf die Unterfirmen mehr hatten. Nur wussten wir das nicht", erklärte Gernandt. Für ihn sei das "letztlich betrügerisch". Wie Gernandt die Karussell-Überweisung innerhalb von Benkos Signa Gruppe wohl beurteilen wird?
Man braucht wahrlich keine hellseherischen Fähigkeiten, um zu prophezeien: Die größte Pleite der Zweiten Republik steht erst am Beginn ihrer Aufarbeitung.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 13/2024.
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