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Wilfried Haslauer: "Es ist ein ganz feiner Drahtseilakt"

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Wilfried Haslauer
©Bild: News/Ricardo Herrgott
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Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer über seine umstrittene Koalition mit der FPÖ: Er wolle versuchen, die politischen Gräben im Land zuzuschütten, indem er die Freiheitlichen "aus dem extremen Eck herausholt und in eine politische Kultur hineinbringt, die mit Regierungsverantwortung verbunden ist". Die Gefahr, Kickl und seine Methoden damit zu legitimieren, sei aber vorhanden, räumt er ein.

Sie haben kürzlich mit Ihrem neuen Koalitionspartner, der FPÖ, eine Regierungsklausur abgehalten. Waren Kickl, Landbauer und Waldhäusl da auch "mit im Gepäck"?
Nein. Weder Kickl noch Landbauer oder Waldhäusl. Der eine ist in Wien, die anderen beiden in Niederösterreich, und wir sind hier in Salzburg.

Mit dieser Formulierung haben Sie Ihre neue Koalitionspartnerin vor der Wahl kritisiert: Salzburgs FPÖ-Chefin Marlene Svazek habe die oben genannten Herren im Gepäck. Haben Sie Ihre Einschätzung seitdem also revidiert?
Es ist kein Geheimnis, dass ich andere Pläne hatte und dass das nicht meine Wunschkoalition gewesen ist. Die Situation war dann aber so, wie sie ist, und das Wahlergebnis ebenfalls. Und denjenigen, die mich dafür kritisieren, dass ich mit der FPÖ zusammenarbeite, sage ich: Hättet ihr mich gewählt, dann hätte ich die entsprechende Stärke gehabt, um andere Optionen zu ziehen.

Man hat den Eindruck, dass Sie sehr schnell mit der FPÖ Verhandlungen aufgenommen haben.
Das stimmt so nicht. Wir haben natürlich zunächst einmal mit allen Parteien Sondierungsgespräche geführt, um auszuloten, ob es Knackpunkte inhaltlicher Natur gibt, die einer Koalition entgegenstehen. Und dann war die große Entscheidung, mit wem wir dann in finale Verhandlungen eintreten. Ich habe zunächst den Vorschlag einer Allianz-Regierung gemacht, das heißt, einer Regierung von ÖVP, FPÖ und SPÖ, was auf sehr breite Zustimmung in der ÖVP gestoßen ist und auch bei der FPÖ positive Signale hervorgerufen hat. Aber die SPÖ hat sich verweigert, ist dann sowohl gegenüber den Freiheitlichen als auch gegenüber uns recht aggressiv aufgetreten und wollte dann doch wieder reden. Es ist einfach zu Tage gekommen, dass die Sozialdemokraten zu instabil sind, um mit ihnen eine Regierung mit einem Mandat Überhang zu bilden.

Eine Option mit SPÖ und Grün war für uns nicht mehr machbar, weil wir innerhalb der eigenen Partei einen massiven Widerstand gegen die Grünen hatten. Es ist nur übrig geblieben, Gespräche mit der FPÖ aufzunehmen. Das habe ich getan, allerdings unter Vorbedingungen. Und diese Vorbedingungen heißen, dass in der Präambel zum Regierungsübereinkommen ganz klar festgelegt ist, dass es in der Politik einer wertschätzenden und nicht ausgrenzenden Sprache bedarf, dass Salzburg ein weltoffenes und international sich darstellendes Land ist, dass die Kultur in all ihren Facetten von besonderer Bedeutung für unser Land ist und dass Menschen, die auf der Flucht sind und vertrieben werden, bei uns auch Unterstützung und Aufnahme finden müssen. Wir haben dann ein Arbeitsprogramm gemacht, und wenn Sie es durchlesen, werden Sie darin keine rechten und rechtsextremen Flecken finden. Das ist ein ganz vernünftiges Sachprogramm für Salzburg geworden.

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Bei allem Respekt vor diesem pragmatischen Zugang, ich glaube, dass es dabei zwei übergeordnete Probleme gibt. Das eine ist die Glaubwürdigkeit. Sie haben die FPÖ vor der Wahl noch sehr deutlich kritisiert.
Nein, ich habe Kickl sehr deutlich kritisiert. Und ich bin nach wie vor mit der Art und Weise der Tonalität und den Zugängen von Kickl nicht einverstanden. Und ich warne auch vor der Person Kickl nach wie vor. Ich musste hier für Salzburg eine vernünftige Regierung bilden, die zusammenarbeiten kann. Sie sehen ja auch, dass die Parteien in unserer Innenpolitik immer weiter an die Ränder gehen, also extremere Standpunkte vertreten werden. Die Freiheitlichen auf der einen Seite, Sozialdemokraten und die Grünen auf der anderen Seite. Die Mitte wird schmäler, obwohl sie eigentlich breiter werden müsste. Das ist ein ganz eigenartiges Phänomen. Durch diese Polarisierung laufen Gräben durchs Land, die man irgendwie auflösen muss. Und vielleicht ist eine Lösung - ich weiß noch nicht, ob es funktioniert -, in Salzburg eine dieser Parteien aus dem extremen Eck herauszuholen und in eine politische Kultur hineinzubringen, die mit Regierungsverantwortung verbunden ist.

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Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer © News/Ricardo Herrgott

Sie versuchen also, die FPÖ mit dieser Regierungsbeteiligung zu zähmen?
Ich bin ja kein Dompteur, der es mit Ungeheuern und Raubtieren zu tun hat.

Es hat aber ein bisschen danach geklungen, als Bundespräsident Alexander Van der Bellen Sie angelobt hat. Er hat sehr stark an Ihr persönliches Verantwortungsgefühl appelliert.
Er hat gesagt, er vertraut mir. Das habe ich sehr schön gefunden. Er hat gesagt, er vertraut mir, dass diese Radikalität, die Polarisierung, diese extremen Standpunkte nicht Teil der Politik in der Salzburger Landesregierung sein werden. Und ich bin eigentlich zuversichtlich, dass dieses Vertrauen gerechtfertigt werden kann.

Trotzdem: Wir sprechen immer noch von der Kickl-FPÖ, auch wenn Sie gerne betonen, dass Salzburg anders ist. Marlene Svazek ist noch im März zusammen mit Kickl nach Ungarn gefahren, um Viktor Orbán zu besuchen.
Das habe ich alles kritisiert und aufgezeigt. Noch einmal: Es ist nicht meine Wunschkonstellation gewesen, aber Sie haben es sicher auch schon erlebt, dass man im Leben manchmal in Situationen kommt, die man sich so nicht gewünscht hat, und dann mit wirklich vielen Entscheidungsschmerzen, vielen Diskussionen und vielem, vielem Nachdenken zu einem Ergebnis kommen muss. Was ist das Beste für unser Land? Wie können wir die großen Probleme, die anstehen, am besten bewältigen? Wie kommen wir in eine stabile Mehrheitssituation? Das ist ja meine Aufgabe. Meine Aufgabe ist nicht, auf meinen persönlichen Widerwillen oder Unwillen zuallererst zu hören. So ist die Entscheidung gefallen, und es scheint ganz vernünftig zu sein.

Ich orte im Auftreten der Salzburger Freiheitlichen, dass eine Entradikalisierung absolut feststellbar ist

Sie stehen also noch zu der grundsätzlichen Kritik, die Sie im April geäußert haben?
Was die Person Kickl betrifft auf jeden Fall. Ich orte aber im Auftreten der Salzburger Freiheitlichen, bei Frau Svazek angefangen über die restlichen Regierungsmitglieder bis hin zu den Abgeordneten, dass eine Entradikalisierung absolut feststellbar ist. Natürlich hat die FPÖ ihre Positionen rechts der Mitte. Dafür sind sie ja auch von 26 Prozent der Salzburgerinnen und Salzburger gewählt worden, das ist ja auch nicht nichts. Man kann ja nicht einfach 26 Prozent der Bevölkerung völlig ins Eck stellen. Schauen wir einmal, wie es weitergeht. Wir haben eine sehr intensive Arbeitsklausur gehabt, die von einem ganz starken Sachbemühen getragen war. Und so führe ich auch die Regierung. Es ist eine pragmatische Regierung, die versucht, die Herausforderungen des Landes bestmöglich zu bewältigen. Und ich glaube, es war sehr wichtig, dass wir auch einige Schlüsselressorts für uns behalten haben, zum Beispiel den gesamten Kulturbereich. Weil gerade aus dem Kulturbereich ja die größten Sorgen gekommen sind. Mein Stellvertreter Stefan Schnöll und ich haben sehr viele Gespräche geführt, auch mit Literaten, mit Leuten, die sehr besorgt sind. Ich glaube, man muss einfach auch im Gespräch andere Standpunkte ernst nehmen und hinterfragen, aber auch die Chance nutzen, seine eigenen Positionen im Gespräch argumentativ darzulegen. Und das tun wir. Und insgesamt sehe ich, dass die Sorgen zwar noch da sind, aber eine abwartende Beruhigung der Situation eingetreten ist.

Über die mangelnde Glaubwürdigkeit haben wir bereits gesprochen. Ein anderes Problem ist die Vorbildwirkung. Die ÖVP hat sich jahrelang sehr klar gegen Kickl ausgesprochen, formal war er ja auch der Grund für das Ende der türkis-blauen Regierung. Nun gibt es schon in drei Bundesländern Koalitionen der ÖVP mit der FPÖ. Sehen Sie die Gefahr, Kickl damit zu legitimieren?
Ja, das ist in der Tat die Kehrseite des Vorhabens. Oder die dunkle Seite des Mondes, wenn Sie so wollen. In dem Bemühen, die FPÖ durch Einbindung aus dem radikalen Eck herauszuholen, wird sie eine Spur weit salonfähiger. Und das ist ein ganz feiner Drahtseilakt. Will man das überhaupt? Muss man das machen? Ich glaube, man muss den Versuch wagen. Denn wir haben ja alle nichts davon, wenn eine Partei so massiv sehr rechte Positionen vertritt und einfordert, die sich zwar als nicht umsetzbar erweisen, sie aber trotzdem sozusagen aufbläht und dadurch eine aggressive Stimmung im Land erzeugen. Ich glaube, der Versuch ist wichtig, zumindest für unser Bundesland in Salzburg. Ob das auf Bundesebene funktionieren kann oder nicht, weiß ich nicht. Ich kann das derzeit wirklich nicht beurteilen.

Sie schließen es aber auch nicht aus?
Mir fehlt, um das einschätzen zu können, auch die Kenntnis der sonst handelnden Personen. Ich persönlich sage dazu überhaupt nichts. Wir stehen über ein Jahr vor einer Nationalratswahl, die Situation kann sich noch total ändern, und alles, was man jetzt sagt, ist hochspekulativ. Wir haben ein sehr bewegliches System. Andreas Babler schließt die ÖVP schon jetzt als Koalitionspartner aus. Ja, wie ist das dann, wenn drei Parteien ziemlich gleich stark sind? Wie will Babler dann eine Regierung zusammenbringen? Das wird sich alles nicht ausgehen.

Schwarz-Blau würde sich wahrscheinlich ausgehen.
Ich habe auch vor meiner Landtagswahl immer gesagt, ich gebe keine Koalitionsansage ab.

Ich hielte einen Kanzler Kickl für hochproblematisch für Österreich

Was Sie vielleicht beantworten können, weil es viele ihrer Parteikollegen auch schon getan haben: Schließen Sie eine Koalition mit Kickl aus?
Ich hielte einen Bundeskanzler Kickl für hochproblematisch für Österreich. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

In welcher Funktion wäre er tragbar?
Wir spekulieren die ganze Zeit über Dinge, die in einem Jahr sind. Konzentrieren wir uns auf heute.

Ich finde, ÖVP-Wählerinnen und Wähler haben ein berechtigtes Interesse, zu erfahren, ob und wie ihre Partei mit Kickl zusammenarbeiten würde.
Das wurde mir auch immer vorgeworfen im Landtagswahlkampf, die Wähler müssten doch wissen, wie es weitergeht. Ich kann es Ihnen nicht sagen, weil ich vor der Wahl nicht weiß, wie sie ausgehen wird.

Die Nationalratswahl ist erst in einem Jahr, wirft aber ihre Schatten schon voraus. Die Strategie der ÖVP scheint derzeit darin zu bestehen, die FPÖ einerseits anzugreifen, andererseits aber auch einige ihrer Themen zu kopieren. Halten Sie diese Strategie für sinnvoll?
Ja, ich glaube, dass die Mehrheitsentscheidung in der Auseinandersetzung zwischen ÖVP und FPÖ eine Rolle spielen wird. Daher ist es sicherlich richtig, dass die ÖVP sich mit der FPÖ auseinandersetzt und umgekehrt. Da wird um eine sehr große Anzahl von Wählerinnen und Wählern gerungen. Der Linksruck von Babler spricht meines Erachtens eher Kernschichten der SPÖ an als breitere, zur Mitte hin orientierte Schichten. Insofern ist es logisch, dass diese Auseinandersetzung jetzt stattfindet.

Können Sie auch dem Kopieren blauer Themen etwas abgewinnen? Unterstützen Sie Kanzler Nehammers Vorstoß, Bargeld in der Verfassung zu verankern?
Das würde ich eher als Sommerthema sehen. Ich glaube man muss zwei Dinge unterscheiden. Das eine ist, dass es eine doch merkbare Beunruhigung in Teilen der Bevölkerung gibt, dass das Bargeld abgeschafft werden könnte. Es ist also ein Signal der Beruhigung, dass das so einfach nicht gehen wird, vielleicht auch für eine mögliche künftige Bundesregierung, die auf diese Schnapsidee kommen könnte. Ich sehe es nur nicht realistisch. Denn wer will bei uns das Bargeld abschaffen? Ich kenne eigentlich überhaupt niemanden, der das möchte.

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© News/Ricardo Herrgott

Dann ist es aber eine sinnlose Diskussion, oder?
Es ist eine sinnlose Diskussion, die von manchen Teilen in Europa hereingetragen wird. Das heißt, wenn es dort eine Vetostimme aus Österreich gibt, geht es eh nicht. Insofern kann man die Diskussion schon führen, mit dem Ziel, dass eine Zustimmung Österreichs zur Abschaffung des Bargelds keinesfalls in Frage kommt. Auf der anderen Seite ist es eine juristisch-ästhetische Frage, ob man die Verfassung mit solchen Themen anreichern will.

Gäbe es nicht wichtigere Themen?
Es gibt immer wichtigere Themen, für alles. Wenn ich heute über mehr Wohnungen diskutiere, wird jemand kommen und sagen, Spitalsbetten sind wichtiger. Und wenn ich dann über die Pflege diskutiere, wird es heißen, Kinderbetreuung ist wichtiger. Es ist immer alles wichtig und andere Themen auch. Aber in der Politik geht es nicht nur um messbare fachliche und sachliche Fragen, sondern auch viel um Emotionen.

Erleben wir hier eine Form der Diskursverschiebung? Die FPÖ setzt ein populistisches Thema, zum Beispiel die Bargeld-Diskussion, und die ÖVP reagiert darauf?
Es ist in der Politik oft so, dass jemand ein Thema in den Ring wirft, und dann greifen es andere auf. Es passiert auch, dass die ÖVP Themen aufbringt, auf die dann andere aufsteigen. Ich halte es für keine Gefährdung der Demokratie in Österreich, wenn man über das Thema Bargeld diskutiert.

Vor einigen Wochen wurde heftig über den Begriff Normalität gestritten. Haben Sie Verständnis für die geäußerte Kritik?
Nein. Ich habe auch nicht verstanden, dass der Bundespräsident - den ich sehr schätze, das möchte ich ausdrücklich dazu sagen - das in dieser Weise aufgezogen hat. Es gibt einen Teil der Bevölkerung, den man als "normale Leut" bezeichnen kann, darunter versteht man politisch eine breite Mitte. Die ganze Hitzigkeit der Diskussion bezieht ihre Schärfe aus einer semantischen Gegenpolung, indem man sagt, wer nicht normal ist, ist abnormal, im Sinne geisteskrank oder er tickt nicht ganz richtig. Aber das ist ja nicht gemeint. Gemeint ist die politische Mitte, für die man Politik machen möchte, nicht für extreme und radikale Standpunkte. Und das finde ich legitim. Ich finde es auch politisch legitim, wenn Herr Babler sagt, er macht Politik für "unsere Leute", also die Kernwählerschaft der SPÖ. Ein größeres Problem habe ich mit dem Begriff Volkskanzler, weil der natürlich historisch massiv belastet ist. Und was ich überhaupt nicht verstanden habe: dass der Bundespräsident die Reaktion von Vizekanzler Kogler mit "präfaschistoid" überhaupt nicht erwähnt hat. Das hat für sehr viel Unwillen gesorgt. Es geht also um politische Positionierungen von Parteien, die nichts mit Ausgrenzung zu tun haben, sondern mit ganz normalen Schwerpunktbildungen.

Ein weiteres Thema aus dem Forderungskatalog der FPÖ, das von anderen Parteien aufgegriffen wurde: Die Bundespolitik verzichtet geschlossen auf die Inflationsanpassung ihrer Gehälter. In Salzburg gehen Sie einen anderen Weg und erhöhen um die Hälfte. Warum halten Sie das für richtig?
Weil ich der Meinung bin, dass der Berufsstand der Politiker sich nicht in die Situation begeben sollte, die eigenen Leistungen immer zu entwerten. Mit solchen Maßnahmen ist niemandem geholfen. Sie haben zwar Symbolkraft, leisten aber keinen wirklichen Beitrag zu einer Teuerungsabgeltung, die für den Einzelnen auch nur irgendwie spürbar ist. Ich bin zum Beispiel in unserem Bundesland für ungefähr 18.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuständig. Das ist eine anspruchsvolle und sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Man soll sich nicht immer selbst schlechtreden. Das tut die Politik aber leider, indem sie sich auch persönlich in einem Maße attackiert, die mit Fairness, Ritterlichkeit oder Toleranz überhaupt nichts zu tun hat.

Es bewegt sich momentan viel in Richtung der politischen Ränder, nicht nur im rechten, sondern auch im linken Spektrum, wenn man zum Beispiel an den sehr erfolgreichen Salzburger Kommunisten Kay-Michael Dankl denkt. Haben die alten Parteien der Mitte nicht mehr die richtige Sprache und die richtigen Inhalte, um die Menschen anzusprechen?
Das ist die große Frage. Es haben sich die Kommunikationsmethoden massiv verändert. Der Medienkonsum ist weitaus diversifizierter geworden, jeder kann sich seine Bestätungsblase in den sozialen Medien aussuchen. Das ist natürlich nicht gut für den demokratischen Diskurs, für die Meinungsvielfalt, für das aufeinander zugehen, diskutieren und andere Standpunkte sehen. Und wir haben darauf noch nicht wirklich eine Antwort gefunden. Die Performance der Bundesregierung finde ich zum Beispiel in Ordnung und gut, sie müsste eigentlich mehr Zustimmung bekommen. Das ist aber nicht der Fall. Woran das liegt, kann ich Ihnen momentan nicht beantworten.

Sie sind dafür bekannt, dass Ihnen ein höflicher, respektvoller Umgangston in der Politik wichtig ist, nicht erst, seitdem Sie mit den Freiheitlichen zusammenarbeiten. Reicht ein kultivierter Tonfall wirklich schon aus?
Nein, aber es ist ein Teil, der wichtig ist. Wie wird denn die Politik wahrgenommen? Zuallererst über flüchtiges öffentliches Wahrnehmen, darüber, wie wertschätzend oder aggressiv die Leute miteinander umgehen. Und das bildet eine Meinung. Denn in vielen Sachthemen kann aufgrund ihrer Komplexität vom Durchschnittspublikum gar nicht erkannt werden, was dahinter steht. Ich glaube, es gehört beides dazu. Nur Sacharbeit allein ohne eine bestimmte Atmosphäre, ein bestimmtes Klima, ist zu wenig. Und letztlich geht es auch in einer Demokratie immer um eine gewisse menschliche Kultur, die man ausstrahlt. Wenn die nicht in Ordnung ist, werden sich die Leute abwenden. Und das ist momentan in Österreich kritisch, würde ich sagen. Sie sehen ja, wie sehr sich die Leute verweigern, wie sehr sie an die Ränder gehen, wie sehr sie sich auch aus der Berichterstattung der traditionellen Medien ausklinken. Wir sitzen ja da im selben Boot.

Wenn man ordentlich miteinander umgeht, ist man auch vorsichtiger, radikale Positionen einzunehmen

In der Präambel Ihres Regierungsprogramms mit der FPÖ ist eine "sorgfältige Sprache in der Politik, die nicht herabwürdigt oder ausgrenzt" festgeschrieben. Ist das ausschließlich eine Stilfrage, oder gehen Sie davon aus, dass der Stil auch die Inhalte prägt?
Ich glaube schon, dass damit auch eine inhaltliche Kurskorrektur verbunden ist. Wenn man ordentlich miteinander umgeht, ist man auch vorsichtiger, radikale Positionen einzunehmen. Und radikale Positionen sind auch immer und untrennbar mit Aggressivität verbunden. Wenn du die Aggressivität herausnimmst, wird auch der Radikalität der Boden entzogen. Glaube ich. Letztlich geht es darum, dass man einen Grundkonsens hat, und diesen Grundkonsens versucht breit anzulegen und weiter zu verbreitern. Dann kann es funktionieren. Wenn der Grundkonsens nur ein schmaler Tunnel ist, funktioniert es nicht.

Wäre auch Kickl mit so einer Strategie beizukommen?
Das bezweifle ich. Ich glaube, dass Kickl ganz einfach die Stimmenmaximierung durch Aggression und aggressives Verhalten in den Vordergrund stellt.

Dieses Interview erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33/2023.

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