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Aurelius winkt dem Presserat

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Medien & Menschen - Aurelius winkt dem Presserat
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Wenn die „Krone“ als einzige Tageszeitung, die kein Mitglied des Presserats ist, einen Fall für diesen sieht, wirkt das als Wink mit dem Zaunpfahl. Er gilt weniger dem Anlass „Standard“ als der gesamten zwischen Boulevard und Qualität trudelnden Branche

Noch ist es kein Ceterum censeo im Sinne von Cato, dem bevorzugten Pseudonym von Hans Dichand. Doch auch Aurelius, Zweit-Alias des 2010 gestorbenen „Krone“-Neugründers, wird selten genug wiederbelebt, um weiterhin gewichtig zu wirken. Sohn Christoph Dichand, 12,5-Prozent-Gesellschafter, Herausgeber und Chefredakteur, hat nach Pfingsten einen Kommentar so gezeichnet. Er greift darin frontal die Berichterstattung des „Standard“ zur grünen Europawahl-Spitzenkandidatin Lena Schilling an: „Wäre es nicht ein lachsrotes Blatt, das hier alles verbreitet, hätten wir schon längst das Wort ,Kampagnen-Journalismus‘ vernommen.“ Fazit: „Eigentlich wäre das ein Fall für den Presserat!“

Dabei verblüfft nicht die Parteinahme für die ehemalige „Krone“-Kolumnistin Schilling und der Angriff auf den „Standard“ sondern die Schlussfolgerung mit dem Presserat. Denn Österreichs meistgelesene Tageszeitung ist als einzige der zwölf verbliebenen Vertreter ihrer Medienart kein Mitglied dieses Vereins zur freiwilligen Selbstkontrolle, der von den wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbänden getragen wird. Doch sie wurde von ihm am öftesten wegen Verstößen gegen ethische Regeln gemahnt. So wie in Richtung Austria Presse Agentur (APA), der sie ebenfalls als einziges „Daily“ fehlt, nähert sich die „Krone“ aber seit Jahren auch dem Presserat vorsichtig an. Ihre Oberösterreich-Chefredakteurin Alexandra Halouska ist Mitglied in seinem Senat 2 – so wie Hans Rauscher vom „Standard“ und Andreas Koller von den „Salzburger Nachrichten“, der dessen Vorgangsweise zu Schilling kritisiert. Ein Verfahren dazu hat aber der Senat 1 des Presserats eingeleitet: „Im Rahmen der Verhandlung soll u. a. über das öffentliche Informationsinteresse an dem Bericht und die anonymen Zitierungen diskutiert werden.“

Vorsitzende dieses Gremiums ist Ex-Justizministerin Maria Berger. Neben dem einstigen „Heute“-Chefredakteur Christian Nusser sind Digital-Expertin Ingrid Brodnig und Wirtschaftsjournalistin Renate Graber vom „Standard“ die bekanntesten Namen der elfköpfigen Gruppe. Ihre Beurteilung des Falls ist zukunftsweisender als bisherige Entscheidungen des Presserats. Denn die Branche war selten so uneins, und sie steht an einer Weggabelung. Die Affäre Schilling und ihre Aufdeckung durch den „Standard“ sind Stellvertreter für die Herausforderung des Journalismus durch Digitalisierung und Social Media.

Beobachter aus Politik und NGOs orten aufgrund der neuen Rahmenbedingungen bereits den Zwang oder zumindest Hang zur Boulevardisierung auch jener Medien, die sich der Qualität verschreiben. Die differenzierte Schilling-Behandlung via Papier- und Online-„Standard“ ist ein Indiz dafür. Der „Krone“-Kommentar des Aurelius verweist aber auch auf eine Annäherung von der anderen Seite. Was ohnehin oft viel zu einschichtig als Boulevard abgetan wurde, will nicht im neuen digitalen Schmuddeleck stehen.

So wird die Auffassung des Presserats im Fall Schilling zu einer Standortbestimmung, wo Journalismus sich treffen kann, der sich bisher nahezu unversöhnlich gegenüberstand. Denn letztlich geht es um die klare Abgrenzung zu öffentlicher Entblößung ohne gesellschaftliche Relevanz, Behauptung auf mangelhafter Faktengrundlage, einem digitalen Babylon von Meinungsmache und Polarisierung. Anonymität und Anonymisierung spielen eine mitentscheidende Rolle bei dieser Grenzziehung.

Eine deutliche Demarkationslinie ist umso notwendiger, als die Propaganda-Konkurrenz aufrüstet: Die konservative bis rechte Online-Plattform „eXXpress“ ist ihr erfolgreichster Vertreter. Sie wird vor allem von Eva Schütz finanziert, die einst im Finanzministerium als Stellvertreterin von Kabinettschef Thomas Schmid fungierte. Ihr Mann, ein reicher Investor, war Großspender für den Wahlkampf von Sebastian Kurz. Schütz holte sich für ihren Medien-Umstieg Richard Schmitt, den spätestens seit seinem Lob durch Heinz-Christian Strache im Ibiza-Video wohl berüchtigsten Boulevardmacher des Landes. Er war zuvor schon bei „Heute“, „Krone“, „Österreich“ und verließ im Jänner 2024 auch den „eXXpress“.

Wenig später wurde ein Millionenverlust bekannt. Doch Schütz, nun Geschäftsführerin, Herausgeberin und Chefredakteurin, verstärkt sogar ihre Ambitionen. Soeben hat das Unternehmen hinter dem Berliner Digitalportal „NiUS“ um den früheren „Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt 25 Prozent des „eXXpress“ übernommen. Die deutsche Plattform wurde hierzulande durch ihre Kampagne gegen die Vizechefin der „Süddeutschen Zeitung“ und frühere „Standard“-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid bekannt. Gründer von „NiUS“ ist der CDU-nahe Milliardär Frank Gotthardt.

Während derart kapitalkräftige neue Mitspieler ins Meinungsmacher-Geschäft drängen, schnüren die etablierten Medien Sparpakete. Gleich nach dem Aurelius-Kommentar wurde bekannt, dass die „Krone“ 40 Stellen abbaut – wie zuvor schon der „Kurier“. Das gemeinsame Unternehmen Mediaprint verbucht 23,7 Millionen Euro Jahresverlust. Wirtschaftliche Not ist ein Turbo fürs Zusammenrücken der Branche. Nur gemeinsame redaktionelle Standards in Wieder- oder Neudefinition machen sie verteidigungsfähig gegen existenzielle Infragestellung. Der Unterschied von Journalismus zum Rest muss deutlicher werden.

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