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Wie die Hamas überlebt

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Ausland - Wie die Hamas überlebt

©AFP PHOTO/Handout/Israeli Army
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34.000 Menschen, der Großteil Frauen und Kinder, starben im Gaza-Krieg. Aber die Terrorarmee der Hamas hat das sieben Monate dauernde Bombardement überlebt. – Die Gruppe ist schwer havariert, aber sie beginnt bereits, sich in ihren schwer zu bezwingenden Bunkern neu zu formieren. Extremisten feiern sie als Helden. Fachleute fürchten, die versprengten Hamas-Einheiten könnten Israel noch jahrelang gefährden.

Es ist ein einfacher Spaziergang – und doch ein vernichtender Schlag ins Gesicht der israelischen Führung. Vergangenen Mittwoch verlässt Yahya Sinwar, der Chef des militärischen Flügels der Hamas, sein Versteck in den Tunnelanlagen unter dem Gazastreifen und dreht seelenruhig seine Runden. Bei Tageslicht. Für alle sichtbar. Nach sieben Monaten Krieg gegen die Hamas ist der 62-jährige Boss der Gruppe vor Ort nicht nur unversehrt, wie auch fast der gesamte Führungskader, sondern auch unerschrocken. Dabei war und ist sein Kopf das zentrale Ziel in diesem Krieg.

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Der Führer der Hamas im Gazastreifen, Yahya Sinwar, weiß, was Israel für einen Geiselaustausch bereit ist zu tun

 © Mahmud Hams/AFP/picturedesk.com

Sinwar ist es, der den horrenden Angriff auf Israels Zivilbevölkerung vom 7. Oktober 2023 geplant und auch kommandiert hat. 1.200 Menschen kamen um, wurden qualvoll zu Tode gefoltert, in ihren Häusern und auf dem Gelände eines Musikfestivals ermordet. Dazu nahmen die Terroristen mehr als 240 Geiseln, darunter Hochbetagte und auch Säuglinge. Offiziell kommentiert Israels Regierung die in arabischen Medien veröffentlichten Berichte von Sinwars Exkursion nicht, aber es wird bestätigt, dass diese stimmen. Bislang hieß es, dass er isoliert sei, sich verschreckt in den Tiefen der Bunkeranlagen verschanze. Um sein Leben zittert. Doch die Hamas ist zwar schwer havariert, aber nach wie vor handlungsfähig. Und ihr harter Kern, vor allem Sinwar, ist frisch und munter.

Das Ende scheint fern

Am Tag nach dem Angriff erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu der Hamas den Krieg, mit dem definitiven Ziel, die Gruppe auszulöschen. "Es wird ein langer, harter Kampf." Mit diesen Worten bereitete er damals das Land auf einen der schwierigsten Kriege in seiner 76 Jahre langen Geschichte vor. Doch die Geduld schwindet, denn die Hamas-Führungsclique ist nicht nur am Ruder, sondern sie hat es auch noch fest im Griff. Die im Exil lebende politische Hamas-Führung trifft sich in Katar und Ägypten auf Augenhöhe mit den Vertretern Israels, um über eine Waffenruhe und die Zukunft der Geiseln zu verhandeln. "Ein großzügiges Angebot für einen Deal liegt bereit. Nehmt es an", flehte US-Außenminister Antony Blinken die Hamas-Bosse am Montag förmlich an.

Die Terrorarmee ist noch aktiv. Freilich: Die "alte" Hamas ist geschlagen. Bis zu 13.000 der insgesamt 40.000 Kämpfer sind laut israelischen Armeeberichten umgekommen, 19 ihrer 24 Kampfeinheiten außer Gefecht gesetzt, ihre Sicherheitskräfte, vor allem die Polizeieinheiten, aufgerieben. 70 Prozent ihrer Einrichtungen wurden zerstört. Die Hälfte der Hunderte Kilometer langen Tunnelanlagen ist vernichtet. In den noch intakten Teilen der Anlagen dürfte es den überlebenden Hamas-Kämpfern aber mittlerweile gelungen sein, sich neu aufzustellen. Sicheren Raum gibt es noch. Die Bunker und Tunnel liegen bis zu 15 Stockwerke unter der Erde, sind teilweise so groß, dass Autos durchfahren können, verfügen über Kommandozentralen und reichhaltige Lebensmittelreserven.

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 © News

Raketen auf Israel

Im Norden des Gazastreifens, den Israels Armee angibt zu kontrollieren, häufen sich bereits seit Wochen Angriffe von versprengten Einheiten der Terrorarmee, die aus diesen Tunnels heraus angreifen. Zwei Mal ist es den Hamas-Einheiten in den vergangenen sieben Tagen sogar gelungen, wieder einfache Raketen in Richtung Israel abzufeuern. "Auch wenn Israel der Gruppe schweren Schaden zugefügt hat, verfügt die Hamas noch immer über militärische Schlagkraft und Widerstandsfähigkeit", lautet die resignierende Analyse von Douglas London, Ex-Mitarbeiter des US-Auslandsgeheimdienstes CIA. Seine noch aktiven Kollegen sehen es sehr ähnlich: "Israel wird noch jahrelang mit einem bewaffneten Widerstand der Hamas zu kämpfen haben. Vor allem wird es schwierig, die Infrastruktur im Untergrund zu zerstören, wo sich die Reste der Terrortruppe verstecken und von hier aus immer wieder überraschend angreifen können", heißt es in einer vor Kurzem veröffentlichten gemeinsamen Einschätzungen der US-Geheimdienste.

Die einzige Lösung, die Hamas doch noch zu besiegen, sei, Rafah anzugreifen, die letzte Stadt in Gaza, die von Israels Armee noch verschont geblieben ist, beteuert die Militärführung. "Wir haben die Vorbereitungen dafür abgeschlossen und die Pläne sind fertig", verkündet der Oberbefehlshaber der israelischen Armee, Herzi Halewi, Ende April.

Der Angriff auf Rafah als Politikum

In Rafah wird der harte Kern der Hamas vermutet, darunter auch Sinwar. Vor allem geht es darum, in der Grenzstadt zu Ägypten die Tunnelanlagen zu zerstören, über die Waffennachschub in den Gazastreifen geschmuggelt werden kann. "Wenn wir auf die Offensive in Rafah verzichten, dann hat die Regierung ihre Existenzberechtigung verloren", stellte Finanzminister Bezalel Smotrich von der Liste Religiöser Zionismus am Sonntag ultimativ fest. Es ist ein klares Ultimatum an Regierungschef Benjamin Netanjahu, der immer mehr unter Druck gerät.

Denn Israels engste Verbündete, die USA, drängen auf eine Verhandlungslösung mit der Hamas. US-Militärexperten hinterfragen, ob es ausgerechnet in Rafah klappen wird, die Hamas zu vernichten, obwohl dies in anderen Teilen des Gazastreifens trotz massiver Bombardements und Bodenoffensiven nicht gelungen ist.

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Die Zivilbevölkerung in Gaza leidet an den Folgen des Krieges. Zwar werden Hilfslieferungen durchgelassen, doch es mehren sich die Anzeichen, dass eine humanitäre Katastrophe, eine Hungersnot, bevorsteht. In der Bevölkerung wächst der Zorn auf die Hamas

 © APA/AFP

Dazu ist der Preis sehr hoch: Mehr als die Hälfe der Bevölkerung Gazas, 1,2 Millionen Menschen, sind in Rafah in notdürftigen Flüchtlingslagern gestrandet. Sie müssten vor den Kämpfen flüchten, doch niemand weiß, wohin. "Ich habe noch keinen glaubwürdigen und durchführbaren Plan dafür gesehen, wie es machbar ist, diese Menschen zu evakuieren, unterzubringen und auch zu ernähren", formuliert Jake Sullivan, der nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, die massiven Bedenken. Über Rafah wird auch die dringend benötigte humanitäre Hilfe nach Gaza geliefert. Mittlerweile sind es bis zu 400 Lkw-Lieferungen pro Tag, die Israels Behörden passieren lassen. Ausreichend ist das längst nicht. "Wir gehen davon aus, dass alle Anzeichen einer Hungersnot in den nächsten Wochen erreicht werden", warnt Gian Carlo Cirri, der Direktor des UN-Welternährungsprogramms. Eine Offensive in Gaza würde aber alle Hilfslieferungen stoppen und die humanitäre Lage über diese düstere Prognose hinaus weiter verschärfen. Selbst können sich die Menschen nicht mehr versorgen: Die Landwirtschaften sind so wie die Gebäude zum Großteil zerstört. "Ich hatte das Gefühl, meine Heimatstadt Chan Junis wurde von einem Erdbeben der Stärke 50 erschüttert", beschreibt Mohammed al-Hassi, ein Krankenpfleger, die Wucht der Angriffe. "Ganze Stadtteile sind ausradiert, die Menschen erkennen nicht einmal mehr die Häuser, in denen sie gelebt haben."

34.000 Menschen sind in dem Krieg bereits umgekommen, zwei Drittel davon Kinder und Frauen. "Wir gehen leider davon aus, dass diese Daten des Gesundheitsministeriums in Gaza stimmen, möglicherweise sogar zu gering sind", sagt Rik Peeperkorn, der in den palästinensischen Gebieten die Weltgesundheitsorganisation WHO vertritt. "Alle zehn Minuten wird in Gaza ein Kind entweder getötet oder verwundet", rechnet Volker Türk, Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen, die dramatische Bilanz vor. Laut dem Kinderhilfswerk UNICEF musste zwischen Oktober und März bei tausend Kindern eine Amputation vorgenommen werden. Oft waren die Eingriffe nur deshalb nötig, weil sich Wunden infizierten und es keine oder zu wenig Antibiotika gab und gibt.

Die Geschichte der Hamas

Angesichts dieser horrenden Opferzahlen die weiße Flagge zu hissen, ist für die Hamas-Führung keine Option. Es handelt sich um eine Extremistengruppe mit klarem Dogma: Für den Kampf um eine islamistische Ordnung im gesamten Gebiet des heutigen Israels und in den palästinensischen Gebieten ist jedes Mittel recht. Die Hamas wurde 1987 gegründet, um der säkularen PLO unter Jassir Arafat Konkurrenz zu machen. Der Begriff Hamas hat eine doppelte Bedeutung: Das arabische Wort bedeutet "Eifer und Kampfgeist", gleichzeitig ist es eine Abkürzung für den vollen Namen der Gruppe: Harakat Muqawama Islamiya, "islamische Widerstandsbewegung".

Nachdem Arafat mit Israel 1993 Frieden geschlossen hatte, verschärfte die Hamas, und mit ihr andere Extremisten wie der Palästinensische Islamische Dschihad, ihren Terrorkrieg. Eine horrende Serie von Selbstmordattentaten gegen israelische Linienbusse, Kaffeehäuser und Einkaufszentren erschütterte das Land und ließ den Friedensprozess entgleisen. Dies stärkte im israelischen Parteienspektrum jene Kräfte, die wenig für palästinensische Selbstbestimmung übrig haben. Eine verheerende Dynamik setzte sich in Gang.

Die geringe Popularität und die korrupte Führung der Palästinensischen Autonomiebehörde unter dem mittlerweile 88-jährigen Arafat-Nachfolger, Präsident Mahmud Abbas, führten schlussendlich dazu, dass sich die Hamas auch politisch etablieren konnte. Ihre Partei gewann die palästinensischen Parlamentswahlen im Jahr 2006. Der Versuch, gemeinsam mit Präsident Abbas zu regieren, scheiterte und ab 2007 ging man getrennte Wege: Seither regiert die Hamas Gaza, Abbas das Westjordanland.

Die Hamas am Verhandlungstisch

Der politische Führer der Gruppe ist Ismail Haniyeh, der im Exil in Katar und in der Türkei lebt. Die eigentliche Macht hat aber längst Sinwar, der in Gaza blieb und dort die Kampfeinheiten ausbaute. Er war jahrzehntelang in Israel in Haft, bis er 2011 freikam: gemeinsam mit 1.027 weiteren Gefangenen im Tausch für den in Gaza gekidnappten israelischen Soldaten Gilad Schalit. Sinwar, das Mastermind vom 7. Oktober, weiß also sehr genau, wie viel Israel bereit ist, für die Freilassung von Geiseln zu tun.

Seit sieben Jahren ist er für die Aufrüstung der Terrorgruppe verantwortlich. Dafür hat er ein sattes Budget. Bis zu 450 Millionen Euro pro Jahr lukriert die Hamas-Führung durch Steuern auf geschmuggelte Waren aus Ägypten. Dazu kommen saftige Zahlungen aus dem Iran, dessen Führung die Extremistengruppen im Gazastreifen als Verbündete im Kampf gegen Israel betrachtet. Laut Daten des US-Außenministeriums waren es zuletzt 100 Millionen Euro pro Jahr. Auch das Emirat Katar hilft mit: Bis zu 23 Millionen Euro pro Monat werden nach Gaza transferiert, um die Löhne von Beamten zu bezahlen. Die Hamas musste sich also über die Jahre nicht um die Verwaltung des Gazastreifens kümmern, konnte ihr Vermögen in die Produktion von Raketen buttern, mit denen sie Israels Bevölkerung terrorisiert. Und es gab viel Geld für den Bau der unterirdischen Tunnelfestung, in der sie nun überlebt.

Der Zorn wächst

Gazas Zivilbevölkerung ist nicht nur schon vor dem Krieg verarmt, sondern jetzt schutzlos den Bomben ausgesetzt. Geld für ihre Bunker gab es nicht. Mehr und mehr wächst deshalb der Zorn. "Wenn die Hamas einen Krieg führen will, sollten sie doch zuerst einmal dafür sorgen, die Zivilbevölkerung zu schützen, und sie nicht in ein unvorstellbares Leid stürzen", empört sich die Journalistin Salma al-Qadomi. Elf Mal musste die 33-Jährige bereits flüchten: "Wir Palästinenser wollen politische Führer, die uns so etwas nicht antun. Alle um mich herum sehen es so wie ich: Wir wollen, dass dieses Blutvergießen, das nun schon seit 17 Jahren Hamas-Führung andauert, aufhört."

Bereits zu Jahresbeginn formierten sich Demonstrationen, die ein Ende des Krieges forderten. Der neue Mut, aufzubegehren, mag der Mut der Verzweiflung sein, sich aber auch daran nähren, dass die gefürchteten Hamas-Sicherheitskräfte den Großteil ihrer Zeit unter der Erde verbringen und aus Angst vor israelischen Bomben aufgehört haben dürften, ihre eigenen Leute einzuschüchtern.

Überstehen dürfte die Gruppe aber auch diesen sich anbahnenden Aufstand, meint der palästinensische Politikwissenschaftler Mkhaimar Abusada: "Selbst wenn die Hamas im Gazastreifen derzeit massiv an Popularität verliert, verfügt sie über viel Rückhalt im Westjordanland sowie in der palästinensischen Bevölkerung, die in Jordanien, Syrien und dem Libanon lebt, den Nachkommen der Flüchtlinge der Nahostkriege." Hier gelten die Terroristen als Speerspitze gegen Israel: Nach einem halben Jahr Krieg, den sie überstanden haben, werden sie mehr denn je als Helden gesehen.

"Hat die Hamas den Krieg gewonnen?" Dieser ernüchternden Frage widmete sich zuletzt ein in Israels Medien veröffentlichter Kommentar des routinierten britischen Nahost-Diplomaten Tom Phillips, ehemaliger Botschafter in Israel: Es ist ein leises Ja, das zwischen den Zeilen durchscheint: "Die Hamas hat gezeigt, dass sie den israelischen Angriffen länger standhalten konnte, als erwartet wurde", schreibt er. "Und dabei haben sie dem Image der israelischen Armee zugesetzt. Deren Bild der Unbesiegbarkeit ist beschädigt. Dies wird langfristige Konsequenzen haben."

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Moran Stela Yanai war 54 Tage lang in der Gewalt der Hamas. Sie berichtet vom Leid der Geiseln des 7. Oktober

 © Clodagh Kilcoyne/Reuters/picturedesk.com

DIE OPFER DES TERRORS - Angst um das Leben der israelischen Geiseln

Alles, was Moran Stela Yanai in diesem Moment denken konnte, war: „Bitte, macht, dass es schnell mit mir zu Ende geht.“ Zwei Mal war es der 40-Jährigen gelungen, sich freizustrampeln, als Hamas-Terroristen versuchten, sie zu ergreifen. Beim dritten Mal versagten ihre Kräfte. In einem Erdäpfelacker neben dem Festivalgelände, wo sie eben noch gefeiert hatte, wurde sie in den Morgenstunden des 7. Oktober von Hamas-Terroristen in ein Auto gezerrt und in den Gazastreifen verschleppt. Es endete nicht hier, sie überlebte.

54 Tage war sie in Geiselhaft, bis sie im November nach Verhandlungen zwischen Israels Führung und der Hamas gemeinsam mit 108 anderen freikam.

In einem Interview mit dem britischen TV-Sender BBC hat sie vor wenigen Tagen berichtet, was es bedeutet, in Geiselhaft zu sein: "Ich wurde geschlagen, war übersät mit Narben, hatte fürchterlichen Hunger und habe alle Haare verloren." Unvorstellbar sei es, sagt sie, wie jene, die noch in der Gewalt der Hamas sind, dies überstehen. Auch angesichts von Berichten, dass manche in Käfigen gehalten würden oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Für die Angehörigen jener 133 Israelis, die noch von der Hamas festgehalten werden, sind solche Berichte kaum zu ertragen. "Die Regierung hat sie aufgegeben, uns läuft die Zeit davon", sagte Gilad Korngold in einem verzweifelten TV-Auftritt. Sein Sohn Tal wurde von der Hamas entführt und er hat bei dem Terrorangriff im Oktober drei Familienmitglieder verloren.

Die Familien der Geiseln haben sich zu einer eigenen Organisation zusammengeschlossen, die ihre Interessen vertritt und immer größere Demonstrationen organisiert, um Druck auf die Regierung auszuüben. Ihre Forderung: Alles sollte unternommen werden, um jene zurückzuholen, die noch in der Gewalt der Hamas sind. Mehr und mehr verhärten sich so die Fronten in Israel: zwischen jenen, die mit einer Fortsetzung des Krieges alles daransetzen, die Terrorgruppe endgültig zu zerstören, und jenen, die alles daransetzen, die Geiseln zurückzubringen und dafür eine Waffenruhe zu vereinbaren. Auch wenn der Preis dafür ist, dass die Hamas den Krieg überstehen wird.

Dabei weiß niemand, wie viele der Geiseln noch leben. Groß ist die Sorge etwa um die Kleinkinder Ariel und Kfir Bibas sowie um deren Eltern. Mittlerweile hat Israels Armee öffentlich bekannt gegeben, dass 34 der Geiseln tot sein dürften, inoffiziell kursieren aber Berichte, dass viel mehr von ihnen nicht mehr leben dürften und bereits 50 umgekommen sind. Sicher ist derzeit nur, dass drei der Geiseln noch am Leben sind: In den vergangenen Tagen hat die Hamas Videos von ihnen veröffentlicht, aus denen auch hervorgeht, dass sie erst vor Kurzem aufgenommen wurden: Bei einer der Geiseln handelt es sich um Hersh Goldberg-Polin, dessen Mutter eine führende Rolle in der Organisation der Angehörigen übernommen hat und weltweit Spitzenpolitiker trifft, um den Druck auf die Hamas und auf die israelische Regierung zu erhöhen, damit die Menschen endlich freikommen.

Auch von Keith Samuel Siegel und Omri Miran gibt es nun ein solches Lebenszeichen. Die beiden Männer sind wie Goldberg-Polin Doppelstaatsbürger von Israel und den USA. "Wir sind in großer Gefahr, hören Explosionen", sagt Keith Samuel Siegel unter Tränen in dem Video und schließt einen Appell an Israels Premierminister Netanjahu an, Deals mit der Hamas für ihre Freilassung einzugehen. Veröffentlicht wurden die Aufnahmen auf Initiative ihrer Angehörigen, sehr zum Ärger der israelischen Regierung. In einem Statement fordert sie die Bevölkerung dazu auf, sich die Videos keinesfalls anzusehen, ihre Veröffentlichung wird als "psychologischer Terrorismus" bezeichnet. Die Strategie der Hamas ist klar: Durch die Aufnahme soll der Druck auf Israel erhöht werden, einer Feuerpause zuzustimmen und – dies dürfte das zentrale Anliegen von Hamas-Militärchef Sinwar sein:

Möglichst viele palästinensische Gefangene sollten – so wie er 2011 – von Israel freigelassen werden.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 18/2024.

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