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Der letzte Präsident und das geduldige Papier

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Medien & Menschen - Der letzte Präsident und das geduldige Papier
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Vor drei Monaten noch Deutschlands Verlegerpräsident, spielt Mathias Döpfner schon den Totengräber für gedruckte Zeitungen. Dieser digitale Verrat ist spekulativ. Denn der Rückgang der Papiermedien wird nicht zu ihrem Verschwinden führen

In Österreich tragen Kulturschaffende den Protest gegen das Ende der "Wiener Zeitung" als gedrucktem Tagblatt. In Deutschland trägt ein einstiger Kulturjournalist Papier als Vertriebsmittel von Journalismus zu Grabe. Denn für Mathias Döpfner ist "völlig klar, dass es eines Tages (...) keine gedruckten Zeitungen mehr im Hause Axel Springer geben" werde. Der Zwei-Meter-Mann hat seine Karriere mit Musikkritik in der "Frankfurter Allgemeine Zeitung" begonnen und ist seit 2002 Chef des Medienkonzerns hinter der "Bild", den er konsequent auf Digitalisierung trimmt. Vor drei Jahren wurde der Hüne dafür von Erbin Friede Springer mit Aktien im Wert von einer Milliarde Euro belohnt.

Der 60-Jährige war zudem bis November 2022 Chef des Bundesverbands der Zeitungsverleger BDZV, der unter ihm das "D" wie "Deutscher" durch "Digitalpublisher" ersetzt hat. Döpfner will immer Erster sein, ist aber auch der letzte seiner Art. Seit ihm steuert den BDZV kein Präsident mehr, sondern ein Dreier-Vorstand. Solch Virtuosität zur eigenen Überhöhung beeindruckt sogar türkise Selbstdarsteller. 2018 hielt er ein Hauptreferat bei Minister Gernot Blümels großer Medienenquete. Mediensprecher der neuen Volkspartei war damals jener Karl Nehammer, für den heute Susanne Raab die "Wiener Zeitung" abwickelt. Stur, keine Ministerin mit Eigenleben, sondern eine treue Dienerin ihres Herrn.

Nun könnte sie Döpfner als Kronzeugen für den richtigen Weg zitieren. "Bild" nennt sich zwar noch "Europas größte Tageszeitung", doch der Konzernchef will aus Springer ein reines Digitalunternehmen formieren. 85 Prozent des Umsatzes und 95 Prozent des Gewinns kommen bereits aus diesem Bereich. In Sachen Big Business hat Döpfner alles richtig gemacht. Als die Witwe ihm die Aktien schenkte, wurde ein US-Finanzinvestor größter Anteilseigner. Springer kaufte unterdessen die amerikanische News-Website "Politico" - ein Milliardendeal, die größte Investition in der Unternehmensgeschichte.

Das alles ließe sich prächtig missverstehen als Argument für eine ausschließlich digitale "Wiener Zeitung". Doch es ist das Gegenteil. Döpfner leistet einen Offenbarungseid als Verleger zugunsten der puren Gewinnorientierung seiner Investoren. An der Spitze von Medienhäusern mit journalistischer Basis muss es aber höhere Werte geben - solange sie ein tragfähiges Geschäftsmodell ermöglichen. Sonst ist nicht nur die demokratiepolitische Position einer kaum legitimierten, aber kontrollierenden vierten Gewalt gefährdet. Es geht auch um die Verteidigung von Grundlagen unserer Gesellschaft - wie Papier, dem seit Jahrtausenden bewährten Träger von Information und Kommunikation. Für beide Aspekte sind die republikeigene "Wiener Zeitung" und der Boulevardriese "Bild" falsche Beispiele. Die eine ist nicht ausreichend lebensfähig, der andere zu wenig verantwortungsvoll.

Die hiesigen Don Quijotes kämpfen weniger gegen die Windmühlen einer uneinsichtigen Regierung als kontra die Tücken der Wirtschaftlichkeit. Döpfner hingegen fördert ohne Not eine Entwicklung, die trotz 300 Prozent höherer Papierpreise so schnell nicht kommt. Print wird nicht verschwinden, sondern vom Mehrheits-zum Minderheitenprogramm. Die Aufgabe von Verlegern, die mehr als Verlagsmanager sein wollen, ist die Begleitung und Veredelung dieses Prozesses zu einem Eliteprodukt. Dazu gehört der Versuch von Entschleunigung, das geistvolle Gegenhalten zu einer entfesselten Technologie, wie gerade der kunstsinnige Döpfner es beherrscht. Wenn er will.

Als er Springer 2005 "Online First" verordnete, war der Erzfeind "Spiegel" die digitale Benchmark. Der wirkt heute noch auch auf Papier ziemlich gut aufgestellt. Er ist nach sieben TV-Illustrierten und der "Landlust" das meistverkaufte Magazin: allein im Inland 560.000 Stück pro Woche. Bei "Bild" sind es noch 830.000 pro Tag, obwohl in einer Weltkarte zum "Aussterben von Zeitungen" steht, sie würden 2030 in Deutschland - und schon 2028 in Österreich - bedeutungslos. Diese Vorhersage wurde 2010 vom Australier Ross Dawson aufgestellt. Das ist als Zukunftsforscher ein Berufskollege von Matthias Horx, der 2001 gesagt hat: "Internet wird kein Massenmedium". Papier ist geduldig.

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