In Zeiten von Klimawandel und Biodiversitätskrise spielt nachhaltiges Reisen für viele Menschen eine immer größere Rolle. Was genau bedeutet diese Form von Urlaub? Kann man auch nachhaltig fliegen? Was man bei der Urlaubsplanung beachten sollte, wenn man die Umwelt schonen möchte.
Was bedeutet nachhaltig reisen?
Ebenso wie sanfter Tourismus oder Ökotourismus ist Nachhaltiges Reisen nicht klar definiert. Der UN-Weltorganisation für Tourismus (UNWTO) zufolge soll Nachhaltiger Tourismus folgende Kriterien erfüllen:
Die Umweltressourcen, welche im Kern der touristischen Entwicklung stehen, sollen genutzt, aber vor allem geschützt werden.
Der Tourismus soll helfen, die biologische Vielfalt ihrer ökologischen Prozesse zu erhalten. Er soll die Kultur der Gastgemeinden respektieren und ihr "lebendiges kulturelles Erbe und ihre traditionellen Werte bewahren und zu interkulturellem Verständnis und Toleranz beitragen".
Zudem soll sichergestellt sein, dass ein tragfähiger, langfristiger Betrieb möglich ist, der den Beteiligten fair entlohnte Jobs bietet und zur Armutsbekämpfung vor Ort beiträgt.
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Warum ist es wichtig, nachhaltig zu reisen?
Tourismus hat eine signifikante Auswirkung auf die Umwelt und das Klima. Allein nach Thailand, eines der reisestärksten Urlaubsländer der Welt, sind im Jahr 2022 fast zwölf Millionen Touristen und Touristinnen gereist, obwohl das Land zuletzt noch immer mit den Rückgängen durch die Covid19-Pandemie zu kämpfen hatte.
Die Urlaubsmobilität wird einem UNWTO-Report zufolge im Jahr 2030 für 5,3 Prozent der jährlichen, menschengemachten CO2-Emissionen verantwortlich sein. Die prognostizierten zwei Milliarden Tonnen CO2 werden zum Großteil durch internationale Flüge verursacht.
Aber auch der Aufenthalt in den Zielländern verursacht beachtliche Emissionen. Bis zu 50 Kilogramm CO2 macht ein Hotelaufenthalt pro Gast und Nacht aus. Im Fünf-Sterne-Hotel fällt im Schnitt ein Pro-Kopf-Wasserverbrauch von über 500 Liter an.
Zwischen 2005 und 2016 sind die Emissionen durch den Tourismus um mehr als die Hälfte angestiegen. "Der Tourismus ist eine wichtige Branche, wenn wir über die Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen sprechen", sagte Wolfgang Strasdas, Forschungsleiter des Zentrums für Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Eberswalde im Interview mit der Rundfunkanstalt "Deutsche Welle".
In Wirtschaft und Politik formieren sich seit wenigen Jahren erste Initiativen zur Reduktion der durch den Tourismus verursachten Klimaschäden. Im Rahmen der "Glasgower Erklärung", die bei der UN-Klimakonferenz 2021 präsentiert wurde, verpflichteten sich rund 600 Vertreter:innen der Tourismusbranche bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden.
Wann ist Tourismus nachhaltig?
Am einfachsten lassen sich Emissionen bei An- und Abreise in den Urlaub einsparen, weshalb der nachhaltigste Urlaub meist nicht sehr fern liegt. Eine Vogelbeobachtungstour, Wandern in den Bergen oder Entspannen am Campingplatz am See sind Optionen, die ohne eine Anreise per Flugzeug möglich sind. Um nachhaltig zu reisen, gilt es Urlaubsziele zu wählen, die mit nachhaltigen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Anreise im Auto statt mit dem Flugzeug, lieber mit dem Bus als auf dem Kreuzfahrtschiff, der Zug oder das Fahrrad sind dem Privatjet vorzuziehen. Ist eine Anreise ohne Auto nicht möglich, so ist Carsharing oder eine Fahrgemeinschaft die klimafreundlichere Variante. Eine kollektive Anreise spart deutlich Emissionen.
Aber auch die Urlaubsunterkunft ist ein Hebel, um die Reise nachhaltig zu gestalten. Urlaub im Zelt oder in der Bio-Pension sind nachhaltiger als im Fünf-Sterne-Hotel mit beheiztem Pool.
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Nachhaltigkeitssiegeln, die Reisewilligen zu erkennen helfen, ob Unterkunft-Betreibende den Nachhaltigkeitsgedanken umsetzen.
Einen guten Überblick über Nachhaltigkeits-Labels im Tourismus bietet u. a. der Schweizer Verein "Fair unterwegs".
Kann man nachhaltig fliegen?
Auf die Anreise per Flugzeug entfallen in der Regel mit Abstand die größten Emissionen eines jeden Urlaubs. Nachhaltiges Fliegen ist faktisch (noch) nicht möglich. Verursacht eine Reise im Flugzeug pro Person ganze 415 Kilogramm CO2-Äquivalente auf 100 Kilometern, sind es mit dem Zug auf derselben Strecke nur 14 Kilogramm. Eine 100-Kilometer-Fahrt mit dem Auto bringt 250 Kilogramm Emissionen, mit dem öffentlichen Bus sind es 58 Kilogramm an CO2-Äquivalenten.
Gegenwärtig macht der Flugverkehr über 3 Prozent der weltweiten Emissionen klimaschädigender Gase aus. Dazu kommt, dass ein Großteil der Weltbevölkerung ihr ganzes Leben in kein Flugzeug steigen wird: Die Klimaschädigung durch den Flugverkehr wird vor allem durch die Wohlhabenden dieses Planeten verursacht.
Moderne Flugzeuge fliegen zwar effizienter, brauchen aber trotzdem verhältnismäßig viel Kerosin um abzuheben. Alternative Kraftstoffe wiederum sind zwar weniger klimaschädlich, aber trotzdem keine gute Alternative, da ihre Herstellung zu viel Landflächen in Anspruch nehmen würde. Grüner Wasserstoff wiederum ist in seiner Erzeugung ineffizient. Trotzdem arbeitet die Wissenschaft intensiv an der Umsetzung wasserstoffbetriebener Flugzeuge.
Im letzten Jahrzehnt entwickelte sich auch um den Flugverkehr eine wahre Kompensationsindustrie - Unternehmen, die gegen Gebühr die Emissionen in Klimaschutzprojekten abgelten wollen, welche durch einen Flug, Urlaub oder Einkauf verursacht wurden. CO2 und Methan, das hierzulande emittiert wird, soll im Gegenzug anderswo eingespart werden - bezahlt durch den Ankauf von CO2-Gutschriften. Bekannte Anbieter wie Atmosfair, Climatepartner oder ClimateAustria bieten neben Waldschutzprojekten, die Investition in Windenergie und das Verteilen von emissionsarmen Kochöfen im globalen Süden
Die Wirkung derartiger Projekte für den Klimaschutz wird mittlerweile aber stark in Zweifel gezogen. Eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag der Europäischen Kommission besagt, dass lediglich sieben Prozent der verkauften Kompensations-Gutschriften mit einer "hohen Wahrscheinlichkeit" einen Beitrag zum Klimaschutz leisten würden. In einer jüngst veröffentlichten Untersuchung kam zutage, dass beinahe 80 Prozent der beliebtesten Klimaschutzprojekte zur CO2-Kompensation unbrauchbar seien, weitere 16 Prozent seien als "problematisch" einzustufen. Das deutsche Umweltbundesamt empfiehlt daher "Flugreisen nach Möglichkeit zu vermeiden und Alternativen zu nutzen".
Wo gibt es nachhaltigen Tourismus?
Einer Studie des Marktforschungsunternehmens Euromonitor zufolge führt Österreich hinter Schweden und Finnland an dritter Stelle den "Sustainable Travel Index" (Index Nachhaltig Reisen) der Länder an, in denen es sich am nachhaltigsten urlauben lässt. Bei den Städten führt die australische Melbourne vor Madrid und Sevilla in Spanien – zum nachhaltigen Urlaub wird ein Städtetrip aber nur, wenn auch die An- und Abreise nachhaltig organisiert werden – was für die Anreise von Österreich nach Melbourne ohne Flugzeug eine Herausforderung werden könnte.
In der Regel bieten Nationalparks, Biosphärenparks sowie Klima- und Energie-Modellregionen nachhaltige Urlaubsdestinationen an.
Sustainable Travel Index – Top 20 (2022)
Land | Rang |
---|---|
Schweden | 1 |
Finnland | 2 |
Österreich | 3 |
Estland | 4 |
Norwegen | 5 |
Slowakei | 6 |
Slowenien | 7 |
Island | 8 |
Lettland | 9 |
Schweiz | 10 |
Frankreich | 11 |
Litauen | 12 |
Dänemark | 13 |
Tschechien | 14 |
Deutschland | 15 |
Portugal | 16 |
Kroatien | 17 |
Uruguay | 18 |
Rumänien | 19 |
Polen | 20 |
Quelle: Euromonitor International
Top 10 Städte für Nachhaltigkeit (2022)
Stadt | Rang |
---|---|
Melbourne | 1 |
Madrid | 2 |
Sevilla | 3 |
Stockholm | 4 |
Tallinn | 5 |
Toronto | 6 |
Palma de Mallorca | 7 |
Las Vegas (Nevada) | 8 |
Lissabon | 9 |
München | 10 |
Quelle: Euromonitor International
Wie findet man eine nachhaltige Unterkunft?
Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe von Online-Plattformen zur Suche von nachhaltigen Reisezielen. Dazu kommt eine Vielzahl der Nachhaltigkeits-Labels, die unterschiedlich transparent und seriös sind.
Eines der etabliertesten Nachhaltigkeits-Labels ist das Österreichische Umweltzeichen. Es zeichnet in Kooperation mit dem Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie nachhaltige Betriebe in und außerhalb Österreichs aus.
Das TourCert-Label gilt für Reisebüros und -veranstalter, Beherbergungsbetriebe und Destinationen und wird von NGOs wie "Brot für die Welt", dem WWF, Gewerkschaften und Universitäten mitgetragen.
Greenkey wiederum ist eine Initiative, welche von der UNWTO in Kooperation mit verschiedenen Universitäten ausgearbeitet wurde, um nachhaltige Urlaubsdestinationen weltweit auszuzeichnen. Wer sich im Urlaub auch nachhaltig ernähren möchte, kann bei VeganWelcome Unterkünfte finden, die eine rein pflanzliche Verköstigung anbieten.
Passend dazu: Wie unser Fleischkonsum die Umwelt belastet
Ist nachhaltiges Reisen teurer?
Unter den Angeboten für nachhaltiges Reisen finden sich in der Regel keine Pauschalreise-Angebote zu Dumpingpreisen, nachhaltiger Tourismus muss aber nicht zwangsläufig teuer sein. Geht es über Ostern mit dem Zug nach Südtirol, anstatt per Fernflug nach Thailand, unterscheiden sich die Kosten wohl kaum.
Wer allerdings eine Fernreise nach ökologischen Standards umsetzen will, muss ein höheres Reisebudget und wahrscheinlich sogar mehr Zeit einplanen.
Einer Aussendung des Euromonitor International zufolge wären 80 Prozent der Befragten bereit, ein Zehntel mehr Geld in den Urlaub zu investieren, um ihn umweltverträglicher zu gestalten. Zwar interessieren sich immer mehr Menschen für nachhaltige Urlaube, konventionelle sind in der Regel aber günstiger. Eine problematische Lenkung von Subventionen, etwa in den klimaschädlichen Flugverkehr, machen die ökologische Option am Ende dann doch noch teurer. Ohne Umdenken in der Politik ist nicht davon auszugehen, dass der sanfte Tourismus breitenwirksam Fuß fasst. Im Spiegel-Interview sagte jüngst der Tourismusforscher vom deutschen Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa: "Wenn das umweltfreundliche Reisen irgendwann günstiger ist als das weniger umweltfreundliche, dann werden sich sehr viel mehr Menschen dafür entscheiden."
Ein Überblick über Öko-Reiseportale
Online finden sich zahlreiche Plattformen, die sich nachhaltiges Reisen auf die Fahnen schreiben. Das Angebot reicht von regionalen Optionen bis hin zu Fernreisen, bei denen die Flugzeug-Emissionen kompensiert werden. Hier können Reiseziele nach eigenen Nachhaltigkeitskriterien ausgewählt werden.
Beispiele für Öko-Reiseportale:
Fairweg.de ist eine Plattform zur Suche von ökologischen Unterkünften. Berücksichtigt werden Nachhaltigkeits-Labels, die Bewertung der Gäste und ein eigenes Nachhaltigkeits-Rating, das von Ökostom über Abfallvermeidung bis hin zu Bio-Lebensmitteln reicht.
Die englischsprachige Plattform Bookdifferent.com listet eine Auswahl an Unterkünften von Booking.com, die nachhaltig operieren. Bookdifferent gibt zudem den CO2-Fussabdruck jeder Unterkunft ab.
Ecobnb.com funktioniert wie AirBnB: Jeder kann Wohnungen, Zimmer oder Häuser anbieten, sie müssen allerdings Nachhaltigkeitskriterien erfüllen.
Im "forum anders reisen" haben sich Reiseveranstalter:innen zusammengetan, um Pauschalangebote von Wanderurlauben über Whale Watching bis hin zu Yoga-Retreats zu vermitteln.
Familienfreundlich und nachhaltig gebucht werden kann bei renatour.de. Die Reiseziele befinden sich ausschließlich in Europa, so können Flugreisen vermieden werden.
Ausschließlich im Süden und Westen Afrikas befinden sich die Reiseziele, die fairtradetourism.org anbietet. Das Non-Profit-Unternehmen ist spezialisiert auf Angebote, die eine faire und sichere Entlohnung sicherstellen, die Schonung der Ressourcen vor Ort und Transparenz garantieren.