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Seit 52 Jahren gibt es in Österreich ein Umweltministerium. 33 Jahre davon – von 1987 bis 2020 – wurde es von Politikerinnen und Politikern der ÖVP geführt. Anfangs war es im Verbund mit dem Ministerium für Jugend und Familie von 2000 bis 2020 nicht mehr als ein Anhängsel des Landwirtschaftsministeriums. Die vier Minister und die eine Ministerin in dieser Zeit waren stets aufrechte Mitglieder des ÖVP-Bauernbunds (aber deswegen nicht Vertreter aller Bäuerinnen und Bauern). Die Gewichtung ihrer Interessen war jedenfalls klar.
Lange konnte man schwarzen Umweltministern eine gewisse Wurschtigkeit oder sogar Ignoranz vorwerfen, was den Klimawandel und seine Auswirkungen betrifft. Es ist wenig für den Klimaschutz passiert, und man hat tunlichst wenig darüber geredet. Oder ein bisschen Kosmetik als großen Wurf verkauft.
Seit die ÖVP das nunmehrige Klimaministerium nicht mehr führt, tritt sie viel lauter auf. Im Lager der Zweifler, Relativierer und Blockierer nämlich. Das kleine Österreich sei doch ohnehin nur für 0,2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich, aber die Chinesen, die pulvern viel mehr in die Luft, wird gerne erklärt. Pro Kopf gerechnet sieht das Bild anders aus: Der Durchschnittsösterreicher verursacht mehr Emissionen als ein Mensch in China. Des Weiteren im Programm: Zweifel an der Elektromobilität oder neuerdings: „Europa muss Weltmarktführer bei den Verbrennern werden.“ Oder ein Nein zum Renaturierungsgesetz der EU, obwohl sich Wissenschaftler einig sind, dass dieses ein wichtiger Schritt für den Klimaschutz wäre.
Die ÖVP springt (nicht nur beim Klima) auf den Populismus-Zug auf. In diesem hält aber meist schon die FPÖ alle Plätze besetzt. Wer am Klimawandel zweifelt und die Erkenntnisse jahrzehntelanger Forschung nicht wahrhaben will, ist längst bei den Blauen. Die zweifeln ohne Wenn und Aber. Die ÖVP aus Wahlkampfgründen und weil sie Partikularinteressen – des Wirtschafts- und des Bauernbundes – über alles stellt.
Eindeutige Aussagen der Wissenschaft? Ein Appell namhafter Forscherinnen und Forscher, das Nein zum Renaturierungsgesetz zu überdenken? Der Bundeskanzler tut das ab und rückt sie ins Klimaaktivisteneck. Da kann der Wissenschaftsminister noch so viele Kampagnen gegen die Wissenschaftsskepsis im Lande starten. Was sollen sie bringen, wenn der Oberskeptiker in den eigenen Reihen ganz vorne steht? Und ja, einige Klimawissenschaftlerinnen und -wissenschaftler engagieren sich, z. B. bei Scientists for Future. Das kann man kritisch sehen. Aber auch den Frust nachvollziehen, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse und Mahnungen seit Jahrzehnten verhallen.
Wirksame Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele sind für viele Menschen auch eine Zumutung. Und sie übersteigen, solange sie noch nicht da sind, unsere Vorstellungskraft. Aufgabe der Politik ist es, zu erklären und Verständnis zu suchen. Man kann diese Ablehnung aber auch im Wahlkampf weiter bewirtschaften, in der Hoffnung, Stimmen zu holen. „Klimapolitik mit Hausverstand“ fordert die ÖVP im laufenden EU-Wahlkampf. Man fragt sich, wen sie da eigentlich zur Wahl empfiehlt. Sie selbst kann es mit ihrer Agenda nicht sein.
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