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Literatur - 70 Jahre, 70 Zitate
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Die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek wird am 20. Oktober siebzig: Erinnerungen von News-Kulturchef Heinz Sichrovsky - und eine Blütenlese mit Jelinek-Zitaten

Es kommt nicht oft vor, dass man den Beginn einer Freundschaft auf Tag und Ort terminisieren kann. Diesfalls ist es möglich: Am 16. September 1979 traf einander alles, was in der Wiener Kultur Rang und Namen beanspruchte, in den Wiener Sophiensälen zum Fest "Rettet Club 2". Dem gleichnamigen ORF-Diskussionsformat drohte nach einer gutgelaunten Masturbationsperformance der Sängerin Nina Hagen die Abschaffung. Dagegen demonstrierte unter anderen der Kritikerpapst Hans Weigel, der mich, den Berichterstatter der "Arbeiterzeitung", am Arm zu einer in japanischem Leder verpuppten, unnahbaren Schönheit zog: "Schau'n Sie, wie gut die Jelinek wieder aussieht!"

Wenig später überließ sie mir das Manuskript des Romans "Die Ausgesperrten" über ein mordendes Pubertätsgenie. Mein begeisterter Vorbericht brachte mir redaktionsintern keine Gutpunkte: Eine Kommunistin habe im sozialdemokratischen Parteiorgan keinen Platz, zeterten die reaktionären Alten, und die Jungen frohlockten nur leise. Seither haben wir einander nie mehr aus den Augen verloren. Trat Elfriede Jelinek auf dem Fest der kommunistischen "Volksstimme" auf, hütete ich im Elternhaus an der Hütteldorfer Peripherie die Hündin Wutzl, die nicht allein bleiben wollte, aber im Gewühl von Panikattacken bedrängt wurde. Elfriede Jelineks Mutter, die im Werk der Tochter mit glühender Hassliebe verewigt ist, war zu dieser Jahreszeit immer auf Kur. Aber einmal habe ich sie gesehen, wenn auch nur in Gestalt ihres Rocksaums, als sie vor dem Besucher gespensterhaft in den ersten Stock entwich.

1985 sah "Burgtheater", Elfriede Jelineks Posse über die Nazi-Konnotationen der Familie Wessely-Hörbiger, in Bonn einer zunächst wenig beachteten Uraufführung entgegen. Ich druckte, mittlerweile im Monatsmagazin "Basta", Textpassagen ab und kreierte damit im Tumult die Staatsfeindin Jelinek. Ich habe das oft bereut, aber es konnte nicht anders kommen. Damals begriff ich die qualvolle Spannung, in der Elfriede Jelinek lebt: Ihr Abscheu vor jeder Art Zurschaustellung kollidiert mit ihrer Wut auf die politischen und sozialen Verhältnisse. Sie fühlt die altmodisch ehrenhafte Verpflichtung, einzugreifen. Doch damit provoziert sie bis zum Äußersten den österreichischen Spießer, dessen natürliches Feindbild sie - die linke, jüdische, urbane und elegante Feministin - prototypisch verkörpert. Klar, dass das vom Empörungsgenie Claus Peymann geleitete Burgtheater für Jahre Schauplatz teuer bezahlter Triumphe wurde: Elfriede Jelineks Entsetzen vor dem selbst verursachten Hass wuchs. Das Kindheitstrauma des klinisch geisteskranken Vaters nahm bedrohliche Ausmaße an.

Am Tag der Bekanntgabe des Nobelpreises 2004 verbarrikadierte sie sich in ihrem Haus, während draußen die Fotografen und Fernsehteams die halbe Straße säumten. Als ich ihr einen Blumenstrauß durch den Türspalt schob, sah ich ihr gehetztes, triumphierendes Gesicht. Was folgte, hatte sich niemand vorstellen können: Der patriotische Reflex setzte nicht ein, man gönnte ihr in Österreich den Preis nicht. Auch die deutsche Feuilleton-Schickeria erbrach sich in Häme. Der wenig später an die Luft gesetzte Kulturchef des "Spiegel" pöbelte mit sexuellen Anzüglichkeiten, und man kondolierte den amerikanischen Dauerkandidaten, die als Opfer einer Quotenentscheidung um den Preis betrogen worden wären. Gleichzeitig stieg für Jelinek der Druck, mit der Autorität der Nobelpreisträgerin wider das Böse und Ungerechte aufzutreten.

Sie entledigte sich dieser Verpflichtungen über das politische Theater, und da wendete sich das Blatt. Die fast interpunktionslosen Textflächen in ihrer wutglühenden Virtuosität wurden zum idealen Spielmaterial des antipsychologischen Theaters. Heute ist die Jelinek eine der einflussreichsten und sprachraumweit meistgespielten Dramatikerinnen. Ein vom Puppenspieler Nikolaus Habjan geschossenes Foto aus dem Jahr 2013 - das einzige, das sie seit Jahren zuließ - zeigt sie fast unverändert, in zeitloser Schönheit.

1
"doch ihr ihr kannibalen ihr werdet mir bezahlen dafür mein dicker grüner liebling ist ein sehr hohes tier bei der partei"

1965. Gedicht "Chanson für meinen toten geliebten"

2
"mißtrauisch. kontaktarm"

1967. "Über mich"

3
"ich bin punkt a einer beliebigen strecke oder besser ein punkt a auf einer geraden den beginn einer strecke hinhockend deren ende punkt b du bist c auf der genau parallel liegenden metallgeräte deine wurzel zittert"

1968. Prosatext "Wettlauf"

4
"zeichen der nacht &des roten motorrads blutender muskel der tropfend unsre abend fleischige stengel verwuchert auch er zeichen von finsterkeit"

1969. Gedicht "Unser Motorrad"

5
"Pop ist gut"

1969 im "Kurier"

6
"meine literatur wird heiss werden müssen wie eine explosion wie ein rauchpilz wird das sein. Wie napalm."

1970. Sammelband "Grenzverschiebungen"

7

manchmal heiraten diese frauen oder sie gehen sonstwie zugrunde

7

1975. Roman "Die Liebhaberinnen"

8
"Darum bin ich mit 18 Jahren zusammengeklappt. Da war ich ein Jahr krank. Ich hatte eine Angstneurose und konnte nirgends alleine hingehen. Da begann ich intensiv zu schreiben."

1971. Interview: Marie-Thérèse Kerschbaumer

9
"Andererseits habe ich in der Partei die Erfahrung gemacht, dass organisierte Arbeiter wesentlich mehr lesen als andere und kulturell interessiert sind."

1976 im KPÖ-Organ "Volksstimme"

10
"Mit der Pistole geht Rainer zu seiner Schwester hinüber, welche die ganze Nacht hinter der dünnen, künstlich eingezogenen Trennwand gleich neben ihm geschlafen hat, und das noch immer voller Vertrauen tut. Er schießt Anna aus kürzester Entfernung in den Kopf hinein, wobei er ihr das Stirnbein zerschmettert, sie aber nur in eine Bewußtlosigkeit versenkt, die augenblicklich eintritt."

1980. Roman "Die Ausgesperrten"

11
"Mein Gehirn ist seltsam, es speichert nur die negativen Dinge. Es ist mit Hass getränkt wie mit Kieselsäure."

1983 in "Brigitte"

12
"Sie hält die Alltagstrivialität von mir fern. Und so bin ich irgendwie in einem ewigen Kind-Status."

1985 in "Cosmopolitan" über die Mutter

13
"Eine Mutter hat man nur einmal. Sehet her! (Sie reißt sich ihren Halsausschnitt auf, ein goldenes Hakenkreuzerl an einer Kette kommt zum Vorschein:) Ihr könnt mich schänden, ihr könnt mich pfänden! An dem Kraizerl do werds eich verbrennen! Muttererde!"

1985. Theaterstück "Burgtheater". Paula Wessely will die einmarschierenden Russen mit dem Hakenkreuz exorzieren

14
"Das Land ist klein aber mein, und seine Künstler dürfen in ihm wohnen, falls man sie lässt. Denn in Österreich wird kritischen Künstlern die Emigration nicht nur empfohlen, sie werden auch tatsächlich vertrieben."

1986. Rede zur Verleihung des Böll-Preises

15

Ich funktioniere nur im "Ich funktioniere nur im Beschreiben von Wut." Beschreiben von Wut.

15

1986 im KPÖ-Organ "Volksstimme"

16
"Frauen müssen Herrinnen sein mit breiten Schultern. Was ich auch besitze, hat zehn Kilo Schaumgummi in den Schultern."

1987 in "Vogue"

17
"Ich will nicht aus mir ein anderes Wesen unter Qualen herauspressen, um das ich mich dann noch kümmern muss."

1989 in "Basta" über Kinderlosigkeit

18
"Dieser Mann ist bis zum heutigen Tag wie ein faules Ei, das niemand in die Nähe seiner Nase bringen will."

1989 in "Basta" über Kurt Waldheim

19
"Ich mag Männer nicht, aber ich bin sexuell auf sie angewiesen."

1989 in "Profil"

20
"Alles soll ewig sein und noch dazu oft wiederholt werden können, so sprechen die Männer und zerren an den Zügeln, die einst liebevoll ihre Mama gehalten hat."

1989. Aus dem Roman "Lust"

21
"Ich war als Mädchen sehr katholisch und bin dann nahtlos zum Kommunismus konvertiert. Nichts dazwischen kam für mich in Frage. Wenn schon, dann aber richtig. Es war ein Akt der Unterwerfung."

1990 in "Elle"

22
"Ich stehe nach wie vor auf der richtigen Seite, aber sie ist die Seite der Verlierer."

1990 in "Basta" zum Ende der Sowjetunion

23
"Wenn Haider Bundeskanzler wird, kann ich mir einen Anschluss Österreichs vorstellen. Dann wird man wohl zur guten alten Tradition des Untergrundkampfes mit der Waffe zurückkehren."

1990 in "Basta"

24
"Nein, also einen Schwanz möchte ich noch weniger haben. Am liebsten hätte ich gar nichts. Engel haben ja auch keine Genitalien. Ein körperloses Wesen möchte ich sein oder verbrennen wie ein Stück Seidenpapier."

1990 in "Die Zeit"

25
"Ich lebe vollkommen zurückgezogen, gehe tagelang nicht aus dem Haus. Manchmal sehe ich mir die 'Seitenblicke' an - um mich zu vergewissern, dass ich nichts versäume."
1992 in News

26
"Wenn sich an der Menschheit und ihrer Einstellung zur Frau nichts ändert -und davon sind wir ja noch Jahrhunderte entfernt -, dann soll besser alles krepieren."

1993 in News

27
"Wir leben in der Welt der Berlusconis, der primitiven und glatten Bilder, die auch noch über das Privateste, auch über die Sexualität, die Herrschaft übernommen haben."

1994 in News zum Stück "Raststätte"

28
"Die Erde wird blau vor Kälte, aber jetzt noch nicht. Feuervergoldete Jugend, unser einziger Trumpf, wird in den Boutiquen und Sportgeschäften ausgespielt, er sticht, und wir Älteren, wir haben ebenfalls bereits ausgespielt."

1995. Roman "Die Kinder der Toten"

29

Wir leben auf einem Berg aus Blut und Knochen

29

1995 in News zum Roman "Die Kinder der Toten"

30
"Ich glaube, dass die Demoralisierung und Verwahrlosung der österreichischen Öffentlichkeit aufgrund der Verkommenheit der österreichischen Presse so weit fortgeschritten ist, dass ich gar keine Lust mehr habe, mich damit auseinanderzusetzen."

1996 im Magazin "Theater der Zeit" zum Stück "Stecken, Stab und Stangl"

31
"Lugner wäre der Richtige für dieses Amt und dieses Land. "

1997 in News zur Präsidentschaftswahl

32
"In Österreich ist das Selbstbewusstsein immer über den Sport gekommen. Er wird wahnsinnig überschätzt, gleichzeitig verachtet man Intelligenz und Kunst."

1998 in News zum "Sportstück"

33
"Ist die Verbeugung der englischen Königin vor Dianas Sarg Kapitulation vor jener, derer die Queen im Leben nicht Herrin werden konnte, oder Demut vor der größeren Majestät des Todes, der über alle herrscht?"

1998 in "Die Zeit" zu Dianas Tod

34

Er ist origineller und witziger als alle Journalisten, die ihn interviewen.

34

1998 in News über Hermann Maier

35
"Ich habe Angst, wahnsinnig zu werden, seit mein Vater ins Irrenhaus gekommen ist."

1999 in News

36
"So, jetzt steht es schön bunt, wie sichs gehört, an der Wand, das Menetekel, und was wir uns gewünscht haben: gewogen und für zu leicht befunden worden zu sein, das ist doch nett, weil wir unser Gewicht um jeden Preis halten und vielleicht sogar verbessern wollen, wir sind ja Sportler!"

1999 in "Die Zeit" zur schwarz-blauen Koalition

37
"Ich nenne das eine Gurkentruppe, ein erbärmliches Schauspiel, wobei ich auch Grasser nicht ausnehme."

2000 in News zur FPÖ

38
"Menschen, die Schutz suchen, erkennt man im Sucher sogar noch, wenn sie sich zu Boden schmeißen. Auf den Menschenteppichen rutscht niemand mehr aus, die werden jetzt eingesammelt und in den vergitterten Abfallbehälter geworfen."

2000. Roman "Gier"

39
"Ich glaube, ganz Österreich wird bald zu dem Bild erstarren, das wir jetzt schon auf den Fremdenverkehrsprospekten abgeben."

2000 in der "Frankfurter Rundschau"

40
"Ich erlaube Regisseuren grundsätzlich fast alles. Ich finde, diese Freiheit steht ihnen zu, und ich finde auch, dass jede dramatische Arbeit zwei Autoren hat. Der Regisseur ist bei mir gleichrangig mit dem Urheber."

2001 in News

41
"Die Wessely wollte mit phallischer Zudringlichkeit in die Figuren hinein. Letztlich ein sadistischer Vorgang."

2001 in News über Paula Wessely zum Stück "Erlkönigin"

42
"SPÖ. Würde die sogar dann wählen, wenn ihr Vorsitzender ein Pavian wäre."

2002. Wahlumfrage in News

43
"So brutal, wie derzeit etwa mit Asylanten umgegangen wird, wundert es mich, dass es in Traiskirchen nicht noch viel mehr Tote gibt."

2003 in News

44
"Alles, was das Burgtheater aufregt, würde mich freuen. Wenn sich die Schweinsbraten zu sehr in ihrem Fett gemütlich machen, muss man das Haus durchputzen."

2003 in News

45
"Aufmachen sollen sie die Theater, nicht zu! Nicht damit die Finsternis hineinkann, sondern damit das Licht endlich auch einmal hinaus darf."

2003 zum Aktionstag der deutschen Bühnen

46
"Schwarzenegger ist als Gouverneur von Kalifornien bestens geeignet, er ist eine Mischung aus Kraft, Schönheit und Intelligenz und Berühmtheit. Er hat um sich ein Fleischgebirge erschaffen - wie auch immer er das zustande gebracht hat -, das sich selbst als Zentrum und Ursprung hat."

2003 in News

47
"Das Leben entweicht ja überhaupt sehr leicht. Noch viel leichter, wenn man auf dem Brustkorb eines Lebenden in Bauchlage steht."

2003 auf ihrer Homepage zum Tod des Afrikaners Cheibani W. unter Polizeieinwirkung

48
"Ich bin übernächtig davon, meiner Sprache nachzuschauen wie ein Leuchtturm aufs Meer, der jemandem heimleuchten soll und daher selber erhellt worden ist, der im sich Drehen immer etwas anderes aus dem Dunkel herausschält, das aber ohnehin da ist, ob man es nun erhellt oder nicht, es ist ein Leuchtturm, der keinem hilft, auch wenn derjenige sich das noch so sehr wünscht, um nicht im Wasser sterben zu müssen."

2004. Nobelpreisrede "Im Abseits"

49
"Das Einzige, was ich immer wollte, ist, ernst genommen zu werden. Und das ist mir leider sogar nach diesem Preis (vielleicht sogar gerade nach diesem Preis!) nicht wirklich gelungen."

2004 in News zum Nobelpreis

50
"Diese Reform war sinnlos, eine Beschäftigungstherapie für Bürokraten. Sie bedeutet eine unglaubliche Sprachverarmung."

2004 in News zur Reform der Rechtschreibreform

51
"Es ist für mich immer noch undenkbar, daß man freiwillig in die Schule gehen könnte. Sie ist das Gegenteil von Leben."
2004 auf ihrer Homepage

52
"Ich versuche, die Verhältnisse durch Sprache, z. B. durch die Wortwörtlichkeit von sprachlichen Stereotypen, zu fassen, und das tue ich wiederum, indem ich die Sprache zwinge, ihren ideologischen Charakter, also ihre Verlogenheit, auch gegen ihren Willen preiszugeben."

2005 in News

53
"Es ist völlig unerheblich, wenn sich ein halbes Kind zum Militär meldet ( ), vom Militär einziehen läßt, ein Halbwüchsiger, nicht einmal volljährig, eigentlich müßte man, wenn man noch könnte, die Eltern zur Verantwortung ziehen."

2006 auf ihrer Homepage über Günter Grass' Bekenntnis, bei der SS gewesen zu sein

54
"Nur ein paar Jahre noch und keiner wird mehr denken, wie der Revolution zu helfen wäre, nicht einmal das Wort wird kennen man."

2006 im RAF-Stück "Ulrike Maria Stuart"

55
"In Angst leben, heißt, in sich als im Glashaus sitzen und von innen her gegen sich mit Steinen schmeißen.

2006 in "Angst 2" (Homepage)

56
"Wie aus der Tatsache, daß man geboren ist, nicht folgt, daß man danach zu den Lebenden zählt, so folgt aus der Tatsache, daß ich in der Steiermark geboren bin, noch nicht, daß ich auch eine Steirerin bin."

2007. "Biographische Anmerkung" (Homepage)

57
"Wenn alle etwas lesen können, dann kann es eben auch keiner. Ich schreibe den Text, aber gleichzeitig kann ich mich auch hinter ihm verstecken."

2007 in der "FAZ" zu ihrem Rückzug ins Internet

58
"Ich bin nicht tot, aber ich empfinde mich als eine lebende Tote. Ich kann es auch nicht aushalten, angeschaut zu werden."
2008 in der "FAZ" zum Internetroman "Neid"

59
"Wer jubeln will, soll das tun. Wer weinen und seine Fahne um die Erd hauen will, soll das tun. Wer sich zuschütten will, soll das tun. Wer das nicht will, soll es nicht tun."

2008 in News zur Fußball-EM

60

Auf den Opernball und aufs Neujahrskonzert hören, alles hören!, aber nicht auf unser Schreien.

60

2008 auf ihrer Homepage zum Fall Fritzl ("Im Verlassenen")

61
"Es gibt genug Lasten (Wirtschaftskrise!), auch ohne daß zusätzlich welche eingeschleppt werden müßten, meint offenbar (zum Fall Arigona Zogaj) die Innenministerin, eine Herrin über Schottergruben und Menschen, eine Menschenfrau, eine Bestimmerin über wertes und unwertes, über gutes und schlechtes Leben."

2009 auf ihrer Homepage, als Innenministerin Maria Fekter die Ausweisung der Asylwerberin Arigona Zogaj verfügt

62
"Ich will hier nicht mehr. Ich kann den Hass nicht mehr aushalten, der mir entgegenschlägt, wenn nur irgendwo mein Name aufscheint."

2010 in News

63
"Und der Herr Landeshauptmann steht jetzt vor Gott, der ist im Nichts, er sagt uns nicht mehr, wo es langgeht. So gehen wir halt in fremde Heime hinein. Aber das kennt er noch von früher, der Jörg, denn so hat das Land unter seiner Aufsicht, die ohne jede Vorsicht stattfand, denn so war er eben, ein Draufgänger!, ja gewirtschaftet, als ob Geld das Nichts wäre, in dem alles verschwindet, am Ende das Geld selbst."

2010 auf ihrer Homepage zum Brand in einem Kärntner Flüchtlingsheim

64
"Ich beschreibe die Reise im Stillstand. Aber es ist alles Stillstand, auch wenn sich die Menschen scheinbar bewegen."
2011. Rede zum Mülheimer Dramatikerpreis

65
"Wir sind ja viele, aber gleichzeitig wenige, wir sind das Rinnsal, das später dann aus dem Tiefkühlwagen rinnt, wenn wir endlich erfroren sind."

2013. Flüchtlingsstück "Die Schutzbefohlenen"

66
"Alles, was gelesen werden kann, muss auch gelesen werden, sonst wird es immer jemand geben, der glaubt, einem das Wort verbieten zu können."

2014 in News zur Abschaffung des Literaturunterrichts

67
"Ich würde sagen, dass das Weibliche nichts zählt, außer es ist schön, jung und glatt. Durch Leistung kann die Frau ihren Wert nicht erhöhen, das kann nur der Mann."

2015 in News

68
"Wir verteilen Todeskämpfe, wir schauen in die Augen von Kindern oder ehemaligen Kindern, wir hören, wie sie nach Mutter und Vater rufen, wir hören nichts, und wir sind ja schließlich auch nicht ihre Mütter und Väter, wir schließen ihr Buch, wir löschen ihre Linie aus, ihre Spur, ihr Denken, und wir setzen uns an ihre Stelle in diesem Gewühl der Drachenzähne, aus denen wir entsprungen sind."

2016. "Wut", Theaterstück über die Terroranschläge von Paris

69
"Ja, die Gefangenen müssen verfallen, weil sie leben wollen, das ist Grund genug für einen absoluten Herrscher, der sich aus der Demokratie geboren nennt. Aus dem Arsch eines Putsches ist er gezogen worden, und er hat sich durchgesetzt."
2016 auf ihrer Homepage über die in der Türkei verhaftete Schriftstellerin Aslı Erdoğan

70
"Ich ignoriere meinen Geburtstag, bin auch das Feiern nicht gewöhnt, seit meiner Kindheit feiere ich keine Geburtstage mehr und auch damals nicht lang. Für meine Mutter hat ein Geburtstag nicht gezählt, nur Leistung. Und für meinen Vater hat ohnehin gar nichts mehr gezählt. - Ich hab wirklich nachgedacht, lieber Heinz, was die Quintessenz meines Lebens sein könnte. Hier ist sie: Ich verstehe nichts mehr. Und am wenigsten verstehe ich mein Smartphone. Ich fürchte mich vor ihm. Aber ich fürchte mich vor allem andren auch."

Oktober 2016, auf News-Anfrage

Die Jelinek-Zitate wurden von Susanne Zobl und Heinz Sichrovsky zusammengestellt. Die Schreibweise entspricht jener der Autorin.

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