Muss ich meinem Arbeitgeber darüber informieren, ob ich gegen Corona geimpft bin? Ja, meint Prof. Franz Marhold, Leiter des Institutes für Arbeits- und Sozialrecht der WU Wien. Der Arbeitgeber könne eine Impfung auch einfordern. Eine Weigerung könne im Extremfall die Kündigung zur Folge haben. Dies alles allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wann der Arbeitgeber eine Impfung einfordern kann und in welchem Fall eine Kündigung möglich ist, erklärt Mag. Andrea Komar, Leiterin der GPA Bundesrechtsabteilung, im Gespräch mit News.at.
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- 1. Kann der Arbeitgeber eine Impfung anordnen?
- 2. Kann ich gekündigt werden, wenn ich mich nicht impfen lassen will?
- 3. Darf mich der Arbeitgeber an einen anderen Arbeitsplatz versetzen, wenn ich nicht geimpft bin?
- 4. Muss ich dem Arbeitgeber sagen, ob ich geimpft bin?
- 5. Verliere ich meinen Anspruch auf Freistellung, wenn ich mich nicht impfen lasse?
- 6. Verliere ich meinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ich die Impfung verweigere und dann erkranke?
- 7. Was passiert, wenn eine gesetzliche Impfpflicht kommt und ich mich dennoch nicht impfen lasse?
- 8. Muss mich mein Arbeitgeber gehen lassen, wenn mein Impftermin in die Arbeitszeit fällt?
- 9. Brauche ich eine Krankschreibung, wenn ich aufgrund der Nebenwirkungen der Impfung ausfalle?
- 10. Darf ein Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch danach fragen, ob ich geimpft bin?
- 11. Muss ich auch nach der Impfung noch Maske tragen?
1. Kann der Arbeitgeber eine Impfung anordnen?
Die Antwort auf diese Frage lautet klar und deutlich: Nein. Solange es keine gesetzliche Impfpflicht gibt - und die gibt es bis dato nicht -, kann der Arbeitgeber auch nicht verlangen, dass sich der Arbeitnehmer impfen lässt. "Wir sprechen hier von einem Grundrecht, nämlich dem Recht auf körperliche Integrität", erklärt Komar. Zu finden ist dieses in Artikel 8 der Europäische Menschenrechtskonvention. Festgelegt ist hier aber auch, dass der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen in besagtes Grundrecht eingreifen kann. Etwa dann, wenn es um den Schutz der Gesundheit geht.
In dem Fall könnte der Gesetzgeber eine gesetzliche Impfpflicht erlassen, etwa für spezielle Berufsgruppen im Gesundheitsbereich wie der Alten- oder Krankenpflege, in denen der Arbeitnehmer Kontakt mit vulnerablen Personen hat, also Personen, für die eine Infektion besonders gefährlich wäre. "Da wären die Arbeitnehmer dann dazu verpflichtet, sich impfen zu lassen", so Komar, wobei die Impfung dennoch nie mit Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden könne. Lässt sich der Arbeitnehmer nicht impfen, kann er allenfalls mit einer Verwaltungsstrafe belegt werden. Zum Impfen gezwungen werden kann er aber nicht.
"Man kann niemanden gegen seinen Willen impften", betont die Expertin. Um eine derartige Diskussion führen zu können, müsste aber erst einmal klargestellt sein, dass die Impfung nicht nur den Geimpften, sondern auch Personen, die mit ihm Kontakt haben, schützt. Sprich dass sie auch eine Infektion verhindern kann. Solange dies nicht eindeutig geklärt ist, brauche man sich über etwaige Schritte seitens des Gesetzgebers auch keine Gedanken machen. Denn: Eigenschutz alleine genügt nicht, um eine Impfpflicht zu erlassen. Ob man sich selbst schützen will oder nicht, das muss jeder Einzelne für sich entscheiden.
2. Kann ich gekündigt werden, wenn ich mich nicht impfen lassen will?
Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer unter den aktuell gegebenen Voraussetzungen nicht dazu verpflichten, sich impfen zu lassen. Was aber noch lange nicht heißt, dass er ihn nicht unter Druck setzen kann. Etwa unter Androhung einer Kündigung. Darf der Arbeitgeber eine solche aussprechen, wenn sich der Arbeitnehmer gegen eine Impfung entscheidet? "Wenn er zum Beispiel im Gesundheitsbereich arbeitet, sich nicht impfen lassen will und folglich für andere eine Gefahr darstellt, dann wäre das sehr wohl ein Kündigungsgrund", sagt die Rechtsexpertin. Immerhin unterliegt der Arbeitgeber ja der Fürsorgepflicht. Das heißt, er muss dafür Sorge tragen, dass durch die Arbeitsbedingungen niemand zu Schaden kommt.
Wird per Gesetz eine Impfpflicht erlassen und verweigert der Arbeitnehmer die Impfung nach wie vor, so "macht er sich für seine beruflich ausgeführte Tätigkeit unfähig. Das heißt, er kann seine Arbeit nicht mehr verrichten, weil für sie ja die Impfung vorgeschrieben ist", erklärt die Juristin. In dem Fall hat der Arbeitgeber zu prüfen, ob es für besagten Arbeitnehmer eine Tätigkeit im Unternehmen gibt, die auch ohne Impfung für alle Beteiligten gefahrlos ausgeübt werden kann, sprich ob man ihn in einen anderen Bereich versetzen kann. Ist dies nicht möglich, so wäre die Verweigerung der Impfung ein Kündigungsgrund.
An dieser Stelle muss gesagt werden, dass der Arbeitgeber das Recht hat, Mitarbeiter ohne Angabe eines Grundes zu kündigen. Man kann die Kündigung aber anfechten. Zum Beispiel dann, wenn der Verdacht besteht, dass man gekündigt wurde, weil man sich nicht impfen lassen will, obwohl für die Ausübung der Tätigkeit eine Impfung gar nicht erforderlich ist. Zu klären wäre in einem ersten Schritt, ob der Arbeitnehmer überhaupt dazu verpflichtet ist, den Arbeitgeber darüber zu informieren, ob er geimpft ist. Sodann muss der Arbeitgeber Maßnahmen ergreifen, um eine etwaige Infektionsgefahr für andere zu minimieren. Zum Beispiel indem er Plexiglasscheiben aufstellt. Ist das nicht möglich, ist eine Versetzung des Arbeitnehmers zu erwägen.
Selbst wenn keine Versetzung möglich ist, hat der Arbeitnehmer Wege und Mittel, sich gegen die Kündigung zu wehren. Etwa dann, wenn er durch ebendiese sozial beeinträchtigt wäre. "Das ist typischerweise bei älteren Arbeitnehmern der Fall, die sich am Arbeitsmarkt schwertun und obendrein vielleicht auch noch einen Kredit abzubezahlen haben", veranschaulicht Komar. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Kündigung den Betreffenden erheblich schädigen würde, muss der Arbeitgeber die Kündigung begründen. Wobei die Tatsache allein, dass sich der Arbeitnehmer nicht impfen lassen will, in dem Fall kein hinreichender Grund wäre. "Es soll niemand, der gesund ist und seinen Job machen kann, gekündigt werden, nur weil er sagt: 'Ich lass mich nicht impfen. Ich hab Angst vor der Impfung.'"
3. Darf mich der Arbeitgeber an einen anderen Arbeitsplatz versetzen, wenn ich nicht geimpft bin?
Damit der Arbeitgeber eine Versetzung veranlassen kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Versetzung muss durch den Arbeitsvertrag gedeckt sein und darf für den Arbeitnehmer keine Verschlechterung darstellen. Ist sie nicht durch den Arbeitsvertrag gedeckt, ist die Zustimmung des Arbeitnehmers notwendig. Stellt sie für den Arbeitnehmer eine Verschlechterung dar, so muss auch der Betriebsrat - sofern es im Unternehmen einen solchen gibt - zustimmen. Dient die Impfung ausschließlich dem Selbstschutz des Arbeitnehmers, so wird sich dieser gegen eine verschlechternde oder vertragswidrige Versetzung wehren können. Würde die Impfung auch andere schützen, muss man abwägen, ob die Versetzung zulässig ist. Bevor es zu einer solchen kommt, muss der Arbeitgeber aber sämtliche Schutzmaßnahmen ausschöpfen. Das Aufstellen einer Plexiglasscheibe wäre zum Beispiel eine solche.
4. Muss ich dem Arbeitgeber sagen, ob ich geimpft bin?
Da es sich hier um besonders geschützte Gesundheitsdaten handelt, kann der Arbeitgeber nicht ohne weiteres die Information darüber einfordern, ob man geimpft ist. "In vielen Standardberufen wird sicherlich das Recht, dem Arbeitgeber diese Information zu verwehren, überwiegen", sagt Komar. Anders sieht die Sache aus, wenn man beruflich mit vulnerablen Personen zu tun hat. Das wäre zum Beispiel in der Kranken- oder Altenpflege der Fall. Der Arbeitgeber unterliegt der Fürsorgepflicht, sprich er muss dafür sorgen, dass alle Beteiligten bestmöglich geschützt sind. Einen ungeimpften Arbeitnehmer müsste er folglich von Personen, die der Risikogruppe angehören, fernhalten. Und dies kann er eben nur, wenn er Kenntnis darüber hat, ob der Arbeitnehmer geimpft ist.
Ein Argument, das man laut Komar vonseiten der Arbeitgeber immer wieder hört, ist, dass Kunden danach verlangen, dass der Arbeitnehmer, mit dem sie Kontakt haben, geimpft ist. Will man den Kunden nicht vergrämen, müsse man seinem Wunsch, so die weitere Gedankenkette, Folge leisten. "Dem kann man entgegenhalten, dass der Arbeitgeber kein Recht hat, seinen Kunden zu sagen, ob die Mitarbeiter geimpft sind. Das würde gegen den Datenschutz verstoßen", betont die Juristin. Ebenso gegen den Datenschutz verstoßen würde es, wenn der Arbeitgeber besagte Information an Kollegen des betreffenden Mitarbeiters weitergeben würde.
5. Verliere ich meinen Anspruch auf Freistellung, wenn ich mich nicht impfen lasse?
Personen, die der Risikogruppe angehören, haben Anspruch auf Freistellung. Diese Regelung gilt bis Ende Juni 2021. Wie sieht die Sache nun aber aus, wenn der behandelnde Arzt zu einer Impfung rät, man diese aber verweigert? Geht damit besagter Anspruch verloren? "Das ist eine heikle Frage", heißt es vonseiten der GPA, "die allerdings noch nicht schlagend ist." Schlicht und einfach deshalb, weil der Großteil der Betroffenen in puncto Impfung noch gar nicht an der Reihe war.
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Da uns SARS-CoV-2 aber wohl auch noch in den nächsten Jahren beschäftigen wird, könnte der Arbeitgeber in einem solchen Fall von dauernder Dienstunfähigkeit ausgehen, was letztlich ein verschuldensunabhängiger Entlassungsgrund wäre. Verschuldensunabhängig bedeutet, dass der Arbeitnehmer seine Ansprüche, die aus der Auflösung des Dienstverhältnisses hervorgehen - so zum Beispiel jenen auf Abfertigung alt-, nicht verliert. Die Frage wiederum, ob bei Personen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Risikogruppe freigestellt sind, der Anspruch auf Freistellung endet, sobald sie geimpft sind, muss der behandelnde Arzt beantworten. In diese Entscheidung mit ein fließt die Frage, ab wann die Impfung den Geimpften hinreichend schützt.
6. Verliere ich meinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn ich die Impfung verweigere und dann erkranke?
Die Rechtsexpertin verneint. Zum einen besteht bis dato ja keine gesetzliche Impfpflicht. "Also handle ich nicht rechtswidrig, wenn ich mich nicht impfen lasse." Folglich kann dem Arbeitnehmer die Entgeltfortzahlung auch nicht strittig gemacht werden. Zum anderen greift, wenn der Arbeitnehmer an Covid-19 erkrankt, ohnehin das Epidemiegesetz. "Das heißt, der Arbeitgeber bekommt das Geld vom Bund ersetzt." Schon etwas heikler ist die Sache, wenn sich der Betroffene grob fahrlässig verhält und infolgedessen an Covid erkrankt. Grob fahrlässiges Verhalten liegt etwa dann vor, "wenn ich sämtliche Maßnahmen wie Maskentragen und Abstandhalten ignoriere, Garagenpartys feiere und mich dabei infiziere", veranschaulicht Komar. "Allein die Tatsache, dass ich mich nicht impfen lasse, ist aber keine grobe Fahrlässigkeit."
7. Was passiert, wenn eine gesetzliche Impfpflicht kommt und ich mich dennoch nicht impfen lasse?
Dass eine Impfpflicht für sämtliche Berufsgruppen kommt, hält Komar für unwahrscheinlich. Immerhin müsse der Gesetzgeber eine dementsprechende Entscheidung ja auch sachlich rechtfertigen können. Wird aber für eine bestimmte Berufsgruppe eine Impfpflicht erlassen und kommt man ihr als Zugehöriger derselben nicht nach, läuft man Gefahr, seinen Job zu verlieren. "In dem Fall hätte der Arbeitgeber sogar das Recht wegen dauernder Dienstunfähigkeit zu entlassen." Allerdings wäre das eine verschuldensunabhängige Entlassung, bei der der Arbeitnehmer die für ihn aus der Auflösung des Arbeitsverhältnisses hervorgehenden Ansprüche nicht verliert. "Zulässig ist die Auflösung des Arbeitsverhältnisses ja immer", ergänzt Komar. "In dem Fall wird sie aber auch halten. Weil der Arbeitnehmer gegen eine gesetzliche Verpflichtung verstoßen hat."
8. Muss mich mein Arbeitgeber gehen lassen, wenn mein Impftermin in die Arbeitszeit fällt?
Komar antwortet mit einem klaren Ja. "Im Moment gibt es ja Impfslots. Da kann man sich den Termin nicht aussuchen." Nimmt man ihn demnach während der Arbeitszeit wahr, so ist das ein ganz normaler Dienstverhinderungsgrund mit Entgeltfortzahlung. "In Wahrheit sollte es den Arbeitgeber ja freuen, wenn sich die Arbeitnehmer impfen lassen." Die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Möglichkeit strittig macht, ist der Juristin zufolge sehr gering. Anders wäre es, wenn sich der Arbeitnehmer den Termin aussuchen könnte. Dann könnte der Arbeitgeber - sofern für den Arbeitnehmer zumutbar - grundsätzlich darauf bestehen, dass er ihn außerhalb der Arbeitszeit wahrnimmt.
9. Brauche ich eine Krankschreibung, wenn ich aufgrund der Nebenwirkungen der Impfung ausfalle?
Treten infolge der Impfung Symptome wie Fieber, Schmerzen oder Erschöpfung auf, so ist dies zu handhaben wie jede andere Erkrankung auch. Schließlich ist eine vorübergehende Arbeitsunfähigkeit gegeben. Die Frage dabei ist, ob in dem Fall auch ein Arztbesuch notwendig ist. Immerhin kennt man ja den Grund der Symptome. Letztlich käme es darauf an, ab welchem Tag der Arbeitgeber eine Krankschreibung verlangt. Muss der Arbeitnehmer eine solche ab dem ersten Tag des Krankenstandes bringen, so wird er um den Arztbesuch nicht umhin kommen. Braucht er sie erst ab dem vierten Tag, kann er auf den Gang zum Arzt aller Voraussicht nach verzichten.
10. Darf ein Arbeitgeber im Bewerbungsgespräch danach fragen, ob ich geimpft bin?
In Bereichen, in denen der Arbeitnehmer Kontakt mit vulnerablen Personen hat, wird die Impfung aller Voraussicht nach empfohlen, wenn nicht gar vorgeschrieben sein. So zum Beispiel in Gesundheits- und Pflegeberufen. Damit der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht nachkommen kann, muss er wissen, ob der Bewerber geimpft ist. Die entsprechende Frage ist daher zulässig. Überall sonst besteht kein Fragerecht und damit auch keine Antwortpflicht. Es sei denn, die Frage ließe sich sachlich rechtfertigen. Was aber nicht heißt, dass der Arbeitgeber die Antwort des Bewerbers - ob nun gegeben oder verweigert - nicht dennoch in seine Entscheidung mit einfließen lässt.
11. Muss ich auch nach der Impfung noch Maske tragen?
Ob mit erfolgter Impfung für die betreffende Person die Maskenpflicht fällt, entscheidet der Gesetzgeber. Derzeit jedenfalls sind geimpfte Personen nicht von der Maskenpflicht befreit. Das würde ja auch erst dann Sinn machen, wenn die Corona-Impfung erwiesenermaßen nicht nur vor einer Erkrankung, sondern auch gegen eine Infektion schützt. Solange dies nicht hinreichend geklärt ist, gilt es Schutzmaßnahmen wie das Maskentragen beizubehalten, um ein potenzielles Infektionsrisiko zu verringern. Abgesehen davon sei eine derartige Diskussion Komar zufolge ohnehin verfrüht. "Die können wir im Herbst führen, wenn sich jeder impfen lassen kann."