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Tiny Houses: Leben in CO2-neutralen Minihäusern

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Tiny House von Wohnwagon

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Das Gas ist knapp, der Strom teuer. Immer mehr Menschen träumen von einem Leben in Autarkie. "Wohnwagon" macht es vor: das Startup produziert in Gutenstein CO2-neutrale Minihäuser - auch bekannt als Tiny Houses - die sich selbst versorgen

Am Ortsrand von Gutenstein riecht es nach erdiger Waldluft. Die Piesting plätschert als schmaler Bach Richtung Tal. Mitten in der pittoresken Voralpenlandschaft steht "Fanni", ein autarker Wohnwagon. Mit ungemütlichem Camping hat das Minihaus aus Lärchenholz nichts zu tun. Von außen erinnert es an ein Schiff, innen sorgen Vollholzmöbel und ein rustikaler Holzofen für modernes Almhüttenflair. Auf 27 Quadratmetern hat alles Platz, was man zum Leben braucht. Ein Erker beherbergt Esstisch, Sessel und eine weiß gepolsterte Sitzbank. Drei Bullaugenfenster geben den Blick in den Wald frei. In der Nische um die Ecke steht das Doppelbett, von dort sind es nur wenige Schritte zur Küchenzeile. Neben der Eingangstür zeigt ein kleines Display den Batteriestand an, den die Sonne täglich über die Solarzellen am Dach auflädt. "Fanni" ist ein Haus ohne Fixkosten, Stromrechnungen oder Umweltbelastungen. Der Wohnwagon ist sein eigenes Kraftwerk.

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DER WOHNWAGON "FANNI". Für Autarkie-Interessenten ist der Wohnwagon am Rande Gutensteins zum Probewohnen verfügbar.

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"Wir waren getrieben vom Ärger auf die Politik", sagt Theresa Mai. News trifft die Geschäftsführerin von Wohnwagon im Gutensteiner Hauptquartier, einem renovierten Gasthaus. Die weitläufigen Fenster blicken in die grüne Natur. Schon früh wollte die heute 32-Jährige etwas verändern: Schon mit 19 Jahren saß Mai im Gemeinderat ihres Heimatdorfes nahe Krems. "Aber in der Politik gibt es kein Miteinander", sagt sie. "Es ist anstrengend, immer gegen Widerstände zu arbeiten." Also führte der Wille, zu gestalten, in die Privatwirtschaft.

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Tiny Houses: Kluges Wohnen als Klimabooster

"Wohnen ist die größte Ressourcenentscheidung, die wir treffen", sagt Theresa Mai. 2020 gingen Schätzungen der UN zufolge weltweit rund 40 Prozent der energiebezogenen CO2-Emissionen sowie mehr als die Hälfte des Ressourcenverbrauchs auf die Baubranche zurück. "Das geht besser", findet die Unternehmerin. Im Jahr 2013 gründete sie mit ihrem Geschäftspartner Christian Frantal das Start-up Wohnwagon. Seit 2014 produziert das Unternehmen Tiny Houses in Österreich. Käufer müssen mit 140.000 bis 240.000 Euro kalkulieren - je nach Autarkiegrad.

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THERESA MAI. Mit nur 22 Jahren wurde sie Mitbegründerin der Firma Wohnwagon

 © Wohnwagon

Die Minihäuser sind heute gefragt wie nie: Die exorbitant steigenden Gaspreise, die Abhängigkeit vom Energie- und der überhitzte Immobilienmarkt lassen immer mehr Menschen nach Alternativen zu Hausbau und Wohnungskauf suchen. Während der Pandemie ist die Nachfrage explodiert. 2018 übersiedelte die Firma von Wien ins niederösterreichische Gutenstein. Das Team ist seither von rund 20 auf 43 Mitarbeiter angewachsen und erwirtschaftet einen Jahresumsatz von sechs Millionen Euro. "Wir wollten eine nachhaltige, unabhängige Alternative bieten", sagt Theresa Mai. "Ohne erhobenen Zeigefinger. Und ohne jahrzehntelangen Kredit und steigende Fixkosten."

Minihäuser: Mit Naturstoffen werkeln

An einem Oktobermorgen führt die Wohnwagon-Chefin News durch die Werkstatt. Es riecht nach frischem Holz, im Radio läuft laute Popmusik. Zwischen Brettern und Werkzeugen stehen Minihäuser in allen Entwicklungsstadien. "Dieser Wohnwagon ist jetzt drei Tage alt", sagt Theresa Mai und zeigt auf einen ovalen Rohbau. Die Holzwände inklusive intakter Steckdosen stehen schon. Der nächste Wagen steckt im Dämmungsprozess: In einer rund 15 Zentimeter tiefen Staffelkonstruktion wird die Wand mit Schafwolle ausgestopft. In späteren Arbeitsschritten kommen Lärchen- und Fichtenholz sowie Lehmverputz zum Einsatz. Das Unternehmen setzt auf regionale Materialien mit möglichst geringer Klimabilanz.

"Natürlich ist Schafwolle pro Quadratmeter teurer als andere Baustoffe", erklärt Theresa Mai am Weg nach draußen. "Dafür schimmelt später die Fassade nicht wie bei billigeren Materialien. Es geht um eine reale Lebenszeitbetrachtung." Am Rand des Betriebsareals plätschert ein schmaler Wasserlauf vorbei. "Das ist unser Mühlbach", sagt die Unternehmerin. "Er produziert den Strom für unsere Halle." So werde auch der Herstellungsprozess autark gehalten.

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IN DER WERKSTATT. Ein Wohnwagon ist in rund acht Wochen fertig. Die Hersteller achten auf regionale Baustoffe mit möglichst geringer CO2-Bilanz

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Keine Strom-und Gasrechnungen

Am Dach von "Fanni", dem Wohnwagon, ist eine Reihe Solarzellen montiert. Die Photovoltaikanlage dient zur Stromversorgung. Im doppelten Boden des Wagons liegt die Speicherbatterie, dank der die Lichtschalter auch nachts funktionieren. Die Solaranlage kostet rund 15.000 Euro, ist aber eine einmalige Investition. Im Winter ist Wärme ohne Gas möglich: Bewohner werfen eine kleine Zentralheizung an, die sich aus der Solarenergie und einem Holzofen speist. Für diesen braucht man laut Mai 1,5 bis zwei Festmeter Holz pro Jahr. Diese Kombination ermöglicht 100 Prozent Energieunabhängigkeit.

"Es gibt viele Möglichkeiten, sich schrittweise auf Autarkie einzulassen", sagt Theresa Mai. Wer dauerhaft in einem Wohnwagon leben will, braucht guten Wohnkomfort. Dafür muss der individuelle Stromverbrauch gedeckt sein. Der kann durch passende Innenausstattung wie energiesparende Lampen, Geräte und WLAN-Module verringert werden. Zur Not ist auch externes Laden über das reguläre Stromnetz möglich.

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Das wasserautarke Badezimmer

Neben der Solaranlage wuchert auf "Fannis" Dach ein Pflanzenbeet. Das ist die Grünkläranlage. Grauwasser aus Dusche und Abwasch kann auf das Dach gepumpt werden, wo die Wurzelaktivität der Sumpfpflanzen die Schadstoffe im Wasser aufspaltet. Nach dem Klärprozess bleibt Frischwasser zurück, das durch eine Zisterne mit Wasserfilter wieder genießbar wird. Regenwasser füllt das Dachreservoir wieder auf. "Dafür brauchen wir ausreichend Regenmenge und Dachfläche", sagt die Chefin. Bei neueren Modellen kommt die Grünkläranlage eher selten zum Einsatz. Sie ist sehr beratungsintensiv und muss jährlich gewartet werden.

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Etwas gewöhnungsbedürftig: die Trockentoilette. Statt Spülung sorgt eine Streu aus Pflanzenkohle für Geruchsneutralität

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Im Bad gibt es eine geräumige Dusche mit Glaswand, neben ihr eine Trenntoilette. Der Spültaste fehlt, stattdessen steht ein Topf mit schwarzer Einstreu bereit. Die besteht aus Pflanzenkohle, Biofaser und Steinmehl. "Eine Biotoilette spart jedes Jahr 14.000 Liter Trinkwasser pro Person", sagt Theresa Mai. In der Schüssel ohne Kanalanschluss werden Urin und Feststoffe getrennt. Bei festen Ausscheidungen verhindert die Pflanzenkohle Geruch, indem sie das Wasser entzieht. Später wird der Kot kompostiert, das Endprodukt ist Humus. "Urin in Reinform ist ein wunderbarer Dünger", betont Theresa Mai. "Wir sammeln ihn in einem großen Tank, den ein Bauer später abholt."

Ein lebendiges Netzwerk

Einer dieser Bauern ist Erich Roßmanith. Sein Gemüseacker liegt nur wenige Gehminuten von der Werkstatt entfernt. "Da kommt unser Mittagessen her", sagt Theresa Mai, während sie auf den Acker zeigt. Hier gedeihen Grünkohl, Mangold, Karotten und viele weitere Gemüsesorten. Roßmanith winkt kurz. Es ist Erntetag, er hat viel zu tun. "Autarkie braucht ein lebendiges Dorf", erklärt die Unternehmerin, während sich der Bauer wieder an die Arbeit macht. "Alles schafft man nicht alleine."

Durch Genossenschaftsprojekte will die Unternehmerin soziale und wirtschaftliche Kreisläufe in Gutenstein wiederbeleben. Eines davon ist die "Dorfschmiede", ein altes Wirtshaus im Ortskern. Die Mitglieder haben es, finanziert durch einen Vermögenspool, gekauft und renoviert. Die gemeinschaftliche Anlage ermöglicht es, schon mit kleinen Beträgen ab 5.000 Euro in eine Immobilie zu investieren. Die Genossenschaft kocht gemeinsam, Erntezeit ist oft eine Gruppenaktivität. "Man hilft einander gegenseitig viel aus", erzählt Mai. "Die Frage ist: was braucht es wirklich für ein gutes Leben?" Sie hat eine klare Antwort: weniger Quadratmeter, aber bessere Materialien und mehr Gemeinschaft.

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In ihrem Buch "Wie wir leben könnten" * zeichnet Theresa Mai den Weg in Autarkie und Gemeinschaft vor. Das Buch wird klimapositiv hergestellt. Löwenzahn Verlag, 26,90 €

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 44/2022 erschienen.

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