Die Anfänge
Aus der Wahl am 3. Oktober 1999 geht die SPÖ deutlich geschwächt heraus, die FPÖ ergattert Platz 2, die ÖVP verliert zwar nur geringfügig, aber muss sich mit Platz 3 zufriedengeben. Dass Schüssel für diesen Fall angekündigt hatte, in Opposition zu gehen, hindert ihn nicht daran, schließlich hinter dem Rücken des damaligen Bundespräsidenten Thomas Klestil eine Koalition mit den Freiheitlichen auszuhandeln - und sich den Kanzlersessel zu holen.
Freiheitlichen-Chef Haider verzichtet für die Regierungsbeteiligung erstens auf einen Wechsel nach Wien und zweitens auf den Kanzlersessel, womit Wahlverlierer Schüssel von Platz 3 aus zum Regierungschef aufsteigt. Vorwürfe, dies sei sein einziges Ziel gewesen, weist Schüssel bis heute zurück. In seinen Memoiren betont er, die steirische Landeshauptfrau Waltraud Klasnic und Notenbank-Präsidentin Maria Schaumayer für die Position vorgesehen zu haben.
Kein leichter Start
Anders als heute, war die Aufregung damals groß: Zahlreiche Demonstranten versammeln sich am Tag der Angelobung rund um die Hofburg. Schüssel und sein Regierungsteam wird von fliegenden Eiern und einer tobenden Menge empfangen. Die Regierung schwarz-blau hat es zu anfangs nicht leicht: Rund zwei Jahre lang finden in Wien ab Regierungsbeginn wöchentlich die sogenannten Donnerstagsdemonstrationen statt, die sich gegen die schwarz-blaue Koalition richten, vor allem gegen die rechtspopulistische FPÖ.
Zudem gibt es rund ein halbes Jahr lang seitens der EU Beschränkungen, die von der Regierung als "Sanktionen gegen Österreich" bezeichnet werden. "Die Regierungen der 14 Mitgliedsstaaten werden keinerlei offizielle bilaterale Kontakte auf politischer Ebene mit einer österreichischen Regierung unter Einbindung der FPÖ betreiben oder akzeptieren. Es wird keine Unterstützung für österreichische KandidatInnen geben, die Positionen in internationalen Organisationen anstreben", heißt es damals. Vor allem den pro-EU ausgerichteten Kanzler schmerzt dieser Einschnitt.
Höhepunkte und Skandale
Das hindert das Kabinett Schüssel aber nicht am Arbeiten: Schüssels Mascherl - obwohl er als Kanzler fast nur noch Krawatte trägt - wird zum Markenzeichen, er geht als Wendekanzler in die österreichische Polit-Geschichte ein.
1. Positive Wirtschaftslage und Reformgeist
Wirtschaftlich entwickelte sich Österreich damals recht positiv. Vom "besseren Deutschland" war in Medienberichten mitunter die Rede. Trotz "EU-Sanktionen" und Demonstrationen schreitet die Regierung gleich von Anfang an zur Tat, mit dem Ziel Österreich umzukrempeln. In den ersten 100 Tagen werden die Weichen für eine Reform nach der anderen gestellt, unter anderem für Privatisierungen, eine Pensionsreform, NS-Restitutionen, die Abschaffung des Hausbesorgergesetzes, die Liberalisierung des heimischen Strommarktes und ein neues ORF-Gesetz.
2. Pensionsreform
Schüssel schwebt eine Entlastung des Pensionssystems vor, die vor allem die Jüngeren trifft: Die Pensionen werden nicht mehr am Gehalt der letzten 15 Arbeitsjahre festgemacht, sondern anhand der gesamten Lebensarbeitszeit berechnet. Frühpensionen werden erschwert und die Reform hebt das Pensionsalter an, wobei die sogenannte "Hacklerregelung" aufrecht bleibt und es weiterhin eine Sonderregelung für Beamte gibt. Der ÖGB reagiert daraufhin mit einem "Abwehrstreik", um für ein soziales und gerechtes Pensionssystem zu demonstrieren.
Die Reform wirkt bis heute nach.
3. NS-Restitutionen
Die schwarz-blaue Regierung beschließt unter anderem eine Entschädigung für Zwangsarbeiter aus der Zeit des Nationalsozialismus. Es wird ein Versöhnungsfonds eingerichtet (2001 bis 2005), der mit symbolischen Geldleistungen für noch lebende ehemalige Zwangsarbeiter ein Zeichen gegen das erlittene Unrecht setzt. Insgesamt werden bis 2005 rund 352,6 Millionen ausgezahlt, die vom Bund, den Bundesländern und der Wirtschaft finanziert werden.
4. Privatisierungen und Nulldefizit
Mit dem Privatisierungsgesetz wird die Grundlage für den späteren Verkauf von Unternehmen wie Austria Tabak, Telekom Austria oder Voestalpine gebildet. Parallel dazu verkündet Karl-Heinz Grasser 2001 das Nulldefizit, netto hat Österreich also ein Jahr lang keine neuen Schulden angehäuft. Möglich macht es eine hohe Steuer- und Abgabenquote und die Privatisierung von Staatsbeteiligungen an Unternehmen. Auf kurze Sicht schwemmt dieser Kniff zwar Geld in die Kassen, eine nachhaltige Budgetsanierung bleibt allerdings aus.
Gleichzeitig spielt die Privatisierungswelle später eine entscheidende Rolle für einige der größten Korruptionsaffären in dieser Regierungszeit. Diese Skandale überschatten bis heute die positiven Errungenschaften des Kabinetts Schüssel.
5. Der orange Putsch
Die erste Koalition mit den Freiheitlichen platzt 2002. Jörg Haider, der sich als FPÖ-Obmann zurückgezogen und seiner langjährigen Weggefährtin Susanne Riess-Passer das Ruder überlassen hat, ist weiter aktiv in der Bundespolitik. Die politische Fernbeziehung scheitert. Ständige Streitereien münden schließlich im "Putsch" von Knittelfeld, auch motiviert von diversen Irritationen um den umstrittenen Eurofighter-Kauf. Mit Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Klubchef Peter Westenthaler marschieren im September 2002 jene drei Freiheitlichen ab, die sich am besten mit der ÖVP arrangiert haben. Schüssel ruft Neuwahlen aus, angelt Grasser für die Volkspartei und landet mit mehr als 42 Prozent einen Sensationserfolg. Erneut geht er eine Koalition mit der FPÖ ein.
2005 rebelliert die Parteibasis gegen die zu lasche freiheitliche Position in der Regierung, im April diesen Jahres wird das BZÖ geboren und die blaue Spitze färbt sich orange. Da die Mehrheit gesichert bleibt, macht Schüssel mit der nun schwarz-orangen Regierung weiter.
6. Korruptionsaffären: Von der Buwog über den Eurofighter bis zur Telekom
Aus der schwarz-blauen Regierungszeit sind gleich mehrere gewichtige Skandale und Korruptionsaffären hervorgegangen:
Die Telekom-Affäre beschäftigt teilweise bis heute noch die Gerichte: Es geht dabei unter anderem um Vorwürfe der Kursmanipulationen der Aktien im Jahr 2004 und Zahlungen für Parteien ohne Gegenleistung.
Bis heute zieht sich die Causa Eurofighter: Im Jahr 2000 beschließt die schwarz-blaue Regierung die Anschaffung der neuen Abfangjäger. Der Ankauf der Eurofighter avanciert zum teuersten und einem der umstrittensten Beschaffungsvorgänge der Zweiten Republik.
Ein weiterer Skandal dreht sich um die Privatisierungen der Bundeswohnungsgesellschaft Buwog mit dem ehemaligen Finanzminister Grasser auf der Anklagebank. Die Causa wird erst jetzt vor Gericht aufgerollt.
Ebenfalls zu nennen sind noch die Terminal Tower- und die Tetron-Affäre und nicht zu vergessen der Absturz der Hypo Alpe-Adria-Bank. Das ganze Hypo-Desaster soll dem Steuerzahler bisher rund 5,5 Mrd. Euro gekostet haben.
Das Ende der Farbenspiele
Nach der Nationalratswahl am 1. Oktober 2006 hat die SPÖ knapp die Nase vor der ÖVP. Spekulationen um eine "Regenbogenkoalition" oder eine Minderheitsregierung der Roten lösen sich bald in Luft auf, die Zeichen stehen wieder auf einer Neuauflage der Großen Koalition. Am 11. Jänner 2007 lobt Bundespräsident Heinz Fischer nach zähen Verhandlungen das Kabinett Gusenbauer an. Mit den Worten "Es reicht" trägt der damalige ÖVP-Chef Wilhelm Molterer diese Koalition nach nur eineinhalb Jahren zu Grabe.