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Helnwein: „Trump will der Welt zeigen, dass er der Beste ist“

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Der österreichische Weltkünstler Gottfried Helnwein über den Sieg des „Außenseiters“ Trump, linke Kapitalisten, Robert Kennedy jr. und warum der designierte Präsident eine starke Security brauchen wird

Die Elite der Demokraten

Herr Helnwein, im Interview, das wir vor einem Jahr führten, sagten Sie, wenn Biden im Amt bliebe, wäre das schlimmer als die Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Wie sehen Sie Trumps Sieg über Kamala Harris?

Trumps Sieg signalisiert einen interessanten historischen Augenblick. Er zeigt, dass diese Illusion vom guten alten Links-Rechts-Schema, an dem man so lange verzweifelt festgehalten hat, in den USA endgültig zusammengebrochen ist. Wir leben heute in einer völlig anderen Zeit. Es ist naiv anzunehmen, dass die Demokratische Partei irgendetwas mit der traditionellen Linken Europas zu tun hat. Die Elite der Demokraten besteht vor allem aus Superkapitalisten, Milliardären und Monopolisten wie George Soros, Bill Gates, Warren Buffet, Marc Zuckerberg und anderen, die sich alle selbst zu Ehrenlinken erklärt haben.

Nun sind auch der Faschist und Kriegstreiber Dick Cheney und 200 Neocons, inklusive Mitt Romney zu Kamala übergelaufen, außerdem 700 hochrangige National Security Officials, CIA, NSA-Agenten, 233 hohe Offiziere und andere Pentagon Officials, die sich auf ihre Seite geschlagen haben. Andererseits sind hochrangige Liberals wie Robert Kennedy Jr, Tulsi Gabbard, die linke Feministin Naomi Wolf, Joe Rogan und Elon Musk und noch andere in das Trump-Lager gewechselt. Und zum ersten Mal haben die traditionell linken Zeitungen „Los Angeles Times“ und „Washington Post“ keine Wahlempfehlungen für die demokratische Kandidatin ausgesprochen. In beiden Fällen war dies die Entscheidung der Eigentümer der Zeitungen, die, wie könnte es auch anders sein, ebenfalls Milliardäre sind, einer der beiden ist sogar einer der reichsten Männern der Welt. Soviel zu dieser Partei der Arbeiterklasse. Hinzu kommt noch, dass der tatsächlich linke Flügel, der vor allem aus Studenten besteht, im ganzen Land mit Protesten für die Palästinenser in Gaza auf Konfrontationskurs mit der offiziellen Parteilinie der Demokraten gegangen ist.

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 © Chip Somodevilla/Getty Images

Trumps Sieg signalisiert einen interessanten historischen Augenblick. Er zeigt, dass diese Illusion vom guten alten Links-Rechts-Schema, an dem man so lange verzweifelt festgehalten hat, in den USA endgültig zusammengebrochen ist. Wir leben heute in einer völlig anderen Zeit.

Gottfried HelnweinKünstler

Trump - Rebell und Außenseiter

Was bedeutet dieses Wahlergebnis für die USA?

Ich zitiere einen der wenigen authentischen Sozialisten des Landes – Bernie Sanders, der es auf den Punkt bringt, wenn er sagt, wir sollten uns nicht wundern, dass die Wahl so ausgegangen ist: „Die Amerikaner sind zornig und wollen eine Veränderung, und das ist auch richtig so, denn die Demokraten haben die Arbeiterklasse schon lange im Stich gelassen, und jetzt hat die Arbeiterklasse die Demokratische Partei verlassen. Zuerst waren es die weißen Arbeiter und nun sind es auch die Latinos und die Schwarzen.“ Wir sollten uns der Realität stellen: Die USA sind das mächtigste Imperium und die größte Kriegsmaschine, die es je gegeben hat. Friedensnobelpreisträger Obama hat einmal stolz verkündet, dass Amerika mehr für die Rüstung ausgibt, als die nächsten zehn Nationen zusammen. Unter seiner Präsidentschaft sind auch mehr Bomben auf mehr Länder abgeworfen worden, als unter Bush und Cheney. Amerika hat im letzten Jahr fast 900 Milliarden in den Military-Industrial Complex gepumpt. Wie lässig mit diesen gigantischen Summen umgegangen wird, kann man ermessen, wenn wir uns an Donald Rumsfeld erinnern, der am 10. September 2001, einen Tag vor dem Terroranschlag auf das World Trade Center, öffentlich erklärt hat, dass dem Pentagon 2,3 Billionen (nicht Milliarden) abhandengekommen seien, von denen man nicht wisse, wo sie geblieben sind. Im Gegensatz dazu hat die Regierung absolut nichts für Bildung, Kultur, soziale Einrichtungen und das Gesundheitswesen getan.

Auch unter Präsident Biden?

In den letzten 16 Jahren ist es mit Amerika steil nach unten gegangen, ein großer Teil der Bevölkerung lebt heute in Armut, oft unter dem Niveau der dritten Welt. Viele sind obdachlos und schwer drogensüchtig, in vielen Städten, wie San Francisco, herrschen teilweise chaotische Zustände, die Kriminalitätsrate ist außer Kontrolle, und alle paar Tage tauchen Mass Shooters auf, die wahllos irgendwelche Menschen abknallen. Da die Demokraten in zwölf dieser 16 Jahre das Weiße Haus fest in ihrer Hand hatten, können sie die Schuld für diese Zustände wirklich nicht auf jemand anderen schieben. Ich meine, das System funktioniert ja tatsächlich gut – für die kleine Elite der Superreichen, deren Reichtum sich ständig vervielfacht, aber für die große Mehrheit der arbeitenden Menschen ist das Leben ein Alptraum geworden. Sie sind die Verlierer in diesem „Real Life Monopoly“. Und diese Verlierer sind nun zu Trump übergelaufen.

Trump ist doch auch kein Armer.

Aber er ist ein Außenseiter, und dass er, seitdem er in die Politik eingestiegen ist, ununterbrochen von allen Medien attackiert und verhöhnt wird, hat ihm eigentlich mehr geholfen als geschadet, denn für die Menschen, die jedes Vertrauen in die politische Nomenklatura und in die „Corporate Media“ verloren haben, erscheint er als Rebell, der nicht Teil dieses Systems ist und auf ihrer Seite steht. Er kommt ja aus der Trash-Television-Szene und so tritt er auch als Politiker auf, und so sind seine Reden: anzüglich, prahlerisch und oft gehässig, stammtischmäßig eben, aber genau das macht ihn in den Augen der Menschen authentisch. Ja, er brabbelt wild vor sich hin, aber es sind seine eigenen Worte, während Biden, Harris und Co. nur vom Teleprompter herunterlesen, was andere geschrieben haben. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Fast alle meine Freunde sind Liberals, ich bin weder für Trump und die Republikaner noch für die Demokraten, ich halte eine gesunde Distanz zu allen Ideologien und Systemen. Ich versuche, einen objektiven Blick auf die Dinge zu haben, denn ich bin notorisch neugierig – ich will wissen, was wirklich los ist. Ich suche mir so viele Informationsquellen, Fakten und Daten zusammen wie möglich, und ich analysiere selbst, und ziehe meine eigenen Schlüsse, und wenn das mit dem offiziellen Narrativ kollidiert, dann ist es halt so. Ich brauche keine Influenzer, Oberlehrer und Aufpasser, die mir die Welt erklären und bestimmen, was ich denken und sagen darf und was nicht.

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Künstler Gottfried Helnwein vor seinem Bühnenbild in der Volksbühne Berlin

 © imago images/Charles Yunck

Was immer man von ihm oder seiner Frisur hält, er war tatsächlich seit Langem der erste amerikanische Präsident, der keinen neuen Krieg angefangen hat.

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Ein trashiger, polternder Clown, der Frieden schaffen will

Sehe ich das richtig, dass Trump keinen Krieg begonnen hat?

Was immer man von ihm oder seiner Frisur hält, er war tatsächlich seit Langem der erste amerikanische Präsident, der keinen neuen Krieg angefangen hat. Ich weiß nicht warum, aber es scheint, dass er tatsächlich keine Kriege will und er hat ja immer wieder angekündigt, dass er als Präsident die Konflikte in der Ukraine und Israel sofort beenden und Friedensverhandlungen einleiten wird.

Er ist ein gigantischer Narzisst und natürlich will er der Welt zeigen, dass er der Beste und der Einzige ist, der dazu imstande ist. Wie realistisch das ist, wird sich zeigen.

Wäre eine Präsidentin Harris bereit, einen Krieg zu führen?

Alle, ich denke, auch die meisten in ihrer eigenen Partei wissen, dass sie nur eine Marionette des Military Industrial Complex ist, der ihr auch sofort eine Milliarde für den Wahlkampf zur Verfügung gestellt hat. Robert Kennedy jr., Elon Musk und all die anderen Liberals, die sich in letzter Minute auf Trumps Seite geschlagen haben, haben sich in der Vergangenheit äußerst kritisch über Trump geäußert, sein jetziger Vize hasste ihn sogar und sagte einmal: „Mein Gott, was für ein Idiot!“ Laut deren Aussagen war der Grund für ihre 180-Grad-Wendung, die offensichtliche Inkompetenz von Kamala Harris, ihre Abhängigkeit vom Military Industrial Complex sowie die damit verbundene Gefahr eines dritten Weltkriegs und sie sahen in Trump, trotz aller Schwächen, die einzige, letzte Chance, die Katastrophe noch abzuwenden. Ich zitiere nur. Bei vielen scheint die Message angekommen zu sein, dass es sich bei dieser Wahl um eine schicksalhafte Entscheidung zwischen Krieg und Frieden handle.

Bleibt es bei der Message, oder sind Trumps Friedensbestrebungen ernst zu nehmen?

Ich nehme ihm das schon ab, denn natürlich will er der Welt beweisen, dass er der Beste ist und der Einzige, der diese Kriege beenden kann. Er hat ja gezeigt, dass er keinerlei Scheu hat, bei Kim, Putin, Netanyahu oder dem Saudi-Prinz mit der Tür ins Haus zu fallen und drauflos zu verhandeln. Selbst wenn seine Motive noch so fragwürdig wären, und seine Herangehensweise noch so plump und peinlich, mir ist ein trashiger, polternder Clown, der unbedingt Frieden schaffen will, lieber als ein eleganter, eloquenter Massenmörder mit guten Manieren. Außerdem hat Trump, anders als in seiner ersten Amtszeit, diesmal ein Team von hochkarätigen Beratern um sich, die weder aus der republikanischen Partei, noch aus dem Military Industrial Complex stammen.

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 © imago images/Charles Yunck

Ich nehme ihm das schon ab, denn natürlich will er der Welt beweisen, dass er der Beste ist und der Einzige, der diese Kriege beenden kann. Er hat ja gezeigt, dass er keinerlei Scheu hat, bei Kim, Putin, Netanyahu oder dem Saudi-Prinz mit der Tür ins Haus zu fallen und drauflos zu verhandeln.

Gottfried HelnweinKünstler

Eine Diktatur - wie soll das gehen?

Die „New York Times“ nannte das Wahlergebnis eine „gefährliche Entscheidung der Amerikaner“.

Ich würde das nicht allzu ernst nehmen. Die New York Times hat noch kurz vor der Wahl behauptet, dass Kamala knapp vor Trump liegt und sie hat, wie fast alle Corporate Media, einen Sieg von Harris vorausgesagt. Der Ausgang der Wahl ist nicht nur ein Debakel für Harris und die Demokraten, sondern auch für die Meinungsforscher, Experten und Medien, und für all die Schlagersänger und Hollywood-Stars, die mit Kamala auf der Bühne tanzten.

Haben Trumps Wähler denn gar keine Bedenken, dass er eine Diktatur in den USA ausrufen könnte, wie er selbst behauptet hat?

Ich weiß gar nicht, wie das gehen soll. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat ja gar nicht die Möglichkeit dazu, weder hat er die Macht noch ist das in diesem System technisch möglich, außerdem war er ja schon einmal für vier Jahre im Amt, und soweit ich mich erinnern kann hat er damals keine Diktatur errichtet, warum sollte er es also jetzt versuchen? Wenn er das wirklich vorhätte, würde er sich nicht die ganzen Liberals wie Elon Musk und Kennedy ins Team holen.

Den Impfgegner?

Robert Kennedy Jr. ist einer der intelligentesten und integresten Personen in der amerikanischen Politik, obwohl er gar kein Politiker sein will. Ich verfolge seine Arbeit seit vielen Jahren. Er setzt sich unermüdlich für eine bessere Umwelt und gesündere Lebensbedingungen ein, und kämpfte in unzähligen Prozessen gegen die kriminellen Machenschaften der Konzerne, die in ihrer unersättlichen Gier alles Leben in Amerika systematisch vergiften, vor allem die Chemische und die Nahrungsmittel-Industrie und Big Pharma, die ständig Produkte auf den Markt bringen, von denen sie genau wissen, dass sie süchtig machen und schwere Gesundheitsschäden verursachen. Durch die Opioid-Medikamente der Firma Purdue Pharma z. B. sind mehr als 500.000 Menschen gestorben. Die Inhaber des Konzerns, die Sackler Family schloss einen gerichtlichen Vergleich ab, der ihnen durch die Zahlung von sechs Milliarden, Immunität von weiterer Strafverfolgung zusicherte. Der Gewinn aus dem Verkauf ihrer tödlichen Drogen betrug 35 Milliarden. Gegen derartige Praktiken kämpft Kennedy. Er hat zuerst Kamala seine Mitarbeit angeboten, die darauf nicht einmal geantwortet hat, erst dann hat er Trump kontaktiert, der ihm zugehört und dann spontan angeboten hat, das gesamte Gesundheitssystem, Umweltschutz und die Standards für Pharma und Nahrungsmittel-Produkte zu reformieren. Dass Kennedy daraufhin Dr. Joseph Ladapo, den schwarzen Gesundheitsminister Floridas für das Amt des Gesundheitsministers vorgeschlagen hat, beweist, dass es ihm nicht um seine eigene Karriere, sondern um die Sache geht. Bei den Konzernen herrscht derzeit Panikstimmung und Kennedy und Trump sollten das tun, was Elon Musk auf X verkündet hat: „I guess I will beef up my security detail.“ (Ich schätze, ich werde mein Sicherheitspersonal aufstocken).

Wie würden Sie Trump porträtieren?

Das wäre vielleicht gar nicht uninteressant, aber ich bin mir nicht sicher, ob ihm das Ergebnis gefallen würde.

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 © imago images/Oliver Langel

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