2025 dirigiert Riccardo Muti zum siebenten Mal das Neujahrskonzert - seit mehr als 50 Jahren steht er bei den Wiener Philharmonikern am Pult. Derzeit verbucht er mit Chicago Symphony Triumphe in ganz Europa. Mit News sprach er über Frauen am Pult, die Gefahren politischer Korrektheit, seinen Freund Gérard Depardieu und seine Zukunft in der Oper.
von
Stehende Ovationen. Jubelstürme, die nicht enden wollen: Riccardo Muti war 2024 wieder in Wien. An zwei Abenden gastierte er mit seinem Chicago Symphony Orchestra im Goldenen Saal. Das übertönt jedes Geraunze nach Quotenfrauen am Pult, das wie eine Art pawlowscher Reflex einsetzte, als die Wiener Philharmoniker den Dirigenten des nächsten Neujahrskonzerts bekannt gegeben hatten.
Von 2010 bis 2023 stand Muti Chicago Symphony, einem der bedeutendsten Orchester der USA, als Chefdirigent vor. Mit dem Ehrentitel "Musikdirektor emeritus auf Lebenszeit" hat ihn das Orchester an sich gebunden. Das Jahr 2024 beginnt man mit einer knapp drei Wochen langen Tournee durch Europa, die in elf Städte führt.
Den Wiener Philharmonikern bleibt Muti auch nach mehr als 50 Jahren Zusammenarbeit verbunden: Das Orchester ehrt ihn mit dem schon siebten Dirigat des Neujahrskonzerts am 1. Jänner 2025.
Im Mai 2024 leitet er die Jubiläumsaufführung von Beethovens "Neunter", die 1824 zur Uraufführung gelangte.
Beste Ausblicke, die sich am Ende des Gesprächs noch steigern, vor allem, wenn die Oper in den Fokus rückt.
Maestro, Sie dirigieren Ihr siebtes Neujahrskonzert. Was bedeutet Ihnen das?
Eine große Ehre. Nicht nur, weil es das siebte Mal für mich ist, das ist ein besonderes Konzert, denn damit beginnt das Strauß-Jahr. Vor 200 Jahren wurde Johann Strauß geboren!
Werden Sie da ausschließlich Werke von Strauß dirigieren?
Wir haben das Programm noch nicht fixiert. Es wird vielfältig sein, aber es wird einen Strauß-Schwerpunkt geben. Auch mit "neuen" Stücken, das heißt Werken, die nicht im herkömmlichen Repertoire sind. Wir sind dabei, Stücke auszuwählen, die zu diesem bedeutenden Jubiläum passen.
Zur Person:
Riccardo Muti wurde am 28. Juli 1941 in Neapel geboren. Als 28-Jähriger übernahm er das renommierte Festival Maggio Musicale in Florenz. 1971 holte ihn Herbert von Karajan zu den Salzburger Festspielen. Von 1986 bis 2005 war er Musikdirektor an der Mailänder Scala. Von 2010 bis 2023 war er Chefdirigent des Chicago Symphony Orchestra. Seit 2024 leitet er das Orchester als Musikdirektor emeritus auf Lebenszeit. Seit mehr als 50 Jahren gastiert er regelmäßig bei den Wiener Philharmonikern. Mit seiner Frau Cristina Mazzavillani lebt Muti in Ravenna. Das Paar hat drei erwachsene Kinder.
Haben Sie von den Diskussionen über eine Dirigentin beim Neujahrskonzert gehört?
Für mich gibt es keinen Unterschied, ob eine Frau oder ein Mann dirigiert. Diese Frage kommt doch heute ständig auf. Warum schon wieder ein Mann und nicht eine Frau? Es gibt fähige Männer, die dirigieren, und fähige Frauen, die dirigieren, und es gibt Männer, die nicht gut dirigieren und auch Frauen. Es kommt nicht drauf an, ob ein Mann oder eine Frau am Pult steht. Wir müssen auf die Qualität achten, die Autorität, die Ausbildung, die Kultur, das ist wichtig, und nicht darüber zu diskutieren, ob ein Mann oder eine Frau etwas macht. Ich bin das, was man im Englischen "open-minded" nennt. Bei meinem Orchester, dem Chicago Symphony Orchestra, sind sehr oft Frauen Composers in Residence. Wir haben sehr viele Frauen im Orchester. Selbstverständlich dirigieren auch Frauen bei uns. Aber nicht genug damit. In einem unserer Programme dirigiere ich die dritte Symphonie von Florence Price. Das ist nicht nur eine schöne Symphonie, ich will auch beweisen, dass am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch farbige Frauen wie Florence Price eine Chance gehabt haben. Sie hat Karriere gemacht, sie hat am Konservatorium studiert. Die Probleme sind erst später gekommen. Man wollte offensichtlich ihre Musik vergessen. Heute sind ihre Werke wieder auf den Spielplänen. Ich nehme sie sogar auf Tournee, um zu beweisen, dass farbige Frauen zur Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ihren Weg gemacht haben und auch Erfolg haben konnten. Wir haben sie auf Tournee aufgeführt und spielen sie jetzt auch in Luxemburg, in einem Konzert mit Prokofjew. Zwei Stücke aus absolut verschiedenen Welten, die in einem Abstand von nur wenigen Jahren geschrieben worden sind. Die Symphonie von Price entstand 1938, Prokofjews Fünfte entstand Mitte der 1940er-Jahre. Und beide Symphonien sind sehr interessant.
Angeblich haben Musikwissenschafterinnen den Philharmonikern schon angeboten, Walzer von Komponistinnen für das Neujahrskonzert zu suchen. Könnten Sie sich vorstellen, einen Walzer von einer Komponistin aufzuführen?
Ich habe doch selbst das Tor für Frauen geöffnet, im Orchester und für Komponistinnen. Aber dieses 50 zu 50 ist doch nicht richtig. Warum war denn Beethoven keine Frau, Mozart, Bach? In Zukunft kann es einmal mehr bessere Frauen geben, dann wieder bessere Männer. Alles, was wir tun können, ist, der Qualität den Weg zu ebnen. Ich stelle keine Rechnungen an, wie viele Frauen, wie viele Männer, wie viele Farbige. Ich bin offen für alle, wie es in "Don Giovanni" heißt: "È aperto a tutti quanti! Viva la libertà!" Das heißt, ich öffne für alle die Türen. Es lebe die Freiheit! Das ist meine Botschaft.
Hier hat man den Eindruck, in den USA sei heute alles auf Diversität, auf politische Korrektheit ausgerichtet. In Hollywood dürfen nur Filme zum Oscar eingereicht werden, wo alle Menschengruppen vertreten sind.
Wie ich bereits gesagt habe, ich höre nicht auf solche Diskussionen. Für mich zählt ausschließlich die Qualität. Ich mache keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen und People of Colour. Ich begegne allen Menschen auf die gleiche Art und Weise. Dieses Beharren auf politischer Korrektheit ist für die Zukunft der Kunst gefährlich. Man verlangt Intelligenz, Feinfühligkeit und Respekt. Aber man muss sich ständig fragen: Was darf ich sagen, was darf ich tun, was ist richtig? Politische Korrektheit ist eine Art Diktatur geworden.
Man kann schon sagen, eine neue Art des Faschismus?
Offensichtlich eine neue Form von Diktatur. Deshalb dirigiere ich heute immer weniger Opern in einem Theater. Denn ich würde nie auch nur ein einziges Wort im Text ändern. Aber in den Theatern ändern sie heute ständig die Operntexte. Sie schreiben den "Maskenball" um, die "Zauberflöte".
Wie zum Beispiel die Regisseurin Lydia Steier in Salzburg, die aus dem Mohren Monostatos einen Kohlenhändler machte.
Und den Text von "Othello", von "Rigoletto", denn darin kommen Sätze vor, die heute nicht als politisch korrekt akzeptiert werden. Aber ich halte es für ganz wichtig, das zu betonen: Wir dürfen an den Opernlibretti nichts ändern, denn die jungen Leute müssen genau wissen, was die Fehler der Vergangenheit waren. Wenn wir jetzt die Vergangenheit auslöschen, vermitteln wir den Eindruck, dass alles gut und richtig war, und die jungen Generationen werden nie verstehen, was sie richtig machen und was sie korrigieren müssen. Wir dürfen die Vergangenheit nicht auslöschen, denn dann wissen wir nicht, was wir nicht wiederholen dürfen.
Auch interessant:
Wenn wir schon über das Auslöschen, das man heute "Canceln" nennt, sprechen: Schon kurz nach dem Ausbruch von Russlands Krieg gegen die Ukraine gab es eine starke Tendenz, russische Kunst von Spielplänen zu streichen. Künstler, die sich nicht deutlich gegen Putin ausgesprochen haben, werden nicht mehr engagiert.
Das ist alles falsch. Die Kunst steht über allem. Wir müssten dann auch die Gemälde von Caravaggio aus den Museen entfernen. Der war ein Gewalttäter. Er hat sogar Morde begangen. Aber der Künstler ist das eine und der Mensch das andere. Das ist auch einer der Gründe, warum ich bei meinem Verdi-Galakonzert in Ravenna vor ein paar Wochen, wo ich viele Sänger eingeladen habe, auch Ildar Abdrazakov auftreten habe lasse. Wie Sie wissen, ist er Russe, und einige Häuser in Europa wollen ihn nicht mehr, weil sie ihm vorwerfen, dass er Putin nahestehe. Mich interessiert sein Privatleben nicht. Ich kenne ihn seit vielen Jahren, als ich noch an der Mailänder Scala war, und habe ihn eingeladen. Er hat in Ravenna gesungen und hatte großen Erfolg. Genauso haben wir auch 60 Künstler aus dem Chor der Oper in Kiew eingeladen. Sie haben mit mir in Piacenza gesungen. Wir haben die Türen für die Ukrainer und für russische Sänger geöffnet.
So könnte man Frieden vermitteln.
Gewiss. Die Musik kann in diesem Sinn sehr viel beitragen. Aber wenn ein Musiker sagt: "Ich singe nicht mit dir, ich dirigiere nicht, wenn du spielst, weil ich weiß, dass du ein Russe bist, weil du Amerikaner bist", oder weil einer Türke oder was auch immer ist - da werden die Gräben immer größer. Die Musik basiert auf einem Wort, das ist Harmonie. Und das bedeutet Schönheit, Sinfonia. Im Sinne des griechischen Worts "sinfonos". Das wiederum heißt zusammen klingen. Man sucht einen Weg, den man miteinander gehen kann. Und was bedeutet dieses Miteinander? Nicht, dass wir alle das Gleiche sagen, sondern dass wir nicht diskutieren sollen. Wir müssen diskutieren. Wir müssen sprechen. Wir müssen verschiedene Ansichten haben können. Aber dann müssen wir zu einem Endergebnis kommen, das für alle gut ist.
Würden Sie auch Anna Netrebko einladen? Sie haben mit ihr in der Oper in Rom gearbeitet.
Auch in Salzburg. Über Anna Netrebko wage ich kein Urteil, ich habe mit ihr nur in der Oper gearbeitet und darüber hinaus keinen Kontakt. Aber ich habe ja auch keine Oper mehr dirigiert. Mit Abdrazakov ist das etwas anderes. Er hat bei mir an der Scala begonnen, als er noch ganz jung war. Er war für mich wie ein musikalischer Sohn. Ich kenne ihn als einen Menschen, der Frieden will. Aber, wie gesagt, ich dirigiere ja keine Opern mehr.
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober sind wir mit einem weiteren Krisenherd konfrontiert: Sie waren mit Ihrem Jugendorchester doch schon in diesen Gegenden auf einer Art Friedensmission, ich meine Ihre "Vie dell'Amicizia", die "Wege der Freundschaft". Wie sehen Sie diese Situation?
Ich habe ein Freundschaftskonzert in Tel Aviv gegeben, bin in den vergangenen Jahren immer wieder nach Israel zurückgekehrt und habe auch in muslimischen Ländern immer wieder Konzerte gegeben. Ich war im Libanon, in Tunesien, in der Türkei, in Marokko, in Armenien, in verschiedenen Ländern mit ganz unterschiedlichen Kulturen und Religionen. Ich habe damit gezeigt, dass man mit Musik überall dieselbe Botschaft vermitteln kann. Für mich ist das wieder der Beweis, dass Musik überall hingehen und dieselbe Botschaft vermitteln muss, egal, ob wir Christen, Juden oder Moslems sind. Die Musik hat immer gesiegt. Jetzt muss ich Ihnen etwas erzählen: Arturo Toscanini dirigierte 1936 in Israel das erste Konzert mit dem dortigen Orchester. Ich wurde dann zum Jubiläum 80 Jahre Israel Philharmonic eingeladen und sollte genau dasselbe Programm dirigieren wie Toscanini damals. Als ich mir das Programm angesehen habe, sah ich, dass dasselbe Orchester sich damals Palestine Symphony Orchestra nannte. Jahre später wurde daraus das Israel Philharmonic Orchestra.
Das kann man sich heute nur schwer vorstellen.
Aber zur Zeit des ersten Sinfoniekonzerts war es das Orchester von Palästina. Ich bin kein Politiker, aber ich denke, es wäre richtig, zwei Staaten zu haben, Palästina und Israel. Das hat nichts mit dem Terrorismus zu tun. Terrorismus ist etwas anderes, aber alle haben das Recht auf ein eigenes Heimatland. Alle zivilisierten Länder, das heißt die demokratischen Länder, werden zusammenarbeiten müssen, um sicherzustellen, dass in diesem Land wirklich Frieden herrscht, sonst wird sich die Welt wirklich selbst zerstören.
Aber was machen wir jetzt mit diesem immer stärker werdenden Antisemitismus? Sogar an den Universitäten in Österreich und in Deutschland solidarisieren sich Studenten mit Palästinensern und attackieren ihre jüdischen Kollegen. Das war an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien der Fall, und in den ersten Tagen nach dem Terrorangriff hat die jüdische Gemeinde ihren Mitgliedern geraten, israelische Fahnen nicht offen zur Gedenkveranstaltung für die Opfer des Anschlags zu tragen.
Alles hängt von der internationalen Politik ab. Natürlich kämpft Israel für seine Freiheit, es kämpft für seinen Frieden und für sein Land. Und auch Palästina kämpft für seine Freiheit, für sein Land, für seinen Frieden. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, zu sagen, ich bin für die und gegen die anderen. Es ist absolut notwendig, Sympathien und Antipathien, Liebe und Hass beiseitezulassen und, wie Verdi in "Simone Boccanegra" sagt: "E vo gridando pace, e vo gridando amor! Ich verkünde euch Frieden, ich verkünde euch Liebe!" Das ist die Regel für die Zukunft. Wenn wir auf dem jetzigen Weg weitermachen und immer wieder sagen, was korrekt ist und was nicht oder dass wir ein Volk lieben und das andere ablehnen, und weil ich eines ablehne, muss ich seine Kunst und seine Künstler abschaffen. Das sind alles Formen von Faschismus. Stattdessen müssen wir im Namen der Musik Frieden für alle schaffen. Beethoven war derjenige, der das in seiner neunten Symphonie unterstrichen hat, als er "Alle Menschen werden Brüder" vertont hat.
Sie führen die "Neunte" im Mai im Musikverein mit den Wiener Philharmonikern auf. Zum 200. Jahr des Bestehens dieser traditionsschweren Symphonie.
Die nächste große Ehre für mich. Hoffen wir, dass dieses Konzert eine Botschaft des Friedens für die Welt sein wird.
Der letzte Satz von Beethovens "Neunter", die Vertonung von Schillers "Ode an die Freude", wurde zur Hymne Europas ernannt. War das richtig?
Ich weiß nicht, ob es richtig oder falsch ist. Hymne für die ganze Welt wäre besser. Ich habe zur Spielzeiteröffnung am 7. Dezember 1999 in der Mailänder Scala "Fidelio" dirigiert. Wir standen kurz vor dem Jahr 2000. Normalerweise ist es üblich, dass man am 7. Dezember zur Eröffnung der Spielzeit die italienische Nationalhymne spielt. Denn da kommt auch der Präsident. Aber dieses eine Mal habe ich sie nicht gespielt, denn " Fidelio" ist ein Symbol für die Freiheit auf der ganzen Welt, "Fidelio" die Freiheitsoper für die ganze Welt und Beethovens Symphonie die Hymne der Freiheit. Das hat auch der Präsident verstanden.
Würde das auch Giorgia Meloni verstehen?
Ich hoffe es.
Was halten Sie davon, dass nur noch Italiener Direktoren großer Kulturinstitutionen werden dürfen?
Ich möchte nicht so ausführlich über Politik sprechen. Aber da geht es um Kulturinstitutionen, die von Menschen geleitet werden müssen, die nicht nur Kunst lieben, sondern auch die Kultur des Landes verstehen. Ich selbst dirigiere seit 54 Jahren die Wiener Philharmoniker, ich bin Musikdirektor des Chicago Symphony Orchestra, ich war Chef in London und in Philadelphia. Ich bin nicht für eine fixe Regelung, dass nur Italiener etwas leiten sollen. Es geht darum, dass jemand, der eine Institution leitet, die Kultur des Landes, in dem er arbeiten will, von Grund auf kennt. Es reicht zum Beispiel nicht, wenn der Leiter des Museums Capodimonte in Neapel, eines der bedeutendsten neapolitanischen Museen, Italienisch spricht. Er muss die Geschichte kennen und verstehen, er muss die Kultur dieses Landes verstehen. Er muss eine große Liebe für Neapel mitbringen. Wenn wir italienisches Theater wollen, brauchen wir jemanden, der weiß, wer wir sind, jemanden, der unsere Kultur genau kennt. Wenn es nun diese richtige Person in einem anderen Land gibt, die genau weiß, wer wir sind, und unsere Kultur kennt, warum soll dann nicht jemand aus einem anderen Land ein Opernhaus leiten?
Lassen Sie uns das Gespräch über politische Korrektheit und das Abschaffen von Künstlern fortsetzen. Haben Sie verfolgt, wie man in Frankreich mit Gérard Depardieu umgeht? Er soll sogar aus der Ehrenlegion ausgeschlossen werden, weil ihn zwei Kolleginnen wegen angeblicher Übergriffe verklagen. So etwas wie Unschuldsvermutung gibt es offensichtlich nicht. Zu mir war er immer sehr höflich bei unseren Interviews. Sie haben mit ihn doch auch schon gearbeitet. Wie war das?
Er ist ein Gentleman und ein Freund. Ich respektiere ihn als einen der größten Schauspieler. Er hat sich auch gegenüber anderen Schauspielerinnen immer sehr gut benommen. Mir missfällt diese Geschichte jetzt sehr, denn Gérard Depardieu ist eine große französische Stimme. Wenn er nicht mehr auftreten kann, wäre das ein großer Verlust. Ich erwarte schon mit großer Sorge und Interesse, was die Richter am Ende sagen werden.
In einem unserer Interviews in Salzburg vor ein paar Jahren sagten Sie, dass Sie keine Oper mehr dirigieren wollen. Bleiben Sie dabei oder kann es sein, dass Sie Ihre Meinung ändern und als Operndirigent an die Wiener Staatsoper oder zu den Salzburger Festspielen zurückkehren?
Das kann ich nicht sagen. Es gibt zwei Kriterien, die eine Rolle spielen. Die Zeit, denn man braucht viel Zeit für eine Neuproduktion, und dass man einen intelligenten Regisseur findet. Einen, der modern ist, aber kein Provokateur, und keinen, der gegen die Musik arbeitet. Er muss auch verstehen, wie ich arbeite und wie ich musiziere. Ich habe mit Regisseuren wie Giorgio Strehler, Peter Stein, Luca Ronconi zusammengearbeitet und will nicht mehr streiten. Aber unter diesem Aspekt gibt es eine Möglichkeit. Wie Sie wissen, dirigiere ich jetzt in Turin im Februar Verdis "Maskenball". Den Regisseur Andrea Rosa habe ich selbst ausgewählt. Er ist nicht konservativ und arbeitet auch nicht gegen die Musik.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 4/2024.