Jeder hat in seinem Leben schon einmal Angst gehabt. Doch ab wann ist Angst krankhaft? Wie kommt es zu einer Panikattacke? Und was kann man gegen eine handfeste Angststörung tun? Die Psychotherapeutin Mag. Nicole Trummer gibt Antwort auf die wichtigsten Fragen.
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Ab wann ist Angst krankhaft?
"Angst ist eine natürliche Emotion, eine gesunde Reaktion, deren Zweck es ist, uns vor Gefahren zu schützen", erklärt Trummer. Angst an sich ist also noch lange nichts Schlechtes. Im Gegenteil: "Man sagt, Angst habe dem Menschen das Überleben gesichert. Etwa dann, wenn er in grauer Vorzeit einem Säbelzahntiger gegenüberstand und wusste: Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten - Angriff oder Flucht."
Als krankhaft könne man eine Angst dagegen dann bezeichnen, wenn sie völlig unbegründet auftritt, sprich durch etwas ausgelöst wird, wovon keine reale Gefahr ausgeht. "Die emotionale Reaktion ist derart stark ausgeprägt, dass sie in keinerlei Verhältnis zu ihrem Auslöser steht", erklärt die Expertin. Bis sie schließlich so viel Raum einnimmt, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, sein Leben uneingeschränkt zu leben.
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Wovor haben Betroffene häufig Angst?
Trennungsängste und soziale Ängstlichkeit gehören zu den im Kindesalter am häufigsten auftretenden Ängsten. Letztere beschreibt die Angst, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen und sich beschämend oder peinlich zu verhalten. "Häufig vertreten sind bei Kindern auch Ängste vor Tieren, etwa Schlangen, Hunden oder Spinnen", erklärt die Psychologin.
Die Angst vor diversen Tieren ist, ebenso wie die Furcht vor bestimmten Situationen wie zum Beispiel dem Zahnarztbesuch oder der Fahrt mit dem Lift, übrigens auch bei Erwachsenen häufig vertreten. Neben der bereits genannten sozialen Phobie wäre auch noch Agoraphobie zu erwähnen. Diese äußert sich etwa in der Angst öffentliche Plätze aufzusuchen, alleine zu verreisen oder schlicht und einfach außer Haus zu gehen.
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Sieht sich der Betroffene der angstbesetzten Situation ausgesetzt, können körperliche Symptome wie Schwitzen, Zittern oder Übelkeit auftreten. Meist kommt es aber gleich gar nicht zu diesen, weil eine Person, die an einer phobischen Störung leidet, für gewöhnlich ein Vermeidungsverhalten an den Tag legt. Soll heißen: Sie versucht von vornherein Situationen, die ihr Angst machen, zu meiden.
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Woran erkenne ich eine Panikattacke?
Häufig tritt die Angststörung gepaart mit einer Panikerkrankung auf. Diese äußert sich in Form verschiedener körperlicher Symptome wie Herzklopfen, Brustschmerzen, Übelkeit, Schwindel bis hin zu Erstickungsgefühlen. "Wichtig ist zu wissen, dass man körperlich gesund ist. Es treten zwar Symptome auf, aber sie stellen keine Gefahr dar", betont Trummer. Nichtsdestotrotz sei eine medizinische Abklärung sinnvoll.
Wie kommt es zu einer Panikattacke?
Eine Panikattacke kommt nicht von heute auf morgen. In der Regel gehen ihr körperliche Warnsignale voraus, wie das Nachlassen der Merk- oder der Konzentrationsfähigkeit sowie der Sehkraft, Kraft- und Antriebslosigkeit oder auch Magen-Darm-Probleme und Hautirritationen. Werden diese partout ignoriert, so greift der Körper über kurz oder lang zu härteren Mitteln. Eines davon ist die Panikattacke.
"Das Unterbewusstsein will die Person darauf aufmerksam machen, dass irgendetwas in ihrem Leben nicht passt. Dass ihr die Art und Weise, wie sie lebt, nicht mehr gut tut." Abgesehen davon können auch gewisse Medikamente, wie zum Beispiel bestimmte Neuroleptika oder Schilddrüsenhormone, sowie Drogen, darunter Ecstasy, Kokain oder der Wirkstoff THC, eine Panikattacke auslösen.
Was tut sich dabei in unserem Körper?
Die Psychologin spricht vom "Kreislauf der Angst", an dessen Anfang ein angstauslösender Gedanke steht. Man ist mit einer angstbesetzten Situation oder Sache konfrontiert und malt sich die schlimmste aller Konsequenzen aus. Die natürliche Reaktion des Menschen wäre nun Flucht oder Angriff. Während der Körper die entsprechenden Hormone ausschüttet, verfällt der bzw. die Betroffene aber in eine Angststarre.
Die eigens fürs Handeln erzeugten, aktivierenden Hormone müssen also wieder abgebaut werden. Und das, während die Person mehr oder weniger in Reglosigkeit verharrt. "Der Körper löst das so, dass er mit einem erhöhten Puls reagiert. Das Herz klopft schneller, weil es mehr Blut pumpt, man schwitzt ...", so Trummer. Schließlich entwickeln einige Betroffene über kurz oder lang auch Angst vor der Angst selbst.
Wie behandelt man eine Angststörung?
Es gibt unterschiedliche Ansätze, eine Angststörung zu behandeln. Darunter verschiedene Konfrontationstechniken und das Mentaltraining. Letzteres beschreibt die Psychologin folgendermaßen: "Zuerst wird man sich der Angst bewusst. Dann ergründet man, was die Angst auslöst. Ist es ein Gedanke? Ein inneres Bild? Oder ein Geräusch?" Danach heißt es, das Muster - den Kreislauf der Angst - zu durchbrechen.
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An dieser Stelle kommt das Erwachsenen-Ich ins Spiel. Anders als das emotionsgeleitete Kindheits-Ich kann es rationale Gedanken über die angstbesetzte Situation anstellen - und mit ihr umgehen. Geleitet von der Frage "Was ist das Schlimmste, was mir passieren kann?" gilt es nun die Folgen auf realistische Art und Weise einzuschätzen und mögliche Handlungsalternativen zu erwägen.
In einem weiteren Schritt müssen positive Denkstrukturen aufgebaut und gestärkt werden. Dazu die Expertin: Mit unseren Gedanken formen wir Nervenbahnen in unserem Gehirn. Wer stets schwarzmalt, stärkt die entsprechenden Bahnen, bis sich die negativen Denkmuster irgendwann verselbständigen. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, muss der Betroffene bewusst positiv denken.
Was passiert, wenn man keine Therapie macht?
Man kann davon ausgehen, dass sich eine Angsterkrankung, die nicht behandelt wird, im Laufe der Zeit verstärkt. "Das kann so weit gehen, dass die Person das Haus nicht mehr verlässt - was letztlich ja ihre ganze Existenz betrifft", warnt Trummer. Man ist nicht mehr in der Lage, seiner Arbeit nachzugehen, verliert in weiterer Folge seinen Job, kann die Miete nicht mehr zahlen ... "Das kann schon ganz massive Folgen haben."
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Wie geht man mit Betroffenen um?
"Wichtig ist, dass man die Erkrankung ernst nimmt", betont die Psychologin. "Niemand tut nur so." Im Umgang mit dem Betroffenen sind Empathie und Geduld gefragt. Der Patient müsse sich kleine Ziele setzen. Zusammen mit ihm könne man diese schrittweise umsetzen. "Man kann begleiten und gut zureden." Nach und nach sammelt der Betroffene positive Erfahrungen, bis er schließlich lernt, seine Ängsten zu bewältigen.
Steckbrief
Nicole Trummer
MMag. Nicole Trummer ist Psychotherapeutin, Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin und Arbeitspsychologin mit Schwerpunkt unter anderem auf Stress, Burnout, Depression, Ängsten, Zwängen und Phobien. Hier geht es zu ihrer Homepage.
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