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6 Positionen zum bedingungslosen Grundeinkommen

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Pandemie - 6 Positionen zum bedingungslosen Grundeinkommen
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Die Corona-Pandemie heizt das Thema bedingungsloses Grundeinkommen erneut an: Die Arbeitslosenzahlen steigen. Inwieweit könnte künftig ein fixer und vom Staat ausgezahlter Betrag helfen? Was namhafte Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur zur Sinnhaftigkeit eines solchen Modells sagen.

Bisher hat es noch in keinem Land der Welt ein bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) gegeben, das für alle Bewohner eines Landes ausgegeben wurde. Allerdings gab es in der Vergangenheit immer wieder kurzlebige Pilotprojekte und Experimente in diese Richtung. So wird in Alaska der "Permanent Fund" derzeit 992 Dollar pro Jahr und Person als eine Art Grundeinkommen ausbezahlt. Und in Finnland wurde ein Experiment mit 2.000 arbeitslosen Menschen realisiert, die über zwei Jahre lang eine Summe in Höhe von 560 Euro pro Monat erhielten. Diese Projekte haben gezeigt, dass sich die Menschen nicht auf dem Grundeinkommen ausruhen und eine Arbeitsbereitschaft sehr wohl wieder oder weiterhin vorhanden ist.

Zustimmung der Österreicher gestiegen

In Österreich ist mit der Corona-Pandemie und den steigenden Arbeitslosenzahlen die Diskussion um ein solches Modell wieder angeheizt worden. Die Krise zeigt, dass es jeden treffen kann, unabhängig vom Arbeitswillen. Die Universität Wien hat im April und im Oktober 2020 eine repräsentative Umfrage zum bedingungslosen Grundeinkommen durchgeführt. Die Zustimmung hat sich in diesem Zeitraum um fast sieben Prozentpunkte erhöht, wie es in der Studie heißt. Davor waren rund 40 Prozent dafür und rund 40 Prozent dagegen. Experten schätzen, dass ein bedingungsloses Grundeinkommen jährlich rund 100 Milliarden Euro kosten würde. Aber inwieweit wäre Österreich bereit dafür?

Was Top-Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Kultur zur Sinnhaftigkeit eines solchen Modells sagen:

Josef Zotter

"Ich stehe für ein Grundeinkommen von 700 Euro netto"

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 © Zotter Schokolade/Heinz Stephan Tesarek

Der erfolgreiche österreichische Chocolatier Josef Zotter gilt als Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens. "Das bedingungslose Grundeinkommen wird landauf und landab diskutiert, aber kommt nirgendwo richtig zum Durchbruch. Das Grundproblem ist - und in Österreich speziell -, dass man nicht genau diskutiert, worum es geht. Die meisten haben bei dem Wort Grundeinkommen gleich die Vorstellung, dass es dabei um eine Grundversorgung geht und man sich um nichts mehr kümmern muss", sagt Zotter. Das sieht er anders. 1.200 oder 1.500 Euro monatlich - das sei eine Illusion. "Ich stehe für ein Grundeinkommen von 700 Euro netto auf die Hand für jeden in Österreich ab einem Alter von 18 Jahren", sagt Zotter. Für diese Ansicht erntet er oft harsche Kritik. Er werde als realitätsfern bezeichnet, von 700 Euro könne man nicht leben.

Ich war selber einmal pleite und ich weiß, was es heißt, mit ganz wenig auszukommen

Darum geht es ihm aber nicht. Er begreift das BGE eher als eine Art Minimalversorgung, abgekoppelt vom Arbeitslosengeld. "Ich war selber einmal pleite und ich weiß, was es heißt, mit ganz wenig auszukommen", sagt Zotter. Um überhaupt einmal mit dem BGE anfangen zu können, müsse es aber realistisch sein. Diese 700 Euro soll dann jeder bekommen, egal, was kommt. "Ich kenne einen Künstler, mit dem ich darüber gesprochen habe. Für ihn wären die 700 Euro ein Traum, weil dann könnte er sich ohne viel Gedanken seiner Kunst widmen", teilt der Unternehmer mit. Oder in Familien könnte beispielsweise einer vorübergehend weniger arbeiten oder man überlebt durch das BGE vorübergehend nur mit einem Gehalt. Es gehe darum, die Grundsorgen, wie nicht genug Geld fürs Essen zu haben, wegzubekommen.

Ein Teil der Finanzierung könnte darüber passieren, dass man im Gegenzug die vielen kleinen Sozialleistungen und Features wegfallen lässt, die seiner Ansicht nach oft einen größeren bürokratischeren Aufwand als Nutzen haben. Vielleicht, resümiert der Chocolatier, kann sich der Staat durch das BGE sogar etwas ersparen, indem die Menschen zufriedener und dadurch kreativer seien - das seien Themen, die man so nur schwer bewerten könne.

Franz Fischler

"Ich glaube nicht, dass in Österreich dafür eine Bereitschaft besteht"

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 © Luiza Puiu/Forum Alpbach

"Ich glaube nicht, dass in Österreich eine Bereitschaft dafür besteht, ein Pilotprojekt zum bedingungslosen Grundeinkommen einzuführen - nicht einmal bei der Gewerkschaft", sagt Franz Fischler, der frühere EU-Kommissar und Präsident des Europäischen Forums Alpbach.

Erstens stelle sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit beziehungsweise des Zwecks eines Grundeinkommens. "Ist es eine neue Sozialhilfe, eine Art Nothilfe? Und wenn ja, wie soll man es dann mit einem normalen Einkommensbezieher in Verbindung bringen?", fragt Fischler. Außerdem gebe es ein psychologisches Problem: Einkommen zu schöpfen, sei als Teil der Selbstverwirklichung eines Menschen eine wichtige Triebfeder. Wenn es aber um das BGE als Sozialmaßnahme gehe, warum solle dann jeder eine Sozialmaßnahme - also auch Menschen mit Einkommen - in Anspruch nehmen. Es mache stattdessen schon mehr Sinn über Verbesserungsmöglichkeiten unseres Sozialsystems zu diskutieren.

Wenn alle über 16 Jahre das bedingungslose Grundeinkommen bekommen würden, sind das beinahe 7 Millionen Menschen, die anspruchsberechtigt sind

Zweitens spiele die Finanzierung des Ganzen eine Rolle. "Wenn alle über 16 Jahre das bedingungslose Grundeinkommen bekommen würden, sind das beinahe 7 Millionen Menschen, die anspruchsberechtigt sind ", sagt Fischler. Setzt man einen Jahresbetrag von 10.000 Euro an - das ist ungefähr auf der Höhe dessen, was zurzeit die Sozialhilfe ausmacht - kostet das BGE 70 Milliarden, teilt der ehemalige EU-Kommissar mit. Aus seiner Sicht kommt bei so einem Betrag nur die Mehrwertsteuer als Finanzierungsquelle in Frage, "weil diese den entsprechenden Umfang hat". Und das würde wiederum höhere Mehrwertsteuersätze bedeuten.

Selbst wenn im Gegenzug die Sozialhilfen wie Arbeitslosengeld oder Mindestpension wegfallen und die Nettoausgaben dadurch sinken, "sehe ich keine Chance dafür, so etwas in Österreich einzuführen", wie Fischler betont. Man stelle sich das Ganze einfacher vor, als es in der Realität sei. Er gibt zu bedenken, dass die Einführung eines solchen Systems beziehungsweise die Umstellung Jahre dauern würde: Bereits bestehende rechtliche Ansprüche können nicht einfach aus der Welt geschafft werden. Und eine gewisse Überprüfung in Bezug auf die Durchführung bleibt dem Staat dennoch nicht erspart, weil es Spezialfälle wie eine Vormundschaft gibt und sich dort wieder die Frage stellt, wer das Geld bekommt. Zudem ist die Mindestversorgung in Österreich - beispielsweise durch Notstandshilfe - ohnehin gewährleistet. Als schnelles Hilfsmittel in Bezug auf die Corona-Pandemie sieht er das BGE daher als ungeeignet an.

Vielmehr sollte die Gesellschaft laut Fischler über folgende zwei Aspekte nachdenken: Wie kann es gelingen, Menschen sinnvoll in die Arbeitswelt einzugliedern, die aufgrund von Digitalisierung und mangelnden Ausbildungskenntnissen bestimmte Jobs nicht ausüben können. Und wie kann es gelingen, dass Berufe wie Pflege, persönliche Dienste oder Berufe im Bereich Umwelterhaltung nicht als minderwertige Jobs abgetan werden.

Heide Schmidt

" Ich fürchte, dass Österreich dazu noch nicht bereit ist - auch deshalb, weil nichts dafür getan wird, diese Bereitschaft herzustellen"

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 © Brandstätter Verlag

Die überzeugte Liberale und ehemalige Spitzenpolitikerin Heide Schmidt sieht ein bedingungsloses Grundeinkommen als notwendig an, sagt aber gleichzeitig: "Ich fürchte, dass Österreich dazu noch nicht bereit ist - auch deshalb, weil nichts dafür getan wird, diese Bereitschaft herzustellen." Sie befürwortet eine öffentliche Debatte über Sinn, Notwendigkeit und eingeschätzte Auswirkungen eines bedingungslosen Grundeinkommens - es sollten sich BürgerInnen sowie EntscheidungsträgerInnen mit diesem Thema auseinandersetzen.

Sämtliche Unterstützungen sind derzeit an ein vorher gehabtes Erwerbseinkommen geknüpft

Die Corona-Pandemie habe dazu geführt, dass dieses Thema vermehrt ins Bewusstsein gerückt sei. Die öffentliche Diskussion sei bereit gewesen, eine solche Überlegung für die Kulturszene aufzunehmen. Dort sei deutlich geworden, dass eine Situation entstanden sei, "die Menschen völlig unverschuldet in eine Ausnahmesituation gebracht hat, die auch durch unsere derzeitige Gesetzeslage bedingt ist. Weil sämtliche Unterstützungen an ein vorher gehabtes Erwerbseinkommen geknüpft sind", wie die liberale Politikerin mitteilt. In vielen Situationen sei das ein nicht erfüllbarer Anknüpfungspunkt - in der Kulturszene erst recht. Es betreffe jedoch genauso Selbstständige oder junge Menschen, die vorher noch keinen Job gehabt haben. Sie fordert daher die völlige Loslösung des Sozialanspruches von einem zuvor innegehabten Erwerbseinkommen.

"Ich hätte gedacht, dass diese Ausnahmesituation wie wir sie in der Pandemie erleben, dazu führt, dass einem bewusst wird, dass wir ein anderes System brauchen. Und das Grundeinkommen wäre wirklich eine Systemänderung", stellt Schmidt klar. Es gehe darum, zu sagen, dass die Gesellschaft dazu da ist, jedem ein Startkapital zu geben - unabhängig davon, ob jemand aus reichem Haus oder aus prekären Verhältnissen stammt. Damit gehe eine Änderung des Menschenbildes einher. Und deshalb sei diese Diskussion nicht von heute auf morgen zu führen. Gerade in Österreich, wo der Begriff der "sozialen Hängematte" einen so hohen Stellenwert habe, sei es besonders schwer, umzudenken. "Es ist eine Frage der Menschenwürde", sagt Schmidt. Menschen sollten nicht zu Bittstellern degradiert werden, wenn es ihnen schlecht gehe.

Zum oft angesprochenen Punkt, dass die Menschen sich auf den bedingungslosen Grundeinkommen ausruhen könnten, meint sie: "Diese Menschen gibt es. Wir haben sie jetzt und wir werden sie auch künftig haben, weil wir eben unterschiedlich sind". Eine Tätigkeit - egal ob bezahlt oder nicht - gehöre aber zur Sinnstiftung eines Menschen. Dass die Gewerkschaften, die momentane Situation nicht nutzen konnten, um eine ernsthafte Lohndebatte loszutreten und die mentale Wertschätzung für bestimmte Berufsgruppen wie Pflegeberufe in eine ökonomische Wertschätzung umzuwandeln, sei für sie bitter.

Dass ein bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar sei, sei von Experten schon zigmal durchgerechnet worden. Man sehe anhand der Pandemie, dass etwas, dass für notwendig gehalten wird, auch finanzierbar sei. Für sie ist die Einführung eines Grundeinkommens also vielmehr eine Frage des Umdenkens und des Wollens.

Martin Kušej

"Wir sollten uns diese Großzügigkeit leisten können"

Martin Kušej, der Direktor des Burgtheaters in Wien, zeigt sich gegenüber dem bedingungslosen Grundeinkommen nicht abgeneigt: "Ich befürworte ein bedingungsloses Grundeinkommen in einer modernen, stabilen und demokratischen Gesellschaft", sagt Kušej.

Man solle sich diese Großzügigkeit leisten können, argumentiert er. "Darüber hinaus wäre es sicher ein probates Mittel, um in Krisen, wie der aktuellen Pandemie, allen Bürgerinnen und Bürgern eine gewisse Sicherheit zu gewährleisten", teilt der Burgtheaterdirektor mit. Realpolitisch erscheine ihm diese Idee "allerdings leider eher utopisch – der Begriff der 'Solidarität' hat rapide an Bedeutung verloren. Sehr bedenklich und beunruhigend!".

Christoph Thun-Hohenstein

"Man muss nicht mehr einem Erwerbsjob nachgehen, hinter dem man nicht steht, sondern kann die Arbeit tun, die man als sinnvoll erachtet"

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 © Sabine Hauswirth/MAK

"Heute ist Österreich dazu noch nicht bereit", sagt Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des Museums für angewandte Kunst (MAK) in Wien. Er zeigt sich aber überzeugt, dass sich die Idee des BGE in den kommenden Jahrzehnten - aber nicht in wenigen Jahren - durchsetzen wird, auch in Österreich. Er selbst sei zwar kein glühender Verfechter, stehe dem BGE aber grundsätzlich offen gegenüber und glaube, dass weitere Pilotprojekte helfen können, Für und Wider besser zu analysieren und daraus weiterführende Erkenntnisse zu gewinnen.

Man muss nicht mehr einem Erwerbsjob nachgehen, hinter dem man nicht steht, sondern kann die Arbeit tun, die man als sinnvoll erachtet

Im Zusammenhang mit Fragen der Automatisierung und der Auswirkungen des zunehmenden Einsatzes von Robotern und Künstlicher Intelligenz auf den Arbeitsmarkt hat sich auch das MAK mit dem BEG auseinandergesetzt. Vor diesem Hintergrund herrsche im MAK die Sichtweise vor, das "BEG nicht als Lösungsansatz zu sehen, endlich arbeitslos sein zu dürfen, sondern als Ansatz dafür, dass nicht nur nachhaltiger Konsum und nachhaltige Lebensqualität, sondern auch sinnvolle wohlstandsfördernde und klimafürsorgliche Tätigkeit für so viele Menschen wie möglich realistisch werden. Mit anderen Worten: Man muss nicht mehr einem Erwerbsjob nachgehen, hinter dem man nicht steht, sondern kann die Arbeit tun, die man als sinnvoll erachtet", sagt Thun-Hohenstein. Dabei spiele zunehmend die Möglichkeit, gewisse "belastende" Tätigkeiten Robotern zu überlassen, eine Rolle. "Wenn Arbeit uns wachsen und selbstwirksam sein lässt, tun wir sie gerne, manchmal sogar leidenschaftlich, und machen sie besser und effizienter", teilt der MAK-Direktor mit.

Er sieht die Corona-Pandemie als wenig geeignet an, um große Veränderungen zu wagen. Sinnvolle Maßnahmen wie die Kurzarbeit seien bereits ergriffen worden. Die Frage, die man sich jedoch stellen müsse, sei folgende: Wer kann in Österreich auf die Kurzarbeit zurückgreifen? Solche Maßnahmen würden vor allem dort greifen, wo Stabilität von vornherein in einem gewissen Ausmaß gegeben ist. Für Selbstständige oder freie DienstnehmerInnen sehe die Situation schon ganz anders aus. Auf längere Sicht brauche es eine bedingungslose Sicherheit, die in allen Arbeitsverhältnissen und Gesellschaftsschichten greift. Das BGE wäre ein Modell dafür. Ein weiterer Punkt sei, dass Corona-bedingte Arbeitslosigkeit verstärkt Frauen treffe – und das angesichts steigender Doppelbelastung, die nicht entlohnt werde. Das BGE könnte hier ebenfalls einen Beitrag zur Geschlechterfrage leisten.

Auch die Reichen und die Arbeitsunwilligen müssten es bekommen, aber das ist bekanntlich umstritten

Weiters nicht so einfach zu beantworten sind nach Ansicht des MAK-Direktors die Fragen, wer ein BGE erhalten soll und wie es finanziert werden kann. "Im Grunde müssten alle Menschen, für die ein Staat verantwortlich ist, ein Grundeinkommen erhalten - da 'bedingungslos' - auch die Reichen und die Arbeitsunwilligen, aber das ist bekanntlich umstritten", sagt Thun-Hohenstein. Manche würden argumentieren, das BGE müsse nicht finanziert werden, es finanziere sich aus einer anderen Wachstumslogik heraus selbst, indem es "Mehrwert" in Form von Möglichkeiten generiere, Arbeiten wie etwa Klimafürsorge, Pflege, Kreislauf- und Ressourcenmanagement für unsere Gesellschaft zu verrichten, die unter heutigen Bedingungen der Erwerbs- und Gewinnlogik nicht ausgeschöpft werden. Auch wenn darin richtige Überlegungen stecken würden, brauche es für die flächendeckende Einführung eines BGE zusätzliches Geld – wieviel genau, hänge vom gewählten Modell des BGE ab.

Die Frage, wie hoch das BGE in Österreich und vergleichbaren Staaten bemessen sein müsste, beantwortet der Kunstmanager eher philosophisch: Genug, um ein Leben in Würde zu ermöglichen. Und das hängt wiederum davon ab, wie gut die Alltagsökonomie entwickelt ist, also wie sehr die der Alltagsökonomie zugrundeliegenden Infrastrukturen nicht nur das Überleben, sondern eine gewisse Lebensqualität ermöglichen.

Peter Brezinschek

"Es geht sich nur für rund 6 Millionen Bürger in Österreich aus"

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 © Raiffeisen

Ist das bedingungslose Grundeinkommen überhaupt finanzierbar? Die Antwort auf diese Frage sieht Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), als problematisch an. Bei rund 72,5 Milliarden geschätzten Steuereinnahmen für 2021 und einem angenommenen Grundeinkommen von 12.000 Euro im Jahr, "geht sich das nur für rund 6 Millionen Bürger in Österreich aus", wie er mitteilt. Eine Finanzierung über beispielsweise die Vermögenssteuer sieht der Chefanalyst ebenfalls kritisch. "Vermögenssteuern sind nur dann ergiebig, wenn sie das Betriebseinkommen oder das landwirtschaftliche Grundeinkommen miteinbeziehen", sagt Brezinschek. Damit würde man aber die Betriebe vertreiben, wie am Beispiel Frankreich ersichtlich sei: Das einzige europäische Land mit einer Steuer auf Betriebsvermögen ist Schlusslicht in der Industrieentwicklung in Europa.

Solidarität ist keine Einbahnstraße

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wäre laut Brezinschek außerdem keine adäquate Lösung für die eigentlichen Probleme: Die Thematik ist für ihn nicht, dass nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind, sondern dass es einen strukturellen "Mismatch" (Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt) in Bezug auf einen Fachkräftemangel gibt. Unternehmen würden händeringend nach Fachkräften suchen, trotz der momentan hohen Arbeitslosenzahlen. Und diese Missstände würde ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht beheben. Er halte auch nichts davon, "Solidarität als Einbahnstraße zu verstehen", denn "Solidarität heißt, wir müssen jene, die in Not geraten sind, soweit unterstützen, dass sie wieder in der Lage sind, etwas für die Gesellschaft und sich selbst zurückzugeben".

Wozu etwas ändern, wenn das Problem sich anders darstellt?

Es gehe darum, zu überlegen, ob gewisse Maßnahmen wirklich den Sinn erfüllen, den sie haben. "Wozu etwas ändern, wenn das Problem sich anders darstellt?", fragt Brezinschek. Seiner Meinung nach braucht es kein bedingungsloses Grundeinkommen. Trotz Digitalisierung gebe es kein Verschwinden von Arbeitsplätzen, wie es etwa Albert Einstein in den 1930er Jahren in Bezug auf die Industrialisierung vorhergesagt hat oder Karl Marx mit der industriellen Reservearmee im 19. Jahrhundert. Es sollte vielmehr das Ziel sein, das Bildungs- und Ausbildungssystem so zu gestalten, dass alle MINT-Berufe ("Mathematik, Informatik, Natur- und Ingenieurwissenschaft und Technik") sowie Gewerbe, Handwerk und gesundheitsbezogene Berufe eine Toppriorität haben. "Wir haben keinen Nachwuchs mehr", sagt der RBI-Chefanalyst. Es brauche einen Attraktivitätsschub für diese Berufe. Zusätzlich könne ein steuerlicher Umbau, weg von der Besteuerung des Faktors Arbeit hin zur Förderung von umweltfreundlichem Verhalten und der Besteuerung von nicht umweltfreundlichem Verhalten, einige Arbeitsplätze schaffen.

Sein Fazit lautet: "Ein Heer von Arbeitslosen wäre nicht notwendig, wenn wir ein anderes Ausbildungs- und Anreizsystem für Arbeit haben. Und die Mobilität beziehungsweise die Bereitschaft zum regionalen Wechsel muss viel mehr gefördert werden." Das Problem in Österreich sei: Ein wirtschaftliches Risiko dürfe es nicht geben, das sei höchstens an der Kletterwand oder beim Fallschirmspringen - eben im privaten Raum - erlaubt. "Es soll auch ein wirtschaftliches Risiko geben, aber das soll dann auf dem Markt entsprechend belohnt werden", sagt Brezinschek.

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