Schließen luxuriöse Reisemomente und ein reines Gewissen in puncto Umwelt einander aus? Was wünschen sich Reisende heute und wie lässt sich das mit den Zielen der Nachhaltigkeit vereinbar? Reiseexperten geben Antwort.
Eine Villa mit Pool in unberührter Natur, ein Concierge, der den Gästen rund um die Uhr die Wünsche von den Lippen abliest, und die Möglichkeit, Urlaubseindrücke zu sammeln, die den meisten anderen vorenthalten bleiben - für viele bedeutet diese Exklusivität Luxus per se. Sei es ein Tag mit Gorillas in freier Wildbahn, ein Sonnenaufgang mit Robben an der Nordsee oder eine Wanderung zum scheinbar entlegensten Ort der Welt – Erinnerungen wie diese bleiben für immer. Wobei es im hochpreisigen Reisesegment selbst bei den exotischsten Trips nicht an Komfort mangelt. Wie aber lässt sich der Wunsch nach exklusiven Reiseerlebnissen mit den Klimazielen vereinen? Ist Luxus und Nachhaltigkeit ein Widerspruch in sich? Oder geht auch die Reisebranche mit der Zeit?
Exklusive Urlaubserlebnisse
Reisen im Luxussegment verändern sich laufend. Die Nachfrage ist laut Anbietern im Vergleich zum Jahr 2019 signifikant gestiegen. Experten sprechen vom sogenannten Last Chance Tourismus. Auf die entbehrungsreichen Jahre der Corona-Pandemie folgt das Bedürfnis, etwas nachzuholen. Gleichzeitig trauen sich immer mehr Reisende aus ihrer Komfortzone heraus. Nach einem Jahr harter Arbeit will man sich mit einer unvergesslichen Reise belohnen und ist auch durchwegs bereit, sich dieses kosten zu lassen. Sparen kann man immerhin an anderer Stelle.
Lisa-Marie Reichelt ist Reisedesignerin bei "Die Luxus Reiseprofis" und weiß: "Heutzutage definiert man Luxus nicht mehr dadurch, dass goldene Kerzenständer im Wohnzimmer stehen oder man drei Butler zur Verfügung hat. Vielmehr spielt Privatsphäre eine große Rolle, ebenso wie die Möglichkeit, vor Ort möglichst viele authentische Erlebnisse zu haben." Zu Letzterem zähle auch der Kontakt zur Umgebung und den Einheimischen.
Als Beispiel nennt die Reiseexpertin die große Nachfrage nach Gorilla-Trekkings in Uganda. Die Anzahl an Reisenden, die die Gorillas in ihrem natürlichen Habitat besuchen dürfen, ist begrenzt. Immerhin sollen die Tiere nicht gestört werden. Häufig ist eine weite Wanderung notwendig, um eine Sichtung zu machen. Die Camps im Wald sind nur sporadisch ausgestattet. Allesamt kein Grund, die Reise nicht anzutreten, sind derartige Erlebnisse für viele Urlauber doch der eigentliche Luxus.
Die durch die Gorilla-Trekkings lukrierten Einnahmen fließen laut Lisa-Marie Reichelt zu einem großen Teil in die Erhaltung und den Schutz der Spezies. Nachhaltigkeit geht hier Hand in Hand mit dem Angebot.
Die wenigsten Urlauber fragen allerdings gezielt nach nachhaltigen Angeboten, wie Reichelt weiß: "Wir bieten den Kunden nachhaltige Möglichkeiten an und informieren sie über den Impact herkömmlicher Reisen. Viele sind dann sehr offen für nachhaltige Angebote. In Fällen wie dem Gorilla-Trekking ergibt sich das automatisch. Die Leute wollen etwas erleben. Die Zeiten des Kreuzfahrt-Tourismus sind vorbei."
Hier wird Nachhaltigkeit großgeschrieben
Ähnlich sieht es Tourismusexperte Harald A. Friedl, dem zufolge der Kreuzfahrt-Tourismus gegen die meisten Prinzipien der Nachhaltigkeit verstoße. Sowohl aus ökonomischer als auch ökologischer Sicht sei er "ein Wahnsinn". Der an der FH Joanneum lehrende Professor für "Ethik und Nachhaltigkeit im Tourismus" kann einen Trend zu bewusstem nachhaltigen Luxustourismus kaum erkennen, gibt aber zu bedenken: "Nachhaltige Reiseprodukte sind tendenziell eher Luxusprodukte, weil die Umsetzung häufig teurer ist. Für viele Luxus-Resorts ist es inzwischen selbstverständlich, gewisse Nachhaltigkeitsziele zu erfüllen, ohne dass sie speziell damit werben."
Als positives Beispiel nennt Friedl den Klimaberg am Katschberg. Dort haben sich die Hoteliers gemeinsam dazu entschieden, die Natur zu schützen und bis 2030 CO2-neutral zu werden. Um diesen Zielen gerecht zu werden, wurden die Unterkünfte entsprechend umgerüstet. Ein Großteil der Hotels bewegt sich im Luxusbereich.
Auch das Wiener Boutiquehotel Stadthalle wird von Hotelierin Michaela Reitterer nachhaltig geführt. Dazu gehört für sie nicht nur, dass die Unterkunft gänzlich begrünt wurde, klimaneutral ist und den benötigten Strom autark produziert, sondern auch, dass die Mitarbeiter vom Gästebuffet nehmen dürfen. Diese soziale Komponente wird bei der Diskussion rund um Nachhaltigkeit gerne vergessen, ist aber essenziell. Dazu Friedl: "Wer gut zu seinen Mitarbeitern ist, hat keinen Fachkräftemangel. Und wer seinen Strom selbst produziert, hat kein Problem mit Krisen."
Die Hotelkette Banyan Tree mit ihren Niederlassungen in China, Indonesien, Malaysien, Mexiko, Thailand, Vietnam, Marokko sowie auf den Malediven ist ein Paradebeispiel für nachhaltigen Tourismus: Obst und Gemüse werden mit Hilfe einheimischer Bauern in der hauseigenen Anlage angebaut, Brot und Gebäck in der hoteleigenen Bäckerei gebacken. Das Mehl hierfür wird aus der wenige Kilometer entfernten Mühle bezogen. 95 bis 98 Prozent der benötigten Lebensmittel kommen aus dem direkten Umkreis der Resorts. Die Mitarbeiter stammen aus der Umgebung. Auf diese Weise schafft der Arbeitgeber Arbeitsplätze und stärkt die lokale Wirtschaft.
Der neue Standard
Aber genügt das? Laut Reisedesignerin Lisa-Marie Reichelt werden heutzutage kaum mehr Resorts oder Luxushotels gebaut, die den benötigen Strom nicht selbst generieren, ihr Wasser nicht selbst reinigen oder sogar über eine eigene Wasserproduktionsanlage verfügen. Eine der Hotelketten, die hierauf besonders großen Wert legen, sind laut Reichelt die Luxushotels von Six Senses. Man findet sie in Kitzbühel, in Belize, Frankreich, Thailand, Vietnam, Bhutan ebenso wie auf den Malediven oder den Fiji-Inseln. Auch hier wird nicht aktiv mit dem Nachhaltigkeitsfaktor geworben. Das Zugeständnis an die Umwelt ist für die Hotelkette selbstverständlich, eine Randnotiz auf der Website, die man fast schon suchen muss.
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Der Großteil der Luxus-Hotels auf den Malediven spendet inzwischen einen Teil der Einnahmen für die Erhaltung oder Rettung von Mantas oder Schildkröten und das Pflanzen von Bäumen. Die Zeiten, in denen Luxusresorts für die Errichtung von Unterkünften Wälder oder Dschungel roden, sind großteils vorbei. Nicht zwingend wegen der dramatischen Folgen für die Umwelt, sondern weil man realisiert hat, dass die Natur der Destination erst ihren besonderen Zauber verleiht. Und mit dem Zauber kommen schließlich auch die Gäste.
Dazu Friedl: "Der Wörthersee ist ein super Beispiel dafür, dass es manchmal zuerst Schmerz braucht, um weiterzudenken. Jahrzehntelang haben die Gemeinden die Abwässer in den See geleitet, bis dieser in den 70er Jahren kippte. Es entstand die Wörtherseekrankheit, der Tourismus brach zusammen." Daraufhin wurde in Kärnten eine Ringkanalisation geplant und umgesetzt und der See wieder zu einem attraktiven Reiseziel.
Nachhaltigkeit und Luxus
Heute schicken viele Resorts - besonders in Asien, im indischen Ozean und in Afrika - mit jeder Buchung Geld in die Natur. Sie haben verstanden, dass die Besucher wegen der Tier- und Pflanzenwelt zu ihnen kommen. Reichelt sieht darin eine wirtschaftliche Entwicklung: "Die Gäste wünschen sich, ganz nah an der Natur dran zu sein und von Guides begleitet zu werden, die vor Ort aufgewachsen sind und jeden Winkel kennen. Dafür geben sie gerne Geld aus, auch wenn es nicht an allen Ecken und Enden glänzt und blitzt." So gesehen schließen sich Luxus und Nachhaltigkeit keineswegs aus.
Das bestätigt auch eine Studie aus dem Jahr 2014. Luxusreisen und Nachhaltigkeit können Hand in Hand gehen - vorausgesetzt, es werde auf gewisse Praktiken, die sehr energieintensiv sind, verzichtet. "Wenn man im Nationalpark Quadfahren will, Heliskiing fahren oder auf Abruf eine Yacht haben möchte, dann kann das nicht nachhaltig sein. Da muss man sich nichts vormachen", betont Nachhaltigkeitsexperte Friedl, dem zufolge die Anreise in puncto Umweltbelastung häufig das größte - wenn auch vermeidbare - Problem ist. Wer die Emissionen für die Anreise in Kauf nehme, sollte auf Kurztrips verzichten und sich stattdessen die Zeit nehmen, das Land kennenzulernen, so der Experte.
Wobei es in manchen Ländern schwerer sei, auf Nachhaltigkeit zu achten, als in anderen, wie Reichelt weiß: "Nicht jede Luxusreise kann nachhaltig gestaltet werden. Wir finden nicht immer passende Angebote. Besonders schwierig ist dies in den USA und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es kommt auf die Landesmentalität an. Ein mehrstöckiges Glashotel greift in Umwelt und Natur weit mehr ein als eine aus nachhaltigen Materialien gebaute Hütte am Strand in Asien." So stellt die Bauweise der Unterkunft einen weiteren wichtigen Nachhaltigkeitsaspekt dar. Darüber hinaus besteht natürlich die Gefahr, dass sich ein Anbieter zu Unrecht Nachhaltigkeit auf die Fahnen heftet.
Wobei Harald A. Friedl das Thema Greenwashing nicht ganz so kritisch sieht: "Mir persönlich sind Firmen, die Greenwashing betreiben, lieber als andere, die komplett auf Nachhaltigkeit pfeifen. Sie sind sich zumindest des Problems bewusst und wissen, was sie machen müssten. Trotzdem: Finger weg von Kreuzfahrtschiffen!" In welche Richtung der Individualtourismus in den nächsten Jahren gehen wird, darauf hat Reichelt eine klare Antwort: "Die Nachfrage nach Unterkünften mit möglichst viel Privatsphäre steigt. Viele wünschen sich auszubrechen und bei einer maßgeschneiderten Reise exklusive Momente und Abenteuer zu erleben. Dieser Wunsch wird weiter wachsen."