Bilder wie von Rembrandt, eine Symphonie wie von Beethoven. Künstliche Intelligenz (KI) kann malen, komponieren und musizieren. KI-Programme wie Midjourney (Chat GPT für Bilder) machen das möglich.
von
Das blaue Haar der Dame senkt sich auf das Haupt des Pudels. Ihr blasser Teint entspricht dem hellen Hundegesicht. Das Fell auf seinen Ohren gleicht dem Schwung der Frisur seiner Halterin. Seine noble Gestalt hält das Tier gerade, die bernsteinfarbenen Augen blicken stolz, so, als ob es für ein Porträt posiert. Doch weder Frau noch Hund haben sich für ihr Abbild zur Schau gestellt. Denn es gibt sie gar nicht in der wirklichen Welt. Frau und Hund sind Datenmengen, Pixel, die Künstliche Intelligenz (KI) zum Bild gefügt hat.
Das Erzeugnis trägt den Titel "Ein wunderschöner Hund" und ist eines von Hunderten, die der Kommunikations-Designer Philipp Pieh-Sandbeck und der Software-Engineer Klaus Kränkl mittels KI generierten. Eine Auswahl davon präsentierten sie drei Tag lang in der Ausstellung "Künstlerische Intelligenz" in der Galerie "Ministry for Artists" im 20. Wiener Bezirk. Pieh-Sandbeck entwirft mit seinem Team von "Gebrüder Pixel" Logos für Firmen und Veranstaltungen. Vor ein paar Jahren wurde das Phänomen KI für ihn zur Option. "Wir fragten uns, wie wir KI für die Industrie nutzen könnten", erklärt er den Ausgangspunkt seiner Unternehmung. Vergangenen Sommer lernte er das KI-Programm Midjourneykennen. Das kann tatsächlich Bilder erschaffen. Voraussetzung ist, dass man sie richtig trainiert, so nennt man den Umgang mit der KI.
So trainiert die KI
Auf den ersten Blick erscheint das Training der KI ganz einfach. "Sie 'sieht' sich Bilder an, genauso wie Sie es auch als Mensch tun. Sie analysiert Motive, Farben, Formen, Belichtung, Komposition, Schärfentiefe, Maltechnik", erklärt Pieh-Sandpeck. Diese Bilder speichert die KI jedoch nicht eins zu ein ab, sondern merkt sich Elemente. Die ordnet sie bestimmten Begriffen, Prompts genannt, zu und speichert diese als Pixel ab. Um ein Bild mit dieser KI zu erzeugen, gibt man in das Programm Prompts ein. Daraus erzeugt die KI dann ein Bild. "Wenn die KI Tausende von Bildern gesehen und als Pixel abgespeichert hat, weiß sie, welche Anordnung von Pixeln die Menschen als Bub, als Frau oder als Hund wahrnehmen", erklärt Pieh-Sandpeck.
Die KI gehe dabei ähnlich vor, wie wir Menschen auch, wenn wir ein bekanntes Kunstwerk selbst nachmalen. "Wenn Sie die Mona Lisa nachmalen sollen, dann nehmen Sie auch nicht das Original aus dem Louvre mit und kopieren es, sondern Sie versuchen, es nach Ihren Möglichkeiten und Erinnerungen 'nachzumalen'. Sehr ähnlich funktioniert die KI."
Das Problem ist, dass die KI kein eigenes Vorstellungsvermögen hat. Sie kann nur wiedergeben, was sie gesehen hat, das heißt, was ihr der Mensch zur Verfügung gestellt hat. Eine KI weiß nichts von menschlicher Anatomie. So kann es immer wieder vorkommen, dass sie Menschen mit sieben Fingern zeichnet. Diese Fehler könne man durch ständiges Verbessern der KI-generierten Bilder korrigieren. Denn das Programm erlaubt es, mit der KI zu kommunizieren, bis das gewünschte Ergebnis erreicht ist.
KI 2041: Zehn Zukunftsvisionen. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Wirtschaftsbuchpreis 2022!
Künstliche Intelligenz verstehen: Der praktische Einstieg ins Fachgebiet KI – Ausprobieren und Weiterprogrammieren, mit Übungen und Glossar
KI alias Rembrandt
Die Methode, mit KI Bilder zu erzeugen, ist nicht ganz neu. Bereits 2018 verblüffte das französische Kreativkollektiv Obvious um Pierre Fautrel mit einem KI-generierten Bild den Kunstmarkt. Es zeigt das Bildnis eines Mannes namens Edmond Belamy. Seine Züge sind verwischt. Auf den ersten Blick könnte das Porträt aus der Werkstatt eines der Alten niederländischen Meister, gar von Rembrandt selbst stammen. Doch die Signatur "min G max D Ex[log(D(x))]+Ez[log(1-D(G(z)))]" verrät den wirklichen Erzeuger. Eine Künstliche Intelligenz hat es aus 15.000 Porträtbildern geschaffen. Die Idee stammt von franzöischen Kreativkollektiv Obvious um den Künstler Pierre Fautrel. Der speicherte 15.000 Porträt-Malereien in ein Computer-Programm, per Algorithmus generierte eine Ki neue Porträts. Das Team von Obvious wählte elf aus und erfand dazu den Stammbaum der Belamy-Familie. Das Auktionshaus hatte den Wert des Bildes auf höchstens 9.000 Euro geschätzt. Der Verkaufspreis belief sich schließlich auf 380.500 Euro.
Für Fautrel gab es keine Diskussion darüber, ob das Bild Kunst sei. Denn er und sein Kollektiv haben es mittels Algorithmus erzeugt, in einem goldenen Rahmen präsentiert und überhaupt die Idee gehabt, es zu schaffen. Mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit will Philipp Pieh-Sandpeck nicht die Autorenschaft für seine KI-generierten Bilder behaupten. "Man stellt sich zwangsläufig Fragen. Wem gehört das Bild? Wie ersetzbar bin ich als Designer? Wie ersetzbar als Künstler? Diese Fragen wollten wir in unserer Ausstellung auch an die Öffentlichkeit bringen", kommentiert Pieh-Sandbeck vor den Arbeiten der KI. Denn wie Fautrel hatte er diese Bilder mittels KI geschaffen. Ohne sein Zutun hätte die KI diese nicht schaffen können.
Die KI alias Beethoven
Ähnliche Fragen stellen sich auch in der Musik. Jüngstes Beispiel ist Beethovens "Zehnte", die der Meister höchst fragmentarisch skizziert hat und so nie geschrieben hätte, wie sie erst seit 2021 vorliegt. Geschaffen hat sie eine KI unter der Anleitung des österreichischen Professors für Medienkomposition und Filmmusik, Walter Werzowa. Der handelte im Auftrag eines deutschen Mobilfunkbetreibers anlässlich der Feiern zu Beethovens 250.Geburtstag anno 2020. Die Symphonie wurde bereits in Bonn und beim Carinthischen Sommer aufgeführt. Mit diesem Projekt solle die Kreativität der Menschen gefördert werden, erklärt Werzowa die Unternehmung.
Der Vorgang beim Komponieren mit KI ist ähnlich wie der beim Erzeugen von Bildern. Die Aufgabenstellung für die KI war klar. Im Stil von Beethoven solle sie dessen Zehnte Symphonie fertigstellen. Vom Original gab es 40 Skizzen. Die KI wurde mit den neun Symphonien Beethovens gespeist, daraus sollte eine weitere entstehen. Das Ergebnis mag jeder für sich beurteilen, mit dem Schöpfer des "Fidelio" und der neun Symphonien hat Werzowas Opus nur wenig zu tun: einfache Akkorde, liebliche Melodien, die friedlich fließen.
"Die KI hat mir täglich Hunderte Vorschläge für Weiterführungen gegeben. Da kommt der Mensch dazu, der auswählt, wie es weitergeht, der sich fragt, wie er diese Teile vernetzen soll, dass es ein Gesamtwerk wird", erklärt Werzowa seine Aufgabe. Daher habe er sich auch als Komponist neben Beethoven angeführt. "Die Frage war, wie setze ich zusammen, dass wir einen Weg finden, der uns überrascht, aber auch nicht zu sehr, und dennoch die Spannung hält. Und da kann uns die KI helfen und zeigen, welches Genie Beethoven war."
"Zwei Prozent der Menschen leben von ihrer Kreativität", fährt Werzowa fort. Daher möchte er mit seinem Projekt eine Zusammenarbeit zwischen Mensch und Technologie ermöglichen. "Mit einer KI, die wir entwickelt haben, könnte ich Menschen die Möglichkeit geben, ein Lied zu schreiben. Die KI kann uns helfen, kreativ zu werden, uns inspirieren, Freude an der Kreativität finden."
Noch etwas: Auch in der reproduzierenden Kunst könne man KI einsetzen, ergänzt Werzowa. Das System: ähnlich wie in der Malerei oder beim Komponieren. Man nimmt die Aufführungen eines Pianisten eines bestimmten Werks. Stellt man das Material der KI zur Verfügung, könne diese aus den gespielten Versionen eine neue generieren. Nicht einmal die aufmerksamsten Kritiker würden erkennen, dass der Pianist ersetzt wurde. "Technologie verändert viel", meint Werzowa. Nur eines kann sie nicht ersetzen, das wirkliche Erlebnis im Konzertsaal, das Verstörende, den Moment, wenn eine Klaviersonate zum Ereignis wird.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 09/2023 erschienen.
Dieser Beitrag enthält Affiliate-Links. Wenn Sie auf einen solchen klicken und über diesen einkaufen, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.