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Donald Trumps Plan

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Dondald Trump Plan

©Bloomberg Finance LP via Getty Images
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Darüber, was eine zweite Amtszeit Donald Trumps als US-Präsident bedeuten könnte, hat man schon länger spekuliert. Jetzt gab der 74-Jährige in einem längeren Interview Auskunft über seine Vorhaben. Beruhigend sind sie nicht: Sollte Trump wieder an die Macht kommen, könnte es mit der amerikanischen Demokratie, wie wir sie kennen, vorbei sein.

Man sieht die Szene direkt vor sich: Donald Trump sitzt in dem vergoldeten Speisesaal seiner Residenz in Florida, rundherum laben sich hochrangige republikanische Politiker und reiche Spender an Wagyu Steaks und gegrilltem Branzino. Trump spielt auf einem iPad herum, um die Playlist des Abends zusammenzustellen. Und gibt nebenbei ein Interview. Eric Cortelessa, Reporter des "Time Magazine", ist gekommen, um mit ihm über die Pläne für seine zweite Amtszeit zu sprechen.

Was Trump in der folgenden Stunde erzählt, wird weltweit Sorge wecken. Nicht, dass man wirklich überrascht wäre. Aber die Deutlichkeit, mit der Trump manche Pläne offen angekündigt – und andere absichtlich im Zwielicht lässt –, macht deutlich, worauf sich die Welt einstellen kann: Kein Stein bleibt auf dem anderen, wenn er wieder Präsident wird.

Trump freut sich, das wird bei Lektüre des Interview-Transkripts deutlich, ernst genommen zu werden und seine Standpunkte erklären zu können. Bei einigen Themen holt er weit aus, zum Beispiel, wenn er beklagt, wie unfair Amerika wirtschaftspolitisch behandelt werde. Bei anderen gibt er widersprüchliche Antworten. Ob er an Staatsanwälte, die ihn angeklagt haben, Vergeltung üben würde, wird er gefragt. "Nein, das habe ich nicht vor", antwortet er. Um im nächsten Atemzug nachzusetzen: "Wir werden uns viele Dinge ansehen. Was sie getan haben, ist furchtbar." Am Schluss bedankt er sich bei dem Interviewer. Es sei ein gutes Interview geworden, "wenn es fair wiedergegeben wird".

Strippenzieher im Hintergrund

Ist Trump nur ein älterer Herr, der um jeden Preis gemocht werden will, Schwierigkeiten hat, stringente Gedanken zu formulieren und eine etwas simple Vorstellungen davon hat, was seinem Land guttut? Oder bedeutet er tatsächlich eine Gefahr für die Demokratie, wie mittlerweile viele fürchten?

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© Dave Sanders / AP / picturedesk.com

ANGEKLAGT. Donald Trump am 2. Mai vor einem New Yorker Gericht. Es geht um vermeintliche Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin

Als Trump 2016 in seine erste Amtszeit stolperte, waren er und sein Team weitgehend unvorbereitet. Wie sehr sie seitdem dazugelernt haben, zeigt der Verlauf der heurigen Vorwahlen. Geschickt schafften es Trump-Leute, in wichtigen republikanischen Bundesstaaten Änderungen der Wahlmodalitäten durchzubringen, die es Trump ermöglichten, die Nominierung in Rekordzeit unter Dach und Fach zu bringen – noch bevor die Gerichtsprozesse gegen ihn höhere Wellen schlagen konnten.

Trumps Wut auf das (demokratische) Establishment macht ihn zum idealen Frontman konservativer Strippenzieher, die im Hintergrund einen Frontalangriff auf die US-Verwaltung planen. Das "Project 2025", bereits 2023 schriftlich ausgearbeitet, ist ein ausgeklügelter Plan mit weitreichenden Folgen: Das Justizministerium soll finanziell ausgehungert und das FBI abgebaut werden, um nur zwei zentrale Ziele zu nennen. Zugleich steigt die Macht des Präsidenten.

Und, die Masterminds hinter "Project 2025" arbeiten daran, Bürokraten für Trumps künftige Präsidentschaft auszubilden. Das Team durchforstet, laut Bericht des US-Magazins "Politico", diverse Unterlagen und Social-Media-Accounts, um herauszufinden, wer inhaltlich wirklich auf Linie ist – und bildet die Auserwählten dann in Videokursen zu künftigen Systemerhaltern aus.

Das Ziel dieses und anderer Thinktanks, die sich auf Trumps zweite Amtszeit vorbereiten: Der neue Präsident soll von Tag eins an handlungsfähig sein. "Wir sind dabei, die rechtlichen Befugnisse, die Mechanismen, zu klären", erklärt Russell Vought, ein früherer Regierungsbeamter, Gründer des "Center Of Renewing America", nun am "Project 25" beteiligt. Damit Trump endlich auch durchsetzen kann, was er verspricht.

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© Nic Antaya/Getty Images

VOR PUBLIKUM. Donald Trump am 1. Mai bei einem Wahlkampfauftritt in Michigan. Trump liegt in Umfragen derzeit vor dem amtierenden Präsidenten Joe Bilden

Was für den Rest der Welt wie eine gefährliche Drohung klingt, lässt die Augen republikanischer Hardliner strahlen. Zwei Dinge haben sich die extrem disziplinierten und extrem von ihrer Sache überzeugten Männer im Schatten für die ersten Tage von Trumps zweiter Amtszeit vorgenommen: ein Grenzsicherung- und Einwanderungsspaket, und die Verlängerung der Steuersenkungen, die Trump 2017 eingeführt hatte, und die 2025 auslaufen würden.

Auch wenn Donald Trump im Interview mit "Time" ausweicht, schwindelt, übertreibt und sich selbst widerspricht, das Bild, das er zeichnet, ist klar erkennbar: In den USA, wie er sie sich erträumt, ist der Rechtsstaat geschwächt. Der Präsident hat weitreichende Befugnisse. Außen- und wirtschaftpolitisch schotten sich die Vereinigten Staaten ab. Illegale Einwanderer werden gnadenlos verfolgt und des Landes verwiesen. Minderheitenrechte zählen wenig, politische Gegner müssen sich fürchten. Die Verwaltung wird abgebaut und eingeschüchtert, damit sie willfährig agiert.

Die Strippenzieher

Neue präsidiale Ordnung

Das Ende der Demokratie und der Beginn einer neuen präsidialen Ordnung, wie Kritiker fürchten – oder nur eine erzkonservative Fantasie, die, selbst wenn Trump wiedergewählt wird, erneut an der Realität scheitert?

In Österreich gibt es seit der Bundespräsidentschaftswahl 2016 ein geflügeltes Wort: "Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist", drohte Norbert Hofer damals in Hinblick auf die Befugnisse des Präsidenten. Das amerikanische Äquivalent prägt Trumps frühere Beraterin Kellyane Conway. "Ich denke, es ist keine große Überraschung, was Trump inhaltlich vorhat", wird sie in "Time" zitiert. "Aber ich denke die Leute werden überrascht sein, wie rasch er handelt."

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© Time Magazin

"Falls er gewinnt", titelt das "Time Magazine" seine Titelstory. Grundlage sind zwei Interviews mit Präsidentschaftskandidat Donald Trump, die am 12. und am 27. April geführt wurden.

IMMIGRATION - Zuwanderer abschieben

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IMMIGRATION - Zuwanderer abschieben

© Walter G Arce Sr Grindstone Media Group / dpa Picture Alliance / picturedesk.com

Zu seinen wichtigsten innenpolitischen Zielen gehöre die Massenabschiebung von Zuwanderern, erklärt Trump gegenüber "Time". Mehr als elf Millionen Menschen sollen des Landes verwiesen werden – Trump möchte zu diesem Zweck die Nationalgarde, notfalls sogar das Militär einsetzen. Dass das Gesetz verbietet, die Armee gegen Zivilisten einzusetzen, spiele keine Rolle, sagt Trump: "Das sind keine Zivilisten. Diese Menschen sind illegal in unserem Land. Es handelt sich um eine Invasion." Er schließe auch nicht aus, neue Internierungslager für Migranten zu bauen. Aber: "Wir werden sie nicht brauchen, weil wir sie wegbringen. Wie bringen sie dorthin zurück, wo sie hergekommen sind."

RECHTSSTAAT - Politische Gegner verfolgen

Fragen danach, wie er im Fall einer zweiten Amtszeit mit politischen Gegnern umgehen werde, versucht Trump uneindeutig zu beantworten. Ob er die Staatsanwälte, die ihn in den letzten Monaten und Jahren angeklagt haben, verfolgen werde? Nein, sagt Trump zuerst, um ihnen dann unverhohlen zu drohen. Ähnlich die Antwort auf die Frage nach Joe Biden. "Ein Präsident sollte Immunität genießen. Das gilt auch für Biden. Aber wenn er keine Immunität hätte, würde er für all seine Verbrechen verfolgt werden." Ob es wieder zu Gewaltausbrüchen kommen werde, wenn er die Wahl im November verliert? Nein, antwortet Trump, denn er sei sicher, dass er gewinnen werde. "Und wenn wir nicht gewinnen, dann kommt es darauf an. Es hängt immer von der Fairness einer Wahl ab."

AUSSENHANDEL - Zölle einführen

Trump möchte "mehr als zehn Prozent" Zoll auf alle Importe einheben, sagt er, und noch mehr auf Waren, die aus China oder Mexiko kommen. "Ich nenne es einen Ring um unser Land." Diese Maßnahme, glaubt er, werde nicht den USA schaden, sondern den Handelspartnern, die sein Land derzeit unfair behandeln würden. "Die EU ist sehr streng mit uns. Sie nehmen unsere Produkte nicht. Sie nehmen unsere Autos nicht. Wir nehmen Mercedes-Benz und Volkswagen und BMW. Sie nehmen unsere Autos nicht. Wenn wir einen Chevrolet verkaufen wollen, selbst wenn wir einen Cadillac verkaufen wollen, einen schönen Cadillac Escalade, nehmen sie ihn nicht."

ABTREIBUNG - Schwangerschaft überwachen

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ABTREIBUNG - Schwangerschaft überwachen

© Joy Asico-Smith / AP / picturedesk.com

Das Thema Schwangerschaftsabbruch ist im laufenden US-Wahlkampf heftig umstritten. Trump betont in dem Interview mehrfach, dass die gesetzliche Kompetenz dafür – nach einer umstrittenen Entscheidung des US-Höchstgerichts 2022 – bei den einzelnen US-Bundesstaaten liege. Gefragt, ob die Staaten Schwangerschaften überwachen lassen sollten, um zu kontrollieren, ob ein allfälliges Abtreibungsverbot tatsächlich eingehalten wird, antwortet er: "Ich denke, das könnten sie tun." Nicht äußern will Trump sich zu der Frage, ob er die Forderung konservativer Parteigänger unterstützt, den Postversand von Abtreibungspillen bundesweit zu verbieten. Seine "ziemlich deutlichen Ansichten" dazu wolle er demnächst bekannt geben.

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© News

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 19/2024.

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