News Logo
ABO

Martin Thür: ZIB 2-Moderator, Excel-Experte und Aufdecker des SPÖ-Wahl-Chaos

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
14 min
Martin Thür

Martin Thür

©ORF/Thomas Ramstorfer
  1. home
  2. Aktuell
  3. Menschen

Martin Thür ist nicht nur Journalist und Moderator der "ZiB2", er ist auch ein Politik-Junkie durch und durch. Jedes Thema führt unweigerlich ins Politische - sei es Arbeit, Freizeit oder Familienplanung. Der ORF-Mann deckte zuletzt sogar auf, dass in Wahrheit nicht Hans Peter Doskozil, sondern Andreas Babler die Wahl zum SPÖ-Chef gewonnen hat. Ein Porträt.

Steckbrief Martin Thür

  • Name: Martin Thür

  • Geboren: Am 25. Juli 1982 in St. Pölten

  • Beruf: Journalist und Moderator der "ZiB2" im ORF, davor ATV

  • Ausbildung: Studium der Publizistik- und Theaterwissenschaft, Masterstudium der Politischen Kommunikation an der Donau-Universität Krems

  • Familienstand: liiert mit Lebensgefährtin

  • Kinder: keine

Seit 2019 ist Martin Thür eines der drei Gesichter der "ZiB2". Der "Neue" ist er längst nicht mehr, er gehört zum Nachrichten-Flaggschiff des ORF wie sein Kollege Armin Wolf. Was hat sich im Leben des gebürtigen Niederösterreichers seit seinem vielbeachteten Wechsel nach 15 Jahren beim Privatsender ATV verändert? "Davor hatte man immer Zukunftssorgen, weil man nie wusste, ob die Sendung bald noch existiert. Hier gibt es Stabilität", erzählt der Moderator im Gespräch mit News.at. Und natürlich werde er jetzt öfter erkannt. "Ich gebe zu, in Badeschlapfen und Jogginghosen gehe ich mittlerweile seltener raus", schmunzelt Thür, auch wenn die Begegnungen "zu 100 Prozent positiv" seien. Viele Menschen würden sich auch bedanken, was Thür trotz aller Freude "komisch" finde, "weil ich mache nur meinen Job und will das gar nicht so aufladen". Gedankt werde ihm vor allem in innenpolitisch turbulenten Zeiten wie der Regierungskrise im Herbst 2021, in deren Rahmen Thür ein durchaus einschneidendes Interview mit Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz führte.

Blurred image background

So kennt man Martin Thür in der Regel: Im "ZiB2"-Studio

© ORF/Thomas Ramstorfer

Martin Thür und das Kurz-Interview

Einschneidend für beide Seiten. Normalerweise, erzählt Thür, werden vor dem Einstieg in das Live-Interview stets ein paar Floskeln zwischen Moderator und Studiogast gewechselt. Bei diesem Interview fokussierten sich beide Seiten ausschließlich auf das kommende Gespräch. "Es war klar, das ist ein 'Make or break'-Interview für mich, das muss sitzen", so Thür über die Dimension. Er erntete viel Lob und ist auch selbst sichtlich stolz darauf.

Ich habe den Fokus des Interviews auf mich gezogen, das sollte nicht sein

Missglücktes Interview und das Unterbrechen

Anders verlief etwa ein Gespräch mit Pamela Rendi-Wagner im Jahr 2019. Thür konfrontierte die nunmehrige Ex-SPÖ-Chefin damals mit einem geheimen Ton-Mitschnitt aus der Parteizentrale und entfachte damit eine Debatte darüber, ob dies rechtlich erlaubt sei. "Ich hätte es einfach vorlesen können, das war ungeschickt von mir, damit habe ich den Fokus des Interviews auf mich gezogen. Das sollte nicht sein", gibt er sich selbstkritisch. Ein anderes Thema, das immer wieder eine Gratwanderung darstelle, sei das Unterbrechen. Wann und wie oft ein Studiogast unterbrochen wird, darüber scheiden sich so gut wie immer die Meinungen der ModeratorInnen und des Publikums. Ein Richtig scheint es nicht zu geben, für Thür ein "nicht auflösbares Dilemma".

Umgang mit Kritik

Natürlich müsse man sich aber Kritik, sofern berechtigt, stellen: "Auch wir sind nicht immer sakrosankt und machen alles immer großartig. Gerade die jüngste Zeit hat gezeigt, dass auch der Journalismus sich Kritik stellen, sich selbständig hinterfragen und ehrlich damit umgehen muss, dass auch wir Fehler machen, die es zu bearbeiten gilt."

Martin Thürs Karriere

Masterstudium der Politischen Kommunikation an der Donau-Universität Krems

Ab 2000

Mitarbeit beim Regional-Fernsehen P3tv in St. Pölten

2002-2017

ATV (u.a. Klartext)

2017

Wechsel zu Addendum

seit 2019

Moderator "ZiB2" im ORF

"Wir", das sind neben Thür in der "ZiB2" auch Margit Laufer (derzeit in Karenz und von Marie-Claire Zimmermann vertreten) und Armin Wolf. Was zeichnet eine Sendung mit Martin Thür aus? "Ich stelle sicher keine Vergleiche an und kann nur über mein Credo sprechen: Ich versuche, die Fragen grundsätzlich so zu formulieren, dass ich die Antwort spannend finde, weil ich glaube, dann gibt es auch genügend Zuseher:innen, die sie spannend finden. Das ist, ganz grob gesagt, mein Zugang."

Blurred image background

Martin Thür im "ZiB2"-Studio. Seit 2019 ist er mit an Bord.

© ORF/Thomas Ramstorfer

Martin Thürs Stärken und Schwachpunkte

Inhaltlich spannend findet Thür "alles, was mit Parlamentarismus, mit politischer Struktur zu tun hat", dennoch sei auch er ein "Allesfresser", denn welches Thema tagesaktuell aufpoppt, ist natürlich unvorhersehbar. Ein Schwachpunkt? "Bildungspolitik ist sicher nicht mein stärkstes Feld … oder die französische Gotik" erinnert er sich lachend an ein Gespräch mit einer Kunsthistorikerin anlässlich des Notre-Dame-Brands, in dem es ein paar Minuten zu überbrücken galt.

Journalistische Anfänge und Engagement

Die Politik war es ebenfalls, die Thür einst zum Journalismus brachte, wie der Moderator 2019 dem Magazin „MFG“ erzählte. Das drohende Scheitern eines Programmkinos in seiner Heimatstadt St. Pölten aufgrund politischen Hickhacks habe den Film-Liebhaber zu einem erbosten Leserbrief veranlasst, der in weiterer Folge zu einer Auseinandersetzung mit dem Kulturstadtrat führte. Damals war Thür 18 Jahre alt. Der Drang, etwas zu bewegen oder mehr noch eine Diskussion anzuregen und etwas aufzuklären ist auch heute noch da. So kämpft sich Thür derzeit etwa mit der Frage, an wen 40 Milliarden Euro an staatlichen Corona-Förderungen ausbezahlt wurden und ob SteuerzahlerInnen das Recht haben, dies zu erfahren, durch sämtliche Instanzen.

Blurred image background

Schule und Uni liefen bei Martin Thür so "nebenbei"

© ORF/Thomas Ramstorfer

Martin Thür: Schule? Nebenbei

Als politisches Engagement will er diese Aufklärungsarbeit aber nicht verstanden wissen. Das Bedürfnis, sich politisch zu engagieren, habe er nie gehabt, vielmehr das Interesse an Politik. Schon als Schüler habe er viel mit gleichgesinnten Freunden debattiert und "oft mehr Zeitung gelesen als dem Unterricht gelauscht", schmunzelt er heute. Überhaupt sei die Schule aufgrund vieler anderer Interessen eher nebenher gelaufen. Wie später auch das Studium, das oftmals von bis zu vier gleichzeitig ausgeübten Nebenjobs in den Hintergrund gedrängt wurde.

Das Elternhaus des ZiB2-Moderators

Die Erkenntnis, dass man im Leben "nichts geschenkt bekommt" und sich alles selbst erarbeiten muss, kam früh. Die Eltern waren jung, als er und und seine Schwester geboren wurden, und sie arbeiteten viel. Selbständigkeit und Eigenständigkeit wurden im Hause Thür großgeschrieben. So wie auch Politik: "Es war ein extrem politischer Haushalt, wir haben viel diskutiert, sogar zu Weihnachten. Aber nicht parteipolitisch, niemand stand einer Partei unkritisch gegenüber."

Politische Gesinnung? Das ist ganz ein weirdes Konzept für mich

Martin Thürs politische Gesinnung

Letzteres muss sich Thür heute oft vorwerfen lassen. Ob "Regierungsfunk", "Oppositionsfunk" oder sonstiges, "mir wurde schon jede politische Gesinnung zugeschrieben", sagt er. Vorwürfe, die er als absurd bezeichnet, da er stets einen kritisch beobachtenden Standpunkt einnehme und ihm überhaupt das gesamte Konzept der politischen Gesinnung fremd sei: "Das ist ganz ein weirdes Konzept für mich." Doch gerade das sei wohl für manche schwer zu verstehen, "also dass es Menschen gibt, die nicht, egal was eine Partei tut, immer die Meinung dieser Partei haben."

Martin Thür und seine skurrilen Polit-Hobbys

Man merkt rasch: Über Politik in allen Facetten könnte (man mit) Martin Thür Stunden sprechen. Alles ist politisch, jedes Thema bahnt sich seinen Weg dahin. So richtig abschalten kann - und will - der "Polit-Junkie" aber ohnehin nicht: "Mich tagtäglich und auch im Urlaub mit Politik zu beschäftigen ist keine Belastung." Und so vermisst Thür in seiner Freizeit auch noch - freiwillig - das politische Land in Form von Excel-Listen. In "ein paar hundert" Tabellen hat er alle möglichen Daten zu Wahlen, Regierungen und Co. gesammelt. Die skurrilste Liste? Eine kurze Recherche am Handy ergibt: "Die durchschnittliche Anzahl der Angelobungen pro Bundespräsident" (Es ist überraschenderweise nicht Alexander Van der Bellen, sondern Theodor Körner aufgrund dessen kurzer Amtszeit.)Doch warum legt man derartige Listen an? Er suche ungern Dinge, so Thür. Da das Suchen (von Information) auch einen Großteil seines Jobs darstelle, seien die Listen immer wieder nützlich - und entstanden einst auch in diesem Kontext.

Wenn man Nerd positiv definiert als jemand, der sich gern und intensiv mit einem Thema beschäftigt, dann bin ich gern ein Nerd

Eine dieser Tabellen listet zugleich eine weitere skurrile Leidenschaft Thürs auf: das Sammeln bizarrer Wahlgeschenke. So befinden sich etwa eine Haube mit "Erwin-Pröll-Haarkranz", Vranitzky-Tennisbälle, diverse FPÖ-Bären oder Kondome aller Parteien nicht nur in seinem Besitz, sondern auch - inklusive Foto und Inventarnummer, versteht sich - in einer Excel-Liste. Immer wieder erhält Thür Anfragen von Menschen, die hier etwas suchen. "Ich bin da so was wie der Ansprechpartner", lacht er. Ist man mit solchen Hobbys und einer derartigen Politik-Obsession eigentlich schon ein Nerd? "Wenn man Nerd positiv definiert als jemand, der sich gern und intensiv mit einem Thema beschäftigt, dann bin ich gern ein Nerd", so Thür.

Blurred image background

Martin Thür zeigt eines seiner skurrilsten Wahlgeschenke: die Haube mit "Erwin-Pröll-Haarkranz"

© Martin Thür

Martin Thür, Excel und die SPÖ-Wahl

Das bereits erwähnte Faible für Excel-Tabellen stellte Martin Thür Anfang Juni 2023 einmal mehr und eindrücklich wie nie unter Beweis. Dem ORF-Journalisten ließ eine fehlende Stimme bei der Wahl zum SPÖ-Chef keine Ruhe, wie er auch via Twitter kundtat. Schon da meinte Lou Lorenz-Dittelbacher: "Wehe, dass das Deinetwegen jetzt alles noch einmal von vorne anfängt!".

Was am 4. Juni 2023 noch niemand wusste: Nicht nur eine Stimme war abhanden gekommen, das ganze Wahl-Ergebnis wurde falsch in eine Excel-Liste eingetragen. Dank Martin Thürs Beharrlichkeit zählte die Wahlkommission unter der Vorsitzenden Michaela Grubesa noch einmal nach und kam zum Schluss, dass nicht Hans Peter Doskozil, sondern Andreas Babler die Wahl zum neuen SPÖ-Chef gewonnen hat.

Vor allem auf Twitter wird Martin Thür seither gefeiert. Für viele Kolleg:innen steht jetzt schon fest: Der Moderator muss "Journalist des Jahres" 2023 werden. Auch, weil es nicht sein erster Coup als Aufdecker war. Unter anderem recherchierte Thür auch, dass Sophie Karmasin nach ihrer Zeit als Familienministerin eine Entgeltfortzahlung erhielt, obwohl sie bereits andere Einkünfte hatte. Nach der "ZiB2"-Anfrage zahlte Karmasin das Geld zurück.

Martin Thürs Freundin? Privates bleibt privat

Martin Thür, der Politik-Nerd und "Hans Dampf in allen Gassen" (so glaubt Thür, würde seine große Schwester ihn beschreiben), der außer beim Joggen so gut wie nie abschaltet. Bleibt da Zeit für ein Privatleben? "Ich hab das Glück, dass meine Freundin ebenfalls Journalistin ist und dadurch diesen Knacks versteht", schmunzelt er.

Ich hab das Glück, dass meine Freundin ebenfalls Journalistin ist und dadurch diesen Knacks versteht

"Freundin" ist übrigens auch der dritte Vorschlag, den Google zu "Martin Thür" liefert. Doch Privates bleibt privat, so auch die Lebensgefährtin, da bleibt der Moderator, auch wenn er eine gewisse Neugier nachvollziehen kann, vorsichtig. "Ich würde keine Homestorys machen oder, falls wir ein Kind bekommen würden, niemals Kinderfotos teilen."

"Familie und Kinder" sind passenderweise die nächsten Google-Vorschläge. Thür ist immerhin schon über 40 - und weiß natürlich sofort, worauf die nächste Frage abzielt: "Die Vereinbarkeit ist immer ein Problem und das ist auch mit ein Grund, warum wir noch kein Kind haben. Da geht es uns wie allen in unserem Alter. Bislang haben wir noch keine Lösung gefunden, schauen wir mal."

Blurred image background

Thür ist liiert, aber alles andere bleibt privat

© ORF/Thomas Ramstorfer

Wie geht es für Martin Thür weiter?

Derweil also weiterhin Politik und Beruf - und hier ist Thür auf jeden Fall angekommen: "Ich bin da, wo ich immer hinwollte. Ich habe den tollsten Job der Welt." Keine weiteren Ziele? "Doch, ganz viele Ziele: Reiseziele!" Es gibt sie also doch, die Leidenschaft abseits des Politischen.

Moderator:innen

Über die Autoren

Logo
Monatsabo ab 15€
Ähnliche Artikel
Kristina Inhof
Menschen
Kristina Inhof: Sportliche und unterhaltsame ORF-Moderatorin [Porträt]
Christian Mucha
Menschen
Christian Mucha: "Ich habe sie alle hinrichten lassen"
Birgit Fenderl
Menschen
Birgit Fenderl: Von der ZiB-Lady zur Royals-Expertin [Porträt]
Oliver Polzer
Menschen
Oliver Polzer: Ski- und Fußball-Kommentator mit Schmäh
Helge Payer
Menschen
Helge Payer: Vom Fußball-Torwart zum ORF-Experten
Hans Meiser
Menschen
Hans Meiser: Der Erfinder des Nachmittags-Talks ist tot - ein Porträt
Oprah Winfrey
Menschen
Oprah Winfrey: Talkshow-Moderatorin, Schauspielerin, Unternehmerin [Porträt]
Christine Reiler: Von der Miss Austria zur Ärztin und ORF-Moderatorin
Menschen
Christine Reiler: Von der Miss Austria zur Ärztin und ORF-Moderatorin
Lou Lorenz-Dittlbacher: Die Chefin von ORF III
Menschen
Lou Lorenz-Dittlbacher: Die ORF-III-Chefredakteurin im Porträt
Peter Resetarits
Menschen
Peter Resetarits: Immer am Schauplatz als ORF-Bürgeranwalt
Eva Pölzl
Menschen
Eva Pölzl verbreitet bei "Guten Morgen Österreich" als ORF-Moderatorin gute Laune
Matthias Westhoff
Menschen
Matthias Westhoff, der "rasende Reporter" des ORF