Acht Jahre war das Schaudepot der Sammlung Essl geschlossen. Am 9. April 2024 eröffnet Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder das Museum als dritten Standort seines Hauses wieder. Wie er die Albertina Klosterneuburg gegen politische Widerstände durchgesetzt hat, erzählte er News beim ersten Rundgang durch das renovierte Gebäude.
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News gegenüber hatte der Direktor sein spektakuläres Vorhaben schon im Vorjahr angekündigt: Das Essl Museum in Klosterneuburg werde wiedereröffnet – als dritter Standort der Albertina, ließ deren nunmehr bald scheidender Direktor Klaus Albrecht Schröder wissen. Am 9. April wird das kühne Unternehmen nun Wirklichkeit: Mit der Eröffnung der Albertina Klosterneuburg schlägt Schröder, 68, das letzte Kapitel seiner ein Vierteljahrhundert währenden Amtszeit auf, die am 31. Dezember endet.
Von Attersee bis Warhol
Eine überdimensionale Skulptur des für die Albertina identitätsstiftenden Dürer-Hasen in grellem Pink prangt schon auf der Dachterrasse. Eröffnet wird mit 165 Werken. Ein von Licht durchfluteter Raum ist der Pop-Art gewidmet. Die einnehmenden Arbeiten von Andy Warhol und Alex Katz laden zur näheren Betrachtung, in einem Flügel die Millionenbilder von Georg Baselitz und Abstraktes von Arnulf Rainer.
"Die lädierte Welt" nennt Schröder den dritten Teil: "Wir leben heute in sehr schwierigen Zeiten, und ich wollte mich daher in der Ausstellung im Obergeschoß damit befassen, wie Kunst Krisen beantwortet. Gilbert und George reagieren auf die Aids-Epidemie, Fritz Wotruba auf den Bürgerkrieg in Wien. Von Franz West zeigen wir den ,Stein‘ als Sisyphus-Symbol der Vergeblichkeit eines Strebens. Marc Quinn stellt sich mit einer Anklage der Verbrechen im US-Gefängnis in Abu Ghraib ein."
Besondere Genugtuung
Viele Direktoren, fügt Schröder hinzu, ließen ihre Dienstzeit einfach auslaufen. Doch das bedeute für das Unternehmen Stagnation, die nicht seinem Amtsverständnis entspreche. "Ich bin bis zum letzten Tag Generaldirektor der Albertina und erfülle bis zum letzten Tag meine Aufgabe."
Die Chance, dieses wunderbare Essl Museum zu modernisieren, der Öffentlichkeit wieder zugänglich zu machen, wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Diese Eröffnung empfinde ich als besondere Genugtuung, weil es nicht leicht war, sie politisch durchzusetzen.“ Das Land Niederösterreich habe ihm sofort die Unterstützung zugesagt, schon aus Stolz, an der Peripherie der Kulturmetropole Wien ein großes, internationales Museum zu errichten. Landeshauptfrau Mikl-Leitner habe zwischen Albertina und Verbund vermittelt, der als einer der Hauptsponsoren gewonnen wurde. Aber die Regierung habe ihm die Unterstützung, die er sich gewünscht hätte, nicht nur verweigert, sondern die Eröffnung noch hinausgezögert.
65.000 Werke Gegenwartskunst
"Wir mussten hier umfangreiche Studien vorlegen, dass wir es ohne weitere Unterstützung seitens der öffentlichen Hand schaffen, die Modernisierungen durchzuführen, das hieß, das Museum klimafit zu machen. Das kostete Zeit. Wir haben sechs Monate verloren, eröffnen trotzdem nur drei Wochen später als ursprünglich geplant, weil wir hier Tag und Nacht durcharbeiten", stellt Schröder klar und fügt nachdrücklich hinzu: "Mit meinem Nachfolger Ralph Gleis habe ich mich natürlich abgestimmt."
Denn der 50-jährige Deutsche werde bei seinem Amtsantritt am 1. Jänner 2025 drei Häuser und damit eine Million Zeichnungen und Druckgrafiken, dazu 100.000 Fotografien, eine 300 Gemälde umfassende Sammlung an Malerei der Moderne von Monet bis Picasso und 65.000 Werke der Kunst der Gegenwart übernehmen. Letztgenannte Sammlung gründete Schröder 2014. Aufgrund ihres dynamischen Wachstums habe sie zur Eröffnung zweier neuer Standorte geführt: Albertina Modern in Wien und jetzt Albertina Klosterneuburg.
Die Sammlung Essl
35 Jahre lang legte das Unternehmerehepaar Karlheinz und Agnes Essl (Baumax) seine mehr als 6.000 Werke umfassende Kunstsammlung an. Für die Gemälde von Maria Lassnig, die Arbeiten von Arnulf Rainer, Franz West, Hermann Nitsch, Georg Baselitz, Andy Warhol, Alex Katz, Filme und Fotografien von Valie Export, um nur einige der Größten zu nennen, ließen die Essls vom Architekten Heinz Tesar einen 8.500 Quadratmeter fassenden Gebäudekomplex in Klosterneuburg errichten. Das Museum schien ein Juwel für die Ewigkeit. Dann traf die Wirtschaftskrise die Baumarktkette der Essls, die Sammlung war nicht mehr zu halten, das Museum musste 2016 geschlossen werden.
"Die Republik hätte 2017 die Sammlung um 130 Millionen kaufen können. Ein Bruchteil ihres heutigen Wertes", blickt Schröder zurück. Die Direktoren der anderen großen Museen hatten sich jedoch gegen den Erhalt der Sammlung ausgesprochen. "Ich habe heute noch im Ohr, wie Agnes Husslein vom Belvedere sagte: 'Die Sammlung Essl brauchen wir nicht, vielleicht ein oder zwei Bilder von der Lassnig oder einen Rainer'", erinnert Schröder. "Wenn man in so einer Situation beraten muss, dann darf man nicht darüber nachdenken, was die nächsten drei oder fünf Jahre sein wird, sondern ob man die richtige Entscheidung sub specie aeternitatis, also vor der Ewigkeit trifft, das heißt in einem Zeitraum von 50, 100 oder 200 Jahren. Da war klar, dass diese Sammlung als eine der größten und gewichtigsten Privatsammlungen der Welt für die Republik Österreich erhalten werden muss."
Der Unternehmer und Kunstmäzen Hans Peter Haselsteiner erwarb 60 Prozent samt Immobilie, die er der Albertina nun zu einem geringen Betrag zur Verfügung stellt. 40 Prozent der Sammlung schenkte Essl der Albertina. Als Erstes eröffnete Schröder die Albertina Modern im Künstlerhaus. Bedenken, dass die beiden Häuser einander nun Konkurrenz machen können, seien unbegründet, sagt Schröder: "Ich könnte zehn Jahre lang zweimal im Jahr die Ausstellung wechseln. Es würde sich kein Werk wiederholen."
Als er 1999 antrat, kümmerte die Albertina als bloßes grafisches Kabinett mit 11.000 Besuchern im Jahr. Schröder renovierte, erweiterte das Angebot und verbucht nun eine Million Besucher im Jahr, 240.000 frequentieren zusätzlich die 2020 eröffnete Albertina Modern. Nun sollen weitere 80.000 bis 100.000 Besucher nach Niederösterreich kommen.
Stellt sich schon Abschiedsschmerz ein? "Ich lebe nach dem Prinzip 'Durchstreichen und weitergehen'", antwortet Schröder mit einem Zitat aus Strindbergs "Totentanz" und fügt pragmatisch hinzu: "Das schmerzt nicht. Wenn ich durchstreiche, dann brauche ich in der Regel eine Nacht, da muss ich drüber schlafen. Dann ist es aber auch durchgestrichen, und dann kommt ein neues Kapitel in meinem Leben."
Ausstellung Albertina Klosterneuburg
Acht Jahre war das Schaudepot der Sammlung Essl geschlossen. Die Wiedereröffnung als Albertina Klosterneuburg steht bevor. Auf 3.000 Quadratmetern werden bedeutende Werke zu Themenkomplexen zusammengefasst gezeigt: Pop-Art, Abstraktes und Kunst, die auf Krisen reagiert. Ab 9. April, www.albertina.at
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 14/2024 erschienen.