Uraufführung: Mareike Fallwickl nützt Sisi als Projektionsfläche für feministische Proklamationen
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Schon länger wollten sich Stefanie Reinsperger und die deutsche Regisseurin Fritzi Wartenberg mit Kaiserin Elisabeth auseinandersetzen. Eine Produktion für das Vestibül schwebte ihnen vor, mit der sie sich langsam auf die große Bühne im Burgtheater vorarbeiten wollten, blickt Stefanie Reinsperger im News-Interview auf die Ursprünge ihres jüngsten Triumphs in Wien zurück. An der „Burg“ aber hatte man das Potenzial der Konstellation Reinsperger und Sisi erkannt. Mareike Fallwickl, Autorin feministischer Romane wie „Die Wut, die bleibt“, wurde mit dem Text beauftragt.
Die gebürtige Linzerin schrieb einen Monolog. Darin blickt Kaiserin Elisabeth auf ihr Leben, auf die Geschichte des Feminismus und auf Verbrechen, die an Frauen begangen wurden, zurück. Das klingt nicht nur nach viel, das ist es auch, in manchen Passagen sogar zu viel. Wartenberg schafft dafür mit Reinsperger eindrückliche Bilder. Die musikalischen Einwürfe, die die Musikerinnen Lilian Kaufmann und Elena Ulrich produzieren, muss man mögen.
Spiel mit Klischees
In schwarzer Robe tritt Elisabeth auf. Jessica Rockstroh hat ihr ein eindrucksvolles Ambiente gefertigt. Goldene Wände und gigantische Spiegel auf der Vorderbühne markieren den begrenzten Spielraum dieser Frau. Wenn Stefanie Reinsperger die angeblich letzten Worte der Kaiserin spricht, verleiht sie diesen einen mehrfach deutbaren Sinn. „Was ist nur mit mir geschehen?“ Dieser Satz ließe sich auf die Ermordung der Kaiserin 1898 ummünzen, auf den Umgang mit der historischen Figur zu Lebzeiten und weit über ihren Tod hinaus bis in die Gegenwart. Fallwickl spielt mit Klischees. Sie bekennt sich in ihrem Text dazu, dass auch sie diese Figur für ihre Zwecke nützt, nämlich auf das Unrecht hinzuweisen, das über die Zeiten Frauen angetan wird. Bedauerlich, dass dieser Plan nicht durchwegs aufgeht. Der Text in „zehn Exerzierübungen“ unterteilt. Erzählt wird von der Ausbeutung einer Frau, das aber wird immer wieder relativiert. Etwa, wenn Elisabeth ihre kostspieligen Reisen schildert, räumt sie ein, dass sie ihre diese nur unternehmen konnte, weil sie Kaiserin war. Deshalb werden auch ihre Gedichte heute noch wahrgenommen.


Lilian Kaufmann, Elena Ulrich (beide im Hintergrund) und Stefanie Reinsperger
© Tommy Hetzel/BurgtheaterStarke Bilder
Es ist sehr verdienstvoll, dass der Text an Karoline von Perin, eine der Pionierinnen der Frauenrechtsbewegung, erinnert. Aber das wirkt so willkürlich wie vieles in dem Text. Perin etwa war bereits 1848 zu Zeiten der Revolution aktiv, als Elisabeth erst elf war. Was aber der Fall Pelicot, jener Französin, die jahrelang von ihrem Mann betäubt worden ist, damit sie andere Männer missbrauchen können, mit der 15-jährigen Elisabeth zu tun hat, die sich in den Kaiser von Österreich verliebt, erschließt der Text nicht. Fallwickl holt in ihrem Sammelsurium bis zur amerikanischen Bürgerrechtsbewegung aus. Wenn es im Text heißt, "Elisabeth, überlagert von tausend Schichten", klingt das wie ein Kommentar zum Stück.
Dass man Fallwickls Exkursen folgt, liegt an Stefanie Reinsperger. Sie verwandelt sich eindrücklich in die historische Figur, wenn sie wie Elisabeth von den Winterhalter-Porträts auf ihr Publikum blickt. Wirksam spielt sie mit ihrer Stimme, changiert zwischen derb und nobel. Sie ist diese kokette junge Fünfzehnjährige, die sich in den österreichischen Kaiser verliebt und sie berührt als einsame Frau, die Zuflucht in ihren Gedichten sucht. Ihr einziger Partner ist ein weiches, lebensgroßes Stoffpferd. Eine Art alter Ego, das wie sie ausgebeutet wird. Dieses ermöglicht starke Bilder am Ende. Etwa, wenn Reinsperger dem Stofftier Gurte umschnallt, wie sie man sie von Tiertransporten kennt. Mit hängendem Haupt und Hufen wird das schlappe Tier hochgezogen wie Schlachtvieh auf einen Schiffscontainer, ein eindrückliches Sinnbild dafür, wie ein edles Wesen gebrochen wird.
Die letzten Sätze klingen wie ein Schlussplädoyer, eine Aufforderung an Frauen, sich Raum zu verschaffen. Reinsperger versetzte das Publikum damit in Euphorie.