Eine reine Satirepartei? Keineswegs. 2015 von Marco Pogo gegründet, feierte die Bierpartei 2020 in Wien ihren ersten Wahlerfolg. Seither stellt sie elf Bezirksrät:innen. Nun will sie bei der Nationalratswahl 2024 antreten. Für welche Werte die Bierpartei, kurz BPÖ, einsteht, wie sie so schnell an Popularität gewinnen konnte und welche Ziele sie als nächstes anstrebt.
von
- Wie entstand die Bierpartei Österreich?
- Welche Erfolge konnte die Partei bisher verbuchen?
- Wofür steht die Bierpartei?
- Wer steht hinter der Bierpartei?
- Wie finanziert sich die BPÖ?
- Wie kann ich Mitglied werden?
- Wer sind die Wähler der Bierpartei Österreich?
- Was ist als nächstes geplant?
- Nationalratswahl 2024: Themen & Chancen
Wie entstand die Bierpartei Österreich?
Alles begann mit einem Song ... Im Sommer 2015 brachte die Wiener Punkrock-Band "Turbobier" ihr Debütalbum "Irokesentango" heraus - jenes Album, dessen Cover der ehemalige Bürgermeister Michael Häupl mit provokant erhobenem Mittelfinger und grimmig nach unten gezogenen Mundwinkeln ziert. Einer der Songs trug den klingenden Namen "Bierpartei". Der Song brauchte ein Video, das Video ein Wahlplakat. Und wenn es schon ein Wahlplakat gibt, kann man ja auch gleich eine Partei dazu gründen, wie der Frontman und Parteiobmann Marco Pogo, dessen bürgerlicher Name Dominik Wlazny lautet, im Gespräch mit News erzählt. "Man muss Dinge einfach machen. Das kann doch nicht so schwer sein, eine Partei anzumelden, habe ich mir gedacht." Gesagt, getan! Im selben Jahr noch gründete er die "BierPartei Österreich", kurz BPÖ.
Welche Erfolge konnte die Partei bisher verbuchen?
Von der Parteigründung bis zum ersten Wahlantritt sollte es allerdings noch ein Weilchen dauern. Genauer gesagt vier Jahre. Ihr Wahlkampfdebüt gab die Bierpartei bei der vorgezogenen Nationalratswahl 2019. Sie verfehlte den Einzug ins Parlament, was sie allerdings nicht daran hinderte, gleich den nächsten Versuch zu starten und bei der Wiener Landtags- und Gemeinderatswahl 2020 anzutreten. Mit Slogans wie "Make Wien dicht again" oder "Wo ein Wille, da Promille" und dem Versprechen, den Wiener Hochstrahlbrunnen in einen Bierbrunnen zu verwandeln, warb die Partei - fortan lediglich "Die Bierpartei", kurz BIER, genannt - um die Gunst der Wähler. Unterstützt wurde sie unter anderem vom ehemaligen Nationalratsabgeordneten Niko Alm.
Den Einzug in den Landtag schaffte die Partei nicht, dafür erhielt sie bei der parallel stattfindenden Bezirksvertretungswahl 2020 je ein Mandat in insgesamt elf Bezirken. "I gfrei mi so", ließ Parteichef Marco Pogo, für den bald klar war, dass er das Amt des Bezirksrats in seinem Heimatbezirk Simmering antreten würde, seine Anhänger via Twitter wissen. Dass der Erfolg letztlich doch etwas überraschend kam, konnte man an der Kandidatenliste ablesen, auf der sich ursprünglich nur sechs Personen befanden. Der Antritt bei der Wiener Landtagswahl sorgte zudem international für Aufsehen. So wurde etwa in Argentinien, Puerto Rico, Mexiko und Uruguay über die außergewöhnliche Kandidatur berichtet.
Ihren ersten Wahlerfolg konnte die Kleinpartei ohne externe Sponsoren verbuchen. Zudem erlangte sie ohne nennenswerten Kostenaufwand Reichweiten, für die andere Parteien fünfstellige Summen in Werbung investieren. Die Bierpartei setzte indes auf Aktionen wie eine Bier-Rallye und deren Vermarktung über die sozialen Medien. Dabei beschränken sich ihre Anliegen bei weitem nicht auf ironisch gemeinte Forderungen, wie das "bedingungslose Grundfassl für alle". "Ich habe als Bezirksrat über 300 Anträge in den ersten zehn Monaten eingebracht und gezeigt, dass wir auch vernünftige Politik machen - abseits von Bierbrunnen", betont Parteichef Marco Pogo im Gespräch mit "Wien heute".
So hat die Partei zum Beispiel das Budget der Musikschulen in Wien Donaustadt erhöht, um auch sozial schwächeren Kindern den Zugang zu Musikunterricht zu ermöglichen. Gefordert werden überdies höhere Förderungen für kleinere Kultureinrichtungen und mehr Proberäume, konkret die Öffnung von Schulen auch außerhalb der Unterrichtszeiten für die Probetätigkeiten junger Musiker. Anträge wurden auch hinsichtlich des Ausbaus von Informationsveranstaltungen zu Sucht- und Drogenprävention für Jugendliche und der besseren Beleuchtung von Parks gestellt.
2021 kündigte Marco Pogo an, bei der Bundespräsidentenwahl 2022 antreten zu wollen. "Ich glaube, es ist an der Zeit für einen Generationswechsel an der Staatsspitze", sagte der Bierpartei-Chef im Gespräch mit "Wien heute". "Wenn ich die Wahl gewinnen sollte, würde ich ihn (Anm. d. Red.: Alexander van der Bellen) fragen, ob er in meinem Stab arbeiten will. Er raucht gern und ich trinke gern ein Bier und somit hätten wir wahrscheinlich 99,7 Prozent aller Österreicherinnen und Österreicher hinter uns vereint", kommentierte Pogo sein Vorhaben. Gewonnen hat er die Wahl nicht, mit über 8 Prozent und dem dritten Platz jedoch ein beachtliches Ergebnis erzielt.
Wofür steht die Bierpartei?
"Eine Bierpartei ist zumeist eine satirische politische Partei oder Organisation, die meistens keine wirklichen oder nur schwach erkennbare Ziele hat. Die Ideologien solcher Parteien variieren, wenn sie überhaupt eine haben", heißt es auf Wikipedia. Die Bezeichnung Satirepartei empfindet Pogo, der "Politik mit Hirn und Herz" macht, als Verunglimpfung. Es sei immer klar gewesen, dass die Bierpartei mehr als ein Witz ist, unterstreicht er im Gespräch mit News. Obgleich sie sich humoristisch als "bierokratische Bewegung" begreift, die ein "dichtes Programm für eine dichte Zukunft" verfolgt, zeigt ein Blick hinter die satirische Fassade durchaus ernstgemeinte Anliegen.
Die Forderungen im Überblick
Bierbrunnen
Winterschanigarten
Eignungstest für Politiker verpflichtend
Fixkosten decken, Kulturstätten retten
Sperrstunden abschaffen
"Getränkesteuer" runter
Bedingungsloses Grundfassl
Radlerfreies Wien
Vom Nichtwähler zum Dichtwähler
A Mensch is a Mensch
Der Ruf nach dem Fall der Sperrstunde und der Öffnung von Winterschanigärten etwa basiert auf ökonomischen Überlegungen, zählt die Gastronomie doch zu jenen Bereichen, denen die Corona-Maßnahmen am meisten zugesetzt haben. So wie auch dem Kulturbereich. Folglich fordert die Bierpartei die "Gleichbehandlung aller Veranstalter, um deren Überleben und somit eine breitgefächerte Kulturszene in Wien zu ermöglichen". Es sei "nicht einzusehen, wieso die Umsatzeinbrüche etwa der Wiener Staatsoper und des Burgtheaters zu 100% vom Steuerzahler übernommen werden sollen, die Rahmenbedingungen für die Betreiber von kleineren Betriebs- und Aufführungsstätten aber derart prohibitiv sind, dass deren Betrieb unwirtschaftlich und somit unmöglich gemacht wird", wie es im Programm heißt.
"Kultur ist ein fundamentaler Bestandteil unserer Gesellschaft und darf in Zeiten von Corona nicht unter die Räder geraten", betont Marco Pogo gegenüber News.at. Die Forderung nach Gleichheit, Fairness und Solidarität in allen Aspekten des Lebens stellt einen weiteren Grundpfeiler der Bierpartei dar. Und nicht zu vergessen: "Der Jugend muss Gehör geschenkt werden."
Indes wird nicht an Kritik gegenüber Regierenden gespart. "Wo berufsrechtliche Vorschriften, die Gewerbeordnung und etliche weitere Normen selbst für Nageldesigner umfassende Befähigungsnachweise und Ausbildungen vorschreiben, ist die einzige Berufsgruppe, deren tägliche Tätigkeit mit tatsächlicher Lebensgefahr durch Blödheit verbunden ist, keinerlei Qualitätskontrolle unterworfen. (...) Selbst ein Volksschulkind muss mehr lernen und Können beweisen, um den 'Fahrradführerschein' zu machen, als ein Minister oder gar Bundeskanzler derzeit an Befähigung nachweisen muss", wird via Parteiprogramm bemängelt. Nicht zuletzt sieht es die Bierpartei als ihre Aufgabe, "der österreichischen Politik den Spiegel vorzuhalten".
Wer steht hinter der Bierpartei?
Das Team um den studierten Mediziner Dominik Wlazny, besser bekannt als Marco Pogo, der einen Bezirksrat im 11. Wiener Gemeindebezirk stellt, besteht aus zehn Bezirksrät:innen. Diese sind:
Stefan Heilinger, 3. Bezirk
Eva-Maria Loigge, 10 Bezirk
Fabio Michael Nocchieri, 12. Bezirk
Lisa Rodlauer, 14. Bezirk
Maximilian Hammel, 15. Bezirk
Michael Lindenbach, 16. Bezirk
Marlene Swoboda, 20. Bezirk
Andreas Widmann, 21. Bezirk
Sascha Madsen, 22. Bezirk
Sophia Fischer, 23. Bezirk
Wie finanziert sich die BPÖ?
Die Bierpartei finanziert sich eigenen Angaben zufolge durch Mitgliedsbeiträge, Geld- und Sachspenden, Subventionen öffentlicher und privater Stellen sowie Mittel aus der öffentlichen Parteienfinanzierung. Hinzu kommen laut Satzung letztwillige Zuwendungen, Zahlungen nahestehender Organisationen, Beiträge der der Partei angehörenden Mandatare und Funktionäre, Erträge aus parteieigener wirtschaftlicher Tätigkeit, Erträge aus Veranstaltungen, aus der Herstellung und dem Vertrieb von Druckschriften sowie ähnliche sich unmittelbar aus der Parteitätigkeit ergebende Erträge sowie Einnahmen aus Sponsoring und Inseraten.
Wie kann ich Mitglied werden?
Durch Bezahlung eines jährlichen Beitrags in der Höhe von 59 Euro können Interessenten und Interessentinnen eine Mitgliedschaft bei der Bierpartei erwerben. Der Beitritt erfolgt laut Satzung für ein Kalenderjahr. Zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres endet die Mitgliedschaft automatisch. Zudem ist ein freiwilliger Austritt jederzeit möglich. Der beim Beitritt ausgestellte Mitgliedsausweis ist bei der Beendigung der Mitgliedschaft zurückzugeben. Wie man Mitglied werden kann, erfahren Sie hier.
Links zur Bierpartei:
Wer sind die Wähler der Bierpartei Österreich?
Kein klares Bild lässt sich bis dato von der Wählerschaft der Bierpartei zeichnen. "Sie beschränken sich nicht auf ein bestimmtes Klientel", weiß Parteichef Marco Pogo und ergänzt: "Ich bin sehr glücklich darüber, dass die Gruppe der Wähler:innen und Unterstützer:innen der Bierpartei quer durch die Gesellschaft geht." Im Sommer 2021 äußerte Pogo im Gespräch mit "derstandard.at" die Vermutung, dass der eine oder andere Wähler wohl von den Grünen oder den NEOS kommen könne. "Den Freiheitlichen haben wir wohl eher keine Wähler abgenommen."
Was ist als nächstes geplant?
Lange wurde spekuliert, nun ist es offiziell: Dominik Wlazny will mit der Bierpartei bei der Nationalratswahl 2024 antreten. Zuvor müsse man aber noch die Finanzierung der Partei und der Wahlkampagne sicherstellen und das selbst gesetzte Ziel von 20.000 Mitgliedern erreichen, wie der Politiker gegenüber der APA betont. Derzeit zählt die Partei rund 1.300 Mitglieder. Schafft man das bis Ende April, werde man kandidieren. "Es geht darum, die Bierpartei fit fürs Parlament zu machen", so Wlazny. Wichtig sei ihm, bei der Finanzierung auf die Unterstützung von Großspendern zu verzichten. "Großspendertum schafft Abhängigkeit", warnt der Politiker im Gespräch mit der APA.
Nationalratswahl 2024: Themen & Chancen
Auf der Agenda der Bierpartei für die Nationalratswahl 2024 stehen u. a. Chancengleichheit, Bildung als Schlüssel zur Integration, Geschlechtergerechtigkeit und mehr Kinderbetreuung. Nach wie vor fordert Dominik Wlazny öffentliche Hearings bzw. Eignungstests für Ministerposten. Die Jugend müsse man mitgestalten lassen und eine "goldene Kreditkarte" dürfe nicht Voraussetzung für eine bessere medizinische Versorgung sein. Entscheidungen wolle man "auf Basis von Fakten und nicht Ideologien" treffen, wie der Bierpartei-Chef im Gespräch mit der APA betont.
Umfragen zufolge stehen die Chancen der Bierpartei auf einen Einzug ins Parlament nicht schlecht. Bei sporadischen Abfragen im Jahr 2023 verbuchte sie bis zu 12 Prozent. Damit lag sie sogar noch vor den NEOS und den Grünen. Ende Oktober und Ende November wiederum pendelte sich die Bierpartei bei Sonntagsfragen bei drei bis vier Prozent ein. Demnach könnte es für sie knapp werden, die Hürde von vier Prozent für den Einzug in den Nationalrat zu schaffen.
Weitere Porträts österreichischer Parteien: