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Guido Knopp: "Putin wird wieder mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt"

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Ein gemaltes Bild von Wladimir Putin.

©STRINGER / AFP / picturedesk.com
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Mit Fernsehserien wie "Hitlers Helfer" erklärte der Historiker Guido Knopp Generationen den Zweiten Weltkrieg. In seinem Buch "Putins Helfer" stellt er die Oligarchen vor, die Russlands Präsidenten im Amt halten. Ein Gespräch über Putins Vorteile durch den Nahostkonflikt, den Mythos Krim und das Wahljahr 2024.

Seit 23 Jahren regiert Wladimir Putin Russland. 2024 kandidiert er für seine nächste Amtszeit als Präsident. Für den deutschen Journalisten und Historiker Guido Knopp ist Putin "das Synonym für einen Mann, in dem sich allzu viele allzu lange getäuscht haben". In seinem Buch "Putins Helfer" stellt Knopp jene vor, die den Präsidenten zu seinem Amt verholfen haben und nun von ihm gezwungen werden, ihn dort zu halten.
News traf den heute 75-jährigen Historiker, der im deutschen Fernsehen mit Serien wie "Hitlers Helfer" den Zweiten Weltkrieg und die Nazi-Zeit erklärte.

Herr Knopp, seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober wird nur noch sehr wenig von Russlands Krieg gegen die Ukraine berichtet. Wird die Gefahr, die von diesem Krieg ausgeht, unterschätzt?
Der Konflikt in Russland wird nur überdeckt von dem, was derzeit in Israel geschieht. Putin profitiert davon, dass die Aufmerksamkeit jetzt auf den Nahen Osten gerichtet ist, weil sich der Westen nicht mehr so intensiv um die Ukraine kümmern kann, sondern seine Hilfe jetzt auch auf Israel ausrichten muss. Das gilt vor allem auch für Deutschland, weil die Sicherheit Israels für uns ein ungeschriebener Artikel unseres Grundgesetzes ist. Die Ukraine ist jetzt ein bisschen in den Windschatten dieses Nahostkonflikts geraten, was aber nicht heißt, dass das ganze Problem, das ich in meinem Buch beschrieben habe, weg ist. Möglicherweise wird es auch stärker werden, weil die russische Seite natürlich aus all dem, was nun geschieht, Gewinn zieht.

Heißt das, dass die Welt in noch größerer Gefahr vor einem Weltkrieg steht, noch mehr gespalten ist als jemals zuvor?
Ja. Aber das hat sich schon seit Jahren abgezeichnet. Die gute alte Illusion, die wir ab den Jahren 1989/90 hatten, dass nun "das Ende der Geschichte", erreicht sei, wie ein gewisses Buch in seinem Titel verkündet, ist nur noch eine Utopie.

Sie meinen Francis Fukuyamas Theorie vom Ende der Geschichte, dass sich, verkürzt ausgedrückt, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in allen Ländern die Demokratie als Staatsform durchsetzen werde ...
... und diese schöne neue Welt, wo wir Deutschen vor allem nicht mehr das erste potenzielle Schlachtfeld eines nuklearen Kriegs sind, an der Nahtstelle zwischen dem Ost-und dem Westblock, sondern von einem weithingehend vereinten Europa umgeben ist, ist nur noch eine Utopie.

In Ihrem Buch "Hitlers Helfer", das auch zur Fernsehserie wurde, beschreiben Sie jene, die Hitler an die Macht gebracht haben. Jetzt schreiben Sie über "Putins Helfer". Ist Russlands Präsident mit Hitler zu vergleichen?
Ich kann den ukrainischen Präsidenten Selenskyj schon verstehen, der diesen Vergleich als erster formuliert hat. Putin hat ja im vergangenen Jahr ohne Kriegserklärung die Ukraine angegriffen, um sie in sein Reich einzuverleiben. Das ist schon vergleichbar mit Hitlers Überfall auf Polen, der den Zweiten Weltkrieg ausgelöst hat. Und auch, wenn Putin Hunderttausende von Leben auf dem Gewissen hat: Es ist doch noch mal ein Unterschied zu jenem Hitler, der der Urheber des Holocaust gewesen ist.

Putins Helfer: Die Hintermänner der russischen Diktatur

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Wie sieht der Historiker Knopp den immer stärker werdenden Antisemitismus?
Das ist eine Schande für unsere beiden Länder, für Deutschland und Österreich, die ja durch den Holocaust eine ganz besondere Verpflichtung haben. Bei uns dürfen Jüdinnen und Juden nie mehr Angst vor irgendwelchen Angriffen haben. Dafür müssen wir alle sorgen -die Gesellschaft und der Staat.

Soll man die Demos der Palästinenser, die Parolen wie "From the river to the sea" skandieren, also die Auslöschung Israels fordern, verbieten?
Schwierig. Wenn diese Leute, die demonstrieren, deutsche Staatsbürger sind und viele von denen sind das, kann man sie ja nicht ohne Weiteres ausweisen. Aber man kann sie enger unter die Lupe nehmen und sie auch polizeilich erfassen. Wenn sie sich mit solchen Parolen strafbar gemacht haben, sollte man sie dann allmählich ausweisen. Denn solche Leute brauchen wir nicht. Aber es kann in einem Rechtsstaat furchtbar lang dauern, bis man sie ausweisen kann, denn diese Leute können vor Gericht dagegen berufen, und wie wir alle wissen, sind die Gerichte überlastet. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass wir solche Leute bereits an den Grenzen stoppen und niemanden, der keine legitimen Fluchtgründe hat und aus einem radikal islamischen Land kommt, ins Land lassen. Das wäre die logische Folge.

Hatte Karl Lagerfeld recht, als er sagte, wir holen uns die Feinde ins Land? Er machte dafür auch die Linke verantwortlich.
Man darf nicht von vornherein sagen, die Linke. Es gibt viele bei der Linken, die so denken, aber es gibt auch einige bei den Grünen, auch beim linken Flügel der SPD, die sagen, wir müssen zu Israel stehen.

Lassen Sie uns auf Ihr Buch, "Putins Helfer" zurückkommen. Nicht erst seit dem aktuellen Nahostkonflikt, sondern relativ bald nach dem Tod von Sergej Prigoschin, dem Chef der Wagner-Truppen, hört man vom Verteidigungsminister Sergej Schoigu nichts mehr. Auch über andere, wie den Oligarchen Abramowitsch, wird derzeit nichts berichtet. Was ist da los?
Der Flugzeugabsturz von Prigoschin hat gezeigt, was droht, wenn man in Russland gegen das Regime aufmuckt. Deshalb halten sie alle stille. Sie wissen, sie leben gefährlich, jeder kann aus dem Fenster stürzen oder vergiftet werden. Prigoschins Marsch auf Moskau war eine Verzweiflungstat. Ich verstehe aber nicht, wie er überhaupt glauben konnte, dass er in Russland einfach in ein Flugzeug steigen kann. Er hätte doch wissen müssen, dass er so endet. Ob eine Boden-Luft-Rakete seinen Flieger getroffen hat, oder eine Bombe, die in der Maschine angebracht war, weiß man nicht. Bekannt ist nur, dass die Stewardess, die mitgeflogen und mit ihm umgekommen ist, ihren Eltern vor dem Abflug noch ein Mail geschickt hat, wo sie von einer angeblichen Reparatur an der Elektronik berichtete. Was tatsächlich geschehen ist, wissen wir nicht. Jedenfalls ist Prigoschin ums Leben gekommen, weil ihn Putin nicht mehr brauchte.

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 © FUTURE IMAGE / Action Press / picturedesk.com

So gesehen hätte also Verteidigungsminister Sergej Schoigu nichts zu befürchten, sehe ich das richtig?
Putin braucht ihn, weil er ein guter Organisator ist. Er musste auch den Zorn und den Unmut all jener ausbaden, denen beim Angriff auf die Ukraine nicht alles schnell genug ging. Da hatte er angeblich sogar einmal einen Herzinfarkt. Die russische Armee ist nicht so tüchtig, wie man es im Westen immer gedacht hat. Die Paraden auf dem Roten Platz zum 9. Mai zeigten nicht deren wahres Bild. Die Raketenstreitkräfte funktionieren, die sind top. Aber die russische Armee war eine träge Masse, weil viele Gelder, die für sie bestimmt waren, auf dem Wege versickert sind, etwa in Yachten, die jetzt vor Zypern liegen. Jetzt ist das alles anders, und derjenige, der die Armee wieder auf Vordermann bringt, ist Schoigu. Deshalb braucht Putin diesen Mann. Deshalb hat er auch während dieses monatelangen Streits zwischen Prigoschin und Schoigu letzteren unterstützt. Schoigu war schon zu Jelzins Zeiten der Chef der Katastrophenhilfe. Prigoschin war ein Landsknecht. Der konnte mit einer Armee von Häftlingen kurzfristig eine Bresche schlagen, aber das war es dann auch schon.

Sie schildern in Ihrem Buch die Propaganda-Sendungen von Wladimir Solowjow. Der lobte Mussolini und nennt Alexej Nawalny einen "Nazik". Sind die Leute in Russland so unkritisch, dass sie ihm das alles glauben?
Sie haben keine andere Möglichkeit. Die Stimmung in Russland ist derzeit von einer Art Friedhofsruhe geprägt. Diejenigen, die aufbegehren, sind entweder in den Westen emigriert oder in einer Art von innerer Emigration, und davon gibt es mehr als wir glauben, oder sie sitzen im Knast, wie der arme Mann, den sie erwähnt haben. Das Fernsehen ist vom Staat gelenkt. Alle oppositionellen Medien sind ausgelöscht. Man kann online noch das eine oder andere erfahren, aber diese Möglichkeiten sind stark beschränkt. Die Leute in der Provinz empfangen nur die staatlichen Medien. Solowjow ist in den Journalismus reingerutscht. Er lehrte an der Universität von Alabama, kam nach Russland zurück und hat als Unternehmer viel Geld verdient. Schon zu Zeiten Jelzins war er in einer Radiosendung zu hören, dann trat er im Fernsehen auf. Da fand er Gefallen am direkten Gespräch, und das ist die dankbarste Art des Journalismus. Das weiß ich aus Erfahrung. In seinem Buch "Empire of Corruption" beschreibt er wunderbar, wie das ganze Reich von Bestechung und Korruption geprägt ist. Das geht von der Krankenschwester bis zum Arzt, der sich nur Mühe bei einer Operation gibt, wenn er noch zusätzlich etwas verdient. Das Land funktioniert nur durch Korruption. Auch Solowjow finanzierte seine Villen in Italien, seine Häuser in Moskau und seine Kinder in Amerika durch Korruption. Aber er ist der ärmste dieser OIigarchen. Denn er ist nur Millionär, die anderen sind Milliardäre.

Wie Roman Abramowitsch. Sie nennen ihn Putins Finanzier. Angeblich ist der russische Präsident sehr wohlhabend, wozu braucht er dann Abramowitsch noch?
Den hält sich Putin in der Hinterhand. Deshalb ist Abramowitsch auch in Moskau geblieben. Er hat Putin geholfen, ins Amt zu kommen. Als der anfangs Geld brauchte, konnte er sich auf Abramowitsch verlassen, hat ihn aber dann gegen dessen Willen in den allerfernsten Osten von Russland als Gouverneur von Chamkatka deportiert.

Deportiert?
Das kann man so sagen. Abramowitsch, der das gar nicht wollte, ist dann nach Anchorage gezogen und ist zwischen Alaskas Hauptstadt und dem ihm anvertrauten Teil Russlands gependelt, wo er mit seinen Milliarden Segenreiches geleistet hat. Als Jude hat er auch zunächst versucht, zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Das hat bekanntlich zu nichts geführt, weil Putin die Ukraine in sein großrussisches Reich führen will. Aber Abramowitsch hat auch einen israelischen Pass und war sehr oft in Tel Aviv. Das könnte ihn zu einem idealen Vermittler im Nahostkonflikt qualifizieren, wenn sich Russland da einmal einmischt.

Sie schreiben, dass Abramowitschs Tochter den Krieg in der Ukraine immer wieder auf Social-Media-Plattformen kritisiert hat. Bringt sie ihren Vater damit nicht in Gefahr?
Das taten auch die Kinder von Dmitri Medwedew und Wladimir Solowjow. Die Kinder der Oligarchen sind der westlichen Lebensweise verfallen und leben gerne im Westen. Das dürfen sie, denn manche haben auch westliche Pässe. Aber sie stehen in einem ständigen Widerstreit mit sich selbst und dem, was sie und ihre Eltern öffentlich sagen dürfen und innerlich fühlen. Das ist ein innerer moralischer Zwang, in dem sie stehen.

Netrebko wird es nicht wagen, sich gegen Putin zu stellen

Ist das nicht mit der Situation russischer Künstler zu vergleichen, von denen man seit Kriegsbeginn verlangt, sich zu positionieren. Noch heute wird gegen Auftritte von Anna Netrebko demonstriert.
Ich denke, auch sie ist in einem inneren Widerstreit. Ich bin mir nicht sicher, wie nah sie dem Regime tatsächlich steht. Ob die Solidaritätsbekundungen, die sie dem Regime gegenüber geäußert hat, pro forma waren, was ich vermute, oder ob die aus dem innersten Herzen kommen, was ich nicht so glaube. Denn Anna Netrebko ist trotz ihrer russischen Staatsbürgerschaft ganz der westlichen Lebensweise verhaftet. Aber sie wird es nicht wagen dürfen, sich nach außen hin voll und ganz gegen Putin zu stellen.

Sie hat aber auch die österreichische Staatsbürgerschaft.
Das hilft ihr nichts, denn sie wird in Geiselhaft genommen wie alle aus Russland, die das Regime kritisieren. Ich finde diese Proteste ungerecht. Möglicherweise wird sich das ändern, wenn der Konflikt noch andauert. Doch ich fürchte, der wird noch andauern.

Wie lang?
Noch mindestens zwei Jahre, meinte letzthin ein russischer Militär. So wie es jetzt an den Fronten aussieht, herrscht eine Pattsituation. Die russische Seite hat zwar auf Kriegswirtschaft umgestellt und kann immer mehr liefern, weshalb die Ukraine trotz der westlichen Hilfe, trotz der Raketen, trotz der Waffen aus den USA, Schwierigkeiten hat. Wenn diese Pattsituation über die Jahre andauert, dann ist das eine Situation wie im Ersten Weltkrieg zwischen Deutschland und Frankreich. Irgendwann einmal aber, wenn es auf beiden Seiten immer mehr Opfer gibt, wird der Zeitpunkt kommen, wo beide Seiten einsehen müssen, dass es so nicht weitergeht und sie verhandeln müssen. Eine solche Situation würde sich ergeben, wenn Trump nächstes Jahr wieder zum Präsidenten gewählt wird und seine "America first"-Politik verfolgt. Dann würde Amerika die Hilfe an die Ukraine stark eindämmen. Die Europäer haben gar nicht die materiellen Möglichkeiten, da in die Bresche zu springen, um das aufzufüllen.

Sind bei den Wahlen in den USA im November 2024 Trumps Prozesse schon beendet?
Das glaube ich nicht, aber seine Anhängerschaft hat die in ihre Unterstützung schon eingepreist. Trump liegt weit vor seinem republikanischen Konkurrenten Ron DeSantis, alle anderen sind total abgeschlagen. Er liegt auch in den Umfragen vor dem amtierenden Präsidenten Joe Biden. Trump wirkt mit seinen 77 Jahren auch weitaus vitaler als der 80-jährige Biden, den erledigt Trump zum Frühstück oder wie ihr in Österreich sagt, der ist ein Jausengegner für Trump. Die Demokraten wären gut beraten, wenn sie ihn zum Rückzug bewegen und Gavin Newsom, den Gouverneur von Kalifornien, aufstellen. Ein guter Mann, der aber nur antritt, wenn Biden verzichtet. Wenn es zur Wahl zwischen Trump und Biden kommt, wird Trump Präsident.

In Russland wird 2024 auch gewählt. Putin hat die Verfassung so geändert, dass er bis an sein Lebensende antreten kann. Werden ihm die Russen wieder ihre Stimmen geben? Oder haben sie gar keine andere Wahl?
Es gibt eine neue Umfrage eines Online-Instituts, die relativ unabhängig vorgehen konnte. Da wurde gefragt, wie halten Sie es mit dem neuen Präsidenten? 80 Prozent sagten, wir wollen keinen Präsidenten, der älter ist als 70 Jahre. Das spricht gegen Putin, denn er wurde in diesem Jahr 71. Eine andere Umfrage, die Mitte dieses Jahres durchgeführt wurde, ergab, dass 82 Prozent der Befragten Putin wieder wählen würden. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Aber trotzdem wird Putin wieder mit großer Mehrheit zum Präsidenten gewählt. Wenn er gesund bleibt, wird er bis 2036 im Amt bleiben, aber viele sagen, er sei nicht ganz gesund. Es gibt zwei mögliche Nachfolger. Der eine ist Nikolai Patruschew, ein mächtiger Mann, der Chef aller Sicherheitsorgane, der ist total auf das Großreich Russland fokussiert und absolut anti-westlich. Ich hatte schon überlegt, auch ihn als einen von Putins Helfern in meinem Buch zu proträtieren. Wenn Putin aber einmal zurücktreten sollte und seine Reichtümer, seine Paläste und Schlösser genießen will, dann muss er einen Nachfolger bestimmen, der ihn weiter gewähren lässt. Da gibt es eigentlich nur einen, Sergej Medwedew. Der hat ihn schon einmal vertreten und ist dann klaglos ins zweite Glied getreten. In seiner Zeit als Präsident wollte er ein bisschen etwas Liberaleres ins Regime bringen, deshalb muss er jetzt die Hardliner auf seine Seite bringen. Das heißt, seine Hetze gegen den Westen und die Nato ist Taktik. Damit will er die Hardliner überzeugen, weil er weiß, wenn er Putin wieder einmal nachfolgen sollte, braucht auch er diese Leute.

Sie haben zuvor davon gesprochen, dass einmal die Zeit kommen werde, dass Russland und die Ukraine verhandeln müssen.
Dann wird sich die Frage stellen, wie. Die Ukraine hat jedes Recht zu verlangen, dass ihr Staatsgebiet so hergestellt wird, wie es bis 2022 war, mit einer Ausnahme, die russischsprachigen Gebiete Donezk und Luhansk im Osten, die von der Tradition und von der Sprache her ohnedies nach Russland streben, und die Krim. Dort sollte dann unter internationaler Aufsicht eine Abstimmung durchgeführt werden, ob die Bevölkerung zu Russland oder zur Ukraine gehören will. Aber das muss unter internationaler Aufsicht geschehen, denn das Referendum von 2014 unter russischer Aufsicht, kann man natürlich vergessen. Die Krim aber ist ein anderes Thema. Ich glaube nicht, dass die Ukraine die Krim wiederbekommen kann. Denn die Krim ist erstens ein russischer Mythos und zweitens ist sie erst im Jahre 1954 durch eine Schenkung von Chruschtschow an die Ukraine gekommen, als niemand dachte, dass dieses Staatsgebilde Sowjetunion einmal auseinanderfallen würde. Ob die Bevölkerung der Krim ukrainisch denkt oder nicht, das weiß ich nicht. Ich glaube aber, dass die Bevölkerung dort sich inzwischen wohl eher für Russland entscheiden würde.

Ich bin dafür, dass wir als Nato-Mitglied Waffen an die Ukraine liefern. Auch Raketen

Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer haben schon wenige Wochen nach Ausbruch des Krieges aufgefordert, die Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen und für Verhandlungen plädiert. Dafür wurden sie heftig kritisiert. Hätte man Russland und die Ukraine nicht gleich dazu überreden sollen zu verhandeln, statt der Ukraine Waffen zu liefern?
Ich bin dafür, dass wir als Bündnis-Mitglied der Nato Waffen an die Ukraine liefern. Es war auch richtig, dass wir die Leopard-Panzer geliefert haben. Die Taurus-Raketen sollten wir noch liefern. Ein deutscher Verteidigungsminister sagte, als wir noch in Afghanistan engagiert waren, unsere Freiheit wird am Hindukusch verteidigt. Heute würde ich sagen, unsere Freiheit wird auch am Dnepr verteidigt. Und wenn die einzige Demokratie, die im Nahen Osten besteht, gefährdet ist, dann müssen wir auch helfen. Wie das jetzt in Israel der Fall ist. Dort haben sich alle Parteien zu einem Kriegskabinett zusammengeschlossen, denn sie alle wissen, jetzt geht es um mehr. Jetzt droht nicht nur von der Hamas die Gefahr, auch aus dem Norden, weil die Hisbollah mit dem Iran im Hintergrund viel gefährlicher ist. Deshalb haben wir die Pflicht, die Ukraine und Israel zu unterstützen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 46/2023 erschienen.

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