Sehnsüchtig hofften Spaniens Bauern nach zwei langen Dürrejahren auf Regen. Monatelang fiel kein einziger Tropfen und plötzlich regnete es Ende Mai in einigen Regionen wie aus Kübeln. Spaniens leeren Stauseen füllten sich ein wenig. Für die Bauern war es aber keine Erlösung. Ganz im Gegenteil: Die Stürme, Unwetter, Überschwemmungen und sintflutartigen Regenfälle, die bis Anfang Juni andauerten, machten teilweise alles nur noch schlimmer. In der Extremadura im Valle del Jerte, Spaniens größtem Kirschenanbaugebiet, gingen 80 Prozent der Ernte verloren. In der Mittelmeerregion Murcia zerstörten der Starkregen und Hagel fast 30 Prozent der Wassermelonen, in Cádiz gingen 25 Prozent der Weintraubenernte wortwörtlich unter.
Das Problem bleibt: Spanien trocknet wie kaum ein anderes Land in Europa regelrecht aus. Nach zwei Dürresommern hat es auch im Herbst und Winter kaum geregnet. In einigen Regionen fielen zuletzt vor 170 Tagen nennenswerte Niederschläge. Viele Stauseen in Spanien sind nur noch zu 30 Prozent gefüllt. Um die Trinkwasserqualität zu gewährleisten, mussten bereits Millionen Fische getötet werden. Manche Seen sind mit zehn Prozent bereits hydrologisch tot oder bereits vollkommen ausgetrocknet.
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Historische Extrem-Dürren
Die Ruine der alten Dorfkirche von Sant Romà de Sau in Katalonien ist seit Wochen eine der beliebtesten Touristenattraktionen Spaniens. Nicht dass sie besonders schön oder alt wäre. Die Schaulustigen kommen wegen ihrer nahezu apokalyptischen Umgebung und der Tatsache, dass die Kirche seit 1962 nicht mehr besucht werden konnte, weil sie tief auf Grund eines Sees lag.
Damals wurde das gesamte Dorf für die Errichtung eines Stausees geflutet, der in den vergangenen Monaten jedoch 90 Prozent seines Wasser verloren hat. Die Kirche im äußersten Nordosten des Landes ist das traurige Symbol einer nicht enden wollenden Dürre in Spanien. Tatsächlich ist es laut dem spanischen Wetterdienst Aemet die längste Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen vor mehr als 100 Jahren.
Hunderte Gemeinden führten schon die ersten Wassereinschränkungen für die Bevölkerung ein. Dabei hat der Sommer noch nicht einmal begonnen. Private Pools dürfen sowieso nicht mehr gefüllt, Gärten nur noch zweimal pro Woche gegossen werden. Besonders schlimm sind die Folge der aktuellen Dürre aber für Spaniens Landwirte. "Wenn es nicht bald regnet, kann ich die Ernte in diesem Jahr komplett abschreiben", versichert Francisco Miguel García. Der Gemüsebauer aus dem südspanischen El Ejido bei Almería ist besorgt. Die Erde in seinem Gewächshaus ist staubtrocken und der Hochsommer kommt erst noch. Seine 27.000 Paprika-Pflanzen brauchen dringend Wasser. Aber Spanien trocknet aus. "Wir wurden angehalten, noch sparsamer als sonst mit dem Wasser umzugehen", erklärt der 36-jährige Bauer. Die Hoffnung auf baldigen Regen ist eher eine Illusion. Mehr noch: Klimaexperten sagen historische Extrem-Dürren für die beiden kommenden Sommer voraus. Der Grund: Nach sieben Jahren tritt erneut das Klimaphänomen El Niño auf.
Werden Europa und speziell der Mittelmeerraum durch den Klimawandel ohnehin schon seit Jahren stärker von hohen Temperaturen und langen Trockenheitsperioden heimgesucht als andere Weltregionen, wird El Niño dieses Phänomen noch verstärken, versichert Abel La Calle Marcos, Klimaforscher und Wasserexperte an der Universität von Almería. Er geht vor allem für die zweite Jahreshälfte und für 2024 von einer extremen Dürre und Hitzewelle in Spanien aus.
Dabei waren schon die beiden letzten Jahre die wärmsten und trockensten seit Beginn der Messungen. Im südspanischen Córdoba wurde am 14. August 2021 ein Hitzerekord von sage und schreibe 47,6 Grad gemessen. 5.876 Spanier starben vergangenes Jahr an den Folgen der hohen Temperaturen. 51 Waldbrände vernichteten rund 300.000 Hektar. Das Vierfache des Durchschnitts der letzten zehn Jahre.
Und in diesem Sommer soll es noch schlimmer werden. Ruben del Campo vom spanischen Wetterdienst sagt, dass die Temperaturen im Frühsommer in einigen Regionen rund 15 Grad über den normalen Durchschnittswerten lagen. Ende April verzeichnete Córdoba einen neuen Monatsrekord von 38,8 Grad.
Gigantische Gewächshausanlagen
Aufgrund einer nur langsam abnehmenden extremen Hitzewelle hat Spanien sein Hitzepräventionsprotokoll um eineinhalb Monate auf Mitte Mai vorgezogen. Die Waldbrandgefahr ist seit Tagen schon auf "extrem" hochgestuft. Seit Anfang des Jahres brannten mehr als 50.000 Hektar ab, mehr als die Hälfte aller Waldbrände in Europa. Laut Jan van der Blom vom Obstund Gemüseerzeugerverbund Coexphal in El Ejido ein "echtes Horrorszenario", das auch schon bald in den österreichischen Supermärkten zu spüren sein wird. Denn Spanien und speziell die südspanische Region Almería gelten als Europas Gemüsegarten schlechthin.
Vor allem im Winter machen die Waren aus Almería fast 40 Prozent der Obst-und Gemüseprodukte in europäischen Supermärkten aus. Auch für Österreich ist Spanien der größte und wichtigste Gemüse- und Obstlieferant. Für rund 137,5 Millionen Euro führte Österreich im vergangenen Jahr Gemüse aus Spanien ein.
Dank gigantischer Gewächshausanlagen versorgen die knapp 11.000 Gemüsebauern aus der Mittelmeerregion Almería Europa das ganze Jahr über mit Gurken, Tomaten, Paprika, Wassermelonen, Zucchini und Melanzani. Unter dem sogenannten "Plastikmeer" zwischen El Ejido und Níjar werden fast 80 Prozent aller spanischen Gemüse-und Obstexporte produziert, knapp 2,6 Millionen Tonnen im Jahr, erklärt Jan van der Blom vom lokalen Gemüseerzeugerverband.
Geerntet wird dank der 320 Sonnentage und ganzjährig warmer Temperaturen bis zu drei Mal im Jahr. Die Fläche der 24.000 Gewächshäuser ist mit 330 Quadratkilometern fast so groß wie Wien und entspricht rund 50.000 Fußballfeldern. Einbrüche in der Produktion oder gar ein Totalausfall der Ernten in dieser Region würden nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa zu halbleeren Supermarktregalen und extremen Preissteigerungen bei Gemüse und Obst führen, versichert Jan van der Blom.
Und so dürfte es auch kommen. Aufgrund des aktuellen Wassermangels nahm die Produktion in den ersten zwei Monaten des Jahres im Vergleich zum Vorjahr bereits enorm ab: Es wurden 22 Prozent weniger Tomaten gepflückt, 21 Prozent weniger Gurken und 25 Prozent weniger Melanzani. Spaniens Zitrusfrüchte-Bauern sprechen bei Zitronen und Orangen von Ernteausfällen von mehr als 40 Prozent. Bei den wasserintensiven Avocados und Mangos in der Region Granada an der Costa Tropical sieht es angeblich noch schlimmer aus. Die Dürre betrifft auch stark den Getreidesektor. Der Landwirtschaftsverband COAG spricht von Ernteverlusten bei Weizen und Gerste von bis zu 60 Prozent. 3,5 Millionen Hektar vor allem im Landesinneren in den Getreideregionen Kastiliens und Aragoniens sind betroffen.
Selbst die gegen Andalusiens Hitze und Trockenheit resistenten Olivenbäume verschrumpeln. Das bekommen die Konsumenten in Österreich in den Supermärkten bereits längst mit enormen Preissteigerungen für Oliven und Olivenöl zu spüren. Und das ist nur der Anfang.
Für die spanischen Landwirte geht es unterdessen ums pure Überleben. Laut der andalusischen Landesregierung in Sevilla bedroht der Wassermangel 25 Prozent der regionalen Wirtschaftsleistung. Allein in der Region Almería arbeiten 60.000 Personen in der Gemüseproduktion.
"Das Wasser ist unsere Existenzgrundlage. Wir unternehmen wirklich alles Mögliche, um damit sparsam umzugehen", versichert Manuel García Quero vom Wasserkontrollrat der Bauerngemeinschaft JCUA-PA. Damit sich vor allem das abnehmende Grundwasser erholen kann, setzt sich sein Verband aktiv für den Bau von Meerwasser-Entsalzungsanlagen ein. "Unser Ziel ist es, dass das aus dem Meer gewonnene Wasser bis 2027 rund 60 Prozent unserer Wasserquellen für die Bewässerung der Felder ausmacht", so García Quero. Heuer sind es rund 30 Prozent.
Hightech stößt an Grenzen
Almerías Gemüsebauern würden wirklich sehr sparsam mit dem Wasser umgehen. Die meisten verfügten zudem über modernste unterirdische Tropfenbewässerungsanlagen, mit denen im Vergleich zu früheren Anlagen fast 70 Prozent des Wasserkonsums eingespart werden könnte, erklärt auch Jan van der Blom vom Obstund Gemüseerzeugerverbund Coexphal.
In einer Region, in der es durchschnittlich nur 200 mm pro Quadratmeter im Jahr regnet, kommen mit der aktuellen Extrem-Trockenheit aber selbst nachhaltigste Hightech-Gewächshäuser an ihre Grenzen. Zumal das Dürreproblem auch hausgemacht sei, sagt Wasserexperte Abel La Calle Marcos von der Universität Almería: "Neben der Erderwärmung trocknet auch der intensive Anbau selbst die Erde aus." Die landwirtschaftlichen Monokulturen mit einer Überausbeutung von 200 Prozent der natürlichen Wasservorräte würden die durch den Klimawandel einsetzende Wüstenbildung von Europas Gemüsegarten noch beschleunigen. "Das Problem ist die große Anzahl von Gewächshäusern", so La Calle Marcos.
In den vergangenen Jahren wurde dem Boden einfach zu viel Grundwasser entnommen, erklärt der Wasserexperte. Gleichzeitig regnete es zu wenig. Durch den Rückgang des Grundwasserpegels dringt bereits nach und nach salziges Meerwasser ins küstennahe Grundwasser ein, das für die Gewächshäuser benutzt wird, die sich zwischen Níjar und El Ejido bis an die Strände hinunterziehen. Zu salziges Grundwasser ist neben der allgemeinen Wasserknappheit also die größte Gefahr für Europas Gemüsegarten.
An kaum einen Ort ist die fortschreitende Desertifikation stärker zu sehen als hier in Almería. Nur wenige Kilometer von den Gewächshäusern entfernt, breitet sich unaufhaltsam das Desierto de Tabernas aus, Europas einzige Halbwüste. Doch sieht Wasserexperte La Calle Marcos auch ein Problem mit den geplanten Entsalzungsanlagen: Die Aufarbeitung vom Meerwasser ist immer noch mit relativ hohen Energiekosten verbunden.
So forschen Wissenschafter in der Region an verschiedensten Lösungen dafür. In der Tabernas-Halbwüste arbeitet Guillermo Zaragoza auf dem Gelände der Solarforschungsanlage Plataforma Solar de Almería nach umweltfreundlichen Entsalzungsanlagen, die Meerwasser mit Sonnenenergie erhitzen. Dabei durchdringt der erzeugte Meerwasserdampf eine Membran, die Salz und schädliche Spurenelemente zurückhält. Unterdessen entwickeln Wissenschafter wie José Luis Casas López an der Universität Almería photokatalytische Verfahren mit Mikroalgen, mit denen Abwässer gereinigt und für die Gemüsebewässerung aufbereitet werden.
Seit Jahren fordern Andalusiens Landwirte aber auch eine Umleitung der Wasservorkommen aus dem feuchteren Norden in den trockenen Süden. Doch der Klimawandel scheint diese Debatte nun überflüssig zu machen. Der politische Kampf ums Wasser ist in Spanien längst entbrannt. Das zeigt auch der jüngste Streit zwischen der linkssozialistischen Zentralregierung in Madrid und der konservativen Regionalregierung von Juanma Moreno in Sevilla um den andalusischen Nationalpark Coto de Doñana.
Das mehr als 122.000 Hektar große Feuchtgebiet an der südspanischen Atlantikküste gehört zu den wichtigsten Naturschutzgebieten Europas. Die Lagunen dienen zudem Millionen von Zugvögeln auf ihrem Weg zwischen Europa und Afrika als Rastplatz. Das Gebiet rund um den Nationalpark ist aber auch der Wirtschaftsmotor der strukturschwachen Region Huelva. Hier wird ein Großteil von Europas Erdbeeren, Himbeeren und Heidelbeeren angebaut.
Illegale Tiefbrunnen
Schon seit Jahren bedroht der wasserintensive Beerenanbau das Feuchtgebiet. Die rund 9.400 Hektar großen Erdbeerfelder verbrauchen Unmengen an Wasser. 2014 verbot die damalige sozialistische Regionalregierung einen weiteren Ausbau der Anbauflächen. Durchgesetzt wurde das Verbot aber nicht.
Mehr noch: Laut der Umweltschutzorganisation WWF wurden in den vergangenen Jahren sogar noch bis zu 1.000 neue illegale Tiefbrunnen für die Bewässerung der Erdbeerenfelder angelegt - mit katastrophalen Folgen für das Feuchtgebiet, das aufgrund des Klimawandels ohnehin schon seit Jahren vom Austrocknen bedroht ist. Ein Problem, das aber nicht nur in Doñana existiert. Allein in der Provinz Málaga wurden in den vergangenen Jahren mehr als 3.000 illegale Brunnen von der Polizei entdeckt, die Bauern für die Bewässerung der Mango-und Avocado-Plantagen aushoben.
Die Beeren-Erzeuger aus Huelva und Andalusiens konservativer Ministerpräsident Juanma Moreno sehen die Schuld für den Wassermangel aber nicht nur im Klimawandel und bei der Landwirtschaft, sondern vielmehr im Fehlverhalten der sozialistischen Zentralregierung. Diese habe niemals die versprochenen Wasserkanäle ausgebaut, die das Wasser aus anderen Regionen Spaniens nach Huelva bringen sollten.
Spaniens Umweltschützer und Wissenschafter schlugen Alarm. Ministerpräsident Pedro Sánchez tobte, die Europäische Union droht sogar mit Sanktionen. Dennoch hält die konservative Regionalregierung in Sevilla an ihrem Plan fest, die Bewässerung von Gemüseplantagen rund um den Nationalpark Doñana auszuweiten.
Der Grund: Nach den landesweiten Gemeindewahlen und zwölf Regionalwahlen Ende Mai finden nun am 23. Juli vorgezogene Parlamentswahlen statt. Das Wasserproblem ist längst zum Wahlkampfthema geworden. Und vor allem Andalusiens starke Bauernlobby weiß das zu nutzen. So verspricht die konservative Regionalregierung sogar, die 1.000 illegalen Grundwasserbrunnen und mehr als 1.000 Hektar illegales Bewässerungsgebiet zu legalisieren.
Milliardenhilfe aus Brüssel
Teresa Ribera, Spaniens sozialistische Ministerin für den Ökologischen Wandel, kündigt das Gegenteil an. Sie wolle bis 2025 sämtliche nicht genehmigten Brunnen um Doñana verschließen lassen. Außerdem werde ihre Regierung 100 Millionen Euro bereitstellen, um Agrarland am Naturschutzgebiet aufzukaufen und stillzulegen - sollten die Sozialisten am 23. Juli nicht aus der Macht vertrieben werden.
Unterdessen beantragte die spanische Regierung in Brüssel EU-Notfallhilfen für die von der Dürre betroffene Landwirtschaft und versprach den Bauern Steuererleichterungen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Die EU-Hilfen sind gesichert. Brüssel will nicht Europas Gemüsegarten vertrocknen lassen. Die Verbände der Landwirte bezeichneten die Hilfen jedoch als unzureichend.
Sie haben Recht: Die Hilfen sind nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Spanien braucht neue Infrastrukturen für die Wasserverteilung, vermoderte Leitungen müssten erneuert werden, mehr Entsalzungsanlagen gebaut werden. Aber vielleicht nutzt selbst all das nichts. Wasserexperte Abel La Calle Marcos spricht von einem notwenigen Mentalitätswechsel: "Vielleicht sollte ein derart vom Klimawandel bedrohtes Land wie Spanien anfangen, nicht mehr so wasserintensive Agrarprodukte wie Avocados und Erdbeeren anzubauen. Doch das Problem ist, dass Spanien immer noch Europas großer Gemüsegarten ist, und Europa hat Hunger."
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 23/2023 erschienen.