Nach den News-Enthüllungen rund um das Geheimprojekt „Tango“ nehmen die deutsche Finanzmarktaufsicht BaFin und die Staatsanwaltschaft Tübingen die diskreten Aktivitäten von René Benko mit dem Vorstandschef von Hugo Boss, Daniel Grieder, aus dem Jahr 2023 genauer unter die Lupe. Nun bringen neue Recherchen weitere brisante Details ans Licht
In der vergangenen Woche hat News erstmals Details zum Geheimprojekt „Tango“ enthüllt: Daniel Grieder, Vorstandschef der deutschen Hugo Boss AG, und René Benko, Mastermind der inzwischen finanzmaroden Signa-Gruppe, haben im ersten Halbjahr 2023 im Verborgenen an der Gründung einer gemeinsamen Investmentgesellschaft gearbeitet.
Im Zentrum der brisanten Causa steht eine E-Mail vom 26. März 2023, die Grieder an einem Sonntag von seiner privaten E-Mail-Adresse an den Tiroler Immo-Jongleur verschickte. Im Anhang befand sich eine Investoren-Präsentation mit Details zur geplanten Struktur.
In der Nachricht schrieb Grieder an den „lieben Rene“ unter anderem: „Wie erwähnt, müssen wir schnell umsetzen, da ich am 12. Juni, am Investor Day, die erweiterte Strategie verkünden werde. D.h. statt 4 Mia 5 Mia Umsatz sowie 12% EBIT bis 2025. Dies wird den Aktienkurs extrem hochtreiben, denke ich. Passt dies? Lieber Gruss, Daniel.“
Unter der Lupe
Genau diese Zeilen haben nun offenbar die deutschen Behörden auf den Plan gerufen. Nach Informationen des deutschen „Handelsblatts“, die auf den News-Recherchen basieren, hat die Finanzmarktaufsicht BaFin eine Vorprüfung eingeleitet. Im Artikel heißt es: „Die Ermittler dürften mögliche Verstöße gegen das Verbot von Insidergeschäften oder die unrechtmäßige Offenlegung von Insiderinformationen in den Blick nehmen.“ Das deutsche Wirtschaftsmedium streicht zudem hervor, dass der Kurs der Hugo-Boss-Aktie zwischen dem Hinweis an Benko und dem Investorentag – also binnen zweieinhalb Monaten – von 59 Euro auf 69 Euro pro Anteil gestiegen sei.
Doch auch Strafverfolgungsbehörden interessieren sich mittlerweile für die Vorgänge um Grieder und Benko, die seit Jahren miteinander befreundet sind. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Tübingen teilte dem „Handelsblatt“ mit, man prüfe, ob die „vorliegenden Erkenntnisse einen strafrechtlichen Anfangsverdacht begründen, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde“.
Aktienkurs unter Druck
Die mit den Recherchen ausgelöste mediale Debatte um Grieder und dessen Pläne mit Benko, die in zahlreichen Medien bis hin zur „NZZ“ aufgegriffen wurden, setzte die Hugo-Boss-Aktie in den letzten Tagen erheblich unter Druck. Vor Bekanntwerden der Berichte lag der Kurs noch bei etwa 38 Euro, Anfang Dezember notierte er lediglich bei rund 32 Euro.
Laut der Schweizer „Handelszeitung“ sehen Analysten die anhaltende Unsicherheit als Belastungsfaktor für die Boss-Aktie. Solange keine endgültige Klarheit in der Angelegenheit herrscht, dürfte das Papier weiter unter Druck bleiben, erklärte ein Analyst einer deutschen Bank gegenüber dem Schweizer Blatt. Bemerkenswert erscheint aus Sicht der Investoren zudem: Alle Kursgewinne, die seit dem Amtsantritt von Daniel Grieder erzielt wurden, sind mittlerweile vollständig verpufft.
Brisantes Treffen
War das streng vertrauliche, von Grieders privater Mail-Adresse verschickte Projekt „Tango“ tatsächlich nur eine vorübergehende Idee, die aufgrund der Liquiditätsengpässe von Benkos Signa-Gruppe dann im Sommer 2023 nicht mehr weiterverfolgt werden konnte, wie es die Boss-Führung heute glaubhaft machen will? Oder steckt am Ende doch eine Masterplan dahinter, der eine längere Vorbereitungszeit in Anspruch nahm, ehe der Boss-Chef Ende März 2023 im Begleittext seiner E-Mail Insiderinformationen zu seiner Strategie preisgab?
Recherchen von News und „Krone“ erhellen nun erstmals, dass es bereits ein knappes Jahr vor Grieders verhängnisvoller Mail an Benko Gedankenspiele gab. Im Mai 2022 kam es nämlich zu einem bemerkenswerten Treffen. Zwischen René Benko und Daniel Grieder. Laut einem Eintrag im Kalender des Tiroler Finanzjongleurs war für den 16. Mai 2022 ein Treffen in der 86-Millionen-Euro teuren Südstaaten-Villa im Innsbrucker Stadtteil Igls geplant. Ein gemeinsames Abendessen. Dabei dürfte Grieder dem Spekulanten Benko erste Pläne zu möglichen Deals mit der Signa-Gruppe präsentiert haben. Denn bereits einen Tag später, zur Mittagszeit, übermittelte Grieder von seiner privaten Mail-Adresse eine vertrauliche Nachricht an den „lieben Rene“: „War schön Dich kurz zu sehen. Anbei die Präsentation wie besprochen. Wie gesagt diese ist jetzt erst mal vom digitalen Powerbrand Plattform Gedanken aufgezogen. Jetzt müssten wir diese noch in Dein Konstrukt legen. Wenn Du mir Deine Präsentation auch schickst, mache ich Dir einen Vorschlag wie dies aussehen könnte.“
„Project BXG“
Im Anhang befand sich auch damals eine umfangreiche Präsentation. Auf knapp 30 Seiten fand sich unter dem Projektnamen „BXG“ nicht nur ein Vorschlag für eine mögliche gemeinsame Struktur, sondern auch eine mit damals noch vielen Allgemeinplätzen gespickte Beschreibung von Grieders Plänen: „The creation of the worlds leading premium apparel omnichannel & digital platform“. Heißt so viel wie: der Aufbau einer weltweit führenden Digitalplattform für Bekleidung im Premiumsegment.
Erstellt wurde die Präsentation offenbar von Daniel Grieder persönlich. Zumindest wird er namentlich gleich auf der ersten Seite erwähnt. Sein Arbeitgeber, die Hugo Boss AG, spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle in seinen vertraulichen Visionen. Schlicht unter dem Dach des „BXG“-Leadership-Teams findet sich Hugo Boss wieder.
Ebenso bemerkenswert erscheint an Grieders Plänen: Dem Ganzen übergeordnet war nur noch die „Signa Group“. Also Benko, der faktische Machthaber.
Man darf gespannt sein, ob ausnahmslos alle Aufsichtsräte der börsennotierten Hugo Boss AG auch von diesen Plänen immer schon Kenntnis gehabt haben wollen.
Anmerkung: Aktuellen Informationen zufolge hält der Hugo-Boss-Aufsichtsrat an Vorstandschef Grieder fest und sieht kein Fehlverhalten.
Der Verdacht einer "Verletzung von insiderrechtlichen Vorschriften" sei unberechtigt, teilte der MDAX-Konzern am Mittwoch in Metzingen als Reaktion auf Vorwürfe der vergangenen Tage mit. Der Aufsichtsrat habe daher Grieder sein Vertrauen ausgesprochen.
Der Aufsichtsrat hatte sich in zwei Sitzungen am vergangenen Donnerstag und diesen Mittwoch mit der Thematik befasst und eine externe rechtliche Analyse eingeholt.
An der Börse zog die Hugo-Boss-Aktie daraufhin um drei Prozent an, nachdem der Kurs in den vergangenen Tagen deutlich unter Druck geraten war und zeitweise zweistellig verloren hatte.
Zuvor hatten "Kronen-Zeitung" und "News" über einen angeblichen Geheimplan von Grieder und dem Unternehmer René Benko berichtet. So sollte laut den beiden Medien Einfluss auf das Unternehmen genommen werden. Die Hugo-Boss-Pressestelle bestätigte vergangene Woche "Ideen" in diese Richtung, es habe sich aber um keine "geheimen Pläne" gehandelt. (APA/dpa-AFX/pro-cs)
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 49/2024 erschienen.