Durch den Klimawandel breiten sich Krankheiten immer weiter aus. So wird die Zahl der schweren Pilzinfektionen in den kommenden Jahren weltweit deutlich steigen, ist Infektiologe Martin Hönigl von der MedUni Graz überzeugt.
Extreme Trockenheit in weiten Teilen Südeuropas, eine außergewöhnliche Hitzewelle mit mehr als 40 Grad in Thailand und Sommertage im April in Österreich: Der Klimawandel ist tagtäglich spürbar. Die Auswirkungen der Erwärmung betreffen mittlerweile große Bereiche des Lebens – sogar die Medizin.
Passend dazu: Ursachen und Folgen der Dürre
Martin Hönigl ist Infektiologe an der MedUni Graz. Sein Spezialgebiet ist die Medizinische Mykologie, also Pilzerkrankungen bei Menschen. Und er hat eine schlechte Nachricht: Die Zahl der Menschen mit schweren Pilzinfektionen wird aufgrund des Klimawandels stark steigen.
Pilze passen sich schnell an
15 Millionen Menschen erkranken weltweit jährlich an Infektionen durch Pilze, die unter anderem die Lunge oder das Zentralnervensystem so stark befallen, dass eine stationäre Behandlung notwendig ist. In 40 bis 50 Prozent der Fälle enden diese Infektionen tödlich.
Schon jetzt infizieren sich jedes Jahr mehr Menschen mit diesen bedrohlichen Krankheitserregern. "Die Gebiete, in denen diese Pilze vorkommen, vergrößern sich durch den Klimawandel", warnt Martin Hönigl. "Denn eigentlich fühlen sich Pilze bei unserer Körpertemperatur von ca. 37 Grad nicht wohl." Optimaler für das Pilzwachstum sind einige Grad weniger. Darum werden etwa Reptilien häufig von Pilzen befallen. Mit der Folge, dass ganze Arten durch diese Infektionen ausgestorben sind.
"Durch den Klimawandel wird es generell heißer und trockener. Pilze können sich bei Stress sehr gut an neue Umweltbedingungen anpassen", erklärt der Mediziner. Sie gewöhnen sich an die höheren Temperaturen und werden damit für den Menschen gefährlicher, wie das Beispiel Candida auris zeigt.
Rapide Ausbreitung
Für diese Pilzart war früher eine Temperatur von bis zu 34 Grad optimal, mittlerweile sind es jedoch 37. Zugleich breitet sich Candida auris rasend schnell aus.
Der erste Fall einer Infektion eines Menschen wurde im Jahr 2009 in der Fachliteratur beschrieben. Mittlerweile verursacht Candida auris auf Intensivstationen regelmäßige Ausbrüche mit vielen Toten. Der Pilz kann von Mensch zu Mensch übertragen werden und ist resistent gegen Antimykotika und Antiseptika. "Vor allem die USA, Südeuropa und Großbritannien sind davon betroffen", so Hönigl. Doch es sei nur eine Frage der Zeit, bis es in Österreich ebenfalls zu einem größeren Infektionsgeschehen kommt.
Während Candida auris vor allem für Menschen mit geschwächtem Immunsystem oder schlecht eingestelltem Diabetes gefährlich ist, können Kokzidioidomykose und Histoplasmose jeden treffen.
Histoplasmose ist extrem ansteckend. Das zeigt ein Fall von einem Topf mit infizierter Blumenerde in einem Hotel während der Springbreak Saison vor rund 20 Jahren. 300 Studierende infizierten sich mit Histoplasmose, einzig indem sie daran vorbeigingen.
Fledermaushöhlen und Waldbrände
Ein hohes Infektionsrisiko bergen zudem Fledermaushöhlen. Auch im Staub kommen die krankmachenden Sporen immer wieder vor. Infektionen können zwar mit einem Medikament behandelt werden, der Pilz verbleibt in diesem Fall aber im Körper und kann sich bei geschwächtem Immunsystem wieder ausbreiten.
Die Rate der Infektionen mit Kokzidioidomykose wiederum hat sich in Kalifornien seit 2000 verachtfacht. Denn durch die immer häufiger auftretenden Waldbrände werden die Pilzsporen über weite Gebiete verteilt.
In Indien gab es während der Corona-Pandemie Zehntausende Fälle einer weiteren Pilzinfektion, der Mukormykose. Für die hohe Anzahl waren mehrere Risikofaktoren verantwortlich: die große Zahl an nicht eingestellten Diabetikern, ein geschwächtes Immunsystem durch Covid und die Verbreitung der Sporen über Klimaanlagen. Eine Infektion überlebt nur rund die Hälfte der Betroffenen.
Immer mehr Resistenzen
Ist jemand an einem Pilz erkrankt, sind Antimykotika die Mittel der Wahl. Allerdings, so Hönigl, steige die Zahl der resistenten Pilze: "Es ist ein Problem, dass in der Landwirtschaft viele Anti-Pilzmittel eingesetzt werden, die jenen zur Behandlung von Menschen stark ähneln."
Es kommen zwar immer wieder neue Mittel auf den Markt. "Die Zulassung in der Landwirtschaft ist aber viel rascher als in der Medizin", weiß der Infektiologe. Daher würden diese dort auch schneller eingesetzt. Das sorgt wiederum für die Bildung neuer Resistenzen, noch bevor das Medikamenten für Menschen zugelassen ist.
Einer Infektion vorzubeugen, ist nicht wirklich möglich. Sinnvoll ist es allerdings, Orte mit hohem Risiko zu meiden und beispielsweise auf den Besuch von Fledermaushöhlen zu verzichten.
VIREN - Dengue-Fieber breitet sich aus
Nur dort, wo die Tigermücke vorkommt, gibt es auch Dengue-Fieber. Denn das Virus wird durch den Stich einer infizierten Mücke übertragen. Bisher war die Tigermücke ausschließlich in warmen, tropischen Regionen verbreitet. Doch durch die Globalisierung gelangte sie per Containerschiff auch nach Europa. Aufgrund der gestiegenen Temperaturen breitet sie sich immer weiter aus. Mittlerweile wies die AGES in allen österreichischen Bundesländern Tigermücken nach. Noch übertragen sie zwar keine Dengue-Viren, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis es so weit ist.
Laut WHO gibt es weltweit jährlich rund 390 Millionen Fälle von Dengue-Fieber. Drei bis 14 Tage nach dem Stich treten erste Symptome auf. Dazu zählen Fieber, Ausschläge sowie Kopf- und Gliederschmerzen. Zu schweren Verläufen mit inneren Blutungen kommt es meist erst bei einer zweiten Infektion.
Der beste Schutz ist eine Vermeidung von Stichen. Außerdem sollte darauf geachtet werden, die Vermehrung der Mücken zu verhindern, indem etwa Regentonnen im Garten mit einem Netz abgedeckt werden.
Ein wirksames Medikament zur Heilung existiert bislang nicht. Es können daher nur Fieber und Schmerzen behandelt werden. Seit 2023 gibt es eine zugelassene Impfung gegen Dengue-Fieber.
BAKTERIEN - Vibrionen als Gefahr im Meer
Diese Bakterien vermehren sich am besten bei Wassertemperaturen über 20 Grad. Früher kamen daher Infektionen mit Vibrionen beispielsweise in Nord- oder Ostsee praktisch kaum vor. Doch mit den steigenden Temperaturen der Meere nimmt auch das Risiko einer Infektion zu.
Die Bakterien gelangen über offene Wunden in den Körper. Dazu reichen oberflächliche, kleine Verletzungen aus. Erste Symptome treten vier bis 96 Stunden nach dem Eintreten der Vibrionen in die Wunde auf. Es kann zu einer Nekrose, also dem Absterben von Gewebe kommen. Auch können Vibrionen eine schwere Sepsis auslösen.
Beim Verdacht einer Infektion sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden. Denn rechtzeitig erkannt, ist diese gut mit Antibiotika behandelbar.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 15/2024.