Seit seinem Rücktritt 2009 meidet Hermann Maier die Öffentlichkeit. Der einst meistfotografierte Sportstar des Landes hat sich ins Privatleben zurückgezogen. Jetzt eröffnet er in Tirol ein Hotel.
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Herr Maier, kann man sich heute in Österreich noch einen Skiurlaub leisten?
Unsere Tourismuswirtschaft hat im letzten Winter neue Rekordzahlen gemeldet, das bedeutet, dass der Skisport nach wie vor attraktiv ist. Für die Zuwächse sorgen aber in erster Linie ausländische Gäste. Denn die Österreicher selbst fahren weniger auf Skiurlaub, das hat auch mit den Kosten zu tun. Daher wollen wir mit unserem Hotel den Österreichern ein Angebot machen, das ihnen die Entscheidung für einen Skiurlaub leichter macht. Unser Hotel funktioniert nach dem Prinzip, dass es sich jeder aussuchen kann, wie viel er von unserem Angebot in Anspruch nimmt. Daher haben wir bewusst auf einen weitläufigen Wellnessbereich verzichtet, trotzdem findet man bei uns alles, was zu einem perfekten Skiurlaub gehört. Die Zimmer sind praktisch und ohne Firlefanz gestaltet. Dabei bringe ich meine jahrelangen Erfahrungen im Skizirkus ein. Ich habe mich in den einfacheren Hotels immer schon wohler gefühlt als in den Luxusherbergen.
Ist Österreich noch eine Skifahrernation?
Skifahren hat in Österreich große Tradition. Wir müssen aber aufpassen, dass die nicht verloren geht. Selbst die Kinder in den traditionellen Skigebieten landen im Gegensatz zu früher nicht mehr automatisch beim Skifahren. Offensichtlich gibt es sehr viele Freizeitangebote, die interessanter sind. Wenn ich Kinder beobachte, die sich schon auf dem Schulweg hinter ihrem Smartphone verstecken, anstatt miteinander etwas zu unternehmen, ist das ein Alarmsignal. Skifahren hat sehr viel mit Emotionen zu tun. An einem schönen Skitag kannst du den Alltag vergessen, du stellst dich sportlichen Herausforderungen, du musst auch eine gewisse Entschlossenheit beweisen, wenn du einen Hang hinunterfährst. Es geht darum, dass wir für die Kinder und Jugendlichen wieder mehr solcher gemeinschaftlicher Erlebnisse auf den Pisten schaffen, dann werden sie auch wieder vermehrt zum Skifahren kommen.
Wie viel Maier steckt in diesem Hotelprojekt?
Ich bin froh, dass ich mich als gelernter Maurer mit sieben Jahren Berufserfahrung im Baugewerbe auskenne. Diese Erfahrung bringe ich in dieses Hotelprojekt ein. Wichtig ist, dass man sich vorher genau überlegt, was man will. Ich stecke nicht nur mein eigenes Geld in dieses Hotel, sondern war von der Standortentscheidung über den Grundstückskauf bis zur Bauausführung voll involviert. Daher habe ich auch eine ganz besondere Beziehung zu diesem Hotel. Ich würde nie meinen Kopf für etwas hergeben, von dem ich nicht zu hundert Prozent überzeugt bin.
Warum bauen Sie das Hotel in Tirol und nicht daheim in Flachau?
Ich war immer ein weltoffener Mensch und habe immer schon über meine engere Heimat hinausgedacht. Vielleicht bauen wir auch einmal ein ähnliches Hotel in Flachau, aber momentan ist der Standort St. Johann ideal. Hier gibt es ein Familienskigebiet, das bestens für den Skiurlaub geeignet ist. Und das Hotel steht direkt neben der Liftanlage. So etwas habe ich während meiner ganzen Karriere nicht erlebt. Du fällst bei uns aus dem Bett direkt in den Sessellift. Da gibt's keine Ausreden mehr.
Nach Ihrem Karriereende 2009 haben Sie sich konsequent aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Warum?
Schon während meiner Skifahrerkarriere habe ich mich immer nach etwas mehr Privatsphäre gesehnt, was mir aber nur zum Teil gelungen ist. Ich bin jahrelang dermaßen im Zentrum des öffentlichen Interesses gestanden, dass ich mir jetzt die Freiheit nehme, mein Privatleben abseits der Öffentlichkeit und ungestört zu genießen. Ich bin glücklich, dass ich mir meine Träume nicht nur im Sport, sondern auch im Privatleben erfüllen konnte. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen, und mehr will ich darüber auch nicht sagen.
Abgesehen von Pressekonferenzen Ihres Werbepartners Raiffeisen lassen Sie sich heute nicht einmal mehr bei der Galanacht des österreichischen Sports blicken.
Was soll ich dort? Solche Menschenaufläufe waren noch nie meine Sache. Ein Ganzkörperbad daheim ist mir allemal lieber als ein Gesichtsbad vor Hunderten von Menschen. Außerdem brauche ich keine Ehrungen oder Pokale mehr, da kugeln schon genug in der Gegend herum. Wenn man zu allen möglichen Veranstaltungen hinläuft und sich ständig in der Öffentlichkeit präsentiert, darf man sich nicht wundern, wenn auch die Privatsphäre weniger respektiert wird. Auch das ist ein Grund, warum ich mich bei solchen Veranstaltungen rarmache.
In einem Ihrer Werbespots kokettieren Sie trotzdem mit Ihrer Rolle als Vater von Zwillingen.
Das ist ein Thema, das zwischen meinem Werbepartner und mir durchaus kontroversiell diskutiert wurde. Die Spots, die zum Beispiel auf mein Leben als Vater Bezug nehmen, sind selbstverständlich ironisch gemeint, sie überzeichnen bewusst. Mit der Realität haben sie ganz wenig zu tun. Wir haben auch vor der Südpol-Expedition einen Spot mit Schlittenhunden gedreht, allerdings auf Island und nicht in der Antarktis. Wie man sieht, kann man mit diesen Werbefilmen auch die Fantasie der Zuschauer anregen.
So medienscheu wie heute waren Sie zu Beginn Ihrer Karriere jedenfalls nicht.
Ich bin seinerzeit quasi über Nacht in der Öffentlichkeit aufgetaucht, bin plötzlich in der Auslage gestanden, war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Zu der Zeit habe ich alles laufen lassen, war zunächst der Meinung, der ganze Rummel gehört in diesem Geschäft einfach dazu. Das hat dann rasch Ausmaße angenommen, wo ich nur mehr Beifahrer war, steuern habe ich das Ganze nicht mehr können. Vor meinem Elternhaus haben Busse angehalten, die Leute haben beim Küchenfenster reingestarrt. Was mein Privatleben anlangt, gab es keine Tabus, ich war ein öffentliches Gut. Ich habe damals sicher auch Fehler gemacht. Erst nach meinem Motorradunfall 2001 habe ich das ein wenig in den Griff bekommen. Ich wollte eigentlich immer nur als Sportler definiert werden, aber natürlich spielen dann auch gewisse persönliche Eitelkeiten eine Rolle. Ich war vielleicht stolz auf meinen durchtrainierten Körper und habe mir nichts dabei gedacht, wenn ich für ein paar Fotos nackt in einen Bergsee gesprungen bin. Im Nachhinein kann ich über solche Sachen schon wieder lachen, machen würde ich das nach all den Erfahrungen heute nicht mehr.
Aber Sie konnten ganz gut mit Ihrem Image leben.
Unlängst habe ich im ORF ein Interview mit mir aus dem Jahr 1998 gesehen. Damals sind mir die Haare ins Gesicht gehängt, und ein schiaches Kapperl hab' ich auch noch aufgehabt. Heute würde man sich so nicht mehr ins Fernsehen trauen. Heute versuchen die Leute, sich in den Medien möglichst perfekt darzustellen, davon war ich meilenweit entfernt. Aber das war einem damals egal. Ich bin so aufgetreten, wie ich gerade war, habe munter drauflosgeplaudert, war mit meinem Schul-und Skilehrerenglisch sogar Gast in einer amerikanischen Late-Night-Show. Ich habe unzählige Interviews gegeben, ohne sie jemals gegenzulesen oder zu autorisieren. Da wurden mir Sätze in den Mund gelegt, die ich so nie gesagt habe. Mit der Zeit hat sich das verselbstständigt, da wurde von außen ein Image zusammengebastelt, das mit meiner Person relativ wenig zu tun hatte. Außerhalb des Sports war und bin ich ein ganz normaler Mensch, ein Familienvater wie jeder andere auch, mit Stärken und Schwächen.
Zu aktuellen Themen kommen von Ihnen keine Äußerungen. Warum halten Sie mit Ihrer Meinung hinterm Berg?
Natürlich habe ich meine persönliche Meinung, zum Beispiel zum Thema Flüchtlinge. Aber ich verspüre keinen Drang, meine Meinung der Öffentlichkeit mitzuteilen. Es gibt ohnehin schon viel zu viele Experten für alles Mögliche. Ich halte auch wenig von Aktionen wie der seinerzeitigen Ice Bucket Challenge. Oder wissen eigentlich alle, die sich im November einen Schnauzer wachsen lassen, worum es dabei geht? Das alles nimmt Dimensionen an, wo es den Leuten oft nur um die Selbstdarstellung geht, nicht um die Sache selbst. Wenn ich mich für eine Sache engagiere, dann tue ich das wohlüberlegt, gehe mit meinem Engagement aber nicht hausieren.
ZUR PERSON
Hermann Maier. Der "Herminator" wurde 1972 in Altenmarkt im Pongau als Sohn eines Skilehrer-Ehepaares geboren und wuchs in Flachau auf. Nach der Skihauptschule in Schladming begann er eine Maurerlehre. Erst mit 23 Jahren schafft Maier den Sprung ins Skiteam und wird erfolgreichster ÖSV-Weltcupläufer aller Zeiten (54 Siege), Doppelolympiasieger (1998), dreifacher Weltmeister (1999,2005) sowie viermaliger Gesamtweltcup-Gewinner.
DAS HOTEL
Adeo Alpin St. Johann. Direkt neben dem Hochfeld-Sessellift auf der Rückseite des Kitzbüheler Horns eröffnet am 15. Jänner 2016 Hermann Maiers erstes Hotel, in dem er seine Ideen von einem preisgünstigen und familiengerechten Skiurlaub umsetzt. Ab 78 Euro kostet die Nacht im Doppelzimmer, Kinder bis fünf Jahre übernachten gratis.