Es könnte knapp werden mit der großen Nummer. Mal wieder. Denn wie so oft folgten den Ankündigungen - wenn überhaupt - nur mickrige Taten. "Österreich soll Wasserstoffnation Nummer eins werden", tönte es im Juli 2019 vom Ballhausplatz. Heißt: flächendeckend Wasserstofftankstellen bis 2025. Dazu ein Wasserstoffzentrum mit allem Drum und Dran. Überhaupt wurde im Jahr 2019 an den großen Rädern gedreht. In Sachen Standortpolitik etwa wollte die Regierung "vom Mittelmaß in die Spitzengruppe aufschließen". Österreich wollte aber auch schon einmal das kinderfreundlichste Land mit Blick auf Kinderbetreuung in Europa sein. Der Kalender zeigte das Jahr 2013 an. Zehn Jahre später wissen wir: Das "ÖVP- Familienpaket" hat die Schublade nie verlassen. Keine Wahlfreiheit, keine Vereinbarkeit. Das fällt uns gerade mit Blick auf den Arbeitskräftemangel auf die Füße. Aber vielleicht kann der "Chips- Gipfel" vom Juli verlorenes Terrain wieder gutmachen. Auch hier wurden große Töne geschwungen. Österreichs Rolle als einer der führenden europäischen Player solle ausgebaut werden. "'Mikrochips made in Austria' soll ein Begriff werden wie Lipizzaner und Mozartkugeln", so der Bundeskanzler. Schließlich sei das Land in Europa eh schon unter den top vier. "Wir sind in der Champions League", weiß der Bundeskanzler. Er muss es wissen. Er sollte es jedenfalls wissen.
Dem wohligen Gefühl, das mit solchen steilen Ansagen in Vergangenheit und Gegenwart vor allem vermittelt werden soll, müssen freilich Taten folgen. Und siehe da: Ausgerechnet in diesem Punkt gibt es Aufholbedarf. Eine im Frühjahr vorgestellte Deloitte-Studie, die Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität analysiert, zieht eine ernüchternde Bilanz. Österreich ist im europäischen Vergleich nur Mittelmaß. Besonders bitter: Das Land bleibt klar hinter seinen Möglichkeiten. Die vorderen Plätze im Europa-Ranking belegen übrigens nicht die größten Volkswirtschaften. Schon gar nicht Deutschland, mit dem sich Österreich gerne und oft vergleicht, freilich nur, wenn der Vergleich gesichert zugunsten von Rot-Weiß-Rot ausgeht. Nein, ganz vorne sind Länder, die mit Österreich vergleichbar sind: die Schweiz, Schweden, Dänemark und Finnland. Als "Schnellboote" werden sie bezeichnet. Und wir? Wir sind "ein gemächliches Ausflugsboot".
Als besonders problematischer Standortfaktor wird übrigens die Arbeitskräftesituation genannt. Österreich sei unattraktiv für Arbeitskräfte aus dem Ausland, Bildung wäre ein weiterer Hebel. "Mittelmaß ist nicht unser Ziel, stolpern wir nicht in die Durchschnittsfalle", tönte der Regierungschef richtigerweise in seiner Rede "Zur Zukunft der Nation". Die österreichweite Bildungsklima-Erhebung stellte dem Bildungssystem gerade ein "befriedigend" aus. Mittelmaß. Mal wieder. "Im Großen und Ganzen sind wir in der Lage, alle Unterrichtsstunden anzubieten", sagte der dazugehörige Bildungsminister vor wenigen Tagen in einem Interview.
"Im Großen und Ganzen" durchgewurschtelt. Das muss reichen. Das wird nicht reichen. Nicht bei den Kleinen, nicht bei den Großen, wie das jährliche "Times Higher Education Ranking" zeigt, wo heuer für die Uni Wien immerhin Platz 124 drinnen war. Die ETH Zürich belegt Platz elf, die TU München 30 und die Uni München Platz 33. Die Rangliste basiert auf Indikatoren wie Forschung, Lehre, Zitierungen, Internationalisierung und Einwerbung von Drittmitteln aus der Wirtschaft.
Das alles kann sich die Politik schönreden, ignorieren oder weiter auf jene Länder schielen, die noch schlechter abschneiden. Die dringendste Frage im Herbst lautet demnach nicht: "Wie zahlst du lieber? Bar oder mit Karte?" (Zitat Karl Nehammer), sondern: "Wo wollen wir als Land hin?" Zielführender wäre es, die "Taskforce Bargeld", die im September ins Leben gerufen werden soll, gegen eine "Taskforce Bildung" oder "Forschung" zu tauschen. Es ist ein Baustein. Von vielen.
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