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Felix Kammerer: Der Burgtheater-Star und Oscar-Gewinner

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Felix Kammerer
©Bild: Matt Observe
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Felix Kammerer ist ein Theaterkind aus prominentester Familie, das sich allein an die Spitze gearbeitet hat: Er ist Hauptdarsteller des Antikriegsfilms "Im Westen nichts Neues", der 2023 den Auslands-Oscar gewann, und Ensemblemitglied an der Wiener Burg. Nun muss er entscheiden, ob er dem Burgtheater erhalten bleibt oder die Weltkarriere vorzieht.

Steckbrief Felix Kammerer

  • Name: Felix Kammerer

  • Geboren am: 19. September 1995 in Wien

  • Sternzeichen: Jungfrau

  • Größe: 178 cm

  • Ausbildung: Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch (Berlin)

  • Beruf: Schauspieler, seit 2019 Ensemblemitglied des Wiener Burgtheaters

  • Eltern: Angelika Kirchschlager und Hans Peter Kammerer - beide Opernsänger

  • Familienstand und Kinder: unbekannt

  • Links:

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Daniel Brühl, Regisseur Edward Berger, Malte Grunert, Albrecht Schuch und Felix Kammerer akzeptieren den Oscar für den besten Auslandsfilm "Im Westen nichts Neues" 2023

 © Getty Images/Winter

Felix Kammerer am Burgtheater

Es ist kurz vor der Premiere am Akademietheater, als dieses Gespräch im September 2022 stattfindet. Zwei Stunden später werden die ersten Nachtkritiken im Netz stehen. Von denen wiederum, so wie von der noch wichtigeren Mundpropaganda, hängt das Schicksal der Aufführung ab: Verkauft sie sich, geht sie über längere Zeit ins Repertoire. Anderenfalls kümmert sie dort als Zombie, und auch das nur, wenn sich im Spielplan eine anderweitig nicht zu verspachtelnde Lücke öffnet.

So eine Premiere ist also ein fordernder Termin, und es gab schon Schauspieler, die sich nach der Generalprobe zwei Tage in der Klausur unsichtbar gemacht haben. Aber der junge Burgschauspieler Felix Kammerer sitzt am Premierentag um elf Uhr entspannt im Kaiserzimmer des Burgtheaters und erzählt von der schönen Arbeit, und dass Nervosität ihm tendenziell unbekannt, weil eine Frage des Typs, sei.

Abgesehen davon war Schnitzlers dunkle Tragikomödie "Das weite Land" schon ein paar Wochen vorher bei der koproduzierenden Ruhrtriennale in Bochum ein Erfolg. Also: "Ich weiß, was wir tun, es gibt keine Ungereimtheiten, und wir hatten schon drei Generalproben, zwei in Wien und eine in Bochum. Wir hatten genug Zeit, und es ist ein sehr, sehr guter Abend geworden. Es gibt folglich nichts, wovor man sich fürchten muss."

Felix Kammerer in Schnitzlers "Weites Land"

Die Prognosen bewahrheiten sich unverzüglich. Die Aufführung ist großartig, die Kritiken sind es gleichfalls.

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Der Weg führt aufwärts: Felix Kammerer, geboren am 19. September 1995 in Wien, auf der Feststiege des Burgtheaters

 © News/Matt Observe

Die Schweizerin Barbara Frey hat inszeniert. Schnitzlers Text aus dem Jahr 1910 ist wie gefriergetrocknet: hoch konzentriert, aber durch keinerlei Allotria und Dekonstruktionsgaudi entstellt, sondern in einem finsteren Raum festgefroren wie die handelnden Personen, Untote in den Sterbejahren der Monarchie. Der Marine-Fähnrich Otto Aigner, ein halbes Kind, durchrast da wie im Traum eine fiebrige Liebesgeschichte mit der Glühbirnenfabrikantengattin Genia Hofreiter. Deren Mann, ein radikaler Egoist, hat gegen die Affäre nicht einmal etwas einzuwenden, aber er erschießt den Buben am Ende doch im Duell, kann sein aus Langeweile.

Und wie da der junge, zu Beginn der Spielzeit 2019/20 ans Haus verpflichtete Burgschauspieler still auftrumpft! Solch ein fast kindliches Leuchten haben meist nur Anfänger, aber der hier ist ein erfahrener Profi, der schon als Teenager in Maresa Hörbigers privater Talenteschmiede auffiel, dann das Handwerk an der Ernst-Busch-Schule in Berlin erwarb, während des Studiums am Deutschen Theater und am Maxim-Gorki-Theater spielte, 2019 bei den Salzburger Festspielen debütierte und jetzt am Burgtheater sesshaft ist.

Felix Kammerer über den Österreicher-Bonus

Der Österreicher-Bonus zählt da gar nichts, denn Felix Kammerer ist hier neben Branko Samarovski der einzige Originalklang unter großartigen deutschen Burgschauspielern, unter ihnen Michael Maertens und Katharina Lorenz. Das hier, sagt Felix Kammerer, ist eine andere Art von Authentizität. "Ich habe noch nie erlebt, dass man an einem Text auf diese Art arbeiten, so viele unterschiedliche Untertexte aufmachen kann. Ich finde das brillant, gerade bei Schnitzler dem Text zu vertrauen, weil es ein fantastischer Text und ein fantastisches Stück ist. Diese urösterreichischen Autoren leiden alle unter der österreichischen Färbung", rückt er Schnitzler verdientermaßen in die Weltliteratur. "Hier sind die Gedanken so präzise, das Gebäude ist so perfekt gebaut, und bei Nestroy ist es für mein Gefühl genauso. Aber sie liegen immer unter dem Schleier des österreichischen Palavers. Wenn man sich darüber hinwegsetzt und schaut, worum es wirklich geht, sind die Texte so stark, dass sie sich auch ohne Idiom behaupten."

Wir sind für das klassische Theater ausgebildet. Das andere Tamtam, das mit den Videos, kommt mit dem Beruf

Felix Kammerers Eltern: Mutter und Vater Opernsänger

Die Rolle, so könnte man meinen, wäre auch im simpel biografischen Sinn die seine. Denn Otto Aigner ist ein Künstlerkind, so wie Felix Kammerer, Sohn der Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager, die von der Staatsoper an die Bühnen der Welt aufbrach, und des Baritons Hans Peter Kammerer.

Deshalb ist Felix, der Sohn, auch schon branchenweit seit der Vorschulzeit als beherztes, nicht auf den Mund gefallenes Kind bekannt. Aber man wird von den Eltern kein Wort über ihn hören, denn er hat sich das, was er heute ist, ohne jegliches Zutun aufgebaut (worauf schon die Ausbildung in Berlin verweist).

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Felix Kammerer mit seinen Eltern Angelika Kirchschlager und Hans Peter Kammerer am Opernball im Jahr 2014

 © imago images/SKATA

Kindheit

Aber er kann erzählen. "Wenn man in einem solchen Haushalt aufwächst, ist das auf der einen Seite eine riesige Aufgabe, weil man ständig mit Reisen und Organisation konfrontiert ist. Es ist immer etwas los, man muss das Privatleben hintanstellen. Aber auf der anderen Seite ist es ein Riesengeschenk. Man kommt mit vielen Leuten in Kontakt, lernt viel, sieht viel von der Welt und wird gut gebildet."

Die Mutter nahm ihn immer mit, er durchquerte die USA, Südamerika und Japan, von den europäischen Metropolen nicht zu reden. Kein Bedarf nach Beständigkeit, nach Freunden im Kindergarten? "Mir hat es gefallen." Mit dem Schuleintritt war es vorbei.

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Felix Kammerer (zweiter von rechts) im Oscar-Film "Im Westen nichts Neues"

 © IMAGO images/Everett Collection

Felix Kammerer im Oscar-Film "Im Westen nichts Neues"

Was auf Netflix zu sehen ist, ist von elterlicher Protektion so weit entfernt wie ein Skoda vom Nürburgring: Felix Kammerer ist nichts Geringeres als der Protagonist der Verfilmung des Romans "Im Westen nichts Neues". Die Nazis verbrannten das Werk des Pazifisten Erich Maria Remarque, weil es das Entsetzen an der Westfront im Ersten Weltkrieg mit der nämlichen Radikalität darstellt wie Karl Kraus die Bestialisierung des Hinterlandes in den "Letzten Tagen der Menschheit".

Felix Kammerer ist Paul Bäumer, der im Rausch des patriotischen Taumels an die Front zieht und dort nichts als Entsetzen und einen elenden Tod findet. "Um Gottes willen!", beantwortet er die Frage nach eigener Wehrdienstpraxis. Er hat den Zivildienst im "Haus Miriam" abgeleistet, einem Asyl für alleinstehende Frauen in akuter, auch seelischer Not. "Ich habe da Einblick in ganz andere Lebensrealitäten bekommen, die man als junger Mensch im schönen Wien nicht kennt." Und jetzt? Hat er sich vier Monate lang geschunden, einen Waffen- und einen Sprach-Coach für das Osnabrücker Idiom und einen Schauspiel-Coach für den Dreh bemüht. Während dieser Zeit lief er täglich zehn Kilometer mit der Bleiweste, um die Kondition für das Schlachtfeld aufzubauen, das auf den 120.000 Quadratmetern einer ehemaligen sowjetischen Luftbasis bei Prag nachgebaut wurde.

Das war dein erster Film, und du trugst uns alle auf deinen Schultern, als wäre es nichts. Ohne dich wäre niemand von uns hier

Felix Kammerer über Oscar und andere Preise

"Im Westen nichts Neues" gewann 2023 den Oscar für den besten internationalen Film. Regisseur Edward Berger sagte bei der Verleihung der Preise in Los Angeles über seinen Wiener Hauptdarsteller Felix Kammerer: "Das war dein erster Film, und du trugst uns alle auf deinen Schultern, als wäre es nichts. Ohne dich wäre niemand von uns hier."

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Regisseur Edward Berger und Felix Kammerer bei der Oscar-Verleihung: "Ohne dich wäre niemand von uns hier" würdigte Berger Kammerer

 © APA/AFP/Fallon

Was sagte Kammerer im Vorfeld zur Oscar-Nominierung? "Das ist unfassbar", brachte der Charismatiker sein Befinden in klingendstes Bühnendeutsch gegenüber News zum Ausdruck. "Ich krieg es gar nicht so richtig mit. Plötzlich bist du in einer Situation, wo die Preise nur so dahergeflogen kommen, da dreht sich einem das Gehirn um! Wahrhaben kann man das ja nicht. Letztendlich lasse ich alles an mir vorbeigleiten."

Das geht? "Ich merke es hauptsächlich durch die mediale Aufmerksamkeit. Aber was es bedeutet, wenn ein Film mit all diesen Preisen in solchen Kategorien nominiert ist, das kann man gar nicht richtig fassen, gerade wenn man die Erfahrung noch nicht hat. Das Beste ist, ganz ruhig zu bleiben, weiter seine Arbeit zu machen und sich nur zu freuen."

Ob er denn enttäuscht sei, nicht als Person nominiert zu sein, haben ihn Arglose schon gefragt. Keine Spur, erwidert er da glaubhaft. Zumal dieser Preis ja nur für die Hauptkategorie, nicht im Bereich des Auslands-Oscars, verliehen wird. "Für den allerersten Film mit dem Oscar für die beste Hauptrolle nominiert zu sein, das wäre zu weit gegriffen."

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Felix Kammerer über den Krieg

Kein Mensch dachte damals daran, dass der Krieg Realität werden könnte. "Ja, es ist beängstigend. Man beginnt sich schon wieder mit dem Krieg gedanklich zu arrangieren und steht doch noch unter Schock, weil man nicht dachte, dass so etwas überhaupt geht. Gerade in meiner Generation hatte ich mit Krieg keinerlei Berührungspunkt. Ich war gerade geboren, als Jugoslawien noch in der Luft schwang."

Hinsetzen, durchatmen, weitermachen. Aber bitte nicht wie vorher!

Was folgt, ist ein Bekenntnis zur Friedensbewegung, von der sich die Elterngeneration gerade auf Zehenspitzen davonmacht. "Es ist erschreckend, mit was für einer Radikalität sich das Weltklima auch in den Köpfen verändert, wenn man ständig mit Säbelrasseln und Ausnahmezuständen konfrontiert ist. Das ist unheimlich, und ich bin angespannt, wie sich das weiterentwickelt. Aber das", schwingt er sich zu einem Appell auf, der schöner nicht sein könnte, "ist wohl der Punkt, an dem man anfangen muss, erst recht für die Friedensbewegung zu sein. Wir drehen gerade alle durch. Also: hinsetzen, durchatmen, weitermachen. Aber bitte nicht wie vorher! Das ist die Position der Jugend, die in ihrer Naivität die Kriege der letzten 20 Jahre nicht mehr im Kopf hat. Mit dieser Naivität darf man hineingehen und sagen: Jetzt muss einfach Schluss sein!"

Kriegsrollen als Zufall

Während also die halbe Welt an Felix Kammerer interessiert ist, stemmt er mit nur drei Kollegen den Kosmos von Thomas Manns Jahrhundertroman "Der Zauberberg" am Burgtheater. Wie der unglückliche Schüler Paul Bäumer in Remarques Werk, so taumelt auch Thomas Manns Hans Castorp in die Hölle des Ersten Weltkriegs. Und das sei noch lang nicht alles, gibt Kammerer zu bedenken. Er ist für die schon abgedrehte Netflix-Serie "All the Light We Cannot See" in den Zweiten Weltkrieg und am Akademietheater für Rainald Götz' "Reich des Todes" in den Irak-Krieg gezogen. "Von Freunden kommt ständig die Frage, ob ich ihnen damit eventuell etwas sagen will. Aber das ist Zufall, ich hab's mir nicht ausgesucht. Jetzt habe ich vom Thema aber künstlerisch erst einmal genug. Obwohl das Thema traurigerweise seine Aktualität behalten hat."

Felix Kammerer: Theater oder Film?

Und jetzt? Bemühen sich zwei Agenturen, das unüberblickbare Aufkommen an Nachfragen in Bahnen zu lenken. "In den letzten zwei, drei Wochen ist plötzlich Rambazamba. Jeden Tag kommen Angebote herein, und jetzt ist als Erstes die Frage, wie ich mit dem Theater weitermache."

Nämlich? Er versuche die Brücke zwischen Film und Theater zu schlagen, kann er da nur antworten. "In werde mit meiner Agentur Rücksprache halten und sehen, in welche Richtung es geht." Dass Kusej im Herbst seiner Direktion noch der zweite Protagonist abhanden käme, wenn auch aus unvergleichbar anderen Gründen? Da kann Felix Kammerer nicht entwarnen. "Das kann sein, aber wer weiß es? Vielleicht sind auch die Filmangebote zeitlich zu aufwendig, und ich möchte doch Theater machen. Oder vielleicht auch gar kein Theater. Im Augenblick ist alles grobe Spekulation. Demnächst werde ich mehr wissen." Tobias Moretti, der ununterbrochen dreht und doch immer wieder eine Theaterproduktion einschiebt? Das wäre der Traum, dass sich das ausgeht.

Die Anfragen kommen, nicht übertrieben, von überall her. Viele aus Deutschland, aber auch solche aus den USA und Großbritannien. Einige, aus Deutschland und von auswärts, konkretisieren sich schon. Aber Abwägen sei jetzt angesagt, und vor allem: nicht irgendetwas machen, sondern zusehen, dass die Arbeit auch Freude bereitet.

Vergleich mit Klaus Maria Brandauer

Erinnerungen an den Kollegen Klaus Maria Brandauer erwachen da, der 1981 mit dem Auslands-Oscar für "Mephisto" eine kurze, stürmische Karriere in Hollywood angebahnt hat. Ein Riesenkompliment sei der Vergleich, sagt Felix Kammerer, und ein Angebot aus Hollywood wäre natürlich willkommen. "Ich weiß aber ziemlich sicher, dass ich nie in den USA leben könnte." Weshalb? "Das Land ist mir von seiner Kultur zu jung, auch ist es mir zu schnelllebig und zu kurzlebig ... Ich fühle mich da immer für eine gewisse Zeit wohl. Aber auf lange Sicht könnte ich dort nicht leben. Ich bin froh, in Europa meine Basis zu haben, ob es nun Wien oder Berlin oder anderswo ist."

Kammerer über Fall Teichtmeister

Dem sympathisierenden Beobachter drängt sich nun eine andere Frage auf: Am unglücklichen Kollegen Florian Teichtmeister und seinen multiplen Suchtproblemen kann man studieren, auf welch schwankendem Boden es einen Höchstbegabten im Augenblick der Erfüllung seiner Berufsträume tragen kann. Auf die Frage hat sich Felix Kammerer klug vorbereitet. "Das sind aber ganz verschiedene Themen, die man nicht miteinander vergleichen kann! Diese Sache hat uns alle unfassbar schockiert. Ich bin, so wie das gesamte Ensemble, in der Situation der absoluten Verunsicherung. So viel ist über den Haufen geworfen, es drückt das ganze Haus nieder. Es müssen Themen besprochen werden, plötzlich ist ein Stress und ein Aufruhr, der absolut verständlich ist, uns aber auch wehtut."

Felix Kammerer, ein gefestigter Mensch

Menschen, die ihm nahestehen, erklären sich optimistisch, dass er in seinen jungen Jahren keinen Schaden nehmen wird. Durch seine Reisen als Kind habe dabei früh gelernt, seine eigene Mitte zu finden. Ihm sei klar, dass jeder Schritt abseits dieser Mitte ins Unwegsame führen könne. Aber so wie er seine Ausbildung abseits des elterlichen Schutzschirms absolviert und die Karriere an deutschen Bühnen begonnen habe, so bleibe er auch im Augenblick des Erfolgs ein gefestigter Mensch.

Theater oder Film?

"Für mich ist das Theater der schönste Rausch, den es gibt", bestätigt er. "Das ist eine Art von Verausgabung und Radikalität, die aber gebündelt und kontrolliert ist. Im Film ist das auch, aber es gehört zur Eigenart des Mediums, dass dort sehr viele Entscheidungen abgegeben werden, der Schnitt, die Musik ... Das kann auch das Ergebnis der eigenen Arbeit beeinträchtigen. Im Theater ist man als Schauspieler mündiger, weil man selbst entscheidet, was die Leute in dem Augenblick sehen. Auch in der bildenden Kunst finde ich großartig, was da entsteht. Dass sich Menschen Gedanken machen über das Menschsein und ihm eine gebündelte Form geben. Das ist ein Zustand, den auch die Leute im Publikum suchen."

Es ist wie bei einer Familienfeier. Du sitzt mit vertrauten Menschen beisammen, und plötzlich sagst du etwas, oder du lachst. Du merkst, es war sehr intuitiv, du hast gar nichts gewollt, aber dieser Moment verändert die ganze Atmosphäre

Das Gespräch hat das Theater erreicht, das unmissverständlich die Herzensmaterie bleibt. Das gibt Hoffnung, dass ihn Wien nicht ganz verliert. Kennt er den Moment, den Gert Voss gern beschrieben hat? In dem man wie von Zauberhand mit der Rolle verschmilzt und jeder im Publikum merkt es und hält den Atem an?" Ja, den Flow-Moment gibt es, in dem alles zusammenfließt und du merkst, du wirst eher gespielt, als dass du spielst. Es ist ganz komisch. Es ist wie bei einer Familienfeier. Du sitzt mit vertrauten Menschen beisammen, und plötzlich sagst du etwas, oder du lachst. Du merkst, es war sehr intuitiv, du hast gar nichts gewollt, aber dieser Moment verändert die ganze Atmosphäre. Wenn das auf dem Theater gelingt, kann der Moment auch Stunden dauern, eine ganze Vorstellung lang. Du surfst dann endlos wie auf einer Welle. Es gibt aber auch Vorstellungen, wo das gar nicht passiert."

Felix Kammerer in "Der Zauberberg" am Burgtheater

Der "Zauberberg" wird sich zwei Tage nach dem zweiten Gespräch mit News im Februar 2023 als schroffes, schwer erklimmbares Gelände offenbaren: Der Regisseur Bastian Kraft hat Thomas Manns epochales Werk in einen Film verwandelt. Nur vier Schauspieler verkörpern die Vielzahl an Personal und Insassen der Lungenheilstätte, in der die Zeit außer Kraft gesetzt ist, bis alles in der Katastrophe des Ersten Weltkriegs detoniert. Die Dialoge werden riesengroß auf die bühnenhohe stilisierte Gebirgslandschaft projiziert. Die vergleichsweise winzigen Schauspieler auf der Bühne synchronisieren bloß ihre eigenen, fulminant maskierten Filmgesichter. Ja, bestätigt Kammerer, man sei durch Videos und Synchronisation extrem eingeengt. "Aber innerhalb dieser starken Grenzen findet man eine Form der Freiheit, die mehr Spaß macht, als man sich erwarten würde. Ich habe nichts gegen ein Korsett, gegen klare Vorgaben, innerhalb derer man sich komplett ausleben kann. Für mich", fährt er fort, "ist Authentizität, wenn es gefühlt ist. Egal, ob ich eine Wahrheit verbreite oder eine Lüge. Solange ich einen emotionalen Bezug dazu habe und diesen Bezug auch transportieren kann, wird es immer authentisch sein. Gerade in der Kunst ist das, worüber wir überhaupt sprechen, wonach wir uns sehnen, die Wahrhaftigkeit des Gefühls."

Kammerer über Stefan Bachmann

Was sagt Felix Kammerer zum Neuen am Burgtheater, dem Schweizer Stefan Bachmann? Man sei einander erst in einer größeren Gruppe begegnet, von persönlichem Kennenlernen könne da noch nicht gesprochen werden. Aber Bachmann habe sich bei dieser Gelegenheit als angenehmer, bedachter, ruhiger Mensch geoffenbart. Und seine jüngeren Arbeiten an der "Burg", Ferdinand Schmalz' "Jedermann"-Paraphrase und Elfriede Jelineks "Winterreise", haben starken Eindruck hinterlassen. "Ich bin", sagt Felix Kammerer bescheiden, "gespannt, ob ich übernommen werde."

Ob nicht eher der Direktor hoffen muss, dass der publikumsmagnetische Star übernommen werden will? "Es wird jedenfalls viele schöne neue Sachen geben", schließt Felix Kammerer da das Gespräch ab. "Mal sehen, ob ich dann dabei bin."

Felix Kammerer privat

Die letzte Frage bleibt als einzige unbeantwortet: Nein, sein Privatleben sei nicht öffentlich, weil uninteressant, und werde daher aus den Medien gehalten. Womöglich braucht man sich um ihn tatsächlich nicht zu sorgen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in den News-Printausgaben Nr. 36/2022 sowie Nr. 5/2023 erschienen.

Schauspieler:innen

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