Nur einem engen Zirkel an Vertrauten rund um René Benko waren die geheimen Vertragswerke mit den verschiedenen Signa-Investoren bekannt. News liegen exklusiv die Vereinbarungen vor. Die meisten Geldgeber wurden mit geheimen Exit-Klauseln ausgestattet. Offenbar glaubte jeder für sich, den „besten“ Deal mit Benko abgeschlossen zu haben. Man wähnte sich in vermeintlicher Sicherheit.
Wir schreiben den 24. März 2023, als die Luft für René Benko und seine Getreuen immer dünner wird. An diesem Tag meldet sich gegen 14:30 Uhr eine Mitarbeiterin der Signa-Haus- und Hof-Steuerberatungskanzlei TPA beim Chef-Controller und einem Mitarbeiter der verschachtelten Firmengruppe mit einer dringenden Nachfrage: „Gibt es mit Ausnahme von Kühne (Anm.: Investor Klaus-Michael Kühne) und Prime Holding sonstige aufrechte Put- bzw Call-Optionen?“ Mit diesen Optionen ist – vereinfacht gesagt – Folgendes gemeint: Wie komme ich als Signa-Aktionär aus diesem Dickicht an Firmen und Verzweigungen wieder raus? Dafür sind Optionen eigentlich eine vorhersehbare und vertraglich vereinbarte Möglichkeit. Sie bieten vermeintlich mehr Sicherheit.
Mann der Tabellen
In der Sekunde spielen die Signa-Manager den Ball weiter an Signa-Vorstand Manuel Pirolt, René Benkos langjährige rechter Hand, der seit jeher intern als „Mann der Zahlen und Tabellen“ gilt. Offenbar entscheidet man sich, den Ball flach zu halten und das Thema lieber noch auszusitzen. Doch die Steuerberaterin bleibt hartnäckig und fasst wenige Wochen später noch einmal nach. Die Antwort fällt kurz und knapp aus: Dieser Punkt liege bei „Manuel (Anm.: Pirolt)“.
Jetzt wird Manuel Pirolt aktiv. Er lässt sich von einem Partner der Signa-Hausund Hof-Anwaltskanzlei, Arnold Rechtsanwälte, eine Übersicht über sämtliche Geheimvereinbarungen übermitteln. Diese Listen bergen Zündstoff. Sie offenbaren ein Sammelsurium an einzelnen Exit-Szenarien für die jeweiligen Investoren. Mit diesen sogenannten Put-Optionen, also dem Recht auf den Verkauf der Aktien zu einem festgelegten Zeitpunkt und einem vertraglich definierten Verkaufspreis, wurden den Investoren offenbar von René Benko ihr Einstieg und ein jahrelanges Investment schmackhaft gemacht.
Dem Vernehmen nach war den einzelnen Investoren weder bewusst noch bekannt, dass fast allen anderen Mit-Aktionären vergleichbare Hintertüren als Einstiegsargument verkauft wurden. Ebendiese Hintertüren sollten es erlauben, zu einem gewissen Zeitpunkt und Preis das jeweilige Investment wieder beenden zu können. Doch die Optionen hatten ihren Preis. In erster Linie für die ausgewählten Gesellschaften im Benko-Reich, die als Vertragspartner für die einstiegswilligen Investoren dienen mussten. Hätte also in der Theorie ein Aktionär der Signa Prime seine Anteile auf diesem Weg abgeben wollen, so hätte sie ihm die Signa Holding oder eine ihrer Zwischengesellschaften zu einem bestimmten Wert abkaufen müssen. Je mehr Aktionäre derartige Vereinbarungen und damit auch kurzfristige Ausstiegsmöglichkeiten besitzen, desto schneller kann ein Unternehmen in Schieflage geraten, wenn mehrere in zeitlicher Nähe ihren Ausstiegswillen bekunden. Intern wie extern.
Geheime Listen
In der Signa-Gruppe wurden damit jedenfalls Risiken geschaffen, die vonseiten der Signa Holding oder teilweise auch von der Familie Benko Privatstiftung übernommen werden mussten. Die News vorliegenden Geheim-Tabellen und Berechnungen zeigen erstmals für die Öffentlichkeit ein Gesamtbild der Einzelabreden zwischen René Benko und seinen Investoren. Sowohl für Investoren des vormaligen Signa-Flaggschiffs Signa Prime als auch für die Entwicklungssparte Signa Development. Bei der Signa Development etwa verfügten Investoren wie Longbow Finance SA, welches das in Genf aussässige Family Office der schwedischen Tetra Pak-Erben repräsentiert, über entsprechende Ausstiegsklauseln.
Auch eine Firma des Schweizer Unternehmers Arthur Eugster wurde mit Optionen ausgestattet. Darüber hinaus wurde mit dem Investment-Vehikel der französischen Peugeot-Familie ein Sonderkündigungsrecht bei bestimmten Gründen vereinbart. Nur zu der Privatstiftung von Bautycoon Hans Peter Haselsteiner finden sich auf dem Geheimdokument keine näheren Angaben. Dem Vernehmen nach soll jedoch auch der 80-jährigelangjährige Benko-Bewunderer über vertragliche Ausstiegsmöglichkeiten verfügt haben.
Arabische Staatsgelder
Die Exit-Verträge wurden nicht nur den Aktionären in der Immobiliensparte gewährt. Auch Anleger der Sport-Sparte namens Signa Sports United (SSU) kamen in den Genuss derartiger Rückkaufoptionen, um ihnen den Ankauf der SSU-Aktien zu erleichtern. Doch nach dem Kollaps der Signa Sports United an der New Yorker Börse stellen diese Verträge für Benko ein ernstes Problem dar. Laut News-Recherchen wurde einer Gesellschaft des arabischen Staatsfonds Mubadala aus dem Emirat Abu Dhabi ein solches Optionsrecht eingeräumt. In diesem Fall aber nicht vonseiten einer Signa-Gesellschaft, sondern der von Benko gestifteten Laura Privatstiftung, seiner privaten Schatzkammer.
Unter dem Dach der Laura Privatstiftung werden zig Zinshäuser in Innsbruck und Ost-Deutschland gebündelt und verwahrt. Und eben dieses Stiftungsvermögen haben nun Anwälte und Privatermittler aus dem Emirat im Visier. Klagen vor internationalen Schiedsgerichten wurden bereits eingebracht. Auch gegen Benko persönlich. Vor Abu Dhabis staatlicher Investmentgesellschaft war bereits der saudische Staatsfonds PIF mit ähnlichen Verträgen bei SSU eingestiegen.
„Genialer Psycho-Trick“
Der mittlerweile tief gefallene Dealmaker Benko sah wohl in diesen vertraulichen Absprachen ein geeignetes Mittel, um neue Geldgeber zu gewinnen und in weiterer Folge bei der Stange zu halten. Er wollte offenbar ein vermeintliches Gefühl der Sicherheit gewähren. Ein früherer Weggefährte von Benko beschreibt den „genialen Psycho-Trick“ gegenüber News mit diesen Worten: „Jeder glaubte, er selbst habe bei Benko den besten Deal bekommen. Jedenfalls besser als der Kollege rechts und links von einem selbst. Und wahrscheinlich hielt man sich in den Gremien auch deshalb mit kritischen Nachfragen zurück. Man wog sich in Sicherheit. Das Einfordern von mehr Transparenz und Übersicht bei Gesellschaft und Aufsichtsratssitzungen wurde hintangestellt.“
Rechtliche Schritte
Doch nicht nur Benko und seine intransparenten Stiftungen sind mittlerweile ins Visier geraten. Raoul Wagner, der als „besonderer Verwalter“ des Insolvenzverwalters der Signa Holding eingesetzt wurde, um Ansprüche gegenüber dem Wirtschaftsprüfer der Signa Holding zu prüfen, hat in einer Klage gegen das Prüfungsunternehmen BDO auf die Thematik mit den Optionsrechten bereits Bezug genommen. Dort wird unter Verweis auf die Frage der Refinanzierung deutlich festgehalten, dass die Signa Holding keine Finanzierungsmöglichkeit „bei fällig werdenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere den allen Investoren eingeräumten Rückkaufsoptionen (‚Put-Optionen‘) hatte. Schließlich war die SIGNA Holding GmbH insbesondere nie in der Lage, jene Rückkaufoptionen auch nur ansatzweise zu bedienen, wenn sie ausgeübt wurden bzw worden wären.“
Die Wirtschaftsprüfungskanzlei BDO wollte sich dazu mit Verweis auf berufliche Verschwiegenheitspflichten nicht äußern.
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 34/2024 erschienen.