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Cannabis: Bubatz wird legal

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Cannabis rauchen
©Bild: iStockphoto.com
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In Deutschland wird Cannabis von der Liste verbotener Substanzen gestrichen. Besitz und Anbau zum Eigenbedarf werden unter bestimmten Voraussetzungen legalisiert. Das hat auch Auswirkungen auf Österreich.

Von einer "Wende der Drogenpolitik" spricht der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, als am 16. August in Berlin der Kabinettsbeschluss fällt. Der Konsum der Hanfpflanze steige seit Jahren an, die Hälfte aller Drogenkriminalität gehe auf Cannabis zurück, es gebe einen großen Schwarzmarkt mit teils toxischen Streckmitteln - genau diesen will Lauterbach austrocknen. "Niemand darf das Gesetz missverstehen", sagte Lauterbach laut einer Mitteilung seines Ministeriums. "Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem."

Kiffen soll in Deutschland - unter bestimmten Voraussetzungen - legal werden. Der Plan sieht vor, Cannabis im Betäubungsgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Konsum und Besitz werden dekriminalisiert: Erwachsene über 18 dürfen künftig 25 Gramm straffrei bei sich tragen und bis zu drei Cannabispflanzen für den Eigengebrauch aufziehen. Was der deutsche Nachbar auf den Weg bringt, liegt in Österreich noch in weiter Ferne. Die politischen Fronten sind verhärtet, weder Anbau zur Suchtmittelgewinnung noch Handel oder Weitergabe sind erlaubt. Cannabis zählt zu den verbotenen Suchtmitteln und steht somit auf einer Stufe mit Morphin, Kokain, Amphetamin und anderen Drogen. "Mit dem deutschen Vorstoß wird sich auch in Österreich die gesellschaftliche Akzeptanz von Cannabis verändern", sagt Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht und Drogenfragen der Stadt Wien. "Das ist ein Kulturwandel. Der Gesetzgeber wird auch hierzulande unter Druck kommen, eine ernsthafte Diskussion fernab vom politischen Tagesgeschäft darüber zu führen."

Österreich: Fronten verhärtet

Hierzulande sind mit der Cannabis-Debatte keine parlamentarischen Mehrheiten zu gewinnen. Die ÖVP lehnt eine Freigabe entschieden ab - man müsse Kinder und Jugendliche sensibilisieren, "nicht zu Drogenabhängigen machen". Der FPÖ-Gesundheitssprecher bezeichnet den "Drogenlegalisierungswahn" in einer Pressemeldung "als Anschlag auf unsere Jugend". Die SPÖ ist für eine Lockerung, forciert diese aber nicht - im Wahlkampf um den SPÖ-Vorsitz sprach sich Jetzt-Parteichef Andreas Babler für ein "Ja" aus, das Thema sei aber "kein besonderes Anliegen". Die Grünen fordern eine "sachliche Debatte" zur Entkriminalisierung, die Neos sprechen sich klar für die Legalisierung aus: "Österreich soll den Tatsachen ins Auge sehen." Hierzulande würden Zigtausende Menschen regelmäßig Cannabis konsumieren. Am Schwarzmarkt, "wo es keinen Jugendschutz, keine Qualitätskontrollen gibt".

Österreich: Großer Schwarzmarkt

Laut Ewald Lochner hat mit 27 Prozent mehr als ein Viertel der österreichischen Bevölkerung schon mindestens einmal im Leben Cannabis konsumiert. "In den letzten drei Jahren haben zwölf Prozent, in den letzten 30 Tagen sechs Prozent konsumiert", sagt der Psychiatrie-Koordinator. Im letzten Jahrzehnt sei diese Zahl steil gestiegen. "Man gibt es eher zu."

Wir brauchen in Österreich ein ähnliches Regulierungsmodell wie in Deutschland

Ewald Lochner

Das Bundesministerium für Inneres schätzt den Schwarzmarktwert Österreichs auf rund 200 Millionen Euro pro Jahr, basierend auf den Daten zu illegalen Cannabisprodukten der europäischen Beobachtungsstelle für Drogensucht. Dass das Label "illegal" den Konsum nicht verhindere, dafür aber gefährlicher gestalte, belegen laut Ewald Lochner die Ergebnisse des Drug-Checking-Netzwerks. In Wien können Konsumenten bei der Beratungsstelle "checkit" ihre Cannabisproben anonym abgeben und auf gefährliche Strecksubstanzen, Inhaltsstoffe und THC-Gehalt (Konzentration des psychoaktiven, rauschbewirkenden Inhaltsstoffs) prüfen lassen. "Im Jahr 2022 wurden bei rund einem Viertel der Proben synthetische Cannabinoide festgestellt", sagt Ewald Lochner. "Diese stellen für Konsumenten ein wesentlich höheres Risiko dar."

Gefahr: synthetische Giftstoffe

Im Unterschied zu "normalem" Cannabis seien synthetische Cannabinoide keine natürlichen Produkte der Pflanze. Sie werden nicht aus dem Harz oder der reifen Blüte gewonnen, sondern synthetisch im Labor produziert. "Bei synthetischem Cannabis ist die Wirkung viel stärker, weil der THC-Gehalt um ein Vielfaches höher ist." Es komme viel leichter zu Überdosierungen. Mögliche Folgen: psychische Probleme wie Aggressionen oder paranoide Zustände. Bei jungen Konsumenten könne sich der Cannabiskonsum auf die Gehirnentwicklung auswirken.

"Was vielen nicht bewusst ist: In den letzten zehn bis 20 Jahren wurde der THC-Gehalt in der durchschnittlichen Cannabispflanze auf ein Vielfaches hochgezüchtet", sagt Ewald Lochner. "Dazu kommen synthetische Cannabinoide. Das macht den Konsum gefährlich, besonders für Jugendliche und junge Erwachsene in der Probierphase."

Deutschland: "Cannabis Clubs"

Um gefährlich hoher THC-Konzentration und synthetischen Cannabinoiden Einhalt zu gebieten, soll es in Deutschland auch in Zukunft keinen uneingeschränkten Handel und Verkauf geben. Stattdessen soll in speziellen Vereinen, sogenannten "Cannabis Clubs", gemeinschaftlicher Anbau zu Genusszwecken stattfinden. Die Zahl der Mitglieder pro Club ist auf 500 begrenzt. Sie müsssen mindestens 18 Jahre alt sein und über einen Wohnsitz in Deutschland verfügen. Die Abgabe ist auf 25 Gramm Cannabis pro Tag und höchstens 30 Gramm pro Monat begrenzt. Im "Club" produzierte Stecklinge und Samen dürfen zum Zweck des Eigenanbaus an die Mitglieder weitergegeben werden. Wer mehr Cannabis als die Grenzmengen erlauben besitzt oder Handel und Abgabe an Nichtmitglieder, Kinder und Jugendliche betreibt, macht sich weiterhin strafbar.

Für Heranwachsende bis 21 Jahre gibt es eine zusätzliche Regel: Der THC-Grenzwert liegt streng bei zehn Prozent. "Der deutsche Gesetzesentwurf ist grundsätzlich gut und mutig für mitteleuropäische Standards", sagt Ewald Lochner. "Was mir als Experte fehlt, ist das THC-Limit für alle Konsumierenden."

Österreich: Härtere Grenzkontrollen

"Konsequenzen für die österreichische Polizei könnten grenzüberschreitender Suchtgifthandel mit Ausgangspunkt Deutschland, aber auch Gefahren durch beeinträchtigte Lenker im Straßenverkehr sein", heißt es seitens des Innenministeriums. Um das hohe Sicherheitsniveau in Österreich auch weiterhin zu gewährleisten, seien kriminalpolizeiliche Maßnahmen und verstärkte Verkehrskontrollen geplant. "Das wird in erster Linie die an Deutschland grenzenden Bundesländer Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich betreffen."

Österreich: Profit für Growshops

Trotz Zusatzbelastung für die Polizei gibt es auf der österreichischen Grenzseite auch Profiteure. "Für uns ist die deutsche Gesetzesänderung eine große Chance", sagt Tom Jaud, Geschäftsführer der Firma DrGreen. Jaud betreibt einen "Growshop", der sich im legalen Rahmen Österreichs bewegt. Kernstück seines Sortimentes ist die Cannabispflanze selbst, in Form von Stecklingen und Saatgut. Zusätzlich findet man in den Regalen des Shops von Lampen bis Lüftungsequipment alles, was man zum erfolgreichen Großziehen der Pflanze braucht. Aber: Für die Kundschaft sei nicht die Ernte zum Eigengebrauch, sondern die Ästhetik interessant. "Unsere Kunden sind angehalten, die Cannabispflanze nicht missbräuchlich zu verwenden", betont Jaud. "Wir beraten ganz klar, wie man die Pflanze zu pflegen hat, damit sie nicht in Blüte geht." Sobald das neue Gesetz in Kraft tritt, rechnet "DrGreen" mit einem Aufblühen des eigenen Geschäfts. "Nachdem wir direkt an der Grenze liegen, freuen wir uns sehr, eine neue Zielgruppe aus Deutschland zu begrüßen", sagt Tom Jaud - denn laut Gesetzesentwurf soll es im Nachbarland für Privatpersonen künftig legal sein, bis zu drei Cannabispflanzen zu besitzen. "Diese Gruppe wird das Produkt nicht nur großziehen, sondern auch ernten dürfen."

Vorbild Deutschland

"Ich bin überzeugt, dass wir in Österreich ein ähnliches Regulierungsmodell wie in Deutschland brauchen", betont Psychiatrie-, Sucht-und Drogenfragenkoordinator Ewald Locher. Jedoch halte er das Vereinsmodell nicht für restlos ideal. "Ich könnte mir für Österreich vorstellen, die Cannabisausgabe im Rahmen von Apotheken abzuwickeln." Zusätzlich fordert Locher ein absolutes Werbeverbot und klare Bestimmungen im Straßenverkehr -zum Beispiel gewisse Grenzmengen im Blut. "Wenn jemand vor drei Tagen geraucht hat, wirkt der Konsum längst nicht mehr beeinträchtigend, ist aber noch im Blut nachweisbar", erklärt Locher.

Zu erwarten sei, dass selbst eine völlige, weitreichende Legalisierung einen Schwarzmarkt nicht vollkommen austrocknen, dafür aber schwächen könne. "In Kanada gingen drei Jahre nach der regulierenden Gesetzgebung fast zwei Drittel ausschließlich den legalen Weg, in Uruguay sind es annähernd 50 Prozent. Natürlich ist das nicht 1:1 umlegbar. Dafür sind die Modelle zu unterschiedlich." Das Ziel gesetzlicher Maßnahmen müsse klar sein: "Konsumierende müssen wissen können, was genau sie in welcher Konzentration zu sich nehmen."

Blütenrausch - Eine Übersicht zur Cannabis Pflanze

Dieser Beitrag erschien ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 36/2023.

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