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Der Jedermann kommt im goldenen Cabrio, der Tod ist ein Kellner

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Philipp Hochmair als "Jedermann"

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Auftrittsapplaus für den Jedermann, wann hat es das jemals gegeben? Als Hugo von Hofmannsthals titelgebender Kapitalist in Gestalt von Philipp Hochmair bei der Premiere im goldenen Cabrio auf dem Domplatz vorfährt, wird bereits seine Ankunft vom Publikum euphorisch akklamiert. So etwas erlebte man in Salzburg höchstens bei Opernlegenden wie Placido Domingo.

Der Schauspieler wird sich diese Vorschuss-Lorbeeren in den folgenden zwei Stunden schwer verdienen. Denn Regisseur Robert Carsen macht es ihm alles andere als leicht. Der gebürtige Kanadier zeigt einen total entmystifizierten "Jedermann", verlegt das "Spiel vom Sterben des reichen Mannes" in eine kühle heutige Kapitalisten-Society, lässt Gott nur in Zitaten vorkommen, verweist aber auch außerhalb des Texts auf ihn. Der Dom im Hintergrund könnte als Symbol gesehen werden. Orgelklänge leiten das Geschehen ein. Menschen verlassen das Gotteshaus, der Messdiener schlägt eine Handglocke an. Kirchenbesucher verlassen das Gotteshaus und gehen wie auf Kommando zu Boden, das heißt, sie sind tot.

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© imago/Rudolf Gigler

Carsen setzt auf schnelle Szenenwechsel, Dom samt Vorplatz sind ein wesentlicher Teil seiner Regie und präzise Personenführung. Warum aber der bekennende Hofmannsthal-Liebhaber so viel vom Text streicht, erklärt seine verstörende Inszenierung nicht. Hochmair aber, der seit 2013 mit seiner Solo-Performance "Jedermann reloaded" an den bedeutendsten Häusern gastiert und 2018 am Domplatz für den erkrankten Tobias Moretti bei den Salzburger Festspielen eingesprungen war, zeigt, wie vertraut ihm Stück und dessen Lehre sind. Er verkörpert den Jedermann nur zu Beginn als gewissenlosen Kapitalisten. Bereits nach der Begegnung mit der Mutter, die ihn an die Endlichkeit des Lebens erinnert, ändert er seine Haltung und lässt spüren, dass etwas in ihm vorgeht. Wenn er seinen Gästen zuruft: "Erweist mir heut die letzte Ehr", erschrickt er vor sich selbst. Das alles geschieht bei diesem Schauspieler in feinen Nuancen. Beim Tango, den er mit seiner Buhlschaft turniertanzreif vorführt, lässt er seinen Widerwillen gegen das Partygeschehen spüren, ganz so, als sei er längst schon auf dem Weg von dieser Welt. 

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Seine Läuterung geschieht in kleinen Schritten. Eine der stärksten Szenen ist seine letzte Begegnung mit Mammon (exzellent Kristof Van Boven). Der ist bei Carsen Jedermanns alter Ego und Doppelgänger. In dessen Todesstunde nimmt er ihm alles weg, Auto, seinen Anzug, seine Kunstsammlung, sogar Hemd und Hose. Seine Läuterung vollzieht Carsens Jedermann auf leerer Bühne und tritt im Büßerhemd aus dem Dom. Jedermanns Tod ist aber bei diesem Regisseur nicht auf die titelgebende Figur beschränkt, auch andere, darunter die Tischgesellschaft, gehen in weißen Büßerhemden zu Boden, auch der Tod selbst.

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© IMAGO/Rudolf Gigler

Gespielt wird vom gesamten Ensemble ausgezeichnet. Deleila Piasko zeigt die Buhlschaft als selbstbewusste junge Frau. Dass ihre paar Verse auch noch gekürzt wurden, gleicht sie mit starker Bühnenpräsenz aus. Andrea Jonasson ist als Jedermanns Mutter die personifizierte Noblesse. Dominik Dos-Reis entwickelt die Kraft des Todes aus einer Art Understatement. Beklemmend, wenn er als Kellner plötzlich an Jedermann herantritt, ihm Rotwein einschenkt, der sich im Glas in Wasser verwandelt. Nicole Beutler besticht durch Eleganz, auch, indem sie Hofmannsthals Kunstsprache mit einer gewissen Natürlichkeit vermittelt. Auch Dörte Lyssewski demonstriert als furioser Schuldknecht und als betörende Werke wie man mit Hofmannsthal Verse gekonnt umgeht. Christoph Luser agiert als guter Gesell und Teufel mit Verve. Lukas Vogelsang und Daniel Lommatzsch ergänzen einnehmend als dicker und dünner Vetter. Regine Zimmermanns Glaube ist eine Putzfrau. Das ist nur ein Beispiel, wie Carsen Symboli in seine rationale Betrachtung des Stoffes verwebt. Einziger Einwand gegen diese Inszenierug: die überbordend lange Party der Tischgesellschaft. Zurecht viel Applaus für alle Beteiligten.

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