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Weißmann hat keine, ist aber die einzige Chance

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Medien & Menschen - Weißmann hat keine, ist aber die einzige Chance
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Der General des ORF braucht zu dessen Finanzierung die Politik. Was chancenlos wirkt, kann nur durch Schulterschluss mit Bevölkerung und Konkurrenz gelingen. Ohne solche Allianzen wird Roland Weißmann zum Handlanger von Totengräbern

Noch ist nicht der Zahltag für Medienministerin Susanne Raab, die einen ORF-Rabatt fordert. Doch der Rosenmontag ist ein Lostag für Generaldirektor Roland Weißmann, der ein Sparprogramm vorlegen muss. Und zwar dem Finanzausschuss des Stiftungsrats und nicht dem Bundeskanzleramt, wo er darüber immer wieder verhandelt. So wäre es zumindest laut Gesetz. Aber was heißt das schon in Österreich 2023? Ausgerechnet der öffentlich-rechtliche Rundfunk leistet sich sogar in diesem Gremium einen gesetzeswidrig bestellten Vertreter. Das hat Hans Peter Lehofer, eine Koryphäe des Rundfunkrechts, bereits vor zehn Monaten im Ö1 Magazin "#doublecheck" erläutert. Doch Wirtschaftswissenschafter Michael Meyer ist auch heute noch einer von elf Publikumsräten, die nicht wie vorgeschrieben aus einem Dreiervorschlag, sondern alternativlos bestellt wurden. Von Raab. Im Dienste ihres Herrn. Bundeskanzler Karl Nehammer kann 17 der 30 Publikumsräte aus den Empfehlungen von gesellschaftlich relevanten Institutionen ernennen. Er muss aber immer die Wahl aus einem Trio haben. So steht es im ORF-Gesetz. Das ist der Regierung jedoch gleichgültig. Und der Uni-Professor Meyer wurde in weiterer Folge nicht nur zum Vorsitzenden des Finanzausschusses des Publikumsrats, sondern als einer von sechs in den wesentlichen mächtigeren Stiftungsrat gewählt.

Dieses höchste Aufsichtsgremium hat ihn dann in seinen Finanzausschuss entsandt, wo SPÖ-Stiftungsrat Heinz Lederer nun den "Lostag" für Weißmann ortet. Bedrohungspotenzial für den General bedeutet das aber nicht. In der Runde gibt es nur drei Rote und einen Blauen. Und außer sechs Türkisschwarzen sitzen dort auch drei Grüne - neben dem Stiftungsratsvorsitzenden Lothar Lockl und der ehemaligen Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz auch der erwähnte Ökonom Meyer, den der Fundraisingverband Austria nominiert hatte - als repräsentativ für Konsumenten. Verwaltungsrichter Lehofer findet dafür "absolut keinen Anhaltspunkt". Aber die Grünen spielen längst alles mit. Auch den Gesetzesbruch.

Auf der Agenda steht allerdings noch mehr als die Zukunft des ORF und des öffentlich-rechtlichen Prinzips. Entscheidungen über Finanzierung und Digitalisierung des weitaus größten Medienhauses des Landes haben unmittelbare Auswirkungen auf den internen Wettbewerb der Branche und ihre internationale Konkurrenzfähigkeit. Nehammer und Raab zeigen keine Symptome, dass sie sich dieser Verantwortung bewusst sind. Der von ihnen installierte Weißmann macht keine Anstalten, sich aus dieser Umklammerung zu befreien. Man würde sich an seiner Stelle jemanden wünschen, der für den ORF so kämpft, wie es Walter Hämmerle für das Überleben der "Wiener Zeitung" getan hat.

Die bisherige Amtsführung des Marathonläufers spricht aber gegen einen solchen persönlichen Wandel. Auf seiner Haben-Seite als Auch-Informationsdirektor steht die Nicht-Einmischung in die Redaktionen: Die Journalisten können unabhängig arbeiten. Tief im Soll hingegen ist seine Repräsentation des ORF. Er agiert zu leichtgewichtig für die Schwere seines Unternehmens. Die Ursache dafür ist wahrscheinlich seine persönliche Sozialisierung: Als er 1995 im Landesstudio Niederösterreich begann, hatte gerade der Sozialdemokrat Gerhard Zeiler den legendären Gerd Bacher als Chef des Hauses abgelöst. Der bürgerliche Wortgewaltige und sein smarter Nachfolger waren die letzten ORF-Generäle mit wirklichem Standing gegenüber der Parteipolitik.

Allenfalls Gerhard Weis hatte danach ähnliches Format. Als er 2019 starb, verbat sich sein Sohn die Heuchelei des Beileids aus ÖVP und FPÖ. Sie hatten den Vater abmontiert, um Monika Lindner als Nachfolgerin einzusetzen, die wiederum von Alexander Wrabetz abgelöst wurde. Sie geriet dann zur Stronach-Abgeordneten, er ist heute Rapid-Präsident. Bacher hingegen war in ORF-Pausen Berater des späteren Kanzlers Helmut Kohl und "Presse"-Herausgeber. Zeiler wurde RTL-Chef und ist heute President International bei Warner Bros. Discovery. Das Nachleben entsteht aus der Vorqualifikation.

Weißmann wird sich in eine dieser beiden Traditionen von ORF-Chefs einreihen. Er hat die Chance zur Selbstermächtigung: das Unternehmen so in der Bevölkerung und zwischen den Mitbewerbern zu positionieren, dass ein Hort der unabhängigen vierten Gewalt bestehen kann. Mit Raab über Rabatt zu verhandeln, ist kein Weg dorthin, sondern hat das Niveau eines Kramladens. Der General muss die Öffentlichkeit ins Boot holen. Sonst ist nicht nur er bei der nächsten ORF-Wahl 2026 Geschichte. Österreichs Demokratiequalität und der eigenständige Medienmarkt stehen auf dem Spiel.

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