Der deutsche Pop-Art-Künstler Heiner Meyer inszeniert aus Luxusgütern, Hollywood-Ikonen und antiken Idealen visuelle Märchen. Dabei machen seine Bilder gute Laune - auch wenn nicht alle Porträtierten das so sehen.
Steckbrief Heiner Meyer
Name: Heiner Meyer
Geboren am: 9. Oktober 1953 in Bielefeld
Wohnt in: Bielefeld
Ausbildung: Studium der Freien Kunst an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
Beruf: Pop-Art-Künstler und Bildhauer
Familienstand: verheiratet mit Brigitte Worbs
Kinder: 3
Am Künstler Heiner Meyer fallen rasch seine unverstellte Offenheit und sein Humor auf. Er ist ein freudvoller Erzähler frei von Eitelkeiten. "Dali hat sich mein Zeichenmäppchen angesehen und gesagt: Das ist doch alles Quatsch", erzählt er über seine Zeit als Assistent des großen Surrealisten Salvador Dali. "Dann hat er mir ein Weißbrot gegeben. Das hat er mich drei Monate lang immer und immer wieder zeichnen lassen, bis es in seinen Augen gut war", erinnert sich Meyer an den Aufenthalt im kleinen Fischerort Cadaques 1974.
Sich nicht zu früh zufriedenzugeben, dranzubleiben und das Maximum abzuliefern, zu dem man fähig ist, so lautet für den 69-Jährigen bis heute die Lehre aus dieser frühen Zeit. "Ob das genügt, entscheiden die Jahre", so Meyer, der seine aktuelle Ausstellung "Pop Art Now" mit Werken aus 20 Jahren im Kunstforum Wien fröhlich, aber selbstkritisch durchschreitet. Vieles, das es über seinen Erfolg zu berichten gibt, muss man ihm abringen.
Heiner Meyer betrachtet sich zu sehr am Weg befindlich, um über Erfolge zu referieren. Dabei hatte der Maler aus Bielefeld bereits im Alter von 14 seine erste Ausstellung in einer Galerie, mit 19 Jahren die erste Einzelausstellung. Seinem Studium folgte ein Lehrauftrag an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, dann das eigene Atelier in der Bielefelder Heimat.
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Pop-Art mit deutscher Erzählkunst
Meyers Werke wurden in 100 Ausstellungen gezeigt, auf Messen in Seoul, Paris, Miami Beach, Bologna und Chicago. Die US-Branchenbibel "AD" widmete ihm 2014 ein Cover. 2015 wurde er zur ersten Triennale in Venedigs Palazzo Albrizzi eingeladen. Seine Arbeiten sind u. a. im Besitz zahlreicher deutscher Museen und Privatsammlungen sowie der Fundacio Joan Miro in Barcelona, des Contemporary-Art-Museums in Miami, vieler deutscher Privatsammler wie auch Teil namhafter US-amerikanischer Sammlungen wie der Tommy Hilfiger Collection in Miami.
Sein ureigener Kosmos von Bildpanoramen, die Ikonen aus Hollywood, Comics und Luxuskonsumgüter gleichzeitig verschmelzen lassen wie konfrontieren, gefällt Sammlern in Deutschland und den USA. Meyers Kunst wird dabei jedoch völlig unterschiedlich begriffen. Viele Gespräche mit Künstlerkollegen wie Robert Rauschenberg, John Chamberlain oder Mel Ramos, mit dem Meyer eng befreundet war, haben ihn das gelehrt, erzählt Heiner Meyer.
"Sie sagten, was ich mache, sei typisch deutsch, denn die amerikanische Pop-Art übernimmt die Produkte des Konsums für die Kunst, während ich Erzählungen durch verschiedene Ebenen suche." Meyer treibt seine Erzählkunst dabei gerne auf die Spitze, indem er etwa Paris Hiltons Lippen so künstlich glossig aussehen lässt, dass die Porträtierte sich tatsächlich darüber beschwert hat. Will er süße Verführung darstellen, darf der Zucker bis zur Schmerzgrenze zwischen den Zähnen knirschen. Natürlich stellt er Fragen in den Raum, wie jene, warum es Usus ist, wunderschöne Frauen im Photoshop bearbeiten zu müssen. Doch soll seine Kunst Spaß machen, wie er sagt: "Ich muss nicht ins Museum gehen, um zu sehen, wie schlecht die Welt ist. Die Rolle eines Chronisten, wie Goya es war, haben längst die Medien übernommen. Ich will niemanden belehren, aber Denkanstöße geben. Meine Bilder dürfen gute Laune machen, und dann stellt man sich vielleicht ja doch die Frage, wie viel einem Luxus wert ist oder eine Freundschaft."
Selbst hat er Spaß daran, Fährten zu legen, den Betrachter mit einem Detail wie dem Stöckelschuh oder dem Sportwagen einzufangen, um ihn beim Verweilen mit überraschenden Assoziationen zu konfrontieren. "Es ist heute ohnehin schwierig, jemanden eine Minute vor einem Bild zu halten. Die meisten Menschen sind länger im Museumsshop als in einer Ausstellung, weil es wichtiger ist, zu beweisen, dass man da war, als was man gesehen hat", stellt er belustigt fest.
Lustvolle Spurensuche
Dabei lohnt sich die Spurensuche: Ein Bild zeigt Pralinen. Ist dahinter Pralinenpapier oder eine Skulptur von Max Bill, die wiederum an einen typischen Audrey-Hepburn-Hut erinnert? Die Titel von Heiner Meyers Werken geben Orientierung, meistens will der Künstler den Betrachter dadurch aber nicht einschränken und mag es, vage zu bleiben.
Deutlich wird Heiner Meyer beim Rundgang durch seine Ausstellung. Von einer Anekdote gleitet er in die nächste und offenbartpointenreiches Detailwissen. Oder wussten Sie, dass rote Schuhsohlen wie bei Louboutins berühmten High Heels bereits durch den Bruder von Ludwig XIV. am französischen Hof eingeführt wurden? Dieser Bruder sei ein Raufbold gewesen, der oftmals Blut an den Sohlen hatte, woraus das Privileg für die Adeligen entstanden sei, rote Sohlen tragen zu dürfen, weiß Meyer. Und dann ist da noch Caravaggio, dem seine grandiose Kunst einst eine Begnadigung trotz Todesurteil einbrachte. Und da sind Meyers Bilder, jedes voll von Dutzenden Geschichten.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 33/2023.