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Zu diesem Ergebnis kommt ein Team um den Kirchenhistoriker Hubert Wolf aus Münster, das seit März 2020 Zugang zu den vatikanischen Archiven hat - auch zum Privatarchiv von Pius XII.. Der Italiener, der früher als Vatikan-Botschafter in Deutschland tätig war, wurde 1939 kurz vor Kriegsbeginn zum Papst gewählt und blieb es bis zu seinem Tod 1958. Seine Rolle in der NS-Zeit ist umstritten.
Wolf hält sich mit einer Wertung zurück, weil das Projekt unter dem Titel "Asking the Pope for Help" ("Den Papst um Hilfe bitten") längst noch nicht abgeschlossen ist. Auf die Frage, wie vielen Juden Pius XII. tatsächlich geholfen habe, sagte der Professor: "Ich habe den Eindruck, dass der Vatikan in einer größeren Zahl von Fällen versucht hat, zu helfen." Auf eine genauere Zahl oder auch nur eine Schätzung wollte er sich nicht festlegen. In der Nazi-Zeit wurden sechs Millionen Juden ermordet.
Wolf verwies darauf, dass der Papst "sehr abhängig" von seinen Mitarbeitern gewesen sei. In seiner Umgebung habe es Judenfreunde und Judenhasser gegeben. Pius XII. selbst sei sicher "kein Rasse-Antisemit" gewesen. Etwa seit den 1960er-Jahren werfen viele dem Pontifex vor, zum Holocaust geschwiegen und damit versagt zu haben. Darum geht es auch im Drama "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth. Es gibt aber auch Historiker, die ihn in Schutz nehmen.
Der Studie zufolge baten während der NS-Zeit insgesamt 15.000 Juden aus ganz Europa um Hilfe. Die Schreiben - 17.400 Seiten - waren in mehr als 1.000 Schachteln in sechs Archiven verteilt. Darunter sind nach Wolfs Angaben allgemeine Aufforderungen, dass Pius XII. gegen den Holocaust eintreten solle, aber auch Bitten um Pässe, Visa, Geld oder Hilfe bei der Suche nach Freunden und Verwandten.
Die Forscher entdeckten auch 864 Briefe in deutscher Sprache - viele davon im Privatarchiv des Papstes, das erst seit vergangenem Jahr zugänglich ist. Die Aktenbestände des Kirchenstaats aus der damaligen Zeit waren lange geheim. Erst der heutige Papst Franziskus ließ sie vor fünf Jahren für die Wissenschaft öffnen.
WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/Public Domain